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Verwaltungsgerichtshof München Beschluss vom 28.12.2020 - 11 CS 20.2067 - Entziehung der Fahrerlaubnis bei gelegentlichem Cannabiskonsum wegen Nichtbeibringung eines Fahreignungsgutachten und Verstoß gegen das Trennungsgebot

VGH München v. 28.12.2020: Entziehung der Fahrerlaubnis bei gelegentlichem Cannabiskonsum wegen Nichtbeibringung eines Fahreignungsgutachten und Verstoß gegen das Trennungsgebot




Der Verwaltungsgerichtshof München (Beschluss vom 28.12.2020 - 11 CS 20.2067) hat entschieden:

   Im Falle einer gelegentlichen Einnahme von Cannabis ist nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV die Kraftfahreignung gegeben, wenn der Konsum und das Fahren getrennt werden, kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen besteht und keine Störung der Persönlichkeit oder Kontrollverlust vorliegt. Begründen weitere Tatsachen, wie ein Verstoß gegen das Trennungsgebot, Zweifel an der Eignung, kann die Fahrerlaubnisbehörde nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen. - Ein Verstoß gegen das das Trennungsgebot liegt vor, wenn der Betroffene mit mindestens 1,0 ng/THC im Blutserum ein Kfz geführt hat.

Siehe auch
Nachweis von fehlendem Trennvermögen zwischen gelegentlichem Cannabiskonsum und Verkehrsteilnahme - auch durch den aktiven THC-Wert
und
Stichwörter zum Thema Cannabis


Gründe:


I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A, A2, A1, AM, B, BE, C, CE, C1, C1E, L und T.

Nachdem ein anlässlich einer polizeilichen Verkehrskontrolle am 8. Dezember 2019 gegen 14:00 Uhr beim Antragsteller durchgeführter Urintest positiv auf Tetrahydrocannabinol (THC) und Metamphetamin verlaufen war, enthielt die um 15:34 Uhr entnommene Blutprobe nach dem rechtsmedizinischen Gutachten des Universitätsklinikums Bonn vom 16. Januar 2020 1,1 ng/ml THC, ca. 0,3 ng/ml Hydroxy-THC (11-OH-THC) und 7,0 ng/ml THC-Carbonsäure (THC-COOH). Der Antragsteller räumte gegenüber der Polizei ein, gegen 19:00 Uhr ein Bier und gegen 23:30 Uhr einen halben Joint konsumiert zu haben.

Gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts Haßberge ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten vortragen, er habe wegen einer unerwiderten Liebe Anfang Dezember zwei- bis dreimal Cannabis konsumiert. Es sei nicht zu befürchten, dass er in Zukunft zu Betäubungsmitteln greifen werde. Er sei Berufskraftfahrer und zwingend auf seinen Führerschein angewiesen.

Mit Schreiben vom 3. März 2020 ordnete das Landratsamt gestützt auf § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bis 29. April 2020 zu der Frage an, ob zu erwarten sei, dass der Antragsteller künftig ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Cannabis oder dessen Nachwirkungen führen werde.

Der Antragsteller erklärte sich zu einer Begutachtung bereit, legte jedoch in der Folge kein Gutachten vor.

Daraufhin entzog ihm das Landratsamt mit Bescheid vom 30. Juni 2020 gestützt auf § 11 Abs. 8 FeV die Fahrerlaubnis und forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgelds auf, seinen nationalen und internationalen Führerschein innerhalb von fünf Tagen nach Zustellung des Bescheids abzuliefern. Des Weiteren wurde die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen angeordnet.

Am 28. Juli 2020 legte der Antragsteller gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und beantragte beim Verwaltungsgericht Würzburg, die sofortige Vollziehbarkeit in Nummer 3 des Bescheids auszusetzen.




Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit Beschluss vom 25. August 2020 ab. Die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Aufforderung zur Beibringung des Fahreignungsgutachtens seien rechtmäßig. Nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV könne die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliege und weitere Tatsachen Zweifel an der Fahreignung begründeten. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 8 FeV seien gegeben. Die Gutachtensaufforderung nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV sei nicht zu beanstanden. Der Antragsteller sei gelegentlicher Cannabiskonsument, da er nach eigenen Angaben mindestens zweimal Cannabis zu sich genommen habe. Er habe am 8. Dezember 2019 auch gegen das Trennungsgebot (Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV) verstoßen, da er - wie sich aus dem rechtsmedizinischen Gutachten vom 16. Januar 2020 und dem Bußgeldbescheid vom 13. Mai 2020 ergebe - unter der Wirkung von Cannabis mit einem festgestellten THC-Wert von 1,1 ng/ml Blutserum ein Kraftfahrzeug geführt habe. Dies stelle eine weitere Tatsache ("Zusatztatsache") im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV dar, die Zweifel an der Fahreignung begründe und deshalb die Gutachtensanordnung rechtfertige. Eine Trennung des Cannabiskonsums und des Führens eines Kraftfahrzeugs sei schon dann nicht mehr gegeben, wenn die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Fahrsicherheit bestehe bzw. diese nicht ausgeschlossen werden könne. Eine mögliche Beeinträchtigung der Fahrsicherheit sei bisher angenommen worden, wenn eine THC-Konzentration von 1,0 ng/ml Blutserum erreicht oder überschritten worden sei. An diesem Grenzwert sei nach der aktuellen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. April 2019 auch unter Berücksichtigung der "Empfehlung der Grenzwertkommission für die Konzentration von Tetrahydrocannabinol (THC) im Blutserum zur Feststellung des Trennvermögens von Cannabis-Konsum und Fahren" vom September 2015 festzuhalten. Beim erstmaligen Verstoß gegen das Trennungsgebot sei für die Prognose, dass der Betreffende künftig nicht zwischen einem seine Fahrsicherheit möglicherweise beeinträchtigenden Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trennen könne, in der Regel die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens erforderlich. Vorliegend seien nach dem polizeilichen Bericht, wenn auch nicht mehr nach dem ärztlichen Untersuchungsbericht etwa eineinhalb Stunden später, beim Antragsteller auch drogenbedingte Auffälligkeiten festzustellen gewesen. Es hätten somit hinreichende Umstände vorgelegen, die Anlass zu Fahreignungszweifeln gegeben hätten. Besondere Umstände im Sinne der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV, die im Fall des Antragstellers eine andere Sicht gebieten würden, könnten nicht festgestellt werden. Solche Umstände seien weder in der geschilderten Beziehungsproblematik noch in der Behauptung zu sehen, seit Ende Dezember 2019 kein Cannabis mehr zu konsumieren. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller seine Fahreignung im Sinne der Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV wiedergewonnen haben könnte, seien bereits mangels Zeitablaufs (in der Regel ein Jahr) nicht erkennbar. Auch sei anerkannt, dass wegen des unterschiedlichen Gefahrenpotenzials für die Verkehrssicherheit und der unterschiedlichen Wirkungsweise eine Ungleichbehandlung von Alkohol- und Cannabisprodukten im Fahrerlaubnisrecht nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Die Fragestellung der Gutachtensanforderung und die Beibringungsfrist seien nicht zu beanstanden. Auch eine Interessenabwägung ergebe kein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs.

Mit seiner Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, wendet sich der Antragsteller gegen die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass aus einem THC-Wert von 1,1 ng/ml Blutserum während einer Fahrt ein Verstoß gegen das Trennungsgebot abgeleitet werden könne. Das Verwaltungsgericht beziehe sich vornehmlich auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, das eine mögliche Beeinträchtigung der Fahrsicherheit ab einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml Blutserum annehme. Eine derart pauschal gezogene "Grenze" lasse jedoch die erforderliche Einzelfallprüfung vermissen. Hier sei der "Grenzwert" lediglich um 0,1 ng/ml überschritten worden. In jedem einzelnen Fall seien die genauen Umstände der Fahrt, etwaige Ausfallerscheinungen, insbesondere auch die körperliche Veranlagung des Fahrzeugführers zu berücksichtigen, die sodann - sicherlich unter dem Eindruck wissenschaftlicher Erkenntnisse - zu würdigen seien. Andernfalls werde der Fahrzeugführer in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör, seinem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz und der fairen Verfahrensführung sowie dem Wahrheitserforschungsgebot, insbesondere auch in Form des Willkürverbots und des Gleichheitsgrundsatzes, verletzt. Eine Ungleichbehandlung ergebe sich hier insbesondere im Vergleich zur deutlich differenzierteren Behandlung von Fahrten unter Alkoholeinfluss. Das Führen eines Kraftfahrzeugs unter Alkoholeinfluss führe nicht zu fahrerlaubnisrechtlichen Konsequenzen. Erst unter Hinzutreten anderer die Fahrsicherheit beeinträchtigender Faktoren, die sich in verkehrswidrigem Verhalten oder Fahrunsicherheiten manifestierten, sei von einer Fahruntüchtigkeit auszugehen. Doch selbst hier würden bis zu einer Grenze von 1,6 Promille BAK noch keine fahrerlaubnisrechtlichen Konsequenzen gezogen. Ein wissenschaftlicher Nachweis in der Form, dass eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit unter 1,6 Promille BAK ausgeschlossen werden könne, müsse dabei gerade nicht geführt werden. Der Ansatz beim Gefährdungsmaßstab sei daher im Grundsatz verfehlt. Zudem gehe es hier maßgeblich um die Bewertung eines charakterlich-sittlichen Eignungsmangels. Insbesondere die sittliche Grenze habe sich in den letzten 20 Jahren in erheblichem Maße verschoben. So werde gesellschaftlich der Konsum von Alkohol und Cannabis nahezu gleichgestellt und in der politischen Meinungsbildung eine Legalisierung des Cannabiskonsums diskutiert, sodass nicht mehr von einer höheren gesellschaftlichen Verwerflichkeit auszugehen und damit eine Ungleichbehandlung nicht mehr zu rechtfertigen sei. Dabei sei insbesondere zu beachten, dass die Grenzwertkommission erst ab einer THC-Konzentration von 3,0 ng/ml Blutserum von einer Nichttrennung des Cannabiskonsums und der Teilnahme am Straßenverkehr im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ausgehe. Auch habe die Bundesanstalt für Straßenwesen schon 2006 in einer Studie festgestellt, dass von den zu erwartenden Leistungsdefiziten bei niedrigen THC-Werten zumindest keine größeren Ausfallerscheinungen zu erwarten seien als bei Alkoholisierungsgraden von unter 0,5 Promille. Zumindest hätten die Fahrerlaubnisbehörde und das Verwaltungsgericht in die Abwägung eine Einzelfallbetrachtung einbeziehen müssen. In diese sei einzustellen, dass lediglich eine mit 0,1 ng/ml und damit nahe an der Nachweisgrenze gelegene, äußerst geringe "Grenzwertüberschreitung" festgestellt worden und der Antragsteller nicht etwa durch Fahrunsicherheiten aufgefallen sei, sondern lediglich einer allgemeinen Verkehrskontrolle unterzogen worden sei. Dem Verwaltungsgericht könne auch nicht gefolgt werden, soweit es sich auf den nicht in die behördliche Ermessensausübung einbezogenen Sachverhalt gestützt habe, dass sich beim Antragsteller angeblich drogenbedingte Auffälligkeiten gezeigt hätten. Der polizeiliche Bericht, nach dem der Antragsteller unter Konzentrationsmangel gelitten habe, seine Pupillen verkleinert und seine Augen glasig gewesen seien und sein Körper gezittert habe, sei aussagelos, da die angeblichen drogentypischen Auffälligkeiten nicht möglichst genau erläutert worden seien. Ein körperliches Zittern spreche eher gegen den Einfluss von Cannabinoiden, da diese - wenn überhaupt - beruhigend wirkten. Ein Zittern sei allenfalls mit einer normalen körperlichen Stresssituation unter dem Eindruck der Polizeikontrolle zu erklären. Der ärztliche Bericht, ca. eine Stunde nach der Polizeikontrolle, dokumentiere im Gegensatz dazu keine drogentypischen Ausfallerscheinungen. Auch sei das Rückrechnungsverbot zu beachten, wonach nur der rechtssicher festgestellte THC-Wert berücksichtigt werden könne. Dies müsse sodann auch für etwaige Ausfallerscheinungen gelten. Ein völliger "Wegfall" von Ausfallerscheinungen sei medizinisch nicht begründbar. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wäre nur dann zulässig gewesen, wenn überwiegende und dringende Gründe für eine konkrete unmittelbar drohende Gefahr für den öffentlichen Straßenverkehr vorlägen und eine schwerwiegende Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses zu besorgen sei, was hier jedoch nicht der Fall sei. Der Antragsteller sei berufsbedingt und im ländlichen Bereich dringend auf die Fahrerlaubnis angewiesen. Er habe im Übrigen ohne weitere Auffälligkeiten am Straßenverkehr teilgenommen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.





II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern oder aufzuheben wäre.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Dezember 2020 (BGBl I S. 2667), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV, BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 9. Dezember 2020 (BGBl I S. 2905), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Im Falle einer gelegentlichen Einnahme von Cannabis ist nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV die Kraftfahreignung gegeben, wenn der Konsum und das Fahren getrennt werden, kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen besteht und keine Störung der Persönlichkeit oder Kontrollverlust vorliegt. Begründen weitere Tatsachen, wie ein Verstoß gegen das Trennungsgebot, Zweifel an der Eignung, kann die Fahrerlaubnisbehörde nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen. Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn dieser sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder wenn er das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 - 3 C 20.15 - NJW 2017, 1765 = juris Rn. 19 m.w.N.).

Dies ist hier der Fall, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV vorlagen. Der Antragsteller bestreitet nicht, dass er bis zum Antritt der Fahrt am 8. Dezember 2019 gelegentlich Cannabis konsumiert hat. Ferner steht aufgrund des rechtsmedizinischen Gutachtens vom 16. Januar 2020 fest, dass er mit THC von mindestens 1,1 ng/ml im Blutserum ein Kraftfahrzeug geführt hat. Darin liegt ein Verstoß gegen das Trennungsgebot nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV, der Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers begründet (BVerwG, U.v. 11.4.2019 - 3 C 14.17 - BVerwGE 165, 215 = juris Rn. 15; U.v. 23.10.2014 - 3 C 3.13 - DAR 2014, 711 = juris Rn. 33) und die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV dazu ermächtigt, im Ermessenswege ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzuordnen.

Zu Recht weist der Antragsgegner darauf hin, dass der Beschwerdeführer mit seiner Kritik an dem von der Rechtsprechung für die Annahme fehlender Trennung im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV angenommenen Grenzwert von 1,0 ng/ml THC im Blutserum bereits das Darlegungserfordernis des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO verfehlt. Denn insoweit ist der Beschwerdebegründung bereits nicht zu entnehmen, inwiefern die Ausführungen des Verwaltungsgerichts (Beschluss, S. 14 f.), die auf diese Kritik eingehen, fehlerhaft sein sollen, weil lediglich der Vortrag aus der ersten Instanz wiederholt wird. Eine ausreichende Darlegung im Sinne von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2018 - 11 CS 18.435 - DAR 2019, 343 = juris Rn. 11; Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 146 Rn. 76 ff.; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 22a f.). Da sich das Verwaltungsgericht insofern die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts in dem zitierten Urteil vom 11. April 2019 (vgl. auch BVerwG, U.v. 23.10.2014 - 3 C 3.13 - juris Rn. 33 ff.) zu eigen gemacht hat, richtet sich die Kritik letztlich gegen die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, von der das Verwaltungsgericht nicht abweichen könnte, ohne die eigene Entscheidung (im Hauptverfahren) wegen Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) der Anfechtung auszusetzen. Im Übrigen teilt der Senat aus den im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. April 2019 im Einzelnen dargelegten Gründen (a.a.O. Rn. 17, 26 ff.), denen die Beschwerdebegründung nicht substantiiert etwas entgegensetzt, die Auffassung, dass ab einem THC-Wert von 1,0 ng/ml Blutserum ein Verstoß gegen das Trennungsgebot vorliegt (vgl. BayVGH, B.v. 22.4.2020 - 11 CS 19.2434 - juris Rn. 18; vgl. auch Zwerger, ZfS 2017, 364/368). Im Hinblick auf die schwerwiegenden Gefahren, die von in ihrer Fahrsicherheit beeinträchtigten Kraftfahrzeugführern für Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer ausgehen können, genügt es insoweit, wenn die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit besteht oder - negativ formuliert - eine solche Beeinträchtigung nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 10.3.2015 - 11 CS 14.2200 - juris Rn. 12 ff.; B.v. 23.6.2016 - 11 CS 16.690 - juris Rn. 15 ff.). Dieser Gefährdungsmaßstab liegt auch dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 14.11.2013 - 3 C 32.12 - BVerwGE 148, 230 = juris Rn. 15 ff.) zum Fehlen der Fahreignung bei Mischkonsum von Alkohol und Cannabis zugrunde. Die gegen dieses Urteil gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, B.v. 3.7.2014 - 1 BvR 234/14 - juris). Die Grundrechte des Antragstellers verbieten es nicht, an die mit der Fahrt vom 8. Dezember 2019 vorliegenden konkreten tatsächlichen Verdachtsmomente dafür, dass er den Konsum von Cannabis und die aktive Teilnahme am Straßenverkehr nicht zuverlässig zu trennen vermag oder zu trennen bereit ist, eine Gefahrenerforschungsmaßnahme wie die medizinisch-psychologische Begutachtung zu knüpfen (vgl. BVerfG, B.v. 8.7.2002 - 1 BvR 2428/95 - NJW 2002, 2381 = juris Rn. 6; vgl. auch BVerfG, B.v. 21.12.2004 - 1 BvR 2652/03 - NZV 2005, 270 = juris Rn. 16 ff. zu § 24a StVG). Auch ist eine - wie hier sachlich gerechtfertigte - generalisierend-typisierende Betrachtung im Bereich der Gefahrenabwehr nicht verfassungswidrig. Der vom Antragsteller geforderte Nachweis der konkreten Gefährlichkeit eines Fahrerlaubnisinhabers im Einzelfall wäre in der praktischen Gesetzesanwendung wohl kaum je zu führen. Im Übrigen erschöpfen sich auch die geltend gemachten Grundrechtsverletzungen in einer pauschalen Behauptung.

Zutreffend trägt der Antragsgegner in diesem Zusammenhang ferner vor, die Behauptung, das Verwaltungsgericht habe sich darauf gestützt, dass die Polizei beim Antragsteller drogenbedingte Auffälligkeiten festgestellt habe, treffe nicht zu. Der Verweis auf den polizeilichen Bericht diente ersichtlich nur der - nicht entscheidungserheblichen -Bekräftigung, dass der Antragsteller entgegen seiner Ansicht auch konkret unter dem Einfluss von THC gestanden habe.

Auch der Einwand, es verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass der Gesetzgeber an die Begehung einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a Abs. 1 StVG (Fahren unter Alkoholeinfluss) keine fahrerlaubnisrechtlichen Konsequenzen knüpfe, während dies bei einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a Abs. 2 StVG (Fahren unter Betäubungsmitteleinfluss) der Fall sei, ist nicht berechtigt. Zum einen setzt eine Gutachtensaufforderung in Alkoholfällen nicht zwangsläufig voraus, dass der Fahrerlaubnisinhaber mehr als einmal mit einer Blutalkoholkonzentration von weniger als 1,6 Promille gefahren ist. So genügen für die Anordnung gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a FeV sonstige Anzeichen dafür, dass der Betroffene das Führen eines Kraftfahrzeugs und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen kann (Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, FeV § 13 Rn. 21). Zum andern ist der Gesetzgeber anerkanntermaßen aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verpflichtet, Alkohol und Betäubungsmittel im Straßenverkehr gleich zu behandeln (vgl. BVerwG, U.v. 23.10.2014 a.a.O. Rn. 51 f.; BVerfG, B.v. 21.12.2004 - 1 BvR 2652/03 a.a.O. Rn. 15; BayVGH, B.v. 20.6.2005 - 11 CS 05.43 - juris Rn. 24).

Wird von einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten, der gegen das Trennungsgebot verstößt, ein medizinisch-psychologisches Gutachten verlangt, hat dies entgegen der Ansicht des Antragstellers weder etwas mit der Bewertung oder Sanktionierung eines charakterlich-sittlichen Eignungsmangels noch einem Verwerflichkeitsurteil zu tun. Das Gutachten dient allein der Prognose, ob eine Wiederholungsgefahr besteht (vgl. BVerwG, U.v. 11.4.2019 a.a.O. Rn. 35, 37). Zwar haben das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesverfassungsgericht (B.v. 20.6.2002 - 1 BvR 2062/96 - NJW 2002, 2378 = juris Rn. 49) in der fehlenden Trennungsbereitschaft zwischen Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs einen charakterlich-sittlichen Eignungsmangel gesehen. Rechtlich ist dies jedoch unerheblich, da es allein auf den objektiven Verstoß gegen das Trennungsgebot nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 ankommt, sei es wegen fehlenden Trennungsvermögens oder wegen fehlender Trennungsbereitschaft (BVerwG, U.v. 11.4.2019 a.a.O. Rn. 19 ff.).



Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt sein Ermessen trotz der geringfügigen Überschreitung des relevanten Grenzwerts dahin ausgeübt hat, dass der Antragsteller ein Gutachten beizubringen habe. Abgesehen davon, dass sich zu Gunsten des Antragstellers ausgewirkt hat, dass sich der gemessene THC-Wert während der rund eineinhalb Stunden zwischen der Beendigung der Fahrt und der Blutentnahme verringert hat, sind weder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten noch ist von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise (§ 114 Satz 1 VwGO) Gebrauch gemacht, wenn bei einem dem Grenzwert von 1,0 ng/ml Blutserum entsprechenden oder geringfügig darüber liegenden THC-Wert die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet wird. In der Regel ist dies erforderlich um aufzuklären, ob der Fahrerlaubnisinhaber künftig zwischen einem seine Fahrsicherheit möglicherweise beeinträchtigenden Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trennen wird (vgl. BVerwG, U.v. 11.4.2019 a.a.O. Rn. 34). Das Landratsamt durfte daher im Interesse der Sicherheit des Straßenverkehrs die Aufklärung der Eignungszweifel für geboten halten.

Stellt sich der betroffene Fahrerlaubnisinhaber einer rechtmäßig angeordneten Begutachtung nicht, ist § 11 Abs. 8 FeV ohne Einschränkung anwendbar (BayVGH, B.v. 31.7.2019 - 11 CS 19.1101 - juris Rn. 20). Insbesondere ist eine Entziehung der Fahrerlaubnis dann zwingend und setzt keine Abwägung der Umstände des Einzelfalls mehr voraus. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommen Interessenabwägung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hat hiermit nichts zu tun und ist im Übrigen nur hilfsweise erfolgt.

Die gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung gerichteten Einwände greifen ebenfalls nicht durch. Das Verwaltungsgericht ist der ständigen Rechtsprechung des Senats gefolgt, wonach bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch ist, was eine Wiederholung der für die Begründung des Verwaltungsakts maßgebenden Erwägungen oder eine Bezugnahme hierauf erlaubt (vgl. BayVGH, B.v. 31.7.2019 - 11 CS 19.1101 - juris Rn. 21 m.w.N.). Auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung kommt es dabei nicht an, da es sich bei dem Begründungszwang des § 80 Abs. 3 VwGO um eine formelle und keine materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Vollzugsanordnung handelt. Die behördliche Annahme, dass einem nicht fahrgeeigneten Kraftfahrer im Hinblick auf die damit für die Allgemeinheit verbundenen erheblichen Gefahren die Fahrerlaubnis ungeachtet des Gewichts seines persönlichen Interesses an der Teilnahme am individuellen Straßenverkehr nicht bis zum Eintritt der Bestandskraft des Entziehungsbescheids belassen werden kann, begegnet keinen Bedenken (stRspr des Senats, vgl. BayVGH, B.v. 31.7.2019 a.a.O. m.w.N.).

Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5, 46.1, 46.3 und 46.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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