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Oberlandesgericht Bamberg Beschluss vom 25.02.2016 - 2 Ss OWi 129/16 - Feststellungen zur Vorahndungssituation

OLG Bamberg v. 25.02.2016: Anforderungen an die Feststellungen zur Vorahndungssituation in den Urteilsgründen bei einem Wiederholungsfall


Das Oberlandesgericht Bamberg (Beschluss vom 25.02.2016 - 2 Ss OWi 129/16) hat entschieden:

  1.  Begründet das Tatgericht seine verschärfte Sanktionsentscheidung für eine fahrlässige Ordnungswidrigkeit nach den §§ 24a Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StVG mit der Annahme eines Wiederholungsfalls im Sinne der §§ 1Abs. 1 und 2, 3 Abs. 1,4 Abs. 3 BKatV i.V.m. Nr. 242.1 BKat, kann im Rahmen der nach den §§ 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO gebotenen Zumessungserwägungen auf entsprechende Feststellungen zur Vorahndungssituation des Betroffenen nicht verzichtet werden.

  2.  Um dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung der Rechtsfolgenentscheidung zu ermöglichen, muss aus den Urteilsgründen deshalb entweder hervorgehen, dass die (rechtskräftige) Vorahndung im Sinne von Nr. 242.1 BKat im (neuen) Tatzeitpunkt im Fahreignungsregister (FAER) bereits eingetragen war oder aber dem Betroffenen vor der neuerlichen Zuwiderhandlung auf andere Weise das Unrecht der (einschlägigen) früheren - wenn auch nur fahrlässig begangenen - Tat, etwa durch positive Kenntnis von der Verfolgung aufgrund eines ihm zugestellten Bußgeldbescheids, vor Augen geführt worden ist


Siehe auch
Sanktionen nach dem bundeseinheitlichen Tatbestandkatalog bei Rauschfahrt unter Drogen
und
Sanktionen nach dem bundeseinheitlichen Tatbestandkatalog bei Trunkenheitsfahrt unter Alkohol


Gründe:


Das Amtsgericht hat die Betroffene am 18.11.2015 wegen einer am 03.12.2014 fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit des Führens eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss gemäß § 24a Abs. 1 i.V.m. § 24a Abs. 3 StVG zu einer Geldbuße von 1000 EUR verurteilt und gegen sie ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt. In Ziff. I. der Urteilsgründe verweist das Amtsgericht auf eine dem Urteil angeheftete Auskunft aus dem Fahreignungsregister (FA- ER), aus der sich ergibt, dass die Betroffene rechtskräftig seit 01.04.2015 wegen eines am 13.03.2014 erfolgten Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung eines berauschenden Mittels mit einer Geldbuße von 500 EUR sowie einem mit der Vollstreckungserleichterung des § 25 Abs. 2a StVG versehenen einmonatigen Fahrverbot vorgeahndet ist. Seine Rechtsfolgenentscheidung hat das Amtsgericht wie folgt begründet:




   „Der auch für Gerichte verbindliche Bußgeldkatalog sieht für diese Ordnungswidrigkeit ein Regelbußgeld von 1.000 € und ein Regelfahrverbot von 3 Monaten vor, da das FAER bereits eine Entscheidung nach § 24a Abs. 2 StVG enthält. Gegen die Betroffene wurde mit Bußgeldbescheid eine Geldbuße von 500 € und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt, weil sie am 13.3.2014 ein Kraftfahrzeug unter der Wirkung eines berauschenden Mittels führte. Der Bußgeldbescheid wurde am 01.04.2014 rechtskräftig. Eine Erhöhung oder andererseits eine Erniedrigung der Geldbuße kam nicht in Betracht, da die vorliegende Tat in ihrer Ausgestaltung weder nach oben oder nach unten von üblichen derartigen Verkehrsverstoßen abweicht und sich auch in der Hauptverhandlung keine Hinweise auf eine besonders gute oder schlechte wirtschaftliche Lage der Betroffenen ergeben haben. Die Betroffene verweigerte über ihren Verteidiger Angaben zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen.

Im Einzelfall kann von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen oder eine Verringerung des Fahrverbotszeitraums angenommen werden, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen oder die Anordnung eines Fahrverbots unverhältnismäßig ist. Dieser Möglichkeit, das Fahrverbot zu verringern oder davon abzusehen, ist sich das Gericht bewusst gewesen. Maßgebend dafür, von dieser Möglichkeit vorliegend keinen Gebrauch zu machen war, dass keinerlei außergewöhnliche Umstände in der Hauptverhandlung ersichtlich wurden und das Fahrverbot auch nicht unverhältnismäßig ist, sondern es entspricht neben der Geldbuße der Schuld der Betroffenen. Alleine die Tatsache der Selbständigkeit rechtfertigt ohne weitere Anhaltspunkte keine abweichende Entscheidung. Auch die zurückgelegte Fahrtstrecke von ca. 9 km rechtfertigt keine Verringerung.

Da, wie oben festgestellt, innerhalb von 2 Jahren vor der Ordnungswidrigkeit ein Fahrverbot verhängt wurde, konnte von der Vergünstigung nach § 25 Abs. 2a StVG, den Führerschein erst mit Ablauf von 4 Monaten nach Eintritt der Rechtskraft in amtliche Verwahrung geben zu müssen, keinen Gebrauch gemacht werden. Das Fahrverbot gilt mit Rechtskraft dieser Entscheidung.“

Mit ihrer gegen diese Entscheidung gerichteten Rechtsbeschwerde rügt die Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde der Betroffenen nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen. Die Gegenerklärung der Verteidigung lag dem Senat vor.




II.

Die statthafte (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 OWiG) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde der Betroffenen hat auf die Sachrüge - zumindest vorläufig - insoweit Erfolg, als der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils keinen Bestand hat; im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde aber unbegründet.

1. Der Schuldspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen auf (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Insoweit nimmt der Senat zur Begründung auf die - auch unter Berücksichtigung des Vorbringens in der Gegenerklärung der Verteidigung - im Ergebnis zutreffende Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift Bezug.

2. Indes hält die Rechtsfolgenentscheidung rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil sich die Feststellungen des Amtsgerichts zur Vorahndungslage der Betroffenen gemäß §§ 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 3 Satz1 StPO als lückenhaft und widersprüchlich erweisen und die auf die Annahme eines Wiederholungsfalles im Sinne von Nr. 242.1 BKat gestützte Sanktionsentscheidung nicht tragen (zur Anwendbarkeit des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO im Bußgeldverfahren vgl. Göhler/Seitz OWiG. 16. Aufl. § 71 Rn. 40).


a) Im Ansatz zutreffend geht das Amtsgericht davon aus, dass ein fahrlässiger Verstoß gemäß § 24a Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StVG nach §§ 24a Abs. 4, 25 Abs. 1 Satz 2 StVG i.V.m. §§ 1 Abs. 1 und 2, 3 Abs. 1, 4 Abs. 3 BKatV i.V.m. Nr. 242.1 BKat im Wiederholungsfall, also bei Eintragung bereits einer Entscheidung nach § 24a StVG, § 316 StGB oder § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB im FAER, im Regelfall mit einer Geldbuße von 1.000 Euro sowie einem Fahrverbot von drei Monaten zu ahnden ist. Dabei knüpft die Annahme eines Wiederholungsfalles an eine zum Tatzeitpunkt im FAER eingetragene einschlägige Vorahndung an. Dies ergibt sich letztlich aus der übergeordneten Erwägung, dass eine Sanktionsverschärfung regelmäßig dann geboten ist, wenn der in der ganz überwiegenden Anzahl von Fällen nur fahrlässig handelnde Betroffene im Zeitpunkt der neuerlichen Zuwiderhandlung für ihn formell verbindliche, nämlich rechtskräftige Vorwarnungen und die sich hieran anschließenden Ahndungsmaßnahmen missachtet hat. Insoweit hat der Verordnungsgeber einen bestimmten Regelfall herausgenommen und rechtlich verselbständigt; er hat damit aber nicht zum Ausdruck gebracht, dass die Annahme eines (sanktionserhöhenden) Wiederholungsfalles stets die Eintragung der Vorahndung im FAER und damit deren Rechtskraft voraussetzt. Ohnehin sind die Regelsätze der BKatV nur Zumessungsrichtlinien, die den Tatrichter nicht von eigenen Zumessungserwägungen, insbesondere nicht von einer Einzelfallprüfung in Bezug auf die Berechtigung des Katalogsatzes im konkreten Fall entbinden (vgl. Hentschel/König/Dauer Straßenverkehrsrecht 43. Aufl. § 24 StVG Rn. 64). Sanktionserhöhend kann sich vielmehr im Einzelfall auch auswirken, dass dem Betroffenen vor der neuerlichen Tat das Unrecht der einschlägigen früheren Tat auf andere Weise vor Augen geführt wurde, etwa dadurch, dass der Betroffene durch die Zustellung eines Bußgeldbescheides positive Kenntnis von der Verfolgung der früheren - wenn auch nur fahrlässig begangenen - Tat erlangt hatte und die hierfür erforderlichen zusätzlichen tatrichterlichen Feststellungen den Schluss zulassen, der Betroffene habe sich über den vorausgegangenen Warnappell hinweggesetzt (zur Parallelproblematik bei der Annahme eines beharrlichen Pflichtenverstoßes vgl. zuletzt OLG Bamberg, Beschluss vom 16.03.2015 - 3 Ss OWi 236/15 = VerkMitt 2015, Nr. 35 = DAR 2015, 392= OLGSt StVG § 25 Nr. 59 unter Hinweis auf BayObLG NStZ-​RR 1996; OLG Hamm NZV 2000, 53; Burhoff/Deutscher Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-​Verfahren 4. Aufl. Rn. 1595; Hentschel/König/Dauer § 25 StVG Rn. 15, jeweils m.w.N.).

b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze tragen die bisherigen Feststellungen des Amtsgerichts die Annahme eines Wiederholungsfalls und die hierauf gestützte Sanktionsentscheidung nicht. Ob zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Tat vom 03.12.2014 eine einschlägige Vorahndung im FAER eingetragen war, ist den Feststellungen des Amtsgerichts schon nicht hinreichend sicher zu entnehmen, da sich aus der im Urteil in Bezug genommenen Auskunft aus dem FAER als Datum der Rechtskraft der Vorahndung der 01.04.2015 ergibt, während im Urteil selbst der 01.04.2014 angegeben ist, was jedoch im Hinblick auf den zugehörigen Tatzeitpunkt am 13.03.2014 auf ein Schreibversehen hindeuten dürfte.



Wäre danach die Vorahndung erst am 01.04.2015 rechtskräftig geworden, so hätten zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Tat keine Eintragungen im FAER vorgelegen. Ob die verhängten Rechtsfolgen gleichwohl Bestand haben können, hängt damit von der Frage ab, ob zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Tat der der Vorahndung zugrundeliegende Bußgeldbescheid bereits erlassen und der Betroffenen auch bekannt war. Insoweit lässt das an- gefochtene Urteil, das schon nicht den Zeitpunkt des Erlasses des Bußgeldbescheides mitteilt, die erforderlichen Feststellungen vermissen.

III.

Aufgrund des aufgezeigten sachlich-​rechtlichen Mangels ist auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch sowie in der Kostenentscheidung mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 353 StPO). Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen (§ 79 Abs. 6 OWiG).

IV.

Der Senat entscheidet durch Beschluss gemäß § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG.

Gemäß § 80a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.

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