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Kammergericht Berlin Beschluss vom 20.08.2007 - 3 Ws (B) 450/07 - 2 Ss 171/07 - Absehen vom Fahrverbot bei fehlender abstrakter Gefährdung

KG Berlin v. 20.08.2007: Absehen vom Fahrverbot bei fehlender abstrakter Gefährdung in Verbindung mit einem qualifizierten Rotlichitverstoß




Das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 20.08.2007 - 3 Ws (B) 450/07 - 2 Ss 171/07) hat entschieden:

Die vorgesehene Regelahndung mit einem Fahrverbot ist nicht bei jedem Verstoß, der länger als eine Sekunde nach Beginn der Rotphase begangen wird, indiziert. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn abstrakte - geschweige denn konkrete -Gefährdungen anderer Verkehrsteilnehmer - insbesondere von Fußgängern - den tatrichterlichen Feststellungen nicht zu entnehmen sind.

Siehe auch
Fahrverbot bei Rotlichtverstößen - Einzelfälle
und
Stichwörter zum Thema Rotlichtverstöße

Gründe:


Das Amtsgericht hat dem Betroffenen wegen eines so genannten qualifizierten Rotlichtverstoßes (§§ 37 Abs. 2 [zu ergänzen Nr. 7], 49 [Abs. 3 Nr. 2] nach 24 StV zu einer Geldbuße in Höhe von 125 Euro verurteilt, ihm gemäß § 25 StVG für die Dauer eines Monats verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen und eine Bestimmung über das Wirksamwerden des Fahrverbots getroffen. Die dagegen auf die Verhängung des Fahrverbots beschränkte Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat Erfolg. Allerdings ist die Beschränkung der Rechtsbeschwerde allein auf die Anordnung des Fahrverbots unwirksam, weil ein Rechtsfehler, der zur Aufhebung des Fahrverbots führen würde, sich wegen der Wechselwirkung zwischen Fahrverbot und Bemessung der Geldbuße auch auf die Festsetzung derselben auswirken könnte (vgl. Seitz in Göhler, OWiG 14 Aufl., § 79 Rdn. 9 m.N.). Die Rechtsbeschwerde ist daher als auf den Rechtsfolgenausspruch allgemein beschränkt zu behandeln.




Das angefochtene Urteil ist im Rechtsfolgenausspruch insofern rechtsfehlerhaft, als das Amtsgericht von der Nr. 132.2 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV für den so genannten qualifizierten Rotlichtverstoß ausgegangen ist. Zwar liegt ein solcher nach den Feststellungen vor, aber die dafür vorgesehene Regelahndung ist nicht bei jedem Verstoß, der länger als eine Sekunde nach Beginn der Rotphase begangen wird, indiziert (vgl. OLG Köln VRS 92, 228, 229; OLG Düsseldorf VRS 90, 149, 151; VRS 89, 226, 227; VRS 86, 471, 472; OLG Hamm VRS 90, 455, 456 f; jeweils m.w.N.). Die durch die 12. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 15. Oktober 1991 - BGBl. I. S. 1992 - in den Bußgeldkatalog eingefügte Nr. 34.2 - jetzt Nr. 132.2 - soll eine schärfere Ahndung besonders schwerwiegender Rotlichtverstöße erlauben. Die - häufig im Zusammenhang mit überhöhter Geschwindigkeit begangene - Missachtung eines Wechsellichtzeichens bei länger als einer Sekunde andauernder Rotlichtphase ist nach der amtlichen Begründung (VkBl. 1991, 702, 704) als besonders gefährlich anzusehen, weil sich der Querverkehr - insbesondere auch Fußgänger - nach dieser Zeit bereits in dem Bereich der durch Rotlicht gesperrten Fahrbahn befinden kann (vgl. KG, Beschluss vom 23. März 2001 - 3 Ws (B) 84/01 -).

Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils liegt ein derartiger besonderer schwerwiegender Rotlichtverstoß nicht vor. Insbesondere sind abstrakte - geschweige denn konkrete -Gefährdungen anderer Verkehrsteilnehmer - insbesondere Fußgängern - dem Urteil nicht zu entnehmen.

Die fehlerhafte Rechtsfolgenentscheidung nötigt nicht dazu, die Sache insoweit an die Vorinstanz zurückzuverweisen, denn es ist nicht ersichtlich, dass weitere für die Rechtsfolgenentscheidung bedeutsame Feststellungen noch getroffen werden könnten. Der Senat entscheidet daher nach § 79 Abs. 6 OWiG in der Sache selbst. Ausgehend von der Nr. 132 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV setzt er die Geldbuße auf 50 Euro fest.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 467 Abs. 1 analog, 473 Abs. 3 StPO, 46 Abs. 1 OWiG (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Auflage, § 473 Rdn. 23).

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