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Landgericht Bad Kreuznach (Urteil vom 09.03.2018 - 2 O 112/17 - Privatgutachtens als qualifizierter Parteivortrag

LG Bad Kreuznach v. 09.03.2018: Privatgutachtens als qualifizierter Parteivortrag


Das Landgericht Bad Kreuznach (Urteil vom 09.03.2018 - 2 O 112/17) hat entschieden:

   Ein Privatgutachten darf als qualifizierter Parteivortrag verwertet werden und kann eine eigene Beweisaufnahme des Gerichts entbehrlich machen, wenn die Beweisfrage allein schon auf Grund dieses substantiierten Parteivortrags zuverlässig beantwortet werden kann.


Siehe auch
Die Beweiswürdigung in Zivilsachen
und
Stichwörter zum Thema Sachverständigen-Gutachten


Tatbestand:


Der Kläger verlangt als Eigentümer und Halter eines Audi A 6 von den Beklagten den Ersatz von Sachschäden an seinem Fahrzeug.

Am 11.07.2016 fuhren der Kläger und seine Lebensgefährtin, die … mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug auf dem Parkplatz vor der Möbel Fundgrube in Bad Kreuznach. Sie stellten das Fahrzeug auf dem Parkplatz ab und gingen sodann in das Möbelhaus, um dort Einkäufe zu besorgen. Das Fahrzeug soll während dieser Zeit nach seinem Vortrag von dem bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversicherten Pritschenwagen, dessen Fahrer der Beklagte zu 1. war, beschädigt worden sein.

Nach einem von dem Kläger anschließend eingeholten Sachverständigengutachten des Ingenieurbüros … vom 14.07.2016 sind an dem Fahrzeug Schäden zu einem Gesamtbetrag von 10.064,43 EUR zu verzeichnen.

Die Beklagte zu 2. hat eine Erstattung und Regulierung dieser Schäden abgelehnt.




Der Kläger trägt vor:

Sämtliche in dem … festgestellten Schäden seien auf das Unfallereignis zurückzuführen. Das Fahrzeug sei vor dem geschilderten Ereignis ohne Sachschäden gewesen. Auch in dem Gutachten … sei festgehalten worden, dass an dem Fahrzeug keine Vorschäden vor dem Ereignis bestanden hätten. Wie sich das Schadensereignis ereignet habe, sei ihm naturgemäß nicht bekannt, so dass er hierzu keine Angaben machen könne.

Der Kläger beantragt,

   die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn einen Betrag von 10.064,43 EUR sowie anwaltliche Gebühren in Höhe von 961,76 EUR nebst jeweiligen Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.02.2017 zu zahlen.

Die Beklagte zu 2. beantragt, insoweit auch als Nebenintervenientin für den anwaltlich nicht vertretenen Beklagten zu 1.,

   die Klage abzuweisen.

Die Beklagten zu 2. trägt vor:

Der behauptete Verkehrsunfall habe so nicht stattgefunden. Es handele sich vielmehr um ein manipuliertes Unfallgeschehen. In der von dem Kläger geschilderten Weise könne das Unfallereignis nach dem von ihr eingeholten Gutachten der … vom 26.10.2017 jedenfalls nicht stattgefunden haben. Bereits nach der Konstellation der unfallbeteiligten Fahrzeuge sowie der Charakteristika der Schadensspuren, die typischerweise für bewusst gesetzte Vandalismusschäden sprächen, lägen genügend Indizien dafür vor, dass das Ereignis nicht auf einen Verkehrsunfall zurückzuführen sei.

Auch wenn man davon ausgehe, dass keine Unfallmanipulation vorgelegen habe, sei der Anspruch bereits deshalb nicht begründet, weil nicht sämtliche geltend gemachten Schäden auf das behauptete Ereignis zurückgeführt werden könnten.

Auf den Inhalt des vorgerichtlich seitens der Beklagten zu 2. eingeholten Gutachtens der … vom 26.02.2017 (Anlage B 4) wird Bezug genommen.




Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen … sowie … und ferner durch die Vernehmung des Beklagten zu 1. als Partei. Auf die Vernehmung des von dem Kläger weiter benannten Zeugen … haben die Parteien – nachdem diese die Aussage verweigert hat - verzichtet.

Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme im Protokoll des Verhandlungstermins vom 16.01.2018 wird Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:


Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagten gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 VVG auf Erstattung des geltend gemachten Schadenersatzes. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und der durchgeführten Beweisaufnahme kann das Gericht nicht feststellen, dass der geltend gemachte Schaden auf einen Verkehrs Unfall – wie von dem Kläger behauptet - zurückzuführen ist.

Als Anspruchssteller hat der Kläger zunächst darzulegen und nach dem Bestreiten durch die Beklagten auch zu beweisen, dass der von ihm behauptete Unfall stattgefunden hat und hierdurch der von ihm behauptete Schaden am Fahrzeug verursacht wurde. Die Beklagte zu 2. hat als Haftpflichtversicherer unter Zuhilfenahme des von ihr in Auftrag gegebenen Gutachtens der … das Unfallereignis und die Ursächlichkeit des behaupteten Unfallereignisses und der geltend gemachten Schäden substantiiert bestritten. Danach bleibt es bei der vollen Darlegungs- und Beweislast des Klägers als Anspruchsteller für den objektiven Tatbestand der Rechtsgutverletzung, mithin den behaupteten Unfall und die Ursächlichkeit des geltend gemachten Schadens. Die Frage des Nachweises einer Verabredung des Unfalles stellt sich nicht, solange nicht der objektive Tatbestand und der Ursachenzusammenhang zur Überzeugung des Gerichts feststehen.

Zwar verkennt das Gericht nicht, dass der Kläger nach seiner Schilderung der Ereignisse nicht bei dem behaupteten Schadensgeschehen dabeigewesen sein will, den behaupteten Zusammenstoß also nicht selbst beobachtet hat. Dies befreit ihn allerdings nicht davon, dem erheblichen Gegenvortrag der Beklagten zu 2. substantiiert entgegenzutreten. Dies hat der Kläger nicht getan. Die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens ist bereits nach dem Ergebnis der Vernehmung der von ihm benannten Zeugen nicht veranlasst.

Die Beklagte zu 2. hat zu dem behaupteten Unfallereignis und der behaupteten Verursachung der geltend gemachten Schäden ein außergerichtliches Sachverständigengutachten der … vom 26.10.2017 (Anlage B 4) eingeholt. In dem Gutachten ist die Fotoanlage zu dem von dem Kläger eingeholten Schadensgutachten des Ingenieurbüros … vom 14.07.2016 eingefügt. Auf die Ausführungen des Sachverständigen … in dem Gutachten der … vom 26.10.2017 (Anlage B 4) wird Bezug genommen. Nach den Ausführungen des Gutachters sind die dargestellten Beschädigungen am streitgegenständlichen Fahrzeug des Klägers zwar grundsätzlich kompatibel zu einem Kontakt mit einem Fahrzeug Fiat Ducato Pritschen-​LKW, wie er von dem Beklagten zu 1. gefahren worden ist. Die Verursachung der Schäden durch ein einmaliges Schadensereignis - wie von dem Kläger behauptet - ist jedoch nach der Auswertung durch den Sachverständigen nicht plausibel. Bereits aus den zugehörigen Lichtbildern geht hervor, dass das klägerische Fahrzeug neben einer Eindellung am hinteren Seitenteil mehrere lange Kratzspuren aufweist. So zeigt das Schadensbild kreuzende Kratzspuren an der Fahrertür sowie am Seitenteil und im Seitenteilbereich hinten links. Wie der Sachverständige nachvollziehbar und ausführlich begründet darlegt, treten solche kreuzende Spuren nur auf, wenn zwei Fahrzeuge mehrmals in Kontakt gebracht werden. Wörtlich erklärt der Sachverständige „die Spuren kreuzen sich daraufhin, weil niemals exakt an der gleichen Stelle getroffen wird. Somit deuten kreuzende Spuren darauf hin, dass hier nicht nur ein Unfallereignis stattgefunden hat, sondern mehrere“. Die Anstreifrichtung der Kreuzspuren zeige eine Spur, die von hinten nach vorn ausgeführt worden sei. Dies könne nach dem Sachverständigen anhand des nach vorne umgebördelten Kniestücks rekonstruiert werden. Zugleich zeigt das geschädigte Fahrzeug jedoch eine Spur, die einen Anstoß von vorne nach hinten belegt (Bild 15). Dies bedeutet nach den Ausführungen des Sachverständigen, dass der Audi Spuren mit „unterschiedlicher Anstreifrichtung“ zeigt, die aus technischer Sicht nur mit mehrfachen unterschiedlichen Anstoßen erklärt werden kann. Die Kollisionsgeschwindigkeit bei der Verursachung der Kratzschäden bemisst der Sachverständige mit zirka 2 km/h. Allein diese äußerst geringe Fahrgeschwindigkeit hätte bei einem unfreiwilligen Anstoß des gegnerischen Fahrzeugs an das Fahrzeug des Klägers zu einem sofortigen Abbruch des Rückwärtsfahrvorgangs führen müssen, bevor sich eine weitere derart lange Kratzschädigung des klägerischen Fahrzeugs eingestellt hätte. Der Sachverständige schließt hieraus zwanglos, dass die vorliegenden Schäden nicht "aus dem Verkehrsfluss heraus entstanden sein können".


Das Ergebnis des vorgerichtlichen Gutachters deckt sich mit dem augenfälligen Eindruck von den Unfallschäden, die auf den vorgelegten Lichtbildern erkennbar sind. Danach ist auch für einen Laien ohne Weiteres erkennbar, dass die ausgedehnten Kratzspuren nicht mit einem rückwärtsfahrenden, einmaligen Anstoßen des gegnerischen Fahrzeugs in Einklang zu bringen sind, sondern aus einem gesonderten weiteren Schadensereignis stammen müssen. Ebenfalls ohne Weiteres einleuchtend ist, dass der Zusammenstoß bei einer derart geringfügigen Fahrgeschwindigkeit und zudem bei einem ungewollten Schadensereignis zu einem sofortigen Anhalten des Unfallgegners geführt hätte, eine weitere vertiefende Schadensverursachung wäre danach nicht eingetreten.

Diesem qualifizierten Parteivortrag der Beklagten zu 2. ist der Kläger nicht erheblich entgegengetreten.

Nach der Rechtsprechung darf ein Privatgutachten als qualifizierter Parteivortrag verwertet werden und kann eine eigene Beweisaufnahme des Gerichts entbehrlich machen, wenn die Beweisfrage alleine schon aufgrund dieses substantiierten Parteivortrags zuverlässig beantwortet werden kann (vgl. OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 24.03.2015, Az.: I-​21 U 137/14, zitiert nach Juris; OLG Karlsruhe, MDR 1989, 1109; OLG Köln, NJW-​RR 1995, 546). Auf die beabsichtigte Verwertung des vorgerichtlichen Sachverständigengutachtens hat das Gericht insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 08.12.2017 hingewiesen.

Der Kläger ist dem qualifizierten Parteivortrag der Beklagtenseite nicht erheblich entgegengetreten. Das Ergebnis der Zeugenvernehmung belegt die behauptete Verursachung der geltend gemachten Schäden durch ein unfallfreiwilliges Schadensereignis nicht.

Zwar bekundete die Zeugin … dass sie die Schäden an dem Fahrzeug gesehen habe, als sie aus dem Möbelgeschäft herausgekommen sei, die Schäden seien „neu aufgetreten“. Weitere Bekundungen konnte die Zeugin zu dem Ablauf des Geschehens jedoch nicht tätigen. Ihrer Aussage lässt sich zudem im Ergebnis nicht in Übereinstimmung bringen mit der Bekundung des weiter von dem Kläger benannten Zeugen … sowie dem der Aussage des als Partei vernommenen Beklagten zu 1.. Danach ist der Beklagte zu 1. mit seinem Fahrzeug zunächst vorgefahren, um dann rückwärts neben dem Fahrzeug des Klägers, das mit der „Schnauze nach vorne „ gestanden habe, einzuparken. Nach der Bekundung des Zeugen … sei er dann bei der Rückwärtsfahrt mit der hinteren Seitentür des klägerischen Fahrzeugs zusammengestoßen. Den Aufprall habe er gehört. Der Beklagte zu 1. habe dann sein Fahrzeug auch direkt angehalten. Sie seien ausgestiegen und hätten sich die Schadstellen angesehen. Er habe dann gesehen, dass das Fahrzeug des Klägers an der Tür hinter der Fahrertür „verdrückt“ gewesen sei. Weitere Schäden habe er - auch nach wiederholtem Befragen durch das Gericht - nicht gesehen. Wie die Kratzspuren bei dem Zusammenstoß entstanden sein sollen, dazu konnte der Zeuge keine Aussage machen. Auf Nachfrage bestätigte er vielmehr nochmals, dass der Zusammenstoß lediglich zu dem eingedrückten Schaden geführt habe. Der Beklagte zu 1. habe sein Fahrzeug sofort angehalten.

Der anwaltlich nicht vertretene Beklagte zu 1. ist auf Antrag des Klägers als Partei vernommen worden. Auch er sagte aus, dass er mit seinem Fahrzeug beim Zurücksetzen zum Einparken mit dem Fahrzeug des Klägers kollidiert sei. Er habe einen „Bums“ gehört, dann sei er auf die Bremse getreten und habe sein Auto ausgestellt. Anschließend habe man sich die Schäden angeschaut. Dem Beklagten zu 1. sind die Lichtbilder 1 bis 6 vorgelegt worden. Dazu wie die dort erkennbaren Kratzspuren an dem klägerischen Fahrzeug bei diesem Zusammenstoß entstanden sein sollen, konnte der Beklagte zu 1. keine Aussage machen.



Darauf, dass die Bekundung des Zeugen … und die Aussage des Beklagten zu 1. widersprüchlich insoweit sind, dass die von ihnen nach Aufforderung des Gerichts angefertigten Skizzen zu dem genommenen Fahrweg, der zu der Kollision geführt haben soll, unterschiedliche Richtungen aufweisen, kommt es für die Entscheidung bereits nicht mehr an. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens - wie von dem Kläger beantragt - ist nicht veranlasst. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und der durchgeführten Beweisaufnahme kann bereits nicht festgestellt werden, dass die Schäden durch ein unfreiwilliges Unfallereignis in ihrer Gesamtheit herbeigeführt worden sind. Scheidet jedoch bereits die Verursachung jedenfalls eines Teils der Schäden durch das behauptete Ereignis aus und kann dem zu beauftragenden Gerichtssachverständigen danach ein bestimmter Ablauf eines Unfallereignisses nicht vorgelegt werden, so scheidet die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens aus. Auch die Behauptung des Klägers, die Ladezone des gegnerischen Fahrzeuges sei nach hinten raus länger gewesen, als auf den Lichtbildern des Gutachtens der … dargestellt, führt zu keiner anderweitigen Beurteilung, denn die Gesamtheit der behaupteten Schäden durch das Ereignis wird hierdurch nicht erklärt. Darauf, dass die Aussagen des Zeugen … und des Beklagten zu 1. bei seiner Parteivernehmung zur Darstellung der Fahrtrichtung des gegnerischen Fahrzeuges auf dem Parkplatz widersprüchlich sind, kommt es für die Entscheidung bereits nicht mehr an.

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass auch der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltsgebühren nebst Zinsen nicht begründet ist.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 10.064,43 EUR festgesetzt.

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