Entfernungsangaben, die nicht auf Messungen, sondern ausschließlich auf visuellen Beobachtungen beruhen, sind in der Regel - wie auch Zeitschätzungen - mit einem erheblichen Fehlerrisiko behaftet und daher kritisch zu hinterfragen. Gleiches gilt für die Nutzung von im Internet zur Verfügung gestellten Messfunktionen für die Berechnung von Entfernungen. |
"Der Betroffene befuhr am 29.07.2018 um 09:09 Uhr mit einem PKW Smart, amtliches Kennzeichen ... aus Richtung M kommend die M-Straße in P. Vor Ort galt eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h. In Höhe der Kreuzung zur C-Straße ist eine Lichtzeichenanlage für Fahrzeuge einschließlich einer Lichtzeichenanlage für Fußgänger installiert. Diese befindet sich aus der Fahrtrichtung des Betroffenen vor der Einmündung C-Straße, vor der Lichtzeichenanlage ist eine Haltelinie auf der Fahrbahn aufgebracht. Die Gelbphase der Lichtzeichenanlage beträgt 3 Sekunden. Aufgrund der geraden Straßenführung im Vorfeld der Lichtzeichenanlage ist die Ampelanlage für herannahende Fahrzeuge deutlich erkennbar. Der Betroffene befand sich mit dem von ihm geführten PKW mindestens mehr als zwanzig Meter von der Haltelinie entfernt, als die Lichtzeichenanlage von Gelblicht auf Rotlicht wechselte. Dem Betroffenen, der nicht mehr als 70 km/h fuhr, wäre es bei Beachtung des Umschaltens der Lichtzeichenanlage auf Gelb gefahrlos möglich gewesen, sein Fahrzeug anzuhalten und an der Haltelinie zum Stehen zu bringen. Stattdessen fuhr der Betroffene mit gleichbleibender Geschwindigkeit weiter geradeaus und überfuhr die Haltelinie, nachdem die Rotlichtphase bereits länger als eine Sekunde andauerte. Bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte der Betroffene erkennen können, dass er die Haltelinie der Lichtzeichenanlage überfuhr, obwohl der Signalgeber der Lichtzeichenanlage Rotlicht zeigte, und sein Fahrzeug an der Haltelinie zum Stehen bringen können, dies wäre gefahrlos möglich gewesen. Während der Fahrt führte der Betroffene die Zulassungsbescheinigung Teil I nicht mit, auch dies hätte er bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen können." |
"Die Zeugin PKin T hat ausgesagt, dass sie eine gezielte Überwachung auf sog. Handy-, Gurt- und Rotlichtverstöße durchgeführt habe. Dabei habe sie sich mit einem Kollegen in einem PKW mit geöffneten Fenstern in der Einmündung G befunden, wobei die Frontseite des Fahrzeugs Richtung M-Straße gezeigt habe. Das Überwachungsfahrzeug habe geschätzt etwa eine Fahrzeuglänge von der Einmündung entfernt, auf Höhe der vorderen Ecke des dort rechtsseitig stehenden Hauses gestanden. Die Zeugin berichtete, sie habe mit ihrem Kollegen den Verkehr beobachtet, als die Lichtzeichenanlage auf Rot umgeschaltet habe. Dann hätten sie durch die geöffneten Fenster gehört, dass sich ein PKW aus Fahrtrichtung M näherte. Dann sei das Fahrzeug des Betroffenen mit gleichbleibender Geschwindigkeit aus Fahrtrichtung M in ihr Sichtfeld gefahren und habe die Haltelinie und die Einmündung zur C-Straße trotz anhaltenden Rotlichts überquert, obwohl es ihrer Einschätzung nach noch hätte anhalten können ... .
Die Zeugin räumte offen ein, dass die Dauer des Rotlichts nicht durch Mitzählen überprüft worden sei, es sei für sie und den Kollegen vielmehr aufgrund des geschilderten Ablaufs ganz klar gewesen, dass das Rotlicht bereits länger als eine Sekunde anhielt, sie schätze den Zeitablauf vor dem geschilderten Hintergrund auf 3 - 5 Sekunden, schließe jedoch aus, dass es nur eine Sekunde gewesen sei. Auch Unsicherheiten etwa bzgl. des Abstands ihres Beobachtungsfahrzeugs von der Lichtzeichenanlage räumte sie offen ein." |
"Die Schätzung der Zeugin, dass das Rotlicht vor dem Durchfahren der Haltelinie bereits mehr als eine Sekunde angehalten habe, bestätigt sich durch die im Termin in Augenschein genommenen Luftbilder des Beobachtungsorts auf timonline.nrw.de. Bei der Inaugenscheinnahme wurde mittels der Messfunktion der Anwendung der Abstand der auf dem Luftbild klar erkennbaren Ampel-Haltelinie bis zur Einmündung des G-Weg vermessen, dieser beträgt demnach mindestens 12,8 m. Die Breite des G-Weg wurde ebenfalls während der Inaugenscheinnahme vermessen und beträgt demnach mindestens 6 Meter. Die Zeugin gab glaubhaft und anhand des Luftbildes nachvollziehbar an, dass sie am Beobachtungsort linksseitig vom G bis zur Haltelinie (und darüber hinaus) Einsicht habe und rechtsseitig ebenfalls ein Stück weit auf den Verlauf der M-Straße rechtsseitig der Einmündung G blicken könne, insoweit aber nicht genau angeben könne, wie weit diese Einsicht rechtsseitig möglich sei. Der für die Zeugin einsehbare Bereich betrug also mindestens 18,8 m linksseitig zuzüglich des rechtsseitig einsehbaren Bereichs, den das Gericht anhand des Luftbilds, der Angaben der Zeugin und der Beschreibung der Position des Beobachtungsfahrzeugs auf mindestens einen Meter schätzt. Der für die Zeugin einsehbare Bereich betrug mithin keinesfalls weniger als 19,8 Meter. Die Zeugin schilderte anschaulich, dass sich das Fahrzeug des Betroffenen zu Beginn der Rotlichtphase nicht innerhalb ihres sichtbaren Bereichs befand, sie und ihr Kollege es vielmehr zunächst hörten und erst später sehen konnten, als es in den Sichtbereich einfuhr. Daher ist das Gericht davon überzeugt, dass der Betroffene sich zu Beginn der Rotphase mindestens 20 Meter von der Haltelinie entfernt befand. Auch wenn man zugunsten des Betroffenen unterstellt, dass dieser unter deutlicher Geschwindigkeitsüberschreitung bis zu 70 km/h fuhr, wären bei dieser Geschwindigkeit in einer Sekunde nur 19,44 Meter durchfahren worden. ..." |