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Landgericht Rottweil Urteil vom 15.02.2019 - 3 O 293/16 - Arbeitgeberregress wegen Entgeltfortzahlung

LG Rottweil v. 15.02.2019: Regress des Arbeitsgebers des wegen Entgeltfortzahlung


Das Landgericht Rottweil (Urteil vom 15.02.2019 - 3 O 293/16) hat entschieden:

  1.  Der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Schädiger geht gem. § 6 EFZG durch die cessio legis auf den Arbeitgeber über. Für Grund und Höhe trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast. Einwände, die vom Schädiger dem Arbeitnehmer gegenüber geltend gemacht werden können, gelten gem. § 404 BGB auch gegenüber dem Arbeitgeber.

  2.  Die Regressfähigkeit richtet sich auch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie Ergebnisbeteiligungen. Diese stellen jedenfalls für das allgemeine Zivilrecht regelmäßig ein Entgelt für geleistete Arbeit dar, weshalb sie als Schaden zu ersetzen sind. Ebenso gilt dies für Aufwendungen zur Rückstellung im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge.


Siehe auch
Forderungsübergang und Entgeltfortzahlung
und
Arbeitsrecht und Verkehrsrecht


Tatbestand:


Die Klägerin macht aus übergegangenem Recht des bei ihr angestellten … (nachfolgend: Geschädigter) Ansprüche im Hinblick auf einen Verkehrsunfall geltend, der sich am 12.09.2011 auf der B294 bei … ereignete.

Unfallbeteiligt war das von dem Versicherungsnehmer der Beklagten, …, geführte Fahrzeug, das von diesem gehalten und bei der Beklagten haftpflichtversichert war. Bei dem Unfall erlitt der Geschädigte diverse Verletzungen. Die Beklagte erkannte ihre Haftung dem Grunde nach zu 100 % an. Im Anschluss an den Unfall befand der Geschädigte sich für sechs Wochen in der BG Klinik. Anschließend wurde er als arbeitsunfähig entlassen. Der Geschädigte befand sich vom Unfalltag bis zum 24.10.11 in der BG Klinik in Tübingen, wo er stationär behandelt wurde (Entlassungsbericht, Anl. K3, Bl. 18 der beigezogenen Akte). Anschließend wurde er als arbeitsunfähig entlassen. Vom 16.11.11 bis zum 14.12.11 befand sich der Geschädigte unfallbedingt in einer weiteren stationären Behandlung (Anl. K4, Bl. 92 der beigezogenen Akte).

Am 19.01.12 unterschrieb der Geschädigte eine Abtretungserklärung gegenüber seinem Arbeitgeber, der … AG, mit folgendem Inhalt:

   "Der unterzeichnende Arbeitnehmer erklärt hiermit - unabhängig vom gesetzlichen Forderungsübergang gemäß § 6 EFZG - wegen und in Höhe der gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Verpflichtung bereits geleisteten oder zukünftig noch zu leistenden Zahlungen durch die … AG seine Ansprüche gegen …(Schädiger) aus dem Schadenfall vom 12.09.11 an die … AG abzutreten.

Er verpflichtet sich, über die abgetretenen Ansprüche der … AG keinen Vergleich abzuschließen oder sonst über sie zu verfügen."

Weiter heißt es in einer E-​Mail vom 22.10.2015

   "1. Der Regress der … AG [...] bezieht sich ausschließlich auf Beiträge, die von der … AG an Ihren Mandanten tatsächlich gezahlt wurden bzw. künftig (ggf.) noch gezahlt werden.

Nur insoweit ist der … AG ein regressiver Schaden entstanden und nur auf diese Punkte erstreckt sich unsere Abtretungserklärung ihrem eindeutigen Wortlaute nach ("Zahlungen"). [...]

4. Über die genannten Positionen hinaus macht die … AG von der Abtretungserklärung ausdrücklich keinen Gebrauch. [...] Die Abtretung bezieht sich ausschließlich auf Zahlungen des Arbeitgebers, die Ihrem Mandanten zugeflossen sind und gerade nicht auf seine materiellen und immateriellen Schadensersatzansprüche, die selbstverständlich bei ihm verbleiben und von ihm geltend zu machen sind." Für den weiteren Inhalt wird auf die E-​Mail vom 22.10.15 (Anlage K3, Bl. 37 der Akte) verwiesen.

In der Gesamtbetriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersvorsorge (Bl. 119-​153 der Akte) ist unter Nr. 3.1 bestimmt:

   "Das Unternehmen stellt für jeden unbefristet Beschäftigten ab Vollendung des 20. Lebensjahres für jedes Jahr (Beitragsjahr) in der Beitragszeit (3.3) jährlich einen Beitrag zum VORSORGE KAPITAL EINS bereit."

Unter 3.2.1

   "Die Höhe des Beitrages richtet sich nach der jeweils aktuellen Beitragstabelle gemäß Anl. 1."

Für den weiteren Inhalt wird auf die Anlagen verwiesen.




Die 1. Klageerweiterung um 6.856,03 vom 02.06.17 wurde der Beklagten zugestellt am 23.06.17, die weitere Klageerweiterung wurde der Beklagten zugestellt am 04.07.17.

Die Klägerin behauptet, ihr seien in dem von ihr an den Arbeitnehmer gezahlten Umfang die Ansprüche des Arbeitnehmers gegen die Beklagte abgetreten worden. Für den Inhalt der Abtretung wird auf Anlage K 3 (Bl. 37 d. A.) verwiesen. Der Arbeitnehmer sei seit dem Unfall dauerhaft arbeitsunfähig. Die Klägerin habe weiterhin ein Entgelt an den Geschädigten in folgendem Umfang geleistet:











2011  
Entgeltfortzahlung 8.573,37 €
Sonderzahlung 3.897,27 €
Summe 12.470.64 €
2012  
Krankengeldzuschüsse 159,60 €
Abschlagszahlung Urlaubsgeld Mai 2012 2.325,93 €
Zuzüglich Sozialversicherungsanteil 455,30 €
Weihnachtsgeld im November 2012 2.060,53 €
zuzüglich Sozialversicherungsanteil 403,35 €
Ergebnisbeteiligung April 2013 3.200,00 €
zuzüglich Sozialversicherungsanteil 626,40 €
Summe 9.231,11 €
2013  
Abschlagszahlung Urlaubsgeld Mai 2013 2.425,75 €
Zuzüglich Sozialversicherungsanteil 467,56 €
Weihnachtsgeld im November 2013 2.130,85 €
zuzüglich Sozialversicherungsanteil 410,72 €
Ergebnisbeteiligung April 2014 760,24 €
zuzüglich Sozialversicherungsanteil 146,54 €
Summe 6.349,66 €
2014  
Abschlagszahlung Urlaubsgeld Mai 2014 2.563,39 €
Zuzüglich Sozialversicherungsanteil 494,09 €
Weihnachtsgeld im November 2014 2.177,36 €
zuzüglich Sozialversicherungsanteil 419,69 €
Summe 5.654,53 €
2015  
Abschlagszahlung Urlaubsgeld Mai 2015 2.650,50 €
Zuzüglich Sozialversicherungsanteil 512,21 €
Weihnachtsgeld im November 2015 2.251,33 €
zuzüglich Sozialversicherungsanteil 435,07 €
Abschlagszahlung Urlaubsgeld Nachzahlung 2.072,70 €
zuzüglich Sozialversicherungsanteil 400,55 €
Summe 8.322,36 €
2016  
Urlaubsgeld Mai 2016 3.669,90 €
Zuzüglich Sozialversicherungsanteil 159,60 €
Summe 4.372,78 €
2011 - 2013  
Rückstellung betriebl. Altersvorsorge 1.782,00 €


Wegen der Zusammensetzung der einzelnen Beträge wird auf die Anl. K1 (BI.12-​21 d. A.), sowie die Bl. 64, 72 ff. d. A. verwiesen.




Im Jahr 2011 habe die Klägerin 12.470,27 € an den Arbeitnehmer geleistet, 2012 9.231,11 €. Für das Jahr 2013 habe sie 6.349,66 €, für das Jahr 2014 5.654,53 € und für das Jahr 2015 8.322,36 €, sowie Rückstellungen für betriebliche Altersvorsorge in Höhe von 1.782,00 € geleistet. Die Beklagte habe an die Klägerin 32.532,68 € gezahlt. Die Beträge setzten sich zusammen aus fortgezahltem Entgelt, Krankengeld-​Zuschüssen, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, sowie Ergebnisbeteiligungen, jeweils zuzüglich Sozialversicherungsanteilen.

Ursprünglich beantragte die Klägerin,

  1.  Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.022,37 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit dem 20.12.2015 zu zahlen.
  2.  Es wird festgestellt, dass die Beklagte darüber hinaus verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Schäden zu ersetzen, die der Klägerin aus der Verletzung des Herrn … vom 12.09.2011 auf der B 294 bei … entstanden sind und noch entstehen werden.

Nach zweifacher Klageerweiterung und einseitiger Erledigungserklärung beantragt die Klägerin zuletzt

  1.  Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 15.660,40 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 7.022,37 € p. a. Seit dem 20.12.2015, aus weiteren 6.856,03 € seit Zustellung des Schriftsatzes vom 02.06.2017 und im Übrigen seit Zustellung dieses Schriftsatzes zu zahlen.
  2.  Es wird festgestellt, dass der ursprüngliche Klageantrag Ziffer 2 erledigt ist.

Die Beklagte beantragt

   Klageabweisung.

Die Beklagte behauptet, Zahlungen in genannter Höhe seien nicht an den Arbeitnehmer erfolgt. Vielmehr handele es sich bei den genannten Beträgen um Bruttobeträge, die als solche nicht an Arbeitnehmer ausgezahlt würden. Das Arbeitsverhältnis des Geschädigten bei der Klägerin habe mit Ablauf des Jahres 2011 geendet. Die Klägerin sei nicht verpflichtet gewesen, Leistungen an den Geschädigten zu erbringen.

Sie ist der Rechtsauffassung, die Ansprüche für das Jahr 2011 seien jedenfalls verjährt. Die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert, weil die Abtretung unklar sei. Sie erfasse nicht die geltend gemachten Zahlungsansprüche. Der Feststellungsantrag sei von vornherein unbegründet gewesen, da dem Kläger eigene Ansprüche aus dem Unfallereignis nicht zugestanden hätten. Ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Ergebnisbeteiligung bestehe nicht, da der Arbeitnehmer darauf keinen Anspruch habe und diesen somit nicht habe abtreten können. Ferner habe ein pauschaler Abzug für ersparte Aufwendungen zu erfolgen.

Die Zahlungen für Altersvorsorge seien nicht über einen vom EFZG umfassten Zeitraum erfasst. Auch ein Anspruch auf Ergänzung betrieblicher Altersvorsorge bestünden nicht.

Am 15.10.2016 erhob die Klägerin Klage vor dem Landgericht Rottweil. Eine mündliche Verhandlung fand am 29.11.2000 statt. Für den Inhalt wird auf das Protokoll (Bl. 88-​95 d. A.) verwiesen. Die Akten aus dem Verfahren 3 O 176/15 wurden beigezogen und die Verfahren gemeinsam verhandelt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 Abs. 2 S. 2 ZPO auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und Anlagen verwiesen.

Der Rechtsstreit wurde durch Beschluss vom 20.11.2017 der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen gemäß § 348 Abs. 1 ZPO.




Entscheidungsgründe:


A.

Die Klage ist zulässig und im bewilligten Umfang begründet.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Aktivlegitimiert ist der Inhaber eines Rechts (Zöller/Vollkommer, 31. Aufl., Vor § 50 ZPO Rn. 19). Nach § 6 EFZG gehen die Ansprüche des Arbeitnehmers in dem Umfang, in dem Entgeltfortzahlung gewährt wurde, auf den Arbeitgeber über. Unabhängig hiervon erklärt der Arbeitnehmer am 19.01.2012 die Abtretung seiner Ansprüche gegen den Schädiger in der Höhe, in der die Klägerin eine Zahlungsverpflichtung trifft oder treffen wird (Anl. K3, Bl. 37 d. A.). Die Abtretungserklärung des Geschädigten vom 19.01.12 umfasst die geltend gemachten Ansprüche. Welche Forderungen die Abtretung erfasst, ist durch Auslegung zu bestimmen (Palandt/Grüneberg, 77. Aufl., § 398 BGB, Rn. 8).

Der Geschädigte hat solche Ansprüche abgetreten, die wegen und in Höhe der gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Verpflichtung der Arbeitgeberin von dieser geleistet wurden und werden. Anders als die Beklagte, hält das Gericht die Abtretungserklärung nach Auslegung des Willens der Parteien gemäß §§ 133,157 BGB nicht für unklar. Dies bestätigt auch die E-​Mail der Arbeitgeberin vom 22.10.2015 (Anl. K23, Bl. 100 der beigezogenen Akte) noch einmal, in der sie betont, dass die Abtretung sich nur auf tatsächliche vergangene und gegebenenfalls zukünftige Zahlungen der Arbeitgeberin an den Geschädigten beziehen. Insbesondere beziehe sich die Abtretung nicht auf immateriellen Schaden des Geschädigten. Dem ist zu folgen. Es wird für das Gericht deutlich, dass die Abtretung den Schaden der Klägerin abfangen soll, den diese dadurch hat, dass sie Zahlungen an den Geschädigten erbringt, ohne eine Gegenleistung hierfür durch seine Arbeitskraft zu erhalten. Die Arbeitgeberin orientiert sich, wie sich schon aus der Abtretung ergibt, an der cessio legis aus § 6 EFZG. Diese Regelung will die Arbeitgeberin mit der Abtretung insoweit erweitert haben, als dass sie über die gesetzliche Verpflichtung hinaus aus anderen Gründen zu einer Zahlung verpflichtet ist. Soweit die Klägerin Leistungen an den Geschädigten erbracht hat, für die sie aufgrund des Unfalls keine Gegenleistung durch Arbeitskraft erhält, ist sie in dem sich aus der Abtretung ergebenden Umfang aktivlegitimiert.

B.

Die Klage ist im Wesentlichen begründet.

I.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht auf Zahlung von 15.550,80 € gegen die Beklagte. Ein darüber hinausgehender Anspruch besteht nicht.

1. Der Klägerin steht kein originär eigener Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu. Ein der Klägerin zustehendes Rechtsgut im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist nicht verletzt (siehe auch BGH, Beschluss vom 10.12.02 -VIZR 171/02).

2. Die Klägerin ist jedoch Inhaberin des geltend gemachten Anspruchs aus abgetretenem Recht. Zunächst stand dem Geschädigten der Schadensersatzanspruch aus den §§ 7, 18 StVG und § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 115 VVG zu. Bezüglich der ersten sechs Wochen nach dem Unfall war die Klägerin gem. § 3 Abs. 1 EFZG zur Fortzahlung der Bezüge verpflichtet. Der Anspruch des Geschädigten gegen den Schädiger ist gem. § 6 EFZG durch die cessio legis auf die Klägerin übergegangen. Zwar hat der Geschädigte aufgrund der Zahlung seiner Arbeitgeberin bei Anwendung der Differenzhypothese keinen Schaden. Nach ständiger Rechtsprechung ist hier jedoch der normative Schadensbegriff anzuwenden, nachdem die Leistung des Arbeitgebers den Schädiger nicht entlasten soll (Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 12. Aufl. RN 106). Dies gilt auch für nach diesem Zeitraum aufgrund vertraglicher Verpflichtungen des Arbeitgebers geleistete Zahlungen. Für Grund und Höhe trägt die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast. Ersatz besteht nur insoweit, als der Arbeitnehmer ohne den Unfall das fortgezahlte Entgelt erhalten hätte, weshalb jeglicher Einwand, der dem Arbeitnehmer gegenüber geltend gemacht werden kann, auch dem Arbeitgeber gegenüber gilt gem. § 404 BGB. Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten welcher auf die Klägerin übergegangen ist, umfasst den anteiligen Ersatz von Ergebnisbeteiligung, Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie Rückstellungen zur betrieblichen Altersvorsorge (hinsichtlich Ergebnisbeteiligung BGH, Urteil vom 22.11.16, Az: VI ZR 40/16).

a. Für die Jahre 2011 - 2013 hat die Klägerin keinen Anspruch auf Ersatz der an den Geschädigten geleisteten Zahlungen. Ausgenommen hiervon sind Rückstellungen zur betrieblichen Altersvorsorge für diesen Zeitraum (siehe unter 2. d.). Der klägerseits vorgetragenen Zahlung von 28.051,41 € stehen unstreitige Zahlungen der Beklagten in Höhe von 32.532,68 € gegenüber.

Das bloße Bestreiten der Beklagten hinsichtlich des fiktiven Nettoverdienstes des Geschädigten und der erhaltenen Leistungen vermag den klägerischen Vortrag allein nicht zu erschüttern. Der Umfang der Darlegungslast richtet sich nach der Einlassung des Gegners. Der Tatsachenvortrag bedarf nur dann der Ergänzung, wenn er infolge der Einlassung des Gegners unklar wird und nicht mehr den Schluss auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts zulässt (BGH, Urteil vom 23.04.91, Az: X ZR 77/89). Die Klägerin hat unter Vorlage der Bescheinigungen über den Bezug von Entgeltersatzleistungen an den Geschädigten (Anlage K1, Bl. 12-​21, 64 der Akte), konkrete Anhaltspunkte genannt, die die Höhe der jedenfalls erhaltenen Leistungen belegen. Anhaltspunkte für die Zahlung eines Krankengeldzuschusses in Höhe von 159,60 € liegen jedoch nicht vor. Um die bloße Behauptung der Klägerin dieser Zahlung zu erschüttern, reicht vorliegend wiederum das einfache Bestreiten der Klägerin. Ein Zahlungsbeleg oder ähnliches wurde trotz Ergänzungsbedürftigkeit nicht vorgelegt. Unter Berücksichtigung der §§ 252 S. 2 BGB, 287 ZPO hält das Gericht die fiktiven Verdienstangaben und eine Auszahlung der Netto-​Beträge an den Geschädigten in Höhe von 9.071,51 € für das Jahre 2012 und somit in Höhe von 27.891,81 € für die Jahre 2011 bis einschließlich 2013 für ausreichend wahrscheinlich.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Bruttolohn zu ersetzen (BGH, Urteil vom 27.04.65, AZ: VI ZR 124/64 m.w.N.). Hierbei kann die Beklagte nicht mit Erfolg gegenüber der Arbeitgeberin den Abzug von berufsbedingten Aufwendungen gelten machen, nachdem ein solcher Abzug bereits gegenüber dem Geschädigten erfolgt ist, wie sich aus dem beigezogenen Verfahren ergibt. Die Ersatzfähigkeit richtet sich auch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld, sowie Ergebnisbeteiligung (BGH, Urteil vom 07.05.96, Az: VI ZR 102/95 für Urlaubs- und Weihnachtsgeld; hinsichtlich Ergebnisbeteiligung BGH, Urteil vom 22.11.16, Az: VI ZR 40/16). Diese stellen jedenfalls für das allgemeine Zivilrecht regelmäßig ein Entgelt für geleistete Arbeit dar, weshalb sie als Schaden zu ersetzen sind.


Nachdem eine Tilgungsbestimmung nicht erkennbar ist, gelten die gesetzlichen Regelungen. Die Tilgung erfolgt gem. § 366 Abs. 2 BGB jeweils zunächst auf die älteste Schuld. Bei Verrechnung der geleisteten 32.532,68 € verbleibt somit kein Rest.

b. Für das Jahr 2014 hat die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von 1.013,66 € gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht.

Die Klägerin hat nach substantiiertem und durch die Beklagte nur pauschal bestrittenem Vortrag im Jahr 2014 brutto 5.654,53 € an den Geschädigten als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gezahlt. Nach Verrechnung mit der noch nicht verrechneten Zahlung der Beklagten in Höhe von 4.640,87 € gem. § 366 Abs. 2 BGB verbleibt noch ein Restanspruch in Höhe von 1.013,66 €.

Nach Maßgabe der §§ 286, 288 Abs. 1 BGB ist dieser Betrag antragsgemäß seit 20.12.2015 zu verzinsen.

c. Für die Jahre 2015 bis 2016 hat die Klägerin einen Zahlungsanspruch 12.705,14 € gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht. Die Klägerin hat substantiiert die angegebenen Zahlungen für Urlaubs- und Weihnachtsgeld in den Jahren 2015 und 2016 dargetan und Nachweise hierzu vorgelegt (Bl. 20, 21, 63, 64 d. A.). Das Gericht ist überzeugt, dass die Netto-​Beträge an den Geschädigten ausgezahlt wurden und der Sozialversicherungsanteil abgeführt wurde. Das pauschale Bestreiten der Beklagten erschüttert den klägerischen Vortrag nicht. Aus der Anl (Bl. 63 d. A.) ergibt sich eine Abfindungszahlung. Dies korreliert mit dem klägerischen Vortrag, dass das Arbeitsverhältnis im Jahr 2016 beendet wurde. Wie bereits ausgeführt sind Urlaubs- und Weihnachtsgeld als Entgelt zu betrachten und stellen damit einen ersatzfähigen Schaden dar, den der Geschädigte an die Klägerin abgetreten hat.

Nach Maßgabe der §§ 286, 288 Abs. 1 BGB ist der Betrag in Höhe von 5.849,11 € antragsgemäß seit 20.12.2015 und der Betrag in Höhe von 6.856,03 € antragsgemäß seit dem 24.06.17 zu verzinsen.

d. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatz der Rückstellungen zur betrieblichen Altersvorsorge in Höhe von 1.782,00 € für den Zeitraum vom 12.09.2011 bis 10.03.2013.

Gem. § 5.6.5 Gesamtbetriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersvorsorge, die Teil des Arbeitsvertrages mit dem Geschädigten ist, ist eine Abtretung des Ersatzanspruches vorgesehen. Diese stellt in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag auch die Rechtsgrundlage für die erfolgten Rückstellungen dar. Bei den Aufwendungen zur Rückstellung im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge handelt es sich um einen Bestandteil der Arbeitsvergütung. Sie sind dem Regress gegen den Schädiger zugänglich (BGH, Urteil vom 07.07.98, Az: VI ZR 241/97). Die Höhe der Rückstellung ergibt sich aus dem substantiierten Vortrag der Klägerin. Das Bestreiten der Beklagten ist nicht substantiiert.

Nach Maßgabe der §§ 286,288 Abs. 1 BGB ist dieser Betrag antragsgemäß seit 05.07.17 zu verzinsen.

e. Die Beklagte kann sich nicht erfolgreich auf eine Verjährung berufen. Der Anspruch der Klägerin entstand in dem Zeitpunkt, in dem alle Tatbestandsmerkmale der Norm erfüllt sind, aus der sich der Anspruch ergibt. Dazu gehört der Eintritt des Schadens, nicht jedoch schon in seinem gesamten Umfang (Geigel, Haftpflichtprozess, 27. Aufl. 2015, Kap. 11 RN 11). Im Jahr 2011 begann die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist gem. § 199 Abs. 1 BGB. Der Geschädigte kannte den Schuldner, die anspruchsbegründenden Tatsachen und ein Schaden ist eingetreten. Alle aus dieser Verletzung resultierende Schadensfolgen bilden einen einheitlichen Schaden (Geigel aaO). Der Verdienstausfallschaden ist als einheitlicher Schaden zu bewerten. Der Anspruch ist nicht verjährt. Auf die geleisteten Zahlungen aus dem Jahr 2011 hat die Beklagte gem. § 366 Abs. 2 BGB bereits geleistet. Die erste Zahlung datiert aus dem Jahr 2013 und stellt eine Abschlagszahlung im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB dar.

2. Der Feststellungsantrag der Klägerin in Ziffer 2 ist begründet. Der Antrag der Klägerin auf Feststellung, dass die Beklagte zum Ersatz zukünftiger Schäden verpflichtet ist, ist erledigt. Der ursprüngliche Antrag war zulässig und begründet. Durch Umstellung auf Leistungsantrag wurde der Feststellungsantrag nachträglich unzulässig.




a. Der Feststellungsantrag war ursprünglich zulässig. Insbesondere war ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO gegeben. Eine Leistungsklage im Zeitpunkt der Klageerhebung war noch nicht erforderlich, nachdem der Schaden sich bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch in der Entwicklung befand (Musielak/Voit/Foerste, 15. Aufl. 2018, ZPO § 256 RN 29).

b. Der Antrag war begründet. Die Möglichkeit eines zukünftigen Schadens reicht aus. Diese darf nur verneint werden, wenn aus der Sicht der Klägerin bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit einem Schadenseintritt wenigstens zu rechnen (BGH, Urteil vom 16.01.01, Az: VI ZR 381/99). Das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Geschädigten war zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht beendet. Die Klägerin war zur Leistung weiterhin für einen zu diesem Zeitpunkt nicht absehbaren Zeitpunkt verpflichtet.

c. Der Antrag hat sich erledigt, ist also nach Rechtshängigkeit unzulässig geworden. Erledigendes Ereignis kann auch der Wegfall des Feststellungsinteresses sein (Althammer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 91a ZPO, RN 58). Dieses ist vorliegend nach Rechtshängigkeit aufgrund der Bezifferbarkeit und Bezifferung durch die Klageerweiterung weggefallen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den § 709 ZPO.

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