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Verwaltungsgerichtshof Kassel Urteil vom 28.07.2021 - 2 A 1463/20 - Zur Mitwirkungspflicht des Fahrzeughalters bei seiner Anhörung zu einer beabsichtigten Fahrtenbuchauflage

VGH Kassel v. 28.07.2021: Zur Mitwirkungspflicht des Fahrzeughalters bei seiner Anhörung zu einer beabsichtigten Fahrtenbuchauflage




Der Verwaltungsgerichtshof Kassel (Urteil vom 28.07.2021 - 2 A 1463/20) hat entschieden:

   Die Fahrerlaubnisbehörde ist zu weiteren Ermittlungen nicht verpflichtet, wenn der Fahrzeughalter bei seiner Anhörung zu einer beabsichtigten Fahrtenbuchauflage nur vage Angaben zu einem in Frage kommenden großen Personenkreis macht und es deshalb an hinreichend konkreten Beweisanzeichen fehlt, die auf die Person des Fahrzeugführers hindeuten.

Siehe auch
Mangelnde Mitwirkung bei der Ermittlung des Fahrzeugführers und Fahrtenbuchauflage
und
Stichwörter zum Thema Fahrtenbuch

Tatbestand:


Der Kläger wendet sich gegen eine Fahrtenbuchauflage.

Mit dem Personenkraftwagen mit dem amtlichen Kennzeichen GI-... wurde am 12. September 2015 in Nidda die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 26 km/h überschritten. Am 23. September 2015 sandte das Regierungspräsidium Kassel an den Kläger als Halter des Fahrzeugs einen mit einem Fahrerfoto versehenen Zeugenfragebogen bezüglich des Verkehrsverstoßes. Ein Rücklauf erfolgte insoweit nicht. Auf ein am 26. Oktober 2015 vom Regierungspräsidium Kassel an die Polizeistation Gießen Süd gerichtetes Ermittlungsersuchen zur Fahrerfeststellung teilte diese mit Verfügung vom 24. November 2015 mit, dass es sich bei der Fahrerin nicht um die Ehefrau des Klägers handele, im Übrigen seien die Ermittlungen erfolglos verlaufen. Dem war eine von dem Kläger an diesem Tag bei einer Vorsprache bei der Polizeistation verfasste schriftliche Stellungnahme beigefügt.

Mit dem Bevollmächtigten des Klägers am 22. März 2016 zugestelltem Bescheid vom 17. März 2016 ordnete die Landrätin des Beklagten unter Anordnung der sofortigen Vollziehung für die Zeit vom 1. April 2016 bis 31. März 2017 das Führen eines Fahrtenbuchs für das auf den Kläger zugelassene Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen GI-... an.

Am 22. April 2016 hat der Kläger Klage erhoben und einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt, der mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 11. Mai 2016 (- 6 L 1033/16.GI -) abgelehnt wurde. Auf die dagegen erhobene Beschwerde hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 6. September 2016 (- 2 B 1401/16 -) die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt.

Mit einem dem erstinstanzlichen Gericht per Fax übermittelten Schriftsatz vom 14. März 2017 (Bl. 58 der Gerichtsakte - GA -) änderte die Landrätin des Beklagten ihren Bescheid vom 17. März 2016 insoweit ab, als die Worte "Zeit vom 01.04.2016 bis 31.03.2017" durch die Worte "Dauer von zwölf Monaten ab Bestandskraft dieser Verfügung" ersetzt worden sind. Dieser Schriftsatz wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 15. März 2017 per Telefax übermittelt (Bl. 59 GA). Der Bevollmächtigte des Klägers legte mit am selben Tag bei dem Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 29. März 2017 (Bl. 60 GA) Widerspruch gegen den Bescheid vom 14. März 2017 ein und führte zur Begründung aus, dabei handele es sich um keinen Änderungsbescheid, sondern um einen neuen Bescheid mit einem völlig anderen Regelungsinhalt.

Der Kläger hat beantragt,

   den Bescheid der Landrätin des Beklagten vom 17.03.2016 in der Fassung des Änderungsbescheides derselben Behörde vom 14.03.2017 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

   die Klage abzuweisen.




Mit Urteil vom 29. März 2017 hat das Verwaltungsgericht Gießen die Klage abgewiesen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger sei zu Recht für die Dauer von zwölf Monaten ab Bestandskraft des Bescheides das Führen eines Fahrtenbuchs für das auf ihn zugelassene Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen GI-... oder ein etwaiges Ersatzfahrzeug auferlegt worden. In einem Bußgeldverfahren habe nicht ermittelt werden können, wer das Fahrzeug am 12. September 2015 in Nidda bei der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 26 km/h geführt hat. Mit dem Änderungsbescheid vom 14. März 2017 sei der Bescheid vom 17. März 2016 bezüglich der Fristsetzung für die Fahrtenbuchauflage wirksam geändert worden. Die erforderliche Bekanntgabe sei im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens erfolgt, eine Zustellung durch die Behörde sei insoweit nicht vorgeschrieben. Darüber hinaus sei der Änderungsbescheid durch die entsprechende Antragstellung des Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung Gegenstand des vorliegenden Streitverfahrens geworden. Der Verstoß gegen § 45 Abs. 1 Nr. 3 HVwVfG wegen der mangelnden Anhörung des Klägers sei in der mündlichen Verhandlung am 29. März 2017 mit einer ausführlichen Erörterung der Beteiligten geheilt worden.

Die Fahrtenbuchauflage sei rechtmäßig, die Behörde habe in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht wurden und die erfahrungsgemäß Erfolg hätten haben können. Dem Einwand, der ermittelnde Polizeibeamte der Polizeistation Süd hätte den Kläger bei dessen Vorsprache am 24. November 2015 unter Bestimmung einer kurzen Äußerungsfrist zu einer Nachfrage unter seinen Angestellten veranlassen müssen, wer das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt geführt habe, werde nicht gefolgt. Der Kläger hätte als Zeuge gegebenenfalls auch ihm verfügbare schriftliche Unterlagen einsehen können und müssen. Dass die Möglichkeit zu weitergehenden Nachforschungen eingeräumt werden müsse, ergebe sich aus § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 48 Abs. 1 Satz 2, 69 StPO nicht. Die Aufforderung zu weiteren Nachforschungen habe auch nicht mehr zu einem zumutbaren Verwaltungsaufwand gehört, da dies nach den Besonderheiten des Falles aus Sicht des Polizeibeamten keine Aussicht auf Erfolg versprach und ein Festhalten hieran in Anbetracht der ersichtlich fehlenden Kooperationsbereitschaft des Klägers eine reine Förmelei dargestellt hätte. Nach der Vorladung mit Schreiben vom 5. November 2015 hätte der Kläger etwaige Erkundigungen einholen können. Da nur noch eine Frist von zwei Wochen verblieben sei, bevor Verjährung eingetreten wäre, seien weitere Ermittlungen kaum erfolgversprechend gewesen, insbesondere da es selbst bei Benennung nur einer Person als Fahrer weiterer Vernehmungen bedurft hätte. Dass der Kläger den Zeugenfragebogen vom 23. September 2015 nicht erhalten habe, stehe der Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs nicht entgegen, weil sie für die Nichtermittlung des Fahrzeugführers nicht ursächlich gewesen sei. Denn der Kläger habe sich im Bußgeldverfahren nicht auf ein fehlendes Erinnerungsvermögen berufen, sondern allein darauf verwiesen, dass er 18 Angestellte habe und am Tattag im Rahmen eines Umbaugeschäfts die Helfer und Angestellten mit den Firmenfahrzeugen nach Hause gefahren worden seien. Die Ermessenserwägungen seien durch die Behörde jedenfalls im Verlauf des Eilverfahrens ergänzt worden. Der Änderungsbescheid vom 14. März 2017 führe auch nicht zu einer Verlängerung der Dauer, über die das Fahrtenbuch zu führen sei. Der Einwand des Klägers, das schon geführte Fahrtenbuch sei weggeworfen worden, sei angesichts des noch anhängigen Verfahrens nicht nachvollziehbar. Da damit das Fahrtenbuch jedenfalls nicht ordnungsgemäß geführt worden sei, sei die Verlängerung aber auch nicht zu beanstanden.

Mit Beschluss vom 25. Mai 2020 hat der Senat die Berufung zugelassen.

Seine am 29. Juni 2020 eingegangene Berufung begründet der Kläger weiterhin damit, dass der Bescheid vom 17. März 2016 mit dem Änderungsbescheid vom 14. März 2017 nicht wirksam geändert worden und im Übrigen rechtsfehlerfrei eine Anhörungsrüge dagegen erhoben worden sei. Die Fahrtenbuchauflage sei rechtswidrig, da die Behörde nicht alle sachgerechten und bei rationellem Einsatz zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft habe. Sie habe nicht einmal den Versuch unternommen, über den Kläger die Fahrerin zu ermitteln. Seine Bitte um dienstliche Erklärung hinsichtlich der Aufklärungstätigkeit sei ergebnislos geblieben, weil der Polizeibeamte sich nicht habe erinnern können. Es sei nicht erkennbar, woraus das Verwaltungsgericht auf eine mangelnde Kooperationsbereitschaft geschlossen habe. Schließlich habe der Kläger bei der Polizei vorgesprochen und sich zur Sache eingelassen. Die Ermittlung der Fahrerin hätte auch noch rechtzeitig erfolgen können und der Kläger hätte sich an die Person der Fahrerin erinnern können, wenn er rechtzeitig angehört worden wäre. Die faktische Verlängerung der Fahrtenbuchauflage sei nicht hinnehmbar. Das Fahrtenbuch sei nach der Entscheidung des Senats vom 6. September 2019 in der irrigen Annahme entsorgt worden, dass der Kläger jetzt kein Fahrtenbuch mehr führen müsse.

Der Kläger beantragt,

   das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 29. März 2017 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 17. März 2016 in der Fassung des Änderungsbescheides derselben Behörde vom 14. März 2017 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

   ddie Berufung zurückzuweisen.

Der Ermittlungsbehörde sei unzureichende Ermittlungstätigkeit nicht vorzuhalten. Lehne der Halter wie hier eine Mitwirkung an der Feststellung des Fahrers erkennbar ab, sei die Ermittlungsbehörde nicht zu weiteren und kaum aussichtsreichen Ermittlungen verpflichtet. Dies sei schon daraus erkennbar, dass dieser auf den ordnungsgemäß an die richtige Adresse des Klägers übersendeten Zeugenfragebogen nicht reagiert habe. Der polizeilichen Aufforderung zur Zeugenaussage sei er nur zögerlich nachgekommen und habe einen zweiten Termin erhalten müssen, zu dem er wiederum nicht erschienen sei. Nach seinem pauschalen Hinweis auf 18 Angestellte und dass es sich bei der abgelichteten Person um eine Angehörige eines dieser Angestellten handeln müsse, sei es nicht zu beanstanden, dass keine weiteren Ermittlungen unternommen worden seien. Eine Verpflichtung, dem Kläger selbst weitere Nachforschungen zu ermöglichen, bestehe nicht. Dieser sei als Zeuge nur verpflichtet, eigene Beobachtungen und selbst Erlebtes zu schildern.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der Gerichtsakten (2 A 1463/20 und 2 B 1401/16) und der Behördenakte des Beklagten (1 Hefter) Bezug genommen, die beigezogen waren und zum Inhalt der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.




Entscheidungsgründe:


Die Entscheidung kann durch die Vorsitzende und Berichterstatterin als Einzelrichterin ergehen, nachdem die Beteiligten ihr Einverständnis damit erklärt haben (§ 87 a Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Die Verfügung des Beklagten vom 17. März 2016 über die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage in der Fassung des Änderungsbescheides vom 14. März 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Änderungsbescheid, mit dem die Worte "Zeit vom 01.04.2016 bis 31.03.2017" durch die Worte "Dauer von zwölf Monaten ab Bestandskraft dieser Verfügung" ersetzt und damit eine Frist für die Fahrtenbuchauflage ab Eintritt der Bestands- oder Rechtskraft bestimmt wurde, wirksam. Mit der Übersendung des Bescheids an den Kläger durch das Gericht in dem laufenden Verwaltungsstreitverfahren ist der Änderungsbescheid entgegen der Ansicht des Klägers ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 HVwVfG ist ein Verwaltungsakt demjenigen gegenüber bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen ist, eine förmliche Zustellung ist nicht erforderlich. Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 HVwVfG kann die Bekanntgabe auch gegenüber dem bestellten Bevollmächtigten erfolgen, dies ist mit der Übersendung in dem anhängigen Gerichtsverfahren geschehen. Da ein Bevollmächtigter bestellt war, musste eine Bekanntgabe auch nicht zusätzlich an den Kläger persönlich erfolgen, wie dieser meint.

Es ist auch nicht notwendig, dass die Bekanntgabe unmittelbar durch die Behörde selbst vorgenommen wird. Da die Bekanntgabe von der zuständigen Behörde (nur) veranlasst werden muss, ist es ausreichend, dass die Bekanntgabe mit Wissen und Willen der Behörde durch eine andere Behörde oder einen Dritten als Boten vorgenommen wird (Kopp/Ramsauer, VwVfG-Kommentar, 21. Aufl. 2020, § 41 Rn. 7). Dies ist hier gegeben, da der Änderungsbescheid von der zuständigen Behörde an den Kläger gerichtet war und von dem Verwaltungsgericht - insoweit als Bote fungierend - an den Bevollmächtigten des Klägers übermittelt worden ist.

Der Änderungsbescheid ist auch nicht wegen der vom Kläger durch seinen Bevollmächtigten erhobenen "Anhörungsrüge" unwirksam oder gar nichtig. Zwar rügt der Kläger zu Recht, dass eine Anhörung vor Erlass des Änderungsbescheides nicht durchgeführt wurde. Das Verwaltungsgericht hat jedoch zutreffend festgestellt, dass dieser Mangel gemäß § 45 HVwVfG geheilt wurde. Denn der Kläger hat sich mit seinem Widerspruch und in der mündlichen Verhandlung auf den Änderungsbescheid eingelassen, indem dieser mit dem Bevollmächtigten des Klägers erörtert wurde. Dies geht aus der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung hinreichend eindeutig hervor (Bl. 64 GA). Damit ist die Anhörung in nicht zu beanstandender Weise nachgeholt worden.

Bei der in dem Bescheid vom 14. März 2017 getroffenen Regelung handelt es sich auch nicht um einen neuen Bescheid mit einem völlig anderen Regelungsinhalt und damit einer neuen Betroffenheit bei dem Kläger. Die damit vorgenommene Änderung betrifft einzig den Zeitpunkt des Beginns der im Übrigen unverändert gebliebenen Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs über die Dauer von zwölf Monaten, der nunmehr auf den Eintritt der Bestandskraft bestimmt wurde. Im Kern ist die getroffene Regelung dagegen unverändert geblieben. Entgegen der Ansicht des Klägers ist damit auch keine faktische Verlängerung dieses Zeitraums auf 17 Monate vorgenommen worden. Dass der Kläger, wie er vorbringt, bis zur Entscheidung des Senats in dem vorangegangenen Beschwerdeverfahren schon mehrere Monate lang ein Fahrtenbuch geführt hat, führt weder faktisch noch rechtlich zu einer Verlängerung des ihm auferlegten Zeitraums von insgesamt zwölf Monaten, da dies im Falle eines geeigneten Nachweises hätte angerechnet werden können. Für die tatsächlichen Umstände, die zu einer Anrechnung auf die aus dem Bescheid folgende Verpflichtung hätten führen können, trägt jedoch der Kläger die Darlegungs- und Beweislast, da er damit einen rechtlichen Vorteil bzw. einen rechtlichen Anspruch begehrt. Diesen Nachweis hat der Kläger allerdings nicht führen können, da er - wie er behauptet - das Fahrtenbuch nach der Beschwerdeentscheidung des Senats in dem vorangegangenen Eilverfahren entsorgt hat. Dies geht aus den oben dargestellten Gründen auch dann zu seinen Lasten, wenn der Entsorgung eine irrige Auffassung über die Wirkung der vorangegangenen Beschwerdeentscheidung des Senats zugrunde gelegen haben sollte. Abgesehen davon, dass die Vorläufigkeit dieser Entscheidung auch für einen juristischen Laien erkennbar gewesen sein dürfte, wäre dieser Irrtum für den zu diesem Zeitpunkt schon anwaltlich vertretenen Kläger auch vermeidbar gewesen, wenn er seinen Bevollmächtigten um Rat dazu gebeten hätte. Dafür, dass ihm das nicht zumutbar war, sind Anhaltspunkte weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

2. Der angegriffene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.

Nach § 31a Abs. 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung − StVZO − kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war, und auch ein oder mehrere Ersatzfahrzeuge bestimmen.

Eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften durch Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit unter Nutzung des Fahrzeugs des Klägers ist gegeben.

Der Einwand des Klägers, es liege ein zur Rechtswidrigkeit der Anordnung führendes Ermittlungsdefizit vor, greift nicht durch. Die bis zum insoweit maßgeblichen Eintritt der Verfolgungsverjährung (§ 26 Abs. 3 StVG) erfolglos gebliebenen Bemühungen des Beklagten, die verantwortliche Fahrerin zu ermitteln, genügen den rechtlichen Anforderungen.


Art, Zeitpunkt und Umfang der angemessenen und zumutbaren Ermittlungen stehen im pflichtgemäßen Ermessen der Polizei. § 31a StVZO verpflichtet die Polizei nicht zur Anwendung bestimmter Ermittlungsmethoden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 09.12.1993 - BVerwG 11 B 113.93 -, juris Rn. 4), diese hängen vielmehr von der Art des jeweiligen Verkehrsverstoßes und der Bereitschaft des Kraftfahrzeughalters zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrers ab (BVerwG, Beschluss vom 23.12.1996 - BVerwG 11 B 84.96 -, juris Rn. 3). Die Behörde darf ihre Bemühungen um die Feststellung des Fahrzeugführers vorrangig an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten und aus seinem Verhalten im Ordnungswidrigkeitenverfahren auf fehlende Mitwirkungswirkungsbereitschaft schließen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.1982 - BVerwG 7 C 3.80 -, juris Rn. 7). Der Fahrzeughalter ist für sein Fahrzeug verantwortlich und daher erster Ansprechpartner für die Ermittlungsbehörden. Er ist insoweit zur Mithilfe bei der Aufklärung verpflichtet, dass er zumindest den Personenkreis der möglichen Fahrzeugführer gegenüber der Straßenverkehrsbehörde einschränkt. Unterbleiben dahingehende Angaben oder lehnt der Fahrzeughalter eine Mitwirkung erkennbar ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen nach dem Fahrzeugführer zu betreiben (st. Rspr., vgl. BVerwG, Beschluss vom 09.12.1993, a.a.O.; Urteil vom 17.12.1982 - BVerwG 7 C 3.80 -, juris Rn. 7). Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil Ermittlungsbemühungen nur dann sinnvoll sind, wenn der Täter vor Ablauf der dreimonatigen Verjährungsfrist (§ 26 Abs. 3 StVG) und deren in Betracht kommenden Unterbrechungen so rechtzeitig bekannt ist, dass die Verkehrsordnungswidrigkeit noch mit Aussicht auf Erfolg geahndet werden kann (vgl. VGH BW, Beschluss vom 21.7.2014 - 10 S 1256/13 -, juris Rn. 5). Schickt der Fahrzeughalter den ihm übersandten Anhörungsbogen unausgefüllt oder kommentarlos zurück, reagiert er auf diesen nicht oder lehnt unter ausdrücklichem Hinweis auf sein Aussagverweigerungsrecht pauschal jede Mitwirkung an der weiteren Aufklärung ab, darf die Ermittlungsbehörde nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich von einer fehlenden Bereitschaft ausgehen, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Erst wenn sich im Einzelfall besondere Beweisanzeichen ergeben haben, die auf die Person des Fahrzeugführers hindeuten, oder wenn besondere Umstände des Einzelfalls es naheliegend erscheinen lassen, dass der Halter bei Kenntnis bestimmter Ermittlungsergebnisse doch mitwirkungsbereit sein könnte, muss die Behörde weiter ermitteln (Bay. VGH, Beschluss vom 07.01.2019 - 11 CS 18.1373 -, juris Rn. 13; m.w.Nachw.).

Diesen Grundsätzen folgend ist die hier vorgenommene Ermittlungstätigkeit der Behörde nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht des Klägers wurden nach dessen Vorsprache bei der Polizei weitere Ermittlungen vorgenommen und geklärt, dass dessen Ehefrau als Fahrzeugführerin nicht in Betracht kommt. Anders als der Kläger meint, haben dessen Vorsprache bei der Polizei und die dort gemachten Angaben auch keinen hinreichend konkreten Anlass zu weiterer Ermittlungstätigkeit gegeben. Seine Äußerung, dass es sich bei der Person der Fahrzeugführerin um "einen Angehörigen der Angestellten" handeln könne, war schon nicht geeignet, den Kreis der in Betracht kommenden Personen so einzugrenzen, dass weitere Ermittlungen innerhalb der Verjährungszeit Erfolg versprochen hätten, vielmehr wurde der infrage kommende Personenkreis damit noch erweitert. Zu Recht wendet der Beklagte ein, dass in der bis zum Eintritt der Verfolgungsverjährung verbleibenden Zeit weitere Ermittlungen bei den 18 noch unbekannten Angestellten aus verschiedenen Firmenstandorten kaum mit Erfolg hätten durchgeführt werden können, da es an einer weiteren Eingrenzung gefehlt hat. Dies wäre dem Kläger als Halter des Fahrzeugs auch zumutbar gewesen, etwa durch die Angabe, wem der Fahrzeugschlüssel ausgehändigt worden war oder wem das - nach eigenem Vorbringen sonst nur vom Kläger gefahrene - Fahrzeug an diesem Tag zur Verfügung gestellt worden war.

Auch dem Einwand des Klägers, der ermittelnde Polizeibeamte der Polizeistation Süd hätte ihm bei seiner Vorsprache am 24. November 2015 unter Bestimmung einer kurzen Äußerungsfrist zu einer Nachfrage unter seinen Angestellten nach der Führerin des Fahrzeugs zum Tatzeitpunkt veranlassen müssen, wird unter ausdrücklicher Aufgabe der Rechtsprechung des Senats in dem Beschluss gleichen Rubrums vom 6. September 2016 nicht gefolgt. Dass der Kläger selbst zu weiteren Ermittlungen auf eine derartige Nachfrage bereit gewesen wäre, lässt sich weder seiner Angabe, den Fahrzeugführer nicht zu erkennen (Bl. 2 der Behördenakte - BA -) noch seiner bei der Polizei abgegebenen schriftlichen Stellungnahme (Bl. 1 BA) entnehmen. Abgesehen davon, dass er schon zuvor selbst solche Ermittlungen bspw. anhand seiner Geschäftsunterlagen hätte angestellt haben können, lässt sich aus den vagen Angaben des Klägers, der trotz des deutlichen Fotos die Fahrzeugführerin nicht erkannt hatte, eine aktive Mitwirkung an deren Feststellung nicht erkennen. Die Polizei konnte daraus folgern, dass es sich um eine dem Kläger nicht vertraute oder näher bekannte Person handeln dürfte und damit ein großer Kreis von Personen in Betracht kam, die sämtlich noch zu ermitteln gewesen wären. Angesichts dieser Umstände und des zugrundeliegenden Massendelikts einer Geschwindigkeitsübertretung durfte die Polizei zu Recht davon ausgehen, dass auch die Einräumung einer weiteren Gelegenheit für Nachforschungen des Klägers bei seinen Angestellten einen hohen Aufwand verursachen, jedoch keinen hinreichend schnellen Erfolg versprechen würde.

Auch der Einwand des Klägers, den ersten Zeugenfragebogen nicht erhalten zu haben, führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar obliegt der Behörde die Beweispflicht hinsichtlich des Zugangs, sie kann dem aber auch nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins genügen. Voraussetzung ist, dass sie Tatsachen vorträgt, aus denen nach allgemeiner Lebenserfahrung geschlossen werden kann, dass der Empfänger ein Schreiben tatsächlich erhalten haben muss (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 18.02.2016 - 11 BV 15.1164 -, juris; Beschluss vom 11.05.2011 - 7 C 11.232 - juris Rn. 2; Sächs. OVG, Beschluss vom 16. Juli 2012 - 3 A 663/10 - juris Rn. 7). Dementsprechend kann ein Fahrzeughalter jedenfalls dann, wenn die Absendung eines Anhörungsschreibens durch die Behörde hinreichend belegt ist, nicht mit Erfolg einwenden, er habe den Anhörungsbogen nicht erhalten. Insoweit wird im Grundsatz als ausreichend erachtet, dass die Übersendung anhand eines Datensatzauszugs nachvollzogen werden kann.



Dies ist hier der Fall. Anhand des Datenauszugs in der Behördenakte (Bl. 27 f. BA) kann hinreichend nachvollzogen werden, dass und wann der Anhörungsbogen übersandt wurde. Danach ist das Anschreiben an den Kläger mit Zeugenfragebogen am 23. September 2015 nicht nur gefertigt, sondern auch abgesandt worden. Zudem war das Anhörungsschreiben vom 23. September 2015 an den Kläger korrekt adressiert (siehe Bl. 8 BA) und ist auch nicht als unzustellbar in Rücklauf gekommen. Der Kläger hat den Zugang dagegen auch in diesem Berufungsverfahren lediglich pauschal bestritten und keine tatsächlichen Umstände schlüssig vorgetragen, aus denen sich Anhaltspunkte für einen atypischen Geschehensablauf oder sonstige Gründe dafür ergeben, dass ihm das Schreiben nicht zugegangen ist.

Selbst wenn aber unterstellt wird, dass der Kläger das erste Anschreiben nicht erhalten hat, führt das zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger hat sich weder gegenüber der Polizei noch in diesem Berufungsverfahren auf ein wegen des zwischenzeitlichen Zeitablaufs fehlendes Erinnerungsvermögen berufen. Vielmehr waren ihm bei seiner Vorsprache die Umstände an diesem Tag mit einem durchgeführten Umbau und dass daran sämtliche 18 Angestellten beteiligt waren noch gut in Erinnerung.

Der Kläger hat nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

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