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Oberlandesgericht Hamburg Beschluss vom 12.03.2019 - 9 RB 9/19 - 3 Ss OWi 16/19 - Geschwindigkeitsmessgerät PoliScan M1 HP und beharrlicher Pflichtverletzung

OLG Hamburg v. 12.03.2019: Geschwindigkeitsmessgerät PoliScan M1 HP und beharrlicher Pflichtverletzung


Das Oberlandesgericht Hamburg (Beschluss vom 12.03.2019 - 9 RB 9/19 - 3 Ss OWi 16/19) hat entschieden:

  1.  Das im Rahmen der Geschwindigkeitsmessung eingesetzte Gerät PoliScan M1 HP stellt ein standardisiertes Messverfahren dar.

  2.  Die Wertung eines Pflichtenverstoßes als beharrlich i.S.v. § 25 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StVG setzt nicht ausnahmslos die Feststellung wenigstens einer rechtskräftig abgeschlossenen Ahndung einer früheren Zuwiderhandlung im Zeitpunkt der neuerlichen Tat voraus. Häufig kann und wird es genügen, wenn dem Betroffenen vor der neuen Tat das Unrecht einer früheren Tat auf andere Weise bewusst geworden ist, etwa dann, wenn er durch die Zustellung eines Bußgeldbescheides positive Kenntnis von der Verfolgung der früheren Ordnungswidrigkeit erlangt hatte und Feststellungen getroffen wurden, die den Schluss zulassen, der Betroffene habe sich über den vorausgegangenen Warnappell hinweggesetzt.


Siehe auch
Geschwindigkeitsmessung mit PoliScan Speed der Firma Vitronic
und
Das Fahrverbot wegen beharrlicher Pflichtverletzung


Gründe:


I.

Das Amtsgericht Hamburg-Altona hat gegen den Betroffenen am 30. Oktober 2018 wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 28 km/h eine Geldbuße von 120,- Euro festgesetzt. Zugleich hat es ein Fahrverbot von einem Monat unter Zubilligung einer Abgabefrist gemäß § 25 Abs. 2 a StVG angeordnet.

Gegen dieses am 30. Oktober 2018 verkündete Urteil hat der Betroffene durch seine Verteidigerin am 6. November 2018 Rechtsbeschwerde eingelegt. Nach der durch richterliche Verfügung veranlassten Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe an die Verteidigerin am 14. Dezember 2018, hat diese die allgemeine Sachrüge erhoben und beantragt, das Urteil mit den getroffenen Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat angetragen, das Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.




II.

Die form- und fristgerecht (§§ 341 Abs. 1 StPO, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG) eingelegte und mit der allgemeinen Sachrüge begründete Rechtsbeschwerde (§§ 344, 345 StPO, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG) hat in der Sache einen zumindest vorläufigen Teilerfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrem Aufhebungsantrag vom 15. Februar 2019 ausgeführt:

   „3. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet. Die amtsgerichtlichen Feststellungen tragen eine Verurteilung wegen einer fahrlässig, rechtswidrig und schuldhaft begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung.

a) Das Amtsgericht hat in den Feststellungen detailliert ausgeführt, wann und wo der festgestellte Verkehrsverstoß mittels welchen Kraftfahrzeugs begangen wurde und wie hoch die dem Betroffenen vorgeworfene Geschwindigkeitsüberschreitung war. In diesem Zusammenhang hat das Gericht auch den berücksichtigten Toleranzwert mitgeteilt. Zudem hat das Gericht dargelegt, mit welchem - standardisierten - Messverfahren die von dem Betroffenen gefahrene Geschwindigkeitsüberschreitung gemessen wurde sowie die Eichung des verwendeten Messgeräts und die Qualifikation des Messbeamten festgestellt.

Das Gericht ging hierbei zu Recht davon aus, dass das bei der Geschwindigkeitsmessung eingesetzte Gerät PoliScan M1 HP ein standardisiertes Messverfahren darstellt (Vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 24.07.2017 - 3 Ss OWi 976/17, Rn. 3 in juris; OLG Braunschweig, Beschluss vom 14.06.2017 - 1 Ss (OWi) 115/17, Rn. 20 in juris). Bei Verwendung eines solchen von der PTB zugelassenen und gültig geeichten Messgeräts, das durch geschultes Personal entsprechend den Vorgaben der Bedienungsanleitung bedient wurde, ist das Tatgericht nicht gehalten, weitere technische Prüfungen, insbesondere auch zur Funktionsweise des Geräts zu veranlassen. Die Zulassung der PTB macht eine solche Prüfung entbehrlich. Er kann sich vielmehr in den Urteilsgründen darauf beschränken, das verwendete Messverfahren und die in Abzug gebrachte Messtoleranz mitzuteilen. Nur wenn sich im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte ergeben, die geeignet sind, Zweifel an der Richtigkeit des Messergebnisses zu begründen, kann eine nähere Überprüfung des gemessenen Geschwindigkeitswertes - sei es durch einen Sachverständigen für Messtechnik, sei es durch eine ergänzende Stellungnahme der PTB oder des Geräteherstellers - geboten sein (OLG Frankfurt, DAR 2015, 149 f.; OLG Bamberg, Beschluss vom 22.10.2015 - 2 Ss OWi 641/15, Rn. 17 in juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 18.04.2017 - 1 OWi 4 SsBs 27/17, Rn. 17 in juris).




Den Feststellungen des Amtsgerichts sind indes solche Anhaltspunkte nicht zu entnehmen. Das Gericht hat dabei seine Überzeugung in nicht zu beanstanden der Weise auf die Aussage des Polizeibeamten H. gestützt, welcher zum Aufbau des Geräts befugt, instruiert und befähigt war und zudem angab, dass das Messgerät fast eine Stunde vor der Erfassung des Betroffenen einem Funktionstest unterzogen und die Verplombung geprüft wurde. Dabei hatte der Zeuge keine Auffälligkeiten festgestellt. Im Übrigen habe er das Gerät entsprechend der Bedienungsanweisung aufgestellt und fortwährend die korrekten Angaben im Display des Messgeräts beobachtet. Auch mit der Rechtsbeschwerdebegründung werden keine Messfehler geltend gemacht.

b) Die Feststellung der Täterschaft des Betroffenen ist frei von Rechtsfehlern.

Der von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbundene Betroffene hat ausweislich der Urteilsgründe in der Hauptverhandlung über seinen Verteidiger die Fahrereigenschaft eingeräumt. Das Gericht hat zudem das bei der Personalausweisbehörde beiliegende Lichtbild des Betroffenen mit Foto des von der Geschwindigkeitsmessanlage abgelichteten Fahrzeugführers verglichen und die Übereinstimmung festgestellt. Die Fahrereigenschaft des Betroffenen wird auch in der Rechtsbeschwerdebegründung nicht angezweifelt.

c) Die Annahme der fahrlässigen Begehungsweise begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.

Zwar hat der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 31 km/h und damit um mehr als 50 % überschritten, was grundsätzlich sogar geeignet ist, eine vorsätzliche Begehung zu indizieren, wenn anhand der Motorengeräusche, der sonstigen Fahrgeräusche, der Fahrzeugvibration und anhand der Schnelligkeit, mit der sich die Umgebung ändert, der Fahrer zuverlässig einschätzen kann und dadurch erkennt, dass er die erlaubte Höchstgeschwindigkeit wesentlich überschreitet (vgl. OLG Karlsruhe VRS 110 (2006), 439, 440; OLG Celle NZV 2011, 618; siehe insgesamt auch OLG Celle NZV 2014, 232, 233). Im vorliegenden Fall ist das Amtsgericht angesichts der auf der Autobahn üblicherweise gefahrenen, hohen Geschwindigkeit zu Gunsten des Betroffenen davon ausgegangen, dass die Überschreitung auf eine Unachtsamkeit zurückging und ist daher lediglich zum Vorwurf der Fahrlässigkeit gelangt. Hierdurch ist der Betroffene jedenfalls nicht beschwert.


4. Jedoch hält der Rechtsfolgenausspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Zwar ist die Höhe des verhängten Bußgelds im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden.

Das Gericht hat sich bei der Ahndung am Regelsatz des Bußgeldkatalogs von 120 € gemäß 11.3 i.V.m. Tabelle 1 c) 11.3.6. BKAtV orientiert und dies der Bemessung des Bußgeldes zugrunde gelegt. Hiergegen ist grundsätzlich nichts zu erinnern.

b) Jedoch ist die Verhängung eines einmonatigen Fahrbverbots nicht tragfähig begründet.

aa) Das Gericht hat in den Ausführungen zur Rechtsfolgenbemessung keine konkrete Rechtsgrundlage für das Fahrverbot genannt. Dies ergibt sich auch nicht aus der einzigen an der Stelle zitierten Norm des 11.3 i.V.m. Tabelle 1 c). 11.3.6. BKAtV. Für eine Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften wird in dieser Norm gerade kein Fahrverbot als Regelsanktion vorgeschrieben. Aus dem Gesamtkontext sowie den bei den angewandten Vorschriften angeführten Normen ergibt sich jedoch insoweit, dass das Fahrverbot auf Grundlage des § 25 Abs. 1 StVG angeordnet wurde, wobei hier allein eine beharrliche Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers als Anordnungsgrund in Betracht kam. Beharrlich begangen sind Pflichtverletzungen, die zwar ihrer Art oder den Umständen nach nicht bereits zu den objektiv oder subjektiv groben zählen, durch deren zeit- und sachnahe wiederholte Begehung der Täter aber unter Missachtung der Vorwarnung zeigt, dass ihm die für die Teilnahme am Straßenverkehr erforderliche rechtstreue Gesinnung und die notwendige Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlen (OLG Hamm NZV 2016, 348 m.w.N.). Nach § 4 Abs. 2 S. 2 StVG kommt in diesem Zusammenhang ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats regelmäßig dann in Betracht, wenn gegen den Führer eines Kraftfahrzeugs wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h bereits eine Geldbuße rechtskräftig festgesetzt worden ist und er innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft der Entscheidung eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h begeht. Die Norm regelt damit einen besonders schweren Fall der Beharrlichkeit (BeckOK OWiG/Euler, 21. Auflage, Stand: 1.1.2019, § 4 BKatV, Rn. 3). Das Fahrverbot kann dabei schon für die erste Wiederholungstat angeordnet werden (OLG Bamberg, Beschluss vom 22.07.2016 - 3 Ss OWi 804/16, BeckRS 2016, 18783, Rn. 5).



Der Betroffene hatte ausweislich der Urteilsfeststellungen zu seinen persönlichen Verhältnissen auch schon am 18.08.2017 mit seinem Pkw die zulässige Geschwindigkeit um 28 km/h überschritten, weswegen ein Bußgeld von 100 € gegen ihn verhängt worden war. Jedoch hat das Amtsgericht keine Feststellungen dazu getroffen, wann die Ahndung bezüglich dieser Vortat rechtskräftig geworden ist. Zwar setzt die Wertung eines Pflichtenverstoßes als beharrlich im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StVG nicht ausnahmslos die Feststellung wenigstens einer rechtskräftig abgeschlossenen Ahndung einer früheren Zuwiderhandlung im Zeitpunkt der neuerlichen Tat voraus. Häufig kann und wird es genügen, wenn dem Betroffenen vor der neuen Tat das Unrecht einer früheren Tat auf andere Weise bewusst geworden ist, etwa dann, wenn er durch die Zustellung eines Bußgeldbescheids positive Kenntnis von der Verfolgung der früheren Ordnungswidrigkeit erlangt hatte (OLG Bamberg, Beschluss vom 22.07.2016 - 3 Ss OWi 804/16, BeckRS 2016, 18783, Rn. 8). In einem solchen Fall bedarf es jedoch ausreichender tatrichterlicher Feststellungen, die den Schluss zulassen, der Betroffene habe sich über den vorausgegangenen Warnappell hinweggesetzt (Burmann in: ders./Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Auflage 2018, § 25 StVG Rn. 11 m.w.N.). An diesen Feststellungen fehlt es bislang. Angesichts der Tatsache, dass die Verfehlung vom 18.08.2017 lediglich etwa zwei Monate vor der hier verfahrensgegenständlichen, am 19.10.2017 begangenen Tat lag, liegt es nicht fern, dass ein Bußgeldbescheid gegen den Betroffenen wegen der Vortat vom 18.08.2017 zum Zeitpunkt des neuerlichen Vorfalls noch gar nicht ergangen war und damit die für die Annahme von Beharrlichkeit erforderliche Warnfunktion noch nicht ausgelöst haben konnte. Hierzu bedarf es näherer Feststellungen. Die - zudem äußerst knappe - Begründung des Gerichts, das Fahrverbot solle den Betroffenen zur zukünftig gewissenhafteren Einhaltung der Verkehrsvorschriften anhalten, trägt die gerichtliche Entscheidung insoweit nicht, da damit letztlich nur allgemein der Zweck eines Fahrverbots umschrieben wird.

5. Aufgrund des aufgezeigten sachlich-rechtlichen Mangels ist das angefochtene Urteil einschließlich der Kostenentscheidung aufzuheben. Wegen der Wechselwirkung zwischen Fahrverbot und Geldbuße betrifft die Aufhebung den gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 353 StPO).“

Dem tritt der Senat bei. Das angefochtene Urteil ist daher wegen der untrennbaren Verbindung zwischen der Festsetzung der Nebenfolge und der Höhe der Geldbuße im gesamten Rechtsfolgenausspruch aufzuheben (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 353 StPO). Die Sache wird insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen (§ 79 Abs. 6 OWiG).

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