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Oberlandesgericht Bamberg Beschluss vom 26.06.2017 - 3 Ss OWi 800/17 - Aufklärungsrüge zur zulässigen Höchstgeschwindigkeit

OLG Bamberg v. 26.06.2017: Aufklärungsrüge zur zulässigen Höchstgeschwindigkeit bei innerörtlichem Geschwindigkeitsverstoß


Das Oberlandesgericht Bamberg (Beschluss vom 26.06.2017 - 3 Ss OWi 800/17) hat entschieden:

   Die Aufklärungsrüge, mit der beanstandet wird, dass das Amtsgericht bei einem innerörtlichen Geschwindigkeitsverstoß eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h zu Grunde gelegt hat, während sie aufgrund eines Verkehrszeichens (Zeichen 274) 60 km/h betragen habe, was durch eine dem Tatrichter präsentierte Abbildung des Verkehrszeichens untermauert werden soll, ist unzulässig, wenn nicht vorgetragen wird, dass sich das Verkehrszeichen vor der Messstelle gefunden hat.


Siehe auch
Geschwindigkeitsverstöße im Ordnungswidrigkeitenrecht
und
Stichwörter zum Thema Geschwindigkeit


Gründe:


I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen mit Beschluss vom 15.06.2016 wegen einer am 15.06.2015 um 00.52 Uhr als Führer eines Pkw in L., in Höhe der Hausnummer 169 der S-​Straße begangenen fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 32 km/h (gefahrene Geschwindigkeit nach Toleranzabzug: 82 km/h) zu einer Geldbuße von 320 Euro verurteilt (§§ 3 Abs. 3 Nr. 1; 41 Abs. 2; 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO). Mit seiner gegen diese Entscheidung gerichteten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1. Die formelle Rüge, mit der beanstandet wird, die Voraussetzungen des § 72 OWiG für eine Entscheidung durch Beschluss „ohne Gründe“ seien nicht erfüllt, weil es an der Zustimmung des Betroffenen fehle, hat bereits deswegen keinen Erfolg, weil das Amtsgericht gerade nicht von einer Begründung nach § 72 Abs. 6 OWiG abgesehen hat.




2. Die Aufklärungsrüge, mit der geltend gemacht wird, das Gericht habe die Vernehmung des polizeilichen Messbeamten dazu unterlassen, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht - wie vom Amtsgericht angenommen - auf 50 km/h beschränkt war, sondern aufgrund eines entsprechenden Verkehrszeichens (Zeichen 274) 60 km/h betragen habe, dringt - entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft - ebenfalls nicht durch.

a) Die Verfahrensrüge ist bereits unzulässig, weil sie den Begründungsanforderungen des § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht entspricht. Danach muss der Beschwerdeführer die Tatsachen, die den behaupteten Verfahrensmangel begründen, so vollständig und genau mitteilen, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (st.Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. v. 19.05.2015 - 1 StR 128/15 = BGHSt 60, 238 = NStZ 2015, 541 = StV 2016, 78 = StraFo 2015, 381 = JR 2016, 78 m.w.N.). Für die Aufklärungsrüge bedarf es hierzu unter anderem des Vortrags, weshalb sich der Tatrichter zu entsprechender Aufklärung gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 244 Abs. 2 StPO gedrängt sehen musste (st.Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. v. 13.12.2016 - 3 StR 193/16 = NStZ-​RR 2017, 119 und 31.05.2016 - 1 StR 22/16 [bei juris], jeweils m.w.N.). Hieran fehlt es aber. Die Rechtsbeschwerde behauptet hierzu lediglich, aus den in einer vorangegangenen Hauptverhandlung am 23.02.2016 vorgelegten Lichtbildern ergebe sich, dass die Geschwindigkeit „im gegenständlichen Bereich“ auf 60 km/h beschränkt gewesen sei. Es wird aber bereits nicht vorgetragen, ob das auf den Fotos abgebildete Verkehrszeichen vor oder nach der Messstelle angebracht war. Der nach Ablauf der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde eingegangene, ergänzende Vortrag ist nicht berücksichtigungsfähig. Schon gar nicht wird dargetan, was dem Tatgericht zum Standort des Verkehrszeichens mitgeteilt worden war. Aufgrund dessen kann allein nach dem Vortrag der Rechtsbeschwerde nicht beurteilt werden, ob sich das Amtsgericht zu weiterer Beweiserhebung gedrängt sehen musste. Denn wenn das abgebildete Verkehrsschild nicht vor der Messstelle, sondern erst danach angebracht worden war, konnte es im Hinblick auf § 41 Abs. 2 StVO für den Geschwindigkeitsverstoß von vornherein keine Bedeutung erlangen und bot daher auch keinen Anlass zur weiteren Aufklärung.


b) Ungeachtet dessen wäre die Aufklärungsrüge aber auch unbegründet. Ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 244 Abs. 2 StPO liegt nicht vor. Das Amtsgericht musste sich nicht zur weiteren Aufklärung gedrängt sehen. Dies folgt auch nicht aus den vom Betroffenen vorgelegten Lichtbildern, weil sich - wie der Senat im Freibeweisverfahren feststellen konnte - das dort abgebildete Verkehrszeichen erst nach der Messstelle befand. Nach den tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung fuhr der Betroffene zur Tatzeit auf der S-​Straße in südliche Richtung, wobei die Geschwindigkeitsmessung in Höhe des Anwesens der Hausnummer 169 durchgeführt wurde. Auf den vorgelegten Lichtbildern ist ersichtlich, dass das abgebildete Verkehrszeichen mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h in Höhe des Hotels V. angebracht war. Ausweislich der Internetseite 'Google Maps' befindet sich das Hotel V., worauf der Senat die Beteiligten mit Verfügung vom 06.06.2017 ausdrücklich hingewiesen hat, aber - unter Zugrundelegung der Fahrtrichtung des Betroffenen - erst nach der Messstelle. In Anbetracht dessen drängte sich aus den vorgelegten Lichtbildern weder der Schluss auf, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit an der Messstelle höher war, als die üblicherweise innerorts erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO), noch waren dahingehende Ermittlungen durch den Tatrichter veranlasst, zumal sowohl das Messprotokoll als auch das Datenfeld des Messbilds die zulässige Höchstgeschwindigkeit mit 50 km/h auswiesen.

3. Der angefochtene Beschluss weist auch keinen sachlich-​rechtlichen Mangel auf.

a) Der Schuldspruch, der von den tatsächlichen Feststellungen getragen wird, und die Beweiswürdigung sind fehlerfrei. Das Amtsgericht hat sich insbesondere mit sorgfältiger Begründung davon überzeugt, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit an der Messstelle 50 km/h betragen hatte.



b) Auch der Rechtsfolgenausspruch ist nicht zu beanstanden. Nicht anders als im Strafverfahren gilt auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren, dass die Rechtsfolgenbemessung Aufgabe des Tatrichters ist. Das Rechtsbeschwerdegericht kann nur eingreifen, wenn der Tatrichter rechtlich anerkannte Sanktionszwecke (vgl. Göhler/Gürtler OWiG 16. Aufl. vor § 1 Rn. 9) außer Betracht lässt oder wenn sich die Sanktion nach oben oder unten so sehr von ihrer Bestimmung löst, dass sie nicht mehr vertretbar erscheint. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen (vgl. OLG Jena, Beschl. v. 28.06.2005 - 1 Ss 141/05 = VRS 110, 35). Vor diesem Hintergrund ist in Anbetracht des Umstands, dass das Amtsgericht von der Verhängung des wegen eines groben Pflichtenverstoßes an sich verwirklichten Regelfahrverbots (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. Nr. 11.3.6 der Tabelle 1c BKat) abgesehen hat, die unter Heranziehung des § 4 Abs. 4 BKatV vorgenommene Verdoppelung der Regelgeldbuße unbedenklich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 i.V.m. § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Gemäß § 80a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.

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