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Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Beschluss vom 03.09.2021 - 5 L 2467/21.F - Auflagen für Fahrrad-Demo auf der Autobahn A5 - Demonstration (Fahrrad-Demo) B bike-night 2021

VG Frankfurt am Main v. 03.09.2021: Untersagung der Fahrrad-Demo auf der Autobahn A5 - Demonstration (Fahrrad-Demo) B bike-night 2021




Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main (Beschluss vom 03.09.2021 - 5 L 2467/21.F) hat entschieden:

  1.  § 15 Abs. 1 VersG erfordert im Falle einer Versammlung, die auf einem Abschnitt einer Bundesautobahn erfolgen soll, eine Abwägung der Interessen des Versammlungsanmelders an der gewünschten Nutzung der Autobahn und der Beeinträchtigung der durch erforderliche Straßensperrungen und Umleitungen betroffenen Allgemeinheit.

  2.  Der Umstand, dass eine Versammlungsbehörde erst wenige Tage vor einer frühzeitig angemeldeten Versammlung auf den Anmelder zutritt, stellt für sich genommen noch keinen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG dar, soweit - wenn auch sehr kurzfristig - die Erwirkung einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung und Entscheidung möglich bleibt; dass das Vorbringen der Beteiligten im gerichtlichen Verfahren in diesen Fällen nicht in gleicher Weise erfolgen kann, wie in Fällen, in denen mehr Zeit zur Vorbereitung besteht, kann das Gericht angemessen berücksichtigen.


Siehe auch
Radfahrer-Demos
und
Stichwörter zum Thema Fahrrad und Radfahrer

Gründe:


I.

Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen eine versammlungsrechtliche Auflage.

Am 7. Oktober 2020 meldete der Antragsteller für die Organisation B für Samstag, den 4. September 2021, in der Zeit von 20:00 Uhr bis 23:00 Uhr eine "Demonstration (Fahrrad-Demo) B bike-night 2021" mit dem Thema "Mehr Platz für Radler - nicht nur heut‘ Nacht" samt Auftakt- und Zwischenkundgebung sowie Verabschiedung an. Als Ort für die Auftaktkundgebung und die Verabschiedung wurde der Mainkai, Höhe Eiserner Steg, benannt. Nach einer ca. 30-minütigen Auftaktkundgebung ab 20:00 Uhr solle sich der Fahrradkorso in Bewegung setzen und um ca. 23:00 Uhr wieder auf dem Mainkai enden. Erwartet würden - je nach Wetterlage - 2.000 bis 4.000 Teilnehmer. Die Route des Fahrradkorsos werde noch mitgeteilt.

Mit E-Mail vom 20. Juli 2021 teilte der Antragsteller der Versammlungsbehörde der Antragsgegnerin die beabsichtigte Route des Fahrradkorsos mit. Neben der Nutzung verschiedener innenstädtischer Straßenabschnitt war auch die Nutzung des Streckenabschnitts der Bundesautobahn (BAB) 5 in Richtung Kassel von der Anschlussstelle Frankfurt am Main-Niederrad bis Frankfurt am Main-Westkreuz sowie des sich daran anschließenden Streckenabschnitts der BAB 648 bis zur Theodor-Heuss-Allee vorgesehen.

Zur Begründung der Nutzung der BAB 5 führte der Antragsteller an:

   "Thema in der Frankfurter und hessischen Verkehrspolitik ist der Ausbau der A5 innerhalb Frankfurts auf 10 Fahrspuren. Dagegen protestieren wir, unter anderem mit der bike-night. Als Fahrrad-Lobby haben wir mehrere Gründe dafür. Allein die Baustellen einer solchen Verbreiterung blockieren Rad- und Fußwegverbindungen über Jahre. Außerdem ist generell der Ausbau von (eh schon breiten) Autobahnen im Zeichen des Klimawandels unsinnig, das viele Geld soll stattdessen u.a. für Fahrrad-Infrastruktur sinnvoll ausgegeben werden."

Nachdem die Antragsgegnerin den Erhalt dieser E-Mail ihrerseits mit E-Mail vom 21. Juli 2021 bestätigt hatte, erkundigte sich der Antragsteller am 24. August 2021 nach dem Sachstand. Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller telefonisch mit, dass bezüglich der Nutzung der BAB 5 seitens der Versammlungsbehörde erhebliche Bedenken bestünden, dass eine Rückmeldung der Autobahn GmbH des Bundes aber noch nicht vorliege.

Am 31. August 2021 fand ein Kooperationsgespräch zwischen dem Antragsteller und einem weiteren Vertreter des B samt Verfahrensbevollmächtigten, Vertretern der Polizei sowie der Versammlungsbehörde der Antragsgegnerin statt.

Mit Bescheid vom 2. September 2021, dem Bevollmächtigten des Antragstellers um 17:55 Uhr per Telefax übermittelt, verfügte die Antragsgegnerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verschiedene Auflagen, darunter:

  1.  Die Nutzung des von Ihnen angemeldeten Streckenabschnitts der BAB a5 (Anschlussstelle Niederrad bis Westkreuz) wird hiermit untersagt.

  2.  Der Fahrradkorso hat alternativ folgenden Verlauf zu nehmen:

Mainkai, Höhe Eiserner Steg (Aufbau ab 18:00 Uhr, Startkundgebung ab 20:00 Uhr, Beginn Korso ab ca. 20:40 Uhr) - Mainkai - Alte Brücke - Sachsenhäuser Ufer - Schaumainkai - Untermainbrücke - Untermainkai - Speicherstraße - Hafenstraße - Hafentunnel - Güterplatz - Mainzer Landstraße - Galluswarte - Rebstöcker Straße - Eppenhainer Straße - Europaallee mit Tunnel - Pariser Straße - Europaallee - Am Rebstockbad - Tankstelle Auffahrt Autobahn A 648 - Theodor-Heuss-Allee - Messekreisel - Senckenberganlage - Bockenheimer Landstraße - Taunusanlage - Untermainanlage - Untermainkai - Mainkai (Ende).

Die Demonstrationsroute ist einzuhalten.

Zur Begründung führte die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, die verfügte Untersagung der Nutzung des angemeldeten Streckenabschnitts der BAB 5 und die Routenänderung sei zur Abwehr einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit rechtmäßig. Insoweit müsse das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters über Ort und Streckenverlauf zurücktreten. Zwar seien Bundesautobahnen nicht generell ein "versammlungsfreier Raum". Vorliegend seien jedoch besondere Umstände zu berücksichtigen. Erforderlich sei eine Sperrung der BAB A5 auf einer Länge von ca. 5,5 km für über 2 Stunden. Bei der BAB A5 in dem betroffenen Teilabschnitt handele es sich um einen der vielbefahrensten Autobahnabschnitte Deutschlands. Dies bringe bereits mit sich, dass eine durch Sperrungen verursachte Erhöhung der Verkehrsdichte die Gefahr schwerer Unfälle, insbesondere im Staubereich erhöhe. Hinzu komme, dass wegen eines derzeit stattfindenden Streiks von Lokführern der Deutschen Bahn mit einer Verlagerung von Personen- und Reiseverkehr von der Schiene auf die BAB A5 zu rechnen sei. Auch endeten in Thüringen und Sachsen am 3. bzw. 4. September die Sommerferien, so dass die BAB A5 verstärkt mit Rückreiseverkehr frequentiert sein würde. Aufgrund von Bauarbeiten auf der BAB A3 im Süden Frankfurts sei diese von vier auf drei Fahrspuren verengt und sei eine Umleitungsempfehlung über die BAB A5 ausgesprochen worden, die über den von der Versammlung angemeldeten Streckenabschnitt führe. Des Weiteren beeinträchtige eine Sperrung der BAB A5 die Erreichbarkeit des Universitätsklinikums Frankfurt am Main und erschwere den Verkehr von Feuerwehr- und Rettungsfahrzeugen im Stadtgebiet und verlängere die Eingriffszeiten. Im Übrigen werde das Recht des Antragstellers auf freie Meinungsäußerung auch auf der Alternativroute gewahrt.




Mit Schreiben vom 2. September 2021 legte der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid vom 2. September 2021 ein, soweit darin in den Auflagen 1 und 2 eine Nutzung der Autobahn A5 sowie A648 untersagt und eine andere Route für die Demonstration verfügt worden sei.

Am 3. September 2021 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, die Antragsgegnerin habe ihre Kooperationspflicht verletzt, indem sie von Anfang beabsichtigt habe, eine drastisch in die Versammlungsfreiheit einschneidende Auflage zu verhängen, diese aber erst so kurzfristig mitgeteilt habe, dass die Rechtsschutzmöglichkeiten erheblich erschwert worden seien. Ein Kooperationsgespräch sei trotz rechtzeitiger Anmeldung erst kurz vor der Demonstration möglich gewesen. Dies stelle keinen Einzelfall dar. Eine frühzeitige Ankündigung einer Sperrung eines Teilstücks der Autobahn A5 habe daher nicht erfolgen können, was allein der von der Antragsgegnerin zu verantwortenden zeitlichen Abfolge des Verfahrens geschuldet sei. Das Vorgehen der Antragsgegnerin stelle eine massive Beeinträchtigung der Garantie des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) dar, weil effektiver Rechtsschutz bei derartigem Ablauf des Verwaltungsverfahrens nur sehr erschwert noch zu realisieren sei. Die angegriffene Auflage könne auch deshalb keinen Bestand haben, da sie in den inhaltlichen Kernbereich der angemeldeten und jährlich stattfindenden Demonstration eingreife. Die Nutzung des Teilstücks der BAB A5 sei von besonderer inhaltlicher und symbolischer Bedeutung für die Demonstration und sei bewusst als Teil der Route gewählt worden. Daneben gehe es auch im gegenwärtigen Wahlkampf insbesondere um Klimafragen und damit auch um die Zukunft des (Auto)Verkehrs, was dem Anliegen des Antragstellers besondere Bedeutung verleihe. Auch in früheren Jahren sei es bei dieser Demonstrationsreihe ("bike night") beanstandungsfrei zu Nutzungen von Autobahnen gekommen. Zwar könne die Sperrung einer Autobahn mit einer abstrakten Gefahr einhergehen. Dies gelte jedoch auch für baustellenbedingte Sperrungen, die teilweise auch trotz Rückreiseverkehrs erfolgen würden. Auch basiere die Verfügung auf Vermutungen und unzutreffenden tatsächlichen Annahmen zum Verkehrsaufkommen; insbesondere sei nicht berücksichtigt worden, dass das Verkehrsaufkommen an einem Samstagabend unterdurchschnittlich sei. Auch die Bahnauslastung sei an einem Samstagabend gering, so dass Auswirkungen eines Streiks auf das Verkehrsaufkommen gering seien. Der Reiserückkehrerverkehr nach Sachsen und Thüringen aus Richtung Süden könne auf die Autobahnen A66, A7 oder A71 verwiesen werden, was keinen Umweg darstelle. Verbleibende Verkehrsbehinderungen seien hinzunehmen; das Fehlen der Möglichkeit einer "störungsfreien Umleitung" sei rechtlich unbeachtlich.

Der Antragsteller beantragt,

   die aufschiebende Wirkung des gegen die Ziffer 1 und 2 der Verfügung der Antragsgegnerin vom 2. September 2021, soweit dort die Nutzung der Autobahn A5 und die Nutzung der Autobahn A648 untersagt und der Antragsteller auf eine geänderte Route verwiesen wird, erhobenen Widerspruchs wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

   den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung verteidigt die Antragsgegnerin die angegriffene Verfügung und vertieft die dortige Argumentation. Ergänzend führt sie an, die Verfügung habe erst nach Erhalt der Stellungnahme der Branddirektion und der Autobahn GmbH des Bundes erlassen werden können.

Mit Aufhebungs- und Änderungsbescheid vom 3. September 2021 hat die Antragsgegnerin die ursprüngliche Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgehoben und die sofortige Vollziehung- mit neuer Begründung - erneut angeordnet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den der vorgelegten Behördenakte, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.




II.

Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Antrag ist unbegründet.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist jedenfalls mit der durch den Aufhebungs- und Änderungsbescheid vom 3. September 2021 getroffenen Fassung in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Form formell ordnungsgemäß begründet worden. Danach ist in den Fällen der Anordnung der sofortigen Vollziehung das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen.

Zwar ist die Frage umstritten, ob eine fehlende oder im Sinne des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO unzureichende Begründung mit heilender Wirkung nachgeholt werden kann (statt vieler: BeckOK VwGO, Posser/Wolff, 55. Edition, Stand: 01.10.2019, § 80, Rn. 91 m.w.N.). Dabei wird der Begründungspflicht des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO und der damit beabsichtigten "Warnfunktion" ein hohes Gewicht beigemessen. Vorliegend steht jedoch das Vorgehen der Antragsgegnerin im Einklang mit diesen Maßgaben. Denn eine Auslegung der Änderungsverfügung zeigt, dass die Antragsgegnerin durch diese Änderungsverfügung nicht lediglich die Begründung nachgeholt, sondern zugleich eine erneute Anordnung der sofortigen Vollziehung getroffen hat.

Der von der Antragsgegnerin gewählte Weg, eine fehlerhafte Anordnung der sofortigen Vollziehung durch eine neue, nunmehr formell richtig begründete Anordnung zu ersetzen, steht ihr - selbst nach Ansicht der Stimmen, die der bloßen Nachholung einer Begründung kritisch gegenüberstehen - offen (BayVGH, Beschluss vom 24. März 1999 - 10 CS 99.27 -, juris Rn. 19; Bostedt in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2016, § 80 Rn. 83; Gersdorf in: BeckOK VwGO, a.a.O., § 80, Rn. 87; Hoppe in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage 2019, § 80 Rn. 56; Schoch in: Schoch/Schneider, Verwaltungsgerichtsordnung, Werkstand: 39. EL Juli 2020, § 80 Rn. 251).

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alternative 2 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Hierzu ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen an der Suspendierung der angefochtenen Maßnahme einerseits und der Vollziehung des Verwaltungsaktes erforderlich. Bei der Abwägung sind die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass der sofort vollziehbare Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, überwiegt das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers, denn an der Vollziehung einer rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahme kann kein öffentliches Interesse bestehen. Ist hingegen der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig, überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse am Bestand der sofortigen Vollziehbarkeit. Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.

Nach der im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung erweist sich die Verfügung voraussichtlich als rechtmäßig.

Eine Rechtswidrigkeit der Verfügung ergibt sich nicht daraus, dass - wie der Antragsteller meint - die Ausgestaltung des konkreten Verwaltungsverfahrens durch die Antragsgegnerin eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) darstelle. Zwar ist es in hohem Maße misslich, dass die Versammlungsbehörde der Antragsgegnerin erst wenige Tage vor der geplanten Versammlung auf den Antragsteller zutrat, obwohl die Anmeldung bereits mehr als ein Jahr zuvor erfolgt war und die konkrete Route immerhin noch mehr als einen Monat vor dem Versammlungstermin mitgeteilt worden war. Dabei kann die Antragsgegnerin auch nicht auf die von ihr angeführte Personalknappheit berufen, denn sie ist gehalten, durch haushalterische und personalorganisatorische Maßnahmen derartige Engpässe zu vermeiden oder abzuwenden. Indes verhilft der Einwand dem Antragsteller deshalb nicht zum Erfolg, da ihm letztlich - wenn auch sehr kurzfristig - die Erwirkung einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung und Entscheidung und damit effektiver Rechtsschutz im Sinne eines Justizgewährungsanspruchs möglich bleibt. Dass das Vorbringen der Beteiligten im gerichtlichen Verfahren in diesen Fällen nicht in gleicher Weise erfolgen kann, wie in Fällen, in denen mehr Zeit zur Vorbereitung besteht, kann das Gericht angemessen berücksichtigen und stellt für sich genommen noch keinen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG dar.

Die Verfügung erweist sich auch im Übrigen voraussichtlich als rechtmäßig.

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 des Versammlungsgesetzes (VersG) waren zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Auflagenverfügung anzunehmen.

§ 15 Abs. 1 VersG sieht mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Versammlungsfreiheit Einschränkungen gegenüber Versammlungen nur für den Fall vor, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar gefährdet ist. Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde auch bei dem Erlass von Auflagen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus (vgl. BVerfG , Beschluss 19. Dezember 2007 - 1 BvR 2793/04 - BVerfGK 13, 82 <89> = juris Rn. 20; Beschluss vom 7. November 2008 - 1 BvQ 43/08 -, EuGRZ 2008, 769 <771> = juris Rn. 17).




Hieran gemessen hat die Antragsgegnerin sowohl in der Begründung der Verbotsverfügung als auch schriftsätzlich substantiiert dargelegt, dass es bei der Durchführung des Fahrradkorsos auf der angemeldeten Route zu einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit kommen wird.

Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin die Reichweite der durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützten Versammlungsfreiheit verkannt hätte. Spezifisch zur Frage einer Versammlung auf einer Bundesautobahn hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof zuletzt mit Beschluss vom 4. Juni 2021 - 2 B 1201/21 - juris, Rn. 2 bis 4, ausgeführt:

Art. 8 Abs. 1 GG gewährleistet allen Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Nach Art. 8 Abs. 2 GG kann dieses Recht für Versammlungen unter freiem Himmel durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden.

Eine Versammlung ist eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2011 − 1 BvR 1190/90 −, BVerfGE 104, 92 <104>, juris Rn. 41; BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. April 2007 − 1 BvR 1090/06 −, BVerfGK 11, 102 <108>, juris Rn. 19). Art. 8 Abs. 1 GG gewährleistet auch das Recht, selbst zu bestimmen, wann, wo und unter welchen Modalitäten eine Versammlung stattfinden soll (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 -, BVerfGE 128, 226 ff., Rn. 64 und Beschluss vom 14. Mai 1985 − 1 BvR 233/81 −, BVerfGE 69, 315 <343>, juris Rn. 61). Der Schutz ist nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und gestritten wird, sondern umfasst vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen (ständige Rspr. des BVerfG, vgl. z.B. Beschluss vom 7. März 2011 − 1 BvR 388/05 −, juris Rn. 32 m.w.N.). Das den Grundrechtsträgern durch Art. 8 GG eingeräumte Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt sowie Art und Inhalt der Veranstaltung ist durch den Schutz der Rechtsgüter Dritter und der Allgemeinheit begrenzt. Es umfasst nicht auch die Entscheidung, welche Beeinträchtigungen die Träger kollidierender Rechtsgüter hinzunehmen haben. Rechtsgüterkollisionen ist im Rahmen versammlungsrechtlicher Verfügungen etwa durch Auflagen oder Modifikationen der Durchführung der Versammlung Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 a.a.O., juris Rn. 54, 63). Wichtige Abwägungselemente sind dabei unter anderem die Dauer und Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, Ausweichmöglichkeiten, die Dringlichkeit der blockierten Tätigkeit Dritter, aber auch der Sachbezug zwischen den beeinträchtigten Dritten und dem Protestgegenstand. Stehen die äußere Gestaltung und die durch sie ausgelösten Behinderungen in einem Zusammenhang mit dem Versammlungsthema oder betrifft das Anliegen auch die von der Demonstration nachteilig Betroffenen, kann die Beeinträchtigung ihrer Freiheitsrechte unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände möglicherweise eher sozial erträglich und dann in größerem Maße hinzunehmen sein, als wenn dies nicht der Fall ist. Demgemäß ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, ob und wie weit die Wahl des Versammlungsortes und die konkrete Ausgestaltung der Versammlung sowie die von ihr betroffenen Personen einen Bezug zum Versammlungsthema haben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001, a.a.O., juris Rn. 64).

Die spezifische Widmung der Autobahnen für den überörtlichen Kraftfahrzeugverkehr schließt deren Nutzung für Versammlungszwecke nicht generell aus. Während bei innerörtlichen Straßen und Plätzen, bei denen die Widmung die Nutzung zur Kommunikation und Informationsverbreitung einschließt, Einschränkungen oder gar ein Verbot aus Gründen der Verkehrsbehinderung nur unter engen Voraussetzungen in Betracht kommen, darf den Verkehrsinteressen bei öffentlichen Straßen, die allein dem Straßenverkehr gewidmet sind, größere Bedeutung beigemessen werden, so dass das Interesse des Veranstalters und der Versammlungsteilnehmer an der ungehinderten Nutzung einer solchen Straße gegebenenfalls zurückzutreten hat (vgl. hierzu: Hess. VGH, Beschlüsse vom 31. Juli 2008 − 6 B 1629/08 −, juris Rn. 12, vom 15. Juni 2013 −2 B 1359/13 −, juris Rn. 2 und vom 30. Oktober 2020 − 2 B 2655/20 −, juris Rn. 6).

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an und macht sie sich zu eigen.

Erforderlich ist nach den oben genannten Maßstäben eine Abwägung der Interessen des Versammlungsanmelders an der gewünschten Nutzung der Autobahn und der Beeinträchtigung der durch erforderliche Straßensperrungen und Umleitungen betroffenen Allgemeinheit (vgl. HessVGH, Beschluss vom 4. Juni 2021 - 2 B 1201/21 - juris, Rn. 6).




Diese Abwägung fällt vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus.

Die Antragsgegnerin hat zutreffend dargelegt und bei ihrer Entscheidung berücksichtigt, dass der fragliche Streckenabschnitt der BAB A5 grundsätzlich zu den am höchsten frequentierten Streckenabschnitten im gesamten deutschen Autobahnnetz gehört und eine der wichtigsten Fernverkehrsverbindungen Deutschlands in Nord-Süd-Richtung (bzw. Süd-Nord-Richtung) darstellt.

Zwar weist der Antragsteller darauf hin, dass die Versammlung an einem Samstagabend stattfinden soll und dass zu diesen Zeiten mit niedrigerem Verkehrsaufkommen zu rechnen sei. Dies mag zwar regelmäßig auf Samstage zutreffen. Hierzu hat die Antragsgegnerin jedoch in nicht zu beanstandender Weise in ihre Erwägungen einbezogen, dass gerade an diesem Samstag infolge eines Streiks von Lokführern und infolge des Ferienendes in Sachsen und Thüringen mit einem - gegenüber anderen Samstagen - deutlich erhöhten Verkehrsaufkommen zu rechnen ist.

Weiterhin hat die Antragsgegnerin umfassend dargelegt, inwieweit infolge einer baustellenbedingten Sperrung einer Fahrspur der - ebenfalls sehr stark befahrenen - BAB 3 mit Ausweichverkehr auf die BAB 5 zu rechnen ist, der ebenfalls zu einem gegenüber anderen Samstagen deutlich erhöhten Verkehrsaufkommen beiträgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt die Kammer nach § 117 Abs. 5 VwGO auf die ausführliche Begründung des angegriffenen Bescheides Bezug.

Aufgrund der besonders dichten Verflechtung des Autobahnnetzes in und um Frankfurt am Main wird gerade durch die Versammlung auf dem vorgesehenen Streckenabschnitt der BAB 5 eine Vielzahl an Gefahrenquellen geschaffen und - auch durch Rückstaueffekte auf andere Autobahnabschnitte - das Risiko von Auffahrunfällen in weitaus höherem Maße gesteigert als bei Sperrung anderer, weniger befahrener Autobahnabschnitte. Hierdurch werden die grundrechtlich durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2020 - 1 BvR 2719/20 - juris, Rn. 9) Interessen zahlreicher Verkehrsteilnehmer berührt.

Demgegenüber hat der Antragsteller zwar angeführt, der fragliche Streckenabschnitt der BAB A5 sei gezielt ausgewählt und als Versammlungsort angemeldet worden.

Die Kammer verkennt nicht die zentrale Bedeutung des Versammlungsortes für das mit der Versammlung verfolgte kommunikative Anliegen. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass sich bei einer Gesamtschau der Ausführungen des Antragstellers im behördlichen und im gerichtlichen Verfahren ergibt, dass das Anliegen der Versammlung primär eine Stärkung der politischen Anerkennung des Radverkehrs und eine Stärkung der diesbezüglichen Infrastruktur ist. Soweit sich das Anliegen auch gegen einen (womöglich) geplanten Ausbau der BAB A5 richtet, stellt sich diese Stoßrichtung anhand der Ausführung der Ausführungen des Antragstellers gegenüber der Antragsgegnerin mit E-Mail vom 20. Juli 2021 lediglich als Annex zum Hauptanliegen dar. So heißt es, darin u.a., dass "generell der Ausbau von (eh schon breiten) Autobahnen im Zeichen des Klimawandels unsinnig [sei], das viele Geld soll stattdessen u.a. für Fahrrad-Infrastruktur sinnvoll ausgegeben werden".

Vor diesem Hintergrund erscheint ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin das Interesse des Antragstellers hinter die genannten Beeinträchtigungen der Allgemeinheit hat zurücktreten lassen.

Die Antragsgegnerin hat auch auf der Rechtsfolgenseite ihr Ermessen ordnungsgemäß betätigt. Insbesondere hat sie im Rahmen des Kooperationsgesprächs und letztlich in der Verfügung dem Antragsteller eine alternative Route vorgeschlagen, die sich an der von der Veranstaltung im Jahr 2018 durchgeführten Route orientiert, und hat dabei auch Änderungswünsche des Antragstellers (Routenführung über die Bockenheimer Landstraße und die Alte Oper statt durch das Bahnhofsviertel) berücksichtigt. Dabei hat die Antragsgegnerin auch dem Anliegen der vom Antragsteller angemeldeten Versammlung insoweit Rechnung getragen, als zumindest auch ein kurzer, sich in unmittelbarer räumlicher Nähe zu dem angemeldeten Streckenabschnitt der BAB 5 befindender, aber weniger stark befahrener Teilabschnitt einer Bundesautobahn, nämlich der A 648, zur Nutzung durch die Versammlung vorgesehen ist.

Als unterliegende Beteiligter hat der Antragsteller nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG. Dabei folgt das Gericht dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 17. Juni 2020 - 2 E 1289/20 - (juris = BeckRS 2020, 15333) und nimmt in Anlehnung an Nr. 45.4 des Streitwertkatalogs 2013 einen Streitwert in Höhe von 2 500 Euro an, der wegen einer Vorwegnahme der Hauptsache nach Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs 2013 nicht zu ermäßigen ist.

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