Das Verkehrslexikon

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Kammergericht Berlin Beschluss vom 20.03.2018 - 3 Ws (B) 90/18 - 162 Ss 39/18 - Indizwirkung einer Voreintragung im Fahreignungsregister

KG Berlin v. 20.03.2018: Indizwirkung einer Voreintragung im Fahreignungsregister


Das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 20.03.2018 - 3 Ws (B) 90/18 - 162 Ss 39/18) hat entschieden:

   Dass eine Voreintragung im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV "fast zwei Jahre zurückliegt", entkräftet die Indizwirkung nicht und kann für sich allein betrachtet keinen Anlass geben, vom Fahrverbot abzusehen.


Siehe auch
Absehen vom Fahrverbot nach langer Zeit seit der Tat
und
Absehen vom Fahrverbot


Gründe:


Der Polizeipräsident in Berlin hat mit Bußgeldbescheid vom 22. März 2017 gegen den durch drei Bußgeldahndungen vorbelasteten Betroffenen wegen einer am 29. November 2016 innerörtlich begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung um 27 km/h (erlaubt 30 km/h) eine Geldbuße von 175 Euro festgesetzt und auf der Grundlage von § 4 Abs. 2 BKatV ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet. Zugleich ist bestimmt worden, dass das Fahrverbot nach § 25 Abs. 2a StVG wirksam werden soll. Die Vorahndungen haben einen Rotlichtverstoß sowie zwei Geschwindigkeitsüberschreitungen betroffen. Dem letzten Bußgeldbescheid hat eine außerhalb geschlossener Ortschaft begangene Überschreitung um 33 km/h zugrunde gelegen, der Bußgeldbescheid ist am 4. Mai 2016 rechtskräftig geworden. Auf seinen auf die Rechtsfolgen beschränkten Einspruch hat das Amtsgericht den betroffenen Rechtsanwalt zu einer Geldbuße von 350 Euro verurteilt und von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen. Hiergegen richtet sich die ihrerseits auf die Rechtsfolgen beschränkte Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft. Sie hat mit der Sachrüge Erfolg.




Das Amtsgericht hat die Indizwirkung des § 4 Abs. 2 BKatV nicht beachtet. Nach dessen auch von den Gerichten zu beachtender Vorbewertung ist eine beharrliche Pflichtverletzung im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG bei der hier abgeurteilten Verkehrsordnungswidrigkeit indiziert, so dass sie regelmäßig zur Anordnung eines Fahrverbots als Denkzettel und Besinnungsmaßnahme Anlass gibt (BGHSt 38, 125 und 231; BayObLG VRS 104, 437; ständige Rspr. des Senats). Diese Bindung der Sanktionspraxis dient der Gleichbehandlung der Verkehrsteilnehmer und der Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit der durch bestimmte Verkehrsverstöße ausgelösten Rechtsfolgen (BVerfG NZV 1996, 284 [BVerfG 24.03.1996 - 2 BvR 616/91]). Zwar gilt die Vorbewertung des Verordnungsgebers, die in § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV bezeichnete Ordnungswidrigkeit sei in der Regel durch ein Fahrverbot zu ahnden, nicht uneingeschränkt. Denn die Frage, ob die Würdigung der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen besondere Umstände ergibt, nach denen es ausnahmsweise der Warn- und Denkzettelfunktion eines Fahrverbots im Einzelfall nicht bedarf, liegt grundsätzlich im Verantwortungsbereich des Tatrichters. Seine Entscheidung kann vom Rechtsbeschwerdegericht deshalb nur daraufhin überprüft werden, ob er sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat, weil er die anzuwendenden Rechtsbegriffe verkannt, die Grenzen des Ermessens durch unzulässige Erwägungen überschritten und sich nicht nach den Grundsätzen und Wertmaßstäben des Gesetzes gerichtet hat (vgl. etwa OLG Bamberg VerkMitt 2017, Nr. 3 [Volltext bei juris]).




Das Amtsgericht hat seine Entscheidung, kein Fahrverbot zu verhängen, ausschließlich damit begründet, dass das Fahrverbot im Bußgeldbescheid "nicht wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung an sich, sondern wegen der letzten Voreintragung im Fahreignungsregister angeordnet wurde, deren Rechtskraft nunmehr fast zwei Jahre zurückliegt".

In der Sache hat das Tatgericht damit bestätigt, dass der vom Verordnungsgeber für die Verhängung des Fahrverbots beschriebene Regelfall gerade vorliegt. Dass die Indizwirkung der BKatV hierdurch nicht entkräftet wird, versteht sich von selbst.

Da eine Wechselwirkung zwischen der (hier unterbliebenen) Fahrverbotsanordnung und der Bemessung der Geldbuße besteht, war das Urteil im Rechtsfolgenausspruch insgesamt mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

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