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Landgericht Hagen Beschluss vom 09.05.2018 - 7 S 19/18 - Schadensminderungspflicht und Reparaturauftrag

LG Hagen v. 09.05.2018: Schadensminderungspflicht gebietet unverzüglichen Reparaturauftrag


Das Landgericht Hagen (Beschluss vom 09.05.2018 - 7 S 19/18) hat entschieden:

  1.  Der Geschädigte ist aufgrund seiner Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) gehalten, unverzüglich einen Auftrag zur Reparatur des geschädigten Fahrzeuges zu erteilen und für den schnellstmöglichen Beginn der tatsächlichen Fahrzeugreparatur Sorge zu tragen.

  2.  Ein Geschädigter ist nicht berechtigt, mit der Reparatur seines geschädigten Fahrzeuges so lange zu warten, bis der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung eine bindende Erklärung abgegeben hat, für die Reparaturkosten aufzukommen.

  3.  Ein Zuwarten mit der Fahrzeugreparatur bis zur Kostenübernahmeerklärung seitens des Haftpflichtversicherers ist nur statthaft, wenn dieser etwa um die Richtigkeit eines Schadensgutachtens überprüfen zu können, dazu aufgefordert hätte, mit der Reparatur vorerst nicht zu beginnen.


Siehe auch
Schadensminderungspflicht bei der Ausfallentschädigung
und
Stichwörter zum Thema Ausfallentschädigung - Nutzungsausfall und Mietwagenkosten


Gründe:


Die zulässige Berufung des Klägers bietet nach der einstimmigen Überzeugung der Kammer offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, so dass die Kammer von einer mündlichen Verhandlung absehen und gemäß § 522 Abs. 2 ZPO verfahren, mithin die Berufung durch Beschluss zurückweisen will.

I.

Die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts Lüdenscheid ist berufungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO), noch rechtfertigen die nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).

Das Amtsgericht hat dem Kläger zu Recht keinen über die Tage der eigentlichen Reparatur hinausgehenden und insoweit bereits von der Beklagten geleisteten Ersatz der Mietwagenkosten zuerkannt.




1. Zum einen vermag der Kläger nicht mit dem Einwand durchzudringen, das Amtsgericht habe Beweis über die Behauptung, das verunfallte klägerische Fahrzeug sei bis zur Reparatur nicht verkehrssicher gewesen, erheben müssen.

a. Zwar ist in diesem Zusammenhang fraglich, ob das Amtsgericht hier der in § 139 ZPO niedergelegten richterlichen Hinweispflicht genügt hat, denn es liegt zumindest nahe, dass das Amtsgericht den Kläger nach dem Hinweis im Termin vom 16.01.2018, dass zu der fehlenden Verkehrssicherheit des Fahrzeugs noch nicht hinreichend Stellung genommen worden sei, ein Schriftsatznachlass hätte gewährt werden müssen. Hinweise des Prozessgegners lassen die gerichtliche Hinweispflicht nämlich nicht ohne weiteres entfallen. Nur wenn die Partei durch eingehenden und von ihr erfassten Vortrag der Gegenpartei zutreffend über die Sach- und Rechtslage unterrichtet war, bedarf es keines erneuten richterlichen Hinweises (vgl. Greger in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 139, Rn. 6a, m.w.N.). Der hier insoweit von der Beklagten mit Schriftsatz vom 11.12.2017 erteilte Hinweis ist denkbar knapp. Zudem hat der Kläger mit Schriftsatz vom 04.01.2018 noch einmal ergänzend vorgetragen und auf die Rechnung der Firma K. vom 07.03.2017 Bezug genommen. Insoweit lag weiterer Vortrag des Klägers vor, auf den weder Gericht noch die Beklagte bis zum vorgenannten Termin weiter eingegangen sind. Es spricht Einiges dafür, dass auf den in der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2018 erteilten Hinweis des Gerichts daher nach dem entsprechenden Antrag des Klägers ein Schriftsatznachlass hätte gewährt werden müssen.


b. Auf diesen Umstand kommt es jedoch letztlich nicht an. Denn der Rechtsmittelführer, der sich auf eine Verletzung des § 139 ZPO beruft, hat dazu in seiner Verfahrensrüge konkret darzulegen, welchen Vortrag er auf den versäumten Hinweis bzw. auf eine gewährte Stellungnahmefrist gehalten hätte. Der unterbliebene Vortrag ist vollständig mit der Rechtsmittelbegründung, jedenfalls innerhalb der Frist zur Begründung des Rechtsmittels nachzuholen, um dem Rechtsmittelgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob der Sachvortrag rechtserheblich ist (vgl. Fritsche in: MüKo, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 139, Rn. 57; Greger, a.a.O., Rn. 20).

Der in der Berufungsbegründungsschrift vom 04.05.2018 enthaltene Sachvortrag zu der fehlenden Verkehrssicherheit des Fahrzeugs ist, ebenso wie der diesbezügliche erstinstanzliche Vortrag, unsubstantiiert und veranlasst - entgegen der Ansicht des Klägers - keine Beweisaufnahme.

Die Ausführungen in der Berufungsbegründungsschrift erschöpfen sich insoweit in einer erneuten Bezugnahme auf die Reparaturrechnung der Firma K. und der wiederum geäußerten pauschalen Behauptung, dass Fahrzeug sei weder fahrbereit, noch verkehrssicher gewesen. Neu ist zwar der nähere Vortrag zu einzelnen Positionen aus der Rechnung der Firma K.. Daraus folgt für den Kläger jedoch ohne weiteres nichts Vorteilhaftes. Es ist nämlich gerade kein Selbstverständnis, dass ein Fahrzeug weder fahrbereit, noch verkehrssicher ist, an dem Arbeiten im Bereich eines Kotflügels und der Abdeckung eines Stoßfängers durchgeführt worden sind, die gerade einmal Kosten (ohne Lackierung) in Höhe von 297,00 € (Positionen 1 - 6) verursacht haben. Der Kläger wäre - insbesondere aufgrund des Vortrags der Beklagten im Schriftsatz vom 11.12.2017 und dem dortigen Lichtbild - gehalten gewesen, zunächst zu dem sich aus dem Hergang des Verkehrsunfalls ergebenden Schadensbild, ggf. unter Beifügung von Lichtbildern, konkret vorzutragen. Sodann hätte sich entweder bereits aus diesem Vortrag ergeben, dass das klägerische Fahrzeug nicht mehr verkehrssicher geführt werden kann oder es hätte dem Kläger oblegen, weiter vorzutragen, aus welchen konkreten Umständen er die fehlende Verkehrssicherheit in Anbetracht des mitgeteilten Schadensbildes folgert.

2. Zum anderen hat die Berufung auch aus einem weiteren Grund keine Aussicht auf Erfolg.

a. Ein durch einen Verkehrsunfall Geschädigter ist aufgrund seiner Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) von Rechts wegen gehalten, unverzüglich einen Auftrag zur Reparatur des geschädigten Fahrzeuges zu erteilen und für den schnellstmöglichen Beginn der tatsächlichen Fahrzeugreparatur Sorge zu tragen, sofern die Reparaturwürdigkeit feststeht und das Fahrzeug repariert werden soll, um die Zeit des Nutzungsausfalls so gering wie möglich zu halten. Ein Geschädigter ist nicht berechtigt, mit der Reparatur seines geschädigten Fahrzeuges so lange zu warten, bis der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung eine bindende Erklärung abgegeben hat, für die Reparaturkosten aufzukommen. Deshalb hat ein Geschädigter grundsätzlich auch keinen Anspruch auf Erstattung des aufgrund des Zuwartens bis zur Kostenübernahmeerklärung seitens des Schädigers bzw. dessen Haftpflichtversicherung zusätzlich entstandenen Nutzungsausfallschadens (vgl. Grüneberg in: Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, § 254, Rn. 45, m.w.N.).

b. Zwar ist der Kläger vorliegend unter dem 20.09.2016 seiner Verpflichtung zur unverzüglichen Erteilung eines Reparaturauftrages nachgekommen. Jedoch wurde mit dem tatsächlichen Reparaturbeginn bis zum 18.10.2016, das heißt bis zur Erklärung der Reparaturfreigabe durch die Beklagte, gewartet. Ein solches Zuwarten verstieß jedoch gegen die Schadensminderungspflicht, da von einem Geschädigten verlangt werden kann, dass er sich nach einem Schaden, für den ggf. ein Dritter einstandspflichtig ist, genauso verhält wie dann, wenn von vornherein feststeht, dass der Geschädigte die Kosten zur Schadensbeseitigung selbst zu tragen hat. In einem solchen Fall wäre jedoch nach Erteilung des Reparaturauftrages unverzüglich mit der tatsächlichen Reparatur begonnen worden, um die Zeit des Nutzungsausfalls so gering wie möglich zu halten (vgl. LG Gera, Urt. v. 19.01.2007, Az. 3 O 496/06).



Ein Zuwarten mit der Fahrzeugreparatur bis zur Kostenübernahmeerklärung seitens der Beklagten wäre nur dann statthaft gewesen, wenn diese etwa um die Richtigkeit eines Schadensgutachtens überprüfen zu können, dazu aufgefordert hätte, mit der Reparatur vorerst nicht zu beginnen. Doch hat die Beklagte hier unstreitig eine solche Aufforderung nicht erteilt. Sie hat auf Nachfrage, wann das Fahrzeug zur Reparatur freigegeben werden könne, lediglich gegenüber dem Reparaturbetrieb erklärt, dass die Ermittlungen nach andauerten und die Haftung noch nicht geklärt sei. Diese Tatsache und die Tatsache, dass die Beklagte zunächst keine Reparaturfreigabe erteilte, kann nicht ohne weiteres als indirekte Aufforderung dahingehend verstanden werden, mit einer Reparatur vorerst nicht zu beginnen. Wenn sich der Kläger bzw. der von ihm beauftragte Reparaturbetrieb bei dieser Sachlage dazu entscheidet, mit der Reparatur zuzuwarten, hätte zuvor auf die voranstehend dargestellte Mitteilung der Beklagten hin eine klarstellende Erkundigung dahingehend eingeholt werden müssen, ob die Mitteilung der Beklagten bedeute, dass mit einer Reparatur nicht begonnen werden dürfe. Dabei muss auch in den Blick genommen werden, dass sich das verunfallte Fahrzeug zum Zeitpunkt der Korrespondenz mit der Beklagten bereits seit 10 Tagen unrepariert in der Reparaturwerkstatt befand.

Nach alledem kann der Kläger keinen weiteren Ersatz für Mietwagenkosten von der Beklagte verlangen.

II.

Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung der Kammer auf Grund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).

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