Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine grobe Pflichtverletzung i.S.d. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG nicht gegeben, wenn die dem Kraftfahrzeugführer vorgeworfene Ordnungswidrigkeit auf einem Augenblicksversagen beruht, das auch bei einem sorgfältigen und pflichtbewussten Kraftfahrer nicht immer vermieden werden kann. Unter einem "Augenblick" ist im allgemeinen Sprachgebrauch eine sehr kurze Zeitspanne zu verstehen. Unter einem "Augenblicksversagen" kann daher auch nur ein sehr kurzfristiges Fehlverhalten bzw. Außerachtlassen der unter den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt verstanden werden. |
"Am 30.07.2003 befuhr der Betroffene gegen 09:29 Uhr als Führer des PKW mit dem amtlichen Kennzeichen xxx in H innerorts den Q in Fahrtrichtung B T. Gegenüber dem F hielt er eine Geschwindigkeit von mindestens 57 km/h ein. 70 m vor dem gegenüber dem F postierten Messwagen befindet sich das Zeichen 274.1, das den folgenden Bereich als 30er-Zone ausweist. Das rechtsseitig aufgestellte Schild ist aus einer Entfernung von etwa 80 Metern gut zu erkennen. 160 m hinter dem Messwagen ist die Abfahrt zu einem Kindergarten gelegen." |
"Ein Augenblicksversagen i.S.d. Entscheidung des BGH vom 11. September 1997 (4 StR 638/96) liegt nicht vor. Von einem solchen kann jedenfalls dann nicht gesprochen werden, wenn das angebliche übersehene Schild zur Geschwindigkeitsbegrenzung - wie hier - bereits auf eine Strecke von 80 Metern ohne weiteres erkennbar ist. Der Umstand, dass der Betroffene das Schild nicht gesehen hat, zeugt davon, dass er bei einer zulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h über eine Zeitspanne von 3,6/50*80 = mindestens 5,76 Sekunden nicht auf die Beschilderung geachtet hat, obwohl er bei Beachtung der im Straßenverkehr erforderlichen Aufmerksamkeit auch verpflichtet war, sich auch auf die Beschilderung zu konzentrieren. Bei einem derart langen Zeitraum kann jedoch von einer kurzfristigen Unaufmerksamkeit, einem "Augenblicksversagen" im Sinne der Rechtsprechung des BGH, nicht mehr die Rede sein. Sollte er in dem Bereich vor dem Zeichen 274.1 schon schneller als 50 km/h gefahren sein, würde das zwar die Wahrnehmungszeit verkürzen. Diese Verkürzung wäre jedoch wiederum auf ein verkehrswidriges Verhalten zurückzuführen und könnte dem Betroffenen nicht zu Gute kommen. Zudem durfte hier für die Messung auch ein Abstand von 70 Metern hinter dem geschwindigkeitsbeschränkenden Verkehrszeichen eingehalten werden. Ein Abstand von 200 Metern kam nicht in Betracht. Die Messung hätte dann nämlich erst hinter der Einfahrt zum Kindergarten stattfinden können. Weiterhin handelt es sich hier um eine schutzwürdige Zone im Bereich eines Kindergartens, in der besonderer Wert auf die Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h zu legen ist, weil hier immer wieder mit kleinen Kindern zu rechnen ist, die überhaupt nicht in der Lage sind, sich auf das Verkehrsgeschehen einzurichten. Diese schutzwürdige Zone reicht auch bis über einen Umkreis von 160 Metern (Abstand des Messwagens zur Kindergarteneinfahrt) hinaus, wenn man den Zugangsbereich der Kinder und Bewegungen außerhalb des eigentlichen Kindergartengeländes bei Ausflügen etc. berücksichtigt." |