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Oberverwaltungsgericht Münster Urteil vom 30.11.2021 - 9 A 118/16 - Erstattung von zuviel gezahlten Mautgebühren

OVG Münster v. 30.11.2021: Erstattung von zuviel gezahlten Mautgebühren


Das Oberverwaltungsgericht Münster (Urteil vom 30.11.2021 - 9 A 118/16) hat entschieden:

  1.  Die in Anlage 4 zu § 14 Abs. 3 BFStrMG normierten Mautsätze verstoßen teilweise gegen Unionsrecht. Sie stehen teilweise nicht mit den Vorgaben der im Zeitpunkt der Mauterhebung in den Jahren 2010 und 2011 geltenden Wegekostenrichtlinie (Richtlinie 1999/62/EG in der Fassung der Richtlinie 2006/38/EG) (juris: EGRL 38/2006) zur Mautkalkulation im Einklang.

  2.  Die Wegekostenrichtlinie belässt den Mitgliedstaaten einen erheblichen Gestaltungsspielraum bei der Kalkulation der Mautgebühren, der allerdings durch Art. 7 Abs. 9 (juris: EGRL 38/2006) Wegekostenrichtlinie begrenzt wird. Eine unzulässige Überschreitung der Infrastrukturkosten im Sinne dieser Vorschrift liegt unter anderem vor, wenn zum Beispiel durch die Wahl einer bestimmten Kalkulationsmethode Kosten angesetzt werden, die der wirtschaftlichen Realität nicht entsprechen.

  3.  Eine unionsrechtswidrige Kostenüberschreitung begründet jeder Berechnungsfehler, der sich auf die Höhe der gewogenen durchschnittlichen Mautgebühr auswirkt. Eine Fehlertoleranz oder Bagatellgrenze bei Kalkulationsmängeln gibt es im Anwendungsbereich der Wegekostenrichtlinie nicht.

  4.  Der Ansatz eines Tagesneuwerts bzw. Wiederbeschaffungswerts im Rahmen der Eigenkapitalverzinsung des Grundvermögens im Wegekostengutachten 2007 führt zu einer unionsrechtswidrigen Überschreitung der Infrastrukturkosten i. S. d. Art. 7 Abs. 9 Wegekostenrichtlinie.

  5.  Mautgebühren sind zurückzuerstatten, soweit sie unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben worden sind. Der Anteil der vollständig herauszurechnenden Kapitalkosten des Grundvermögens beträgt 4,91 % des gewogenen durchschnittlichen Mautsatzes.

  6.  Ein Anspruch auf Verzinsung des Rückerstattungsbetrags vom Zeitpunkt der Mautzahlung bis zur Erstattung ergibt sich unmittelbar aus dem Unionsrecht.


Siehe auch
Mautsystem
und
Stichwörter zum Thema Autobahn

Tatbestand:


Die Kläger begehren von der Beklagten die Erstattung von im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 18. Juli 2011 gezahlten Mautgebühren sowie die Verzinsung des Erstattungsbetrags.

Die Kläger betrieben bis zum 31. August 2015 in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach polnischem Recht ("T. D. ") eine Spedition mit Unternehmenssitz in Polen, die auch Transportfahrten in Deutschland durchführte. Für die Benutzung mautpflichtiger Straßen in Deutschland mit mehreren mautpflichtigen Fahrzeugen entrichteten die Kläger im oben genannten Zeitraum Mautgebühren an die Beklagte.

Mit Schreiben vom 16. Dezember 2013 machten die Kläger, vertreten durch ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten, beim Bundesamt für Güterverkehr (im Folgenden: BAG) einen Erstattungsanspruch geltend und verlangten die Rückzahlung von Mautgebühren in Höhe von 12.420,53 Euro, die sie im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 18. Juli 2011 gezahlt hätten. Zur Begründung verwiesen die Kläger auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Oktober 2012 - 9 A 2054/07 -. Danach sei die bis zum 18. Juli 2011 gültige Mauthöheverordnung unwirksam gewesen. Die rückwirkende gesetzliche Regelung werde als nicht verfassungskonform angesehen. Zudem werde die Verletzung der EU-Wegekostenrichtlinie gerügt. Zur Begründung der Höhe des geltend gemachten Erstattungsanspruchs legten die Kläger in einem Anlagenkonvolut Einbuchungsbelege in Kopie vor.

Am 20. Dezember 2013 haben die Kläger - unter der Bezeichnung "B. T. D. B1. Q. , B2. Q. , GbR nach polnischem Recht" - beim Verwaltungsgericht Köln Klage erhoben mit dem Begehren, die Beklagte zu verurteilen, ihnen die im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 18. Juli 2011 entrichtete Maut in Höhe von 12.420,53 Euro zurückzuerstatten. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen vorgetragen: Die der Mauterhebung zugrunde liegende Mauthöheverordnung sei rechtswidrig. Dies ergebe sich aus der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Oktober 2012 - 9 A 2054/07 -. Danach sei die Zusammenfassung der zwei- und dreiachsigen Fahrzeuge in einer Achsklasse rechtsfehlerhaft. Die nachfolgende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Mai 2013 - 9 B 6.13 - ändere an den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur Rechtswidrigkeit der Mauthöheverordnung nichts. Im Grunde habe das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Oberverwaltungsgerichts bestätigt. Die nunmehr erfolgte Einbindung der ursprünglichen Verordnung in das Bundesfernstraßenmautgesetz sei rechtswidrig und könne demzufolge auch nicht Rechtsgrundlage für die hier streitgegenständlichen Mautgebühren sein. § 14 BFStrMG lege für längst abgeschlossene Sachverhalte die ursprünglich durch die Verordnung geregelten Mautsätze fest. Dabei handele es sich um eine echte Rückwirkung, die verfassungswidrig sei. Darüber hinaus würden mit der ursprünglichen Mauthöheverordnung sowie mit den Anhängen zum Bundesfernstraßenmautgesetz die Vorgaben der Richtlinie 1999/62/EG fehlerhaft und unzureichend umgesetzt. In Anhang III der Richtlinie sei eine deutliche Differenzierung zwischen zweiachsigen und dreiachsigen Fahrzeugen, insbesondere hinsichtlich der Schadensklasse, erkennbar.




Nachdem das Verwaltungsgericht Köln mit Urteilen vom 30. September 2014 - 14 K 8449/09, 14 K 1017/10 und 14 K 1018/10 - in Mauterstattungsverfahren, die vom Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) unterstützt wurden, entschieden hatte, dass die im Bundesfernstraßenmautgesetz festgelegten Mautsätze weder europarechts- noch verfassungswidrig seien, teilten die Kläger mit, dass sie sich die Argumentation der Kläger in den "BGL-Musterverfahren" zu eigen machten, und gaben hierzu das Vorbringen der dortigen Kläger entsprechend der Darstellung im Tatbestand der Urteile des Verwaltungsgerichts Köln vom 30. September 2014 wieder. Weiter regten sie an, den EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahren zu fragen, ob die vorliegend im Streit stehenden Mautsätze gegen die Wegekostenrichtlinie 2006, gegen Grundfreiheiten und/oder gegen die Regelungen zur EU-Verkehrspolitik verstießen. Die rückwirkende gesetzliche Regelung der Mautsätze stelle zudem einen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot dar und sei mit dem europäischen Bestimmtheitsgrundsatz und dem Grundsatz des Vertrauensschutzes unvereinbar.

Mit Schreiben vom 8. September 2015 an das BAG forderten die Kläger die Beklagte auf, über ihren Erstattungsantrag förmlich zu entscheiden.

Mit Bescheid vom 14. September 2015 lehnte das BAG den Antrag der Kläger auf Erstattung von Mautgebühren für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 18. Juli 2011 in Höhe von 12.420,53 Euro unter Berufung auf die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Köln vom 30. September 2014 ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Kläger wies das BAG mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2015 zurück.

Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2015 haben die Kläger den Bescheid vom 14. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2015 in das Klageverfahren einbezogen und die geltend gemachte Erstattungsforderung um eine Zinsforderung ergänzt.

Die Kläger haben (zuletzt) beantragt,

   die Beklagte zu verurteilen, ihnen für die Benutzung mautpflichtiger Strecken die in der Bundesrepublik Deutschland für den Zeitraum 1. Januar 2010 bis 18. Juli 2011 entrichtete Maut in Höhe von 12.420,53 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. aus 12.420,53 € vom 16. Dezember 2013 bis 28. Juli 2014 sowie in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. aus 12.420,53 € seit dem 29. Juli 2014 zurückzuerstatten,

hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. September 2015 in Form des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2015 zu verpflichten, ihnen für die Benutzung einer mautpflichtigen Strecke die in der Bundesrepublik Deutschland für den Zeitraum 1. Januar 2010 bis 18. Juli 2011 entrichtete Maut in Höhe von 12.420,53 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. aus 12.420,53 € vom 16. Dezember 2013 bis 28. Juli 2014 sowie in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. aus 12.420,53 € seit dem 29. Juli 2014 zurückzuerstatten.

Die Beklagte hat beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen: Soweit die Kläger auch die Rückerstattung von Stornierungsgebühren nach dem Preisverzeichnis der Toll Collect GmbH begehrten, sei bereits der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet. Weiter bestünden Zweifel an der Zulässigkeit der Klage. Den Klägern fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil sie die Rückerstattung durch den außergerichtlich gestellten Antrag geltend machen könnten und dies auch getan hätten. Zudem sei die Leistungsklage nicht statthaft, der Anspruch müsse vielmehr mit einer Verpflichtungsklage geltend gemacht werden. Die Klage sei auch unbegründet. Der geltend gemachte Erstattungsbetrag enthalte Forderungen, die bereits im Rahmen einer Voll- bzw. Teilstornierung erstattet worden seien, so dass ein Erstattungsanspruch jedenfalls nicht in der geforderten Höhe bestehe. Die Mauterhebung sei auch dem Grunde nach rechtmäßig. Das von den Klägern angeführte Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Oktober 2012 - 9 A 2054/07 - sei nicht rechtskräftig geworden. Das Bundesverwaltungsgericht habe das Urteil auch nicht bestätigt. Auf die rechtliche Beurteilung der Mauthöheverordnung komme es nach Inkrafttreten des Bundesfernstraßenmautgesetzes zudem nicht mehr an, dessen rückwirkende Regelungen nicht zu beanstanden seien. Die Differenzierung in zwei Achsklassen sei vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt. Ein Verstoß gegen Unionsrecht liege nicht vor. Anhang III der Richtlinie 1999/62/EG in der Fassung der Richtlinie 2006/38/EG sei nicht anwendbar, da in Deutschland das Mautsystem bereits vor dem 10. Juni 2008 eingeführt worden sei. Den Mitgliedstaaten stehe ein beträchtlicher Spielraum bei der Festlegung der Mautgebührensätze zu. Mit Urteilen vom 30. September 2014 - 14 K 8449/09, 14 K 1017/10 und 14 K 1018/10 - habe das Verwaltungsgericht Köln im Übrigen grundsätzlich zur Rechtmäßigkeit der Mauterhebung entschieden.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Hauptantrag sei unzulässig. Die Leistungsklage sei im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht mehr statthaft, da aktuell § 4 Abs. 2 Sätze 2 und 4 BFStrMG die Erstattung von gezahlten Mautgebühren an einen Antrag binde und zugleich eine Entscheidung der Beklagten durch Bescheid vorsehe. Daraus ergebe sich, dass allein die Verpflichtungsklage statthaft sei.

Die Verpflichtungsklage sei zulässig, aber unbegründet. Der Erstattungsanspruch ergebe sich nicht aus § 4 Abs. 2 Satz 1 BFStrMG i. V. m. § 21 Abs. 1 BGebG. Die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 BGebG lägen nicht vor. Die Mautpflicht der klägerischen Fahrzeuge sei zu Recht von der Beklagten angenommen worden. § 14 Abs. 3 i. V. m. Anlage 4 des BFStrMG stelle eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die im Streit stehenden Mautsätze dar, die sowohl den verfassungsrechtlichen als auch den europarechtlichen Anforderungen genüge.

Zur weiteren Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus seinen Urteilen vom 30. September 2014 - 14 K 8449/09, 14 K 1017/10 und 14 K 1018/10 - zitiert: Die §§ 3 Abs. 3, 14 Abs. 3 i. V. m. Anlage 1 BFStrMG verstießen nicht gegen das grundgesetzliche Verbot rückwirkender belastender Gesetze. Zwar liege für die Zeiträume bis einschließlich 18. Juli 2011 ein Fall der echten Rückwirkung vor. Diese sei jedoch mangels Vertrauensschutzes der Betroffenen und wegen berechtigter Absichten des Gesetzgebers ausnahmsweise zulässig. Die Mautschuldner hätten bereits aufgrund der früheren Mauthöheverordnung von Anfang an mit einer Mauterhebung rechnen müssen. Struktur und Höhe der Mautsätze seien unverändert geblieben. Der Gesetzgeber habe eine unklare Rechtslage beseitigen wollen.

Die §§ 3 Abs. 3, 14 Abs. 3 i. V. m. Anlage 1 BFStrMG verstießen auch nicht gegen europarechtliche Vorschriften. Insbesondere verstoße die Beklagte nicht gegen die einschlägigen Wegekostenrichtlinien, wenn sie die Höhe der Mautsätze auf Grundlage des Wegekostengutachtens 2007 festsetze. Die in diesem Gutachten verwendete Kalkulationsmethode (synthetisches Verfahren) verstoße nicht gegen europarechtliche Vorgaben aus den Wegekostenrichtlinien. Eine bestimmte Kalkulationsmethode gäben diese Richtlinien nicht vor. Sie seien auch nicht dahingehend auszulegen, dass zugunsten der Gebührenschuldner eine möglichst geringe Gebührenhöhe zu erreichen sei. Den Mitgliedstaaten stehe bei der Bestimmung der Modalitäten der Kalkulation und der Berechnung der Mauthöhe ein sehr weiter Spielraum zu. Anhang III der Wegekostenrichtlinie 2006 gelte für das Mautsystem der Beklagten, das am 10. Juni 2008 bereits eingeführt gewesen sei, nicht. Im Übrigen gebe der Anhang III ebenfalls keine konkrete Berechnungsmethode vor, sondern nur Eckpunkte für die Berechnung der Mautgebühren.

Kalkulationsmängel lägen nicht vor. Die Beklagte habe das Anlagevermögen in nicht zu beanstandender Weise ermittelt und auf dieser Basis eine rechtmäßige Eigenkapitalverzinsung sowie nicht zu beanstandende Abschreibungen vorgenommen. Ein Verstoß gegen das Gebot der Gebührengerechtigkeit liege nicht vor. Der Gesetzgeber habe die Mautsätze unter Heranziehung einer gutachterlichen Stellungnahme festsetzen dürfen, deren Berechnungsmodell außerhalb der aus dem kommunalen Abgabenrecht gewohnten Methoden liege. Gesetzliche Vorgaben wie im kommunalen Gebührenrecht, etwa in § 6 KAG NRW, gebe es im Bundesfernstraßenmautgesetz nicht. Die Berücksichtigung einer Qualitätskomponente sei sachgerecht und durch den gesetzgeberischen Entscheidungsspielraum gedeckt. Der Gesetzgeber dürfe nach dem Willen des europäischen Richtliniengebers in angemessener Weise die Ausbauperspektive bei der Gebührenfestsetzung berücksichtigen. Die Ermittlung des grundstücksbezogenen Anlagevermögens nach Einheitskostensätzen sei nicht willkürlich. Die erfolgten Abschreibungen und Verzinsungen seien sowohl isoliert als auch kumuliert betrachtet rechtmäßig. Die gewählte Abschreibungsmethode halte die Summenbedingung ein. Da die Abschreibungen damit nicht dem Zweck einer reproduktiven Substanzerhaltung dienten, sei eine Eigenkapitalverzinsung auf Basis eines Nominalzinssatzes unproblematisch. Nur dadurch sei gewährleistet, dass die Preisentwicklung Berücksichtigung finde. Gegen die Wahl eines konstanten Zinssatzes von 4,5 % bestünden unter Berücksichtigung der gewählten Betriebsfiktion eines privaten Unternehmens im öffentlichen Eigentum keine Einwände.

Die Allokation und die Mautdifferenzierung seien ebenfalls nicht zu beanstanden. Die konkrete Ausgestaltung der Mautsätze verstoße nicht gegen das Prinzip der Abgabengerechtigkeit aus Art. 3 Abs. 1 GG. Das gelte insbesondere für die im Gesetz beibehaltene Achszahldifferenzierung. Anders als der Verordnungsgeber, dessen Befugnis durch die zusätzliche Regelung einer "sachgerechten" Berücksichtigung der Achszahl eingeschränkt gewesen sei, müsse sich der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang nur an den Maßstäben des Art. 3 GG messen lassen. Den sich daraus ergebenden Anforderungen sei der Gesetzgeber nachgekommen. Die von ihm getroffene Abwägungsentscheidung zwischen Abgabengerechtigkeit auf der einen Seite und Verwaltungspraktikabilität auf der anderen Seite sei nicht zu beanstanden.

Mit Beschluss vom 19. Juli 2018 hat der Senat die Berufung wegen sinngemäß geltend gemachter besonderer Schwierigkeiten der Rechtssache hinsichtlich unionsrechtlicher Fragen im Zusammenhang mit der Kalkulation der Mautsätze zugelassen.

Zur Begründung der Berufung wiederholen die Kläger im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen, mit dem sie zuvor auch ihren Antrag auf Zulassung der Berufung begründet hatten.

Auf Nachfragen des Senats zur Kalkulation der Mautsätze hat die Beklagte mehrere schriftliche Stellungnahmen der Q. AG vorgelegt. Die Q1. AG, die im Jahr 2014 (erneut) in die Q. AG integriert wurde, hatte gemeinsam mit dem Institut für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsforschung der Universität Karlsruhe (IWW) im Auftrag des früheren Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung die "Aktualisierung der Wegekostenrechnung für die Bundesfernstraßen in Deutschland" vom 31. Dezember 2007 (im Folgenden: Wegekostengutachten 2007, WKG 2007) erstellt.

In der mündlichen Verhandlung vom 27. und 28. März 2019 hat der Senat das Rubrum dahingehend berichtigt, dass Kläger Herr B2. Q. und Frau B1. Q. als frühere Gesellschafter der B. T. D. sind. Weiter haben die Kläger im Verhandlungstermin die Klage - mit Zustimmung der Beklagten - hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von 92,36 Euro zurückgenommen. Nachdem die Beklagte den Klägern im Termin einen Teilbetrag in Höhe von 3,72 Euro erstattet hat, haben die Beteiligen den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Mit Beschluss vom 28. März 2019 hat der Senat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV mehrere Fragen zur Auslegung und Anwendung der Richtlinie 1999/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge vom 17. Juni 1999 in der Fassung der Richtlinie 2006/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der genannten Richtlinie 1999/62/EG vom 17. Mai 2006 (im Folgenden: Wegekostenrichtlinie) vorgelegt (im Folgenden: Vorlagebeschluss). Mit Beschluss vom 7. Mai 2019 hat der Senat einen von der Beklagten gestellten Antrag auf Tatbestandsberichtigung abgelehnt. Der Gerichtshof hat mit Urteil vom 28. Oktober 2020 - C-321/19 - über die Vorlage entschieden. In dem Urteil ist insbesondere ausgeführt, dass Kosten der Verkehrspolizei nicht unter den Begriff der "Kosten für [den] Betrieb" im Sinne des Art. 7 Abs. 9 der Richtlinie 1999/62/EG in der Fassung der Richtlinie 2006/38/EG fallen.

Daraufhin hat die Beklagte den Klägern unter Berücksichtigung der Ausführungen des Senats im Vorlagebeschluss, dass sich der gewogene durchschnittliche Mautsatz bei einer vollständigen Herausrechnung der Kosten der Verkehrspolizei von 0,163 Euro auf 0,157 Euro reduziere, einen Teilbetrag in Höhe von 423,69 Euro erstattet. Die Beteiligen haben den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Beklagte hat eine weitere Stellungnahme der Q. AG vom 7. Dezember 2020 vorgelegt, die sich insbesondere zu der im Vorlagebeschluss vom Senat geäußerten Auffassung verhält, dass die Eigenkapitalverzinsung in Bezug auf das Grundvermögen nicht wie geschehen auf der Basis von Tagesneuwerten mit dem Nominalzins habe erfolgen dürfen, weil dadurch im Ergebnis ein Beitrag für eine Wiederbeschaffung erwirtschaftet werde, obwohl die Grundstücke nicht wiederbeschafft werden müssten.

Mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2021 haben die Kläger sich auf einen unionsrechtlichen Zinsanspruch berufen und nunmehr eine Verzinsung des Erstattungsanspruchs für die Zeit ab dem Tag nach der jeweiligen Entrichtung der Maut geltend gemacht.

Zur weiteren Begründung ihrer Berufung tragen die Kläger vor, durch das EuGH-Urteil vom 28. Oktober 2020 und die unionsrechtswidrige Einbeziehung der Kosten der Verkehrspolizei in die Mautkalkulation sei keine wirksame Rechtsgrundlage mehr für die Erhebung der Maut im streitgegenständlichen Zeitraum gegeben. Die Maut sei vollumfänglich zu erstatten. Außerdem stehe ihnen der in der Rechtsprechung des EuGH anerkannte unionsrechtliche Zinsanspruch zu, weil die Maut unionsrechtswidrig erhoben worden sei. Dieser Anspruch erfasse auch die Zeit vor der Klageerhebung.




Mit Schriftsatz vom 23. November 2021 haben die Kläger eine von ihnen eingeholte gutachterliche Stellungnahme des Prof. Dr. B. F. vom 23. November 2021 ("Kosten des Grunderwerbs für die Bundesautobahnen in der Wegekostenrechnung 2007") vorgelegt, dessen Ausführungen sie sich zu eigen machen.

Die Kläger beantragen,

   das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und

   die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Güterverkehr vom 14. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2015 zu verpflichten, ihnen die im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 18. Juli 2011 entrichteten Mautgebühren in Höhe von 11.900,76 Euro zu erstatten,

hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Güterverkehr vom 14. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2015 zu verurteilen, ihnen die im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 18. Juli 2011 entrichteten Mautgebühren in Höhe von 11.900,76 Euro zu erstatten,

die Beklagte zu verurteilen, ihnen aus dem bereits erstatteten Betrag in Höhe von 423,69 Euro sowie aus dem noch zu erstattenden Betrag in Höhe von 11.900,76 Euro Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem jeweiligen Tag nach der Mautzahlung bis zum 28. Juli 2013 sowie in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 29. Juli 2013 bis zum Tag der Erstattung zu zahlen.



Die Beklagte beantragt,

   die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise, Beweis zu erheben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens im Hinblick auf die Berechnung der Kapitalkosten des Grundvermögens, wie ausgeführt im Schriftsatz vom 15. Januar 2021.

Zur Begründung vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen, insbesondere zu ihrer Auffassung, die Klage sei bereits unzulässig. Weiter trägt sie im Wesentlichen vor: Den Klägern stehe kein Erstattungsanspruch zu, der über die bereits erfolgte Erstattung entsprechend dem Anteil der in der durchschnittlich gewogenen Maut enthaltenen Kosten der Verkehrspolizei hinausgehe. Über den Ansatz der Kosten der Verkehrspolizei hinaus könnten sich die Kläger nach dem Urteil des EuGH vom 28. Oktober 2020 bereits nicht auf die Verletzung unionsrechtlicher Bestimmungen berufen. Denn die Wegekostenrichtlinie 2006 entfalte unmittelbare Wirkung lediglich bei Berücksichtigung von dem Grunde nach nicht ansatzfähigen Kosten. Insbesondere die Ansatzfähigkeit einer Kapitalverzinsung des Grundvermögens stehe dem Grunde nach jedoch außer Zweifel. Rein vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass die im Vorlagebeschluss des Senats vom 28. März 2019 geäußerten Bedenken gegen die Kapitalkostenermittlung des Grundvermögens unbegründet seien. Das Vorgehen der Gutachter beachte die kapitaltheoretische Neutralität, was sich insbesondere aus deren Stellungnahme vom 7. Dezember 2020 ergebe. Es liege insoweit kein Berechnungsfehler vor und es werde auch kein Beitrag für eine (fiktive) Wiederbeschaffung erwirtschaftet. Wenn überhaupt, wären eventuelle Berechnungsfehler im Hinblick auf die Modalitäten der Berechnung der Kapitalkosten des Grundvermögens nach den Maßstäben des Urteils des EuGH vom 28. Oktober 2020 als unerheblich anzusehen, weil sie nach den Schätzungen des Senats im Vorlagebeschluss allenfalls einen marginalen Anteil von 1,8 % der angelasteten durchschnittlich gewogenen Maut beträfen.

Hinsichtlich der Kapitalkosten des Grundvermögens und der gewählten Betriebsfiktion verweist die Beklagte auf eine weitere Stellungnahme der Q. AG vom 10. November 2021. Es seien faktisch keine Abschreibungen beim Grundvermögen erfolgt. Eine Wertsteigerung der Grundstücke sei im Kalkulationszeitraum nicht angenommen worden. Die Bewertung des Anlagevermögens zu aktuellen Preisständen trage dem sog. lifecyclecosting Rechnung. Dies schließe eine Opportunitätskostenbetrachtung in Gestalt einer realen Kapitalerhaltung des unveräußerlichen Grundvermögens ein. Daher sei mit aktuellen Preisständen zu rechnen. Die Wahl der Betriebsfiktion "öffentliches oder teilprivates Unternehmen" habe in tatsächlicher Hinsicht bei der Abfassung des WKG 2002 und des WKG 2007 den damaligen Absichten entsprochen.

Mit Schriftsatz vom 23. November 2021 hat der Kläger zu 1. die Klage erweitert und aus abgetretenem Recht einen weiteren Erstattungsanspruch in Höhe von 5.364,57 Euro nebst Zinsen sowie vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.076,95 Euro geltend gemacht. Insoweit hat der Senat mit Beschluss vom 30. November 2021 das Verfahren abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 9 A 2989/21 fortgeführt. Dieses Verfahren hat der Senat sodann mit Beschluss ebenfalls vom 30. November 2021 eingestellt, nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung insoweit die Klage - mit Zustimmung der Beklagten - zurückgenommen hatte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und die Beiakten Bezug genommen.




Entscheidungsgründe:


Soweit die Kläger die Klage in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht am 27. März 2019 mit Einwilligung der Beklagten hinsichtlich eines Teilbetrags in Höhe von 92,36 Euro zurückgenommen haben, wird das Verfahren gemäß §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt und das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln für wirkungslos erklärt (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).

Gleiches hat in entsprechender Anwendung der genannten Vorschriften zu geschehen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich der Teilbeträge in Höhe von 3,72 Euro sowie in Höhe von 423,69 Euro übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

Die Berufung der Kläger hat teilweise Erfolg. Sie ist zulässig (A.) und teilweise begründet (B.).

A. Die Berufung ist zulässig.

I. Das Rubrum war im Berufungsverfahren dahingehend zu berichtigen, dass die (bereits) in der Klageschrift namentlich genannten natürlichen Personen Kläger sind. Die - inzwischen nicht mehr existierende - "T. D. " nach polnischem Recht ist nicht (mehr) rechts- und nach § 61 VwGO beteiligtenfähig. Da deren beide Gesellschafter aber von Anfang an bezeichnet waren, war die Parteibezeichnung in der Klageschrift jedenfalls auslegungsfähig und konnte das Rubrum entsprechend korrigiert werden. Ein Parteiwechsel in Gestalt einer Klageänderung hat nicht stattgefunden.

Zu einer vergleichbaren Konstellation einer bloßen Rubrumsberichtigung (Klageerhebung durch Gesellschafter einer GbR statt der GbR selbst) vgl. OVG S.-A., Urteil vom 19. Januar 2012 - 2 L 124/09 -, juris Rn. 32 f. m. w. N.

Vollmachten der Kläger für ihren Prozessbevollmächtigten sind jedenfalls in der mündlichen Verhandlung am 27. März 2019 überreicht worden.

II. Die Berufung genügt den Anforderungen des § 124a Abs. 6 Satz 3 VwGO i. V. m. § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO. Danach ist die Berufung nach deren Zulassung durch das Oberverwaltungsgericht innerhalb der Frist des § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO zu begründen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).

Mit der Einreichung der Begründungsschrift nach Zulassung der Berufung soll der Berufungskläger eindeutig zu erkennen geben, dass er nach wie vor an der Durchführung des Berufungsverfahrens interessiert ist. Die innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers müssen ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig erkennen lassen, in welchem Umfang und mit welchem Ziel das Urteil angefochten werden soll. Dabei kommt es nicht allein auf die in der Begründungsschrift formulierten Anträge an, sondern auf die Auslegung des gesamten Vorbringens. Bei Fehlen entgegenstehender Anhaltspunkte wird der Berufungsführer regelmäßig die erstinstanzliche Entscheidung im Umfang der Zulassung durch das Oberverwaltungsgericht anfechten und in diesem Umfang die erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgen wollen.

   Vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2018 - 1 B 2.18 -, juris Rn. 7 ff.; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 124a Rn. 93 f.

Der Berufungsbegründungsschriftsatz der Kläger vom 31. Juli 2018 genügt diesen Anforderungen an eine Berufungsbegründung. Insbesondere fehlt es nicht an dem erforderlichen "bestimmten Antrag" und einer sich daraus ergebenden Klarstellung

des Umfangs der Berufung. Dem Vorbringen der Kläger lässt sich eindeutig entnehmen, dass sie das erstinstanzliche Urteil in vollem Umfang zur Überprüfung stellen wollen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Kläger unter Ziffer II auf S. 2 des Berufungsbegründungsschriftsatzes allein einen Leistungsantrag, gerichtet auf die Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung von Mautgebühren, formuliert haben, den erstinstanzlich noch gestellten (hilfsweisen) Verpflichtungsantrag sowie den begehrten Zinsanspruch aber nicht erwähnt haben. Schon das Vorbringen im Zulassungsverfahren ließ zweifelsfrei erkennen, dass die Kläger ihr erstinstanzliches Begehren - also die Rückzahlung der Mautgebühren mit Zinsen - unverändert weiterverfolgen wollten. Das zeigt sich sodann auch an der Formulierung des Antrags unter Ziffer I im Berufungsbegründungschriftsatz, wonach das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben werden soll. Den weiteren Ausführungen in diesem Schriftsatz ist ebenfalls nichts dafür zu entnehmen, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts nur begrenzt angefochten oder das erstinstanzliche Begehren nur begrenzt, etwa ohne den Zinsanspruch, weiterverfolgt werden sollte. Soweit es bei der Formulierung des Antrags um die Frage der richtigen Klageart geht, betrifft dies ohnehin nicht den materiell-rechtlichen Anspruch, auf den das Begehren der Kläger gerichtet ist, bzw. den Streitgegenstand des Verfahrens. Das Begehren der Kläger ist - unabhängig davon, was die richtige Klageart für dieses Begehren ist - die verzinste Rückzahlung der Mautgebühren.

Dass die Kläger nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist ihre Anträge anders als im Berufungsbegründungsschriftsatz formuliert haben, insbesondere ausdrücklich die begehrte Verzinsung mit aufgenommen haben, ist unschädlich. Eine sachgerechte Formulierung des Antrags nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist ist zulässig, sofern nur das Klageziel der Sache nach - wie hier - innerhalb der Frist hinreichend bestimmt war.

   Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, a. a. O. § 124a Rn. 85.

B. Die Berufung ist teilweise begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 1. Dezember 2015 zu Unrecht vollständig abgewiesen. Der Senat weist darauf hin, dass dieses Urteilsdatum offensichtlich fehlerhaft ist. Denn das ohne mündliche Verhandlung ergangene Urteil, das ausweislich des Eingangsstempels der Geschäftsstelle am 14. Dezember 2015 vorlag, enthält und würdigt auch die mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2015 neu gefassten - insbesondere um einen Zinsanspruch erweiterten - Klageanträge (Urteilsabdruck S. 5 f. und 34).

Die Klage ist zulässig (I.) und in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet (II.). Die Kläger haben einen Anspruch auf teilweise Erstattung der von ihnen entrichteten Mautgebühren sowie auf Verzinsung des Rückerstattungsbetrags.

I. Die Klage ist zulässig.

1. Ob der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch insoweit eröffnet ist, als die Kläger von der Beklagten eine Erstattung von Stornierungsgebühren begehren, die von der Toll Collect GmbH wegen der Stornierung der jeweiligen mautpflichtigen Strecke erhoben worden sind, hat der Senat nicht zu prüfen. Aufgrund der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln auch über diesen Teil des geltend gemachten Erstattungsanspruchs steht gemäß § 17a Abs. 5 GVG bindend fest, dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Nach dieser Vorschrift prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Danach kommt bei einer Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts in der Hauptsache eine Rechtswegverweisung in der Rechtsmittelinstanz auch dann nicht mehr in Betracht, wenn sich dieses Gericht - wie hier das Verwaltungsgericht Köln - mit der Frage des zulässigen Rechtswegs nicht befasst hat.

   Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. März 2006 - 2 C 23.05 -, DVBl 2006, 1191 = juris Rn. 8.

2. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage folgen nicht daraus, dass die Kläger, soweit sie die Erstattung der Mautgebühren begehren, den erstinstanzlich noch als Hilfsantrag gestellten Verpflichtungsantrag nunmehr als Hauptantrag stellen. Darin ist keine Klageänderung im Sinne von § 91 VwGO zu sehen. Durch den Wechsel von einem Hilfsantrag zu einem Hauptantrag wird der Streitgegenstand nicht geändert; er ist charakterisiert durch den prozessualen Anspruch und den Lebenssachverhalt.

   Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 2009 - 2 C 31.08 -, NVwZ 2010, 251 = juris Rn. 13.

Beides wird im vorliegenden Fall nicht geändert. Vielmehr handelt es sich bei dem hier vorgenommenen Wechsel nur um eine sachgerechte Formulierung des ursprünglichen Begehrens, auf die der Senat im Übrigen in der mündlichen Verhandlung am 30. November 2021 gemäß § 86 Abs. 3 VwGO hingewirkt hatte.

Ebenfalls unbedenklich ist, dass die Kläger den bereits erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2015 geltend gemachten Zinsanspruch im Berufungsverfahren erstmals auf Zeiträume vor der Klageerhebung bzw. der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs beim BAG erstreckt haben. Auch das ist keine Klageänderung, deren Zulässigkeit an den Vorgaben des § 91 VwGO zu messen wäre. Vielmehr ist die hier in Rede stehende Erweiterung des Zinsanspruchs eine privilegierte, mithin zulässige Erweiterung des Klageantrags im Sinne des § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 264 Nr. 2 ZPO. Nach der letztgenannten Vorschrift ist es (u. a.) nicht als eine Änderung der Klage anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in Bezug auf Nebenforderungen erweitert wird.

3. Die Klage ist als kombinierte Verpflichtungs- und allgemeine Leistungsklage statthaft.

a. Die Klage auf Erstattung der gezahlten Mautgebühren ist mit dem - nunmehr als Hauptantrag gestellten - Verpflichtungsantrag statthaft.

Die Verpflichtungsklage ist mit Blick auf das von den Klägern durchgeführte Erstattungsverfahren nach § 4 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 des Gesetzes über die Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen und Bundesstraßen (Bundesfernstraßenmautgesetz - BFStrMG) vom 12. Juli 2011, das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 8. Juni 2021 (BGBl. I S. 1603) geändert worden ist, gemäß § 42 Abs. 1 2. Alt VwGO die statthafte Klageart.

Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 BFStrMG sind Erstattungen nach § 21 BGebG schriftlich beim Bundesamt für Güterverkehr zu beantragen. Über den Erstattungsantrag wird nach Satz 4 der Vorschrift durch Bescheid entschieden. Somit weist das schriftliche Erstattungsverfahren alle Merkmale eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verwaltungsverfahrens auf, § 9 VwVfG. Dass die Maut selbst nicht durch Verwaltungsakt festgesetzt wurde, ist unerheblich.

   Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2011 - 9 C 5.10 -, NWVBl. 2012, 55 = juris Rn. 5 (für § 10 Abs. 3 Lkw-MautV).

Hier haben die Kläger zwar am 20. Dezember 2013 - und damit vor der Geltung dieser am 13. Dezember 2014 in Kraft getretenen Vorschriften - Klage erhoben, die zu der Zeit als allgemeine Leistungsklage statthaft war.

   Vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 4. August 2010 - 9 C 6.09 -, BVerwGE 137, 325 = juris Rn. 9.

Allerdings haben sie kurz zuvor, am 16. Dezember 2013, einen - damals wohl noch nicht erforderlichen - Erstattungsantrag beim BAG gestellt. Über diesen hat die Behörde erst nach Inkrafttreten des § 4 Abs. 2 Satz 4 BFStrMG durch Bescheid vom 14. September 2015 entschieden, den die Kläger ordnungsgemäß mit dem Widerspruch angegriffen und nach Ergehen des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2015 in das Klageverfahren einbezogen haben. Auf dieses Verwaltungsverfahren finden nach den Grundsätzen des intertemporalen Verfahrensrechts die in § 4 Abs. 2 BFStrMG verankerten Regelungen des behördlichen Erstattungsverfahrens Anwendung. Nach dem allgemeinen Grundsatz des intertemporalen Verfahrens- und Prozessrechts erfasst das neue Verfahrensrecht vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an grundsätzlich auch anhängige Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, sofern Übergangsregelungen nichts Abweichendes bestimmen. Maßgeblich ist danach die Rechtslage zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungs- bzw. Gerichtsverfahrens.

   Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. August 2007 - 1 C 47.06 -, BVerwGE 129, 162 = juris Rn. 29; OVG NRW, Beschluss vom 14. September 2005 - 8 B 96/05 -, juris Rn. 15 f., jeweils m. w. N.; vgl. auch Kopp, Grundsätze des intertemporalen Verwaltungsrechts, SGb 1993, 593 (597 f.), zum Grundsatz der sofortigen Anwendung des neuen Rechts auch auf nach altem Recht entstandene Rechte und Rechtsverhältnisse.

Dementsprechend hat das BAG den Antrag durch Bescheid und Widerspruchsbescheid abgelehnt.

Bei der vorliegenden Fallgestaltung sind auch mit Blick auf die im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes keine Gründe ersichtlich, aus denen die ursprünglich zulässig als Leistungsklage erhobene Klage als solche zulässig bleiben muss.

   Vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 1992 - 2 BvR 1631/90, 2 BvR 1728/90 -, BVerfGE 87, 48 = juris Rn. 43 ff.

b. Hinsichtlich der geltend gemachten Zinsansprüche ist die Klage als allgemeine Leistungsklage statthaft.

Dies gilt auch für die begehrte Verzinsung von noch zu erstattenden Beträgen, also von Erstattungsansprüchen, die die Kläger hier mit der Verpflichtungsklage verfolgen. Insoweit ist die Verbindung des Leistungsbegehrens mit dem Verpflichtungsbegehren zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass es noch keine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung über den Mauterstattungsanspruch der Kläger gibt. Die Kläger können ihr auf die Verzinsung des Erstattungsbetrags gerichtetes Leistungsbegehren gemäß § 113 Abs. 4 VwGO analog mit dem Verpflichtungsbegehren auf Erstattung der Mautgebühren bzw. auf den Erlass eines entsprechenden Erstattungsbescheides i. S. d. § 4 Abs. 2 Satz 4 BFStrMG verbinden.

Nach § 113 Abs. 4 VwGO ist, wenn neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden kann, im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig. Die Vorschrift verlagert aus Gründen der Prozessökonomie die Rechtskraftwirkung der Anfechtungsklage, soweit sie für das Leistungsbegehren notwendig ist, zeitlich nach vorne. Der Kläger kann aufgrund dessen bereits zu einem Leistungsurteil kommen, ohne die Rechtskraft des Anfechtungsurteils abwarten zu müssen.

   Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Februar 2000 - 3 C 11.99 -, NVwZ 2000, 818 = juris Rn. 10 ff. (zu Prozesszinsen); Wolff, in: Sodan/Ziekow, a. a. O. § 113 Rn. 390.

Hier verfolgen die Kläger mit ihrem Begehren, ihnen Mautgebühren zu erstatten, zwar kein Aufhebungs-, sondern ein Verpflichtungsbegehren. Jedenfalls in der vorliegenden Konstellation, in der die Leistungsklage Nebenansprüche (Zinsen) zu einem mit einer Verpflichtungsklage verfolgten Begehren betrifft, ist § 113 Abs. 4 VwGO aber analog anzuwenden.

   Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Februar 2000 - 3 C 11.99 -, a. a. O. Rn. 10 ff.; Nds. OVG, Beschluss vom 4. Dezember 2020 - 10 LC 402/18 -, juris Rn. 23 ff. (zur Erstattung überzahlter Kostenbeiträge) m. w. N.; W.-R. Schenke/R. P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage 2021, § 113 Rn. 177.

4. Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage entgegen der erstinstanzlich vertretenen Auffassung der Beklagten nicht deshalb, weil mit dem von den Klägern wenige Tage vor Klageerhebung gestellten Antrag beim BAG die gerichtliche Auseinandersetzungvoraussichtlich überflüssig war.

   Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 4. August 2010 - 9 C 6.09 -, a. a. O. Rn. 9.

Davon ist nicht auszugehen. Abgesehen davon, dass ein behördliches Erstattungsverfahren zum damaligen Zeitpunkt noch nicht gesetzlich vorgesehen war, haben die Kläger ihr Erstattungsbegehren nicht auf einen leicht zu klärenden Umstand gestützt, sondern grundlegende Einwände gegen die Mauterhebung erhoben. Diese waren noch nicht (umfassend) gerichtlich geklärt. Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG ist es auch nicht vereinbar, den Klägern ein Rechtsschutzbedürfnis deshalb abzusprechen, weil bereits Maut-"Musterverfahren" gerichtlich anhängig waren.

II. Die Klage ist teilweise begründet. Die Kläger haben einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, ihnen die gezahlten Mautgebühren teilweise zu erstatten (1.). Sie haben weiter einen Anspruch auf Verzinsung der bereits erstatteten sowie der noch zu erstattenden Beträge (2.).

1. Die Verpflichtungsklage ist teilweise begründet. Die Kläger haben einen Anspruch auf Rückerstattung von Mautgebühren in Höhe von 565,31 Euro bzw. auf den Erlass eines entsprechenden Erstattungsbescheides i. S. d. § 4 Abs. 2 Satz 4 BFStrMG. Der ablehnende Bescheid des BAG vom 14. September 2015 und der Widerspruchsbescheid vom 30. November 2015 sind insoweit rechtswidrig (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Anspruchsgrundlage für das Erstattungsbegehren der Kläger gegen die Beklagte ist § 4 Abs. 2 Satz 1 BFStrMG i. V. m. § 21 des Gesetzes über Gebühren und Auslagen des Bundes (Bundesgebührengesetzes - BGebG) vom 7. August 2013, das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 16. Juli 2021 (BGBl. I S. 3019) geändert worden ist.

Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 BFStrMG ist (u. a.) § 21 BGebG entsprechend anwendbar, soweit sich aus dem Bundesfernstraßenmautgesetz oder aus den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen nicht etwas anderes ergibt. Nach § 21 Abs. 1 BGebG sind überzahlte oder zu Unrecht erhobene Gebühren unverzüglich zu erstatten, zu Unrecht erhobene Gebühren aber nur, solange ihre Festsetzung noch anfechtbar ist.

Einschlägig ist vorliegend die zweite Alternative des § 21 Abs. 1 BGebG. Denn die Kläger machen keine "Überzahlung" im Sinne dieser Vorschrift geltend. Sie behaupten nicht, versehentlich mehr bezahlt zu haben, als von ihnen verlangt wurde, sondern bestreiten ihre Leistungspflicht insgesamt, weil sie die Mauterhebung für rechtswidrig halten. Dieses Vorbringen unterfällt der zweiten Alternative des § 21 Abs. 1 BGebG, wonach "zu Unrecht erhobene Gebühren" zu erstatten sind.

   Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. August 2010 - 9 C 6.09 -, a. a. O. Rn. 15 (zu § 21 VwKostG).

Zu Unrecht erhoben ist die Maut dann, wenn sie im Zeitpunkt der Autobahnbenutzung von Rechts wegen nicht hätte erhoben werden dürfen.

Das ist hier teilweise der Fall. Allerdings besteht der (noch) geltend gemachte Erstattungsanspruch bereits deshalb nicht in der geforderten Höhe von 11.900,76 Euro, weil von den Klägern Mautgebühren in diesem, von ihnen behaupteten Umfang gar nicht erhoben worden sind bzw. Erstattungsansprüche verfristet geltend gemacht worden sind (a.). Im Übrigen ist die Mauterhebung teilweise zu Unrecht erfolgt (b.). Dies führt zu einem Anspruch der Kläger auf teilweise Rückerstattung (c.).

a. In Höhe von insgesamt 811,04 Euro besteht von vornherein kein Erstattungsanspruch der Kläger, weil insoweit Gebühren von ihnen nicht im Sinne des § 21 BGebG erhoben worden sind bzw. die Kläger ihr Erstattungsbegehren nicht rechtzeitig geltend gemacht haben. Teilweise haben die Kläger entrichtete Mautgebühren bereits infolge von Stornierungen erstattet bekommen (aa.). Hinsichtlich der begehrten Rückerstattung von Stornierungsgebühren handelt es sich nicht um eine Mauterhebung und ist die Bundesrepublik Deutschland nicht der richtige Anspruchsgegner (bb.). Im Fall von zwei Einbuchungen, die offensichtlich fehlerhaft erfolgt sind, hätte vorrangig ein - fristgebundenes - Erstattungsverfahren nach § 10 Lkw-Maut-VO a. F. durchgeführt werden müssen (cc.).

aa. Ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Abrechnungsdaten für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 18. Juli 2011 (vgl. Anlage zum Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 27./28. März 2019) haben in diesem Zeitraum insgesamt 17 Rückerstattungen für Einbuchungen des Fahrzeugs mit dem Kennzeichen "XX XX XX" stattgefunden. Abzüglich einer Rückerstattung betreffend den Einbuchungsbeleg vom 8. Juni 2011 (61,11 Euro) - insoweit handelt es sich um eine beleghafte, also auf dem Einbuchungsbeleg selbst vermerkte Stornierung -, in deren Umfang die Kläger die Klage in der mündlichen Verhandlung vom 27./28. März 2019 zurückgenommen haben, errechnet sich ein Betrag in Höhe von 775,47 Euro, der den Klägern bereits erstattet worden ist. Der Einwand der Kläger, die betreffenden Einbuchungsbelege bewiesen, dass sie die d1ort jeweils ausgewiesene Maut bezahlt hätten, greift nicht durch. Vielmehr belegt de1r Ausdruck aus der Datenverwaltung der Beklagten zur Überzeugung des Senats, dass die jeweiligen Mautgebühren zwar ursprünglich entrichtet, aufgrund einer Stornierung der jeweiligen Fahrten bzw. Einbuchungen den Klägern allerdings wieder erstattet worden sind. Substantiierte Einwände dagegen, die über ein pauschales Bestreiten hinausgehen, haben die Kläger nicht erhoben.

bb. Soweit sich aus den Abrechnungsdaten ergibt, dass in fünf Fällen eine Stornierungsgebühr in Höhe von jeweils 3,00 Euro angefallen ist (Belege vom 19. Mai 2011, vom 27. Mai 2011, vom 31. Mai 2011, vom 3. Juni 2011 und vom 28. Juni 2011), besteht auch insoweit kein (weiterer) Erstattungsanspruch der Kläger gegen die Beklagte. Denn die Stornierungsgebühr betrifft nicht das Rechtsverhältnis zur Beklagten als Gebührengläubigerin. Vielmehr ist insoweit das Rechtsverhältnis der Kläger zur Toll Collect GmbH als Betreiberunternehmen betroffen.

Zu diesen beiden Rechtsverhältnissen vgl. BVerwG, Urteil vom 4. August 2010 - 9 C 6.09 -, a. a. O. Rn. 6 sowie 12 f.

Maßgeblich für die Mauterhebung im hier streitigen Zeitraum ist das Gesetz über die Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung vonBundesautobahnen mit schweren Nutzfahrzeugen (Autobahnmautgesetz für schwere Nutzfahrzeuge - ABMG) vom 5. April 2002 in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3122), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 29. Mai 2009 (BGBl. I S. 1170). Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 ABMG hat der Mautschuldner die Maut an das Bundesamt für Güterverkehr zu entrichten. Von dieser Pflicht wird er allerdings nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ABMG befreit, wenn er nachweist, dass zwischen ihm und dem Betreiber - hier der Toll Collect GmbH - ein Rechtsverhältnis besteht, aufgrund dessen der Mautschuldner ein Entgelt in Höhe der zu entrichtenden Maut an den Betreiber zahlen muss oder gezahlt hat. In diesem Sinne schließt der Betreiber zivilrechtliche Verträge mit dem Mautpflichtigen über die Zahlung der Maut. Jede ordnungsgemäße Nutzung der Erhebungssysteme des Betreibers bewirkt, dass zwischen dem Mautschuldner und dem Betreiber ein Vertrag mit dem in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ABMG genannten Inhalt und gemäß den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Betreiberszustande kommt.

   Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. August 2010 - 9 C 6.09 -, a. a. O. Rn. 6.

Die aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Toll Collect GmbH im Fall der Stornierung einer Einbuchung zu entrichtende Stornierungsgebühr in Höhe von 3,00 Euro (vgl. etwa auch Ziff. 12.4 der aktuellen AGB der Toll Collect GmbH für Kunden, die keine Verbraucher sind, i. V. m. Ziff. 5 des aktuellen Preisverzeichnisses, abrufbar im Internet unter www.tollcollect.de) betrifft damit das zivilrechtliche Rechtsverhältnis zwischen den Klägern und der Toll Collect GmbH. Denn insoweit geht es um die Zahlung des Entgelts im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ABMG und die Anwendung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Toll Collect GmbH, namentlich der dort geregelten Stornierungsgebühr. Die Mautpflicht der Kläger selbst, die Höhe der Maut oder sonstige, das öffentlichrechtliche Gebührenverhältnis zur Beklagten betreffende Fragen stehen dabei nicht im Streit. Soweit die Kläger ihre Pflicht zur Zahlung der Stornierungsgebühren in Frage stellen, die im Rahmen der jeweiligen Erstattungsverfahren offenbar im Wege der Aufrechnung von der Toll Collect GmbH einbehalten worden sind, müssten sie diese Frage im Rahmen einer Klage gegen die Toll Collect GmbH (auf dem Zivilrechtsweg) klären lassen. Die Beklagte ist für das auf eine Rückerstattung der Stornierungsgebühren nach den AGB der Toll Collectichtete Begehren nicht der richtige Anspruchsgegner.

Diese Ausführungen gelten nicht nur für die beleglosen Stornierungen, sondern in schen den Beteiligten (nur) noch eine Stornierungsgebühr in Höhe von 3,00 Euro im Streit (betreffend den Einbuchungsbeleg vom 19. November 2010 für das Fahrzeug mit dem Kennzeichen ...), nachdem die Kläger ihre Klage im Übrigen in Höhe der beleghaften Erstattungen in der mündlichen Verhandlung vom 27./28. März 2019 zurückgenommen haben (vgl. die weiteren Einbuchungsbelege vom 24. Februar 2010 für das Fahrzeug mit dem Kennzeichen ... sowie vom 8. Juni 2011 für das Fahrzeug mit dem Kennzeichen ...).

cc. Hinsichtlich eines Betrages in Höhe von insgesamt 32,57 Euro hätten die Kläger vorrangig ein Erstattungsverfahren nach § 4 Abs. 4 ABMG i. V. m. § 10 Lkw-Maut-VO durchführen müssen. Denn ausweislich der beiden Einbuchungsbelege vom 26. Juni 2011 (5,65 Euro) für ein Fahrzeug mit dem Kennzeichen "..." sowie vom 16. Februar 2011 (26,92 Euro) für ein Fahrzeug mit dem Kennzeichen "...Z" handelt es sich offensichtlich um fehlerhafte Einbuchungen (fehlerhafte Eingabe des Kennzeichens) und sind Fahrten mit Fahrzeugen mit diesen Kennzeichen - ein Fahrzeug der Kläger hatte hingegen das Kennzeichen ... - nicht durchgeführt worden. Das in § 4 Abs. 4 ABMG i. V. m. § 10 Lkw-Maut-VO speziell geregelte Erstattungsverfahren bei Nichtdurchführung der Fahrt, das die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs insbesondere innerhalb bestimmter Fristen vorsieht, haben die Kläger nicht durchgeführt. Die zweimonatige Frist des § 10 Abs. 3 Satz 1 Lkw-Maut-VO war bereits im Zeitpunkt der Stellung des Erstattungsantrags beim BAG im Dezember 2013 abgelaufen. Die Geltendmachung dieses Erstattungsanspruchs ist mithin verfristet.

b. Im Übrigen ist die Mauterhebung im Sinne des § 21 BGebG - der Höhe nach - teilweise zu Unrecht erfolgt.

Die Kläger begehren die Erstattung von im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 18. Juli 2011 entrichteten Mautgebühren. In diesem Zeitraum war die Mauterhebung im - am 18. Juli 2011 außer Kraft getretenen - Autobahnmautgesetz (ABMG) geregelt, wobei allerdings die in § 14 Abs. 3 BFStrMG i. V. m. Anlage 4 zu dieser Vorschrift (gesetzlich) festgelegten Mautsätze galten.

Die Mautsätze waren zwar bis zum 18. Juli 2011 zunächst in § 1 der - auf Grund des § 3 Abs. 2 ABMG erlassenen - Verordnung zur Festsetzung der Höhe der Autobahnmaut für schwere Nutzfahrzeuge (Mauthöheverordnung - MautHV) enthalten. Mit Wirkung vom 19. Juli 2011 hat der Gesetzgeber sie unter Aufhebung der Mauthöheverordnung ohne inhaltliche Änderung in das Bundesfernstraßenmautgesetz übernommen (BGBl. I 2011 S. 1383). Nachdem infolge des (nicht rechtskräftig gewordenen) Urteils des Senats vom 25. Oktober 2012 - 9 A 2054/07 -, nachgehend: BVerwG, Beschluss vom 16. Mai 2013 - 9 B 6.13 -, Zweifel an der Wirksamkeit der ursprünglich durch Rechtsverordnung geregelten Mautsätze aufgekommen waren, ordnete der Gesetzgeber durch § 14 Abs. 3 BFStrMG mit Wirkung vom 27. Juli 2013 (BGBl. I 2013 S. 2550) jedoch die rückwirkende Geltung der im Gesetz geregelten Mautsätze auch für die Zeit vor dem 19. Juli 2011 an.

Nach § 14 Abs. 3 BFStrMG bestimmt sich für Sachverhalte, die - wie hier - ab dem 1. Januar 2009 und bis zum Ablauf des 31. Dezember 2014 entstanden sind, der Mautsatz abweichend von § 3 Abs. 3 BFStrMG nach der Anlage 4 zu dieser Vorschrift. Die dort normierten Mautsätze gehen zurück auf das WKG 2007 (Kalkulationszeitraum von 2007 bis 2012; Basisjahr für die Kalkulation: 2005) nebst Ergebnisdokumentationen vom 14. April 2008 ("Varianten zur Berechnungsmethodik Grunderwerb und zum Zinssatz") und vom 22. September 2008 ("Varianten zur Mautspreizung bei Absenkung der Mautsätze in Kategorie C"). Der letztlich ermittelte gewogene durchschnittliche Mautsatz in Höhe von 16,3 Cent pro Fahrzeugkilometer beruht auf den Ergebnissen der Variante 1, Ziff. 2.2., in der Ergebnisdokumentation vom 14. April 2008, die die Kosten des Grunderwerbs mit den Annahmen des Wegekostengutachtens 2002 berechnet und von einem konstanten kalkulatorischen Zinssatz in Höhe von 4,5 % ausgeht. Das Wegekostengutachten 2002 ("Wegekostenrechnung für das Bundesfernstraßennetz" aus März 2002, im Folgenden: WKG 2002) betraf den Kalkulationszeitraum 2003 bis 2010. Die letztlich für die einzelnen Achs- und Schadstoffklassen gesetzlich festgelegten Mautsätze beruhen auf den Ergebnissen der Variante Ziff. 2.3 in der Ergebnisdokumentation vom 22. September 2008 (Reduktion der Mautsätze in Kategorie C um 2,0 Euro-Cent ausschließlich im Jahr 2010 und Kompensation der Einnahmeausfälle durch proportionale Anhebung der Mautsätze in den übrigen Kategorien, Mautspreizung 100 %).

Die auf dieser Grundlage erhobenen Mautgebühren verstoßen teilweise gegen Unionsrecht (aa.). Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen dagegen nicht (bb.).

aa. Die in Anlage 4 (zu § 14 Abs. 3) BFStrMG normierten Mautsätze verstoßen teilweise gegen Unionsrecht. Die Berechnung der diesen Mautsätzen zugrunde liegenden gewogenen durchschnittlichen Mautgebühren steht teilweise nicht mit den Vorgaben der im Zeitpunkt der Mauterhebung geltenden Wegekostenrichtlinie im Einklang ((1)). Hingegen verletzt die Mauterhebung nicht die von den Klägern angeführten Regelungen des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV -, insbesondere die dort normierten Grundfreiheiten ((2)).

(1) Die Berechnung der gewogenen durchschnittlichen Mautgebühren im WKG 2007 nebst Variantenrechnungen, die den in Anlage 4 (zu § 14 Abs. 3) BFStrMG normierten Mautsätzen zugrunde liegt, verstößt teilweise gegen unionsrechtliche Vorgaben zur Mautkalkulation.

Im streitgegenständlichen Zeitraum waren maßgeblich insoweit die Regelungen der Richtlinie 1999/62/EG vom 17. Juni 1999 (ABl. L 187) in der Fassung der Richtlinie 2006/38/EG vom 17. Mai 2006 (ABl. L 157), im Folgenden: Wegekostenrichtlinie. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Wegekostenrichtlinie bestimmt, dass die Mitgliedstaaten Maut- und/oder Benutzungsgebühren auf dem transeuropäischen Straßennetz (vgl. hierzu Art. 2 Buchst. a) Wegekostenrichtlinie) oder auf Teilen dieses Netzes nur unter den in den Absätzen 2 bis 12 genannten Bedingungen beibehalten oder einführen dürfen. Nach Art. 7 Abs. 9 Satz 1 Wegekostenrichtlinie beruhen die Mautgebühren auf dem Grundsatz der ausschließlichen Anlastung von Infrastrukturkosten. Die gewogenen durchschnittlichen Mautgebühren müssen sich ausdrücklich an den Baukosten und den Kosten für Betrieb, Instandhaltung und Ausbau des betreffenden Verkehrswegenetzes orientieren (Art. 7 Abs. 9 Satz 2 Wegekostenrichtlinie), können aber auch eine Kapitalverzinsung oder Gewinnmarge zu Marktbedingungen umfassen (Art. 7 Abs. 9 Satz 3 Wegekostenrichtlinie). Art. 7a Abs. 1 Satz 1 Wegekostenrichtlinie bestimmt, dass die Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Höhe der gewogenen durchschnittlichen Mautgebühren für das betreffende Infrastrukturnetz oder einen eindeutig ausgewiesenen Teil dieses Netzes die in Art. 7 Absatz 9 genannten Kosten berücksichtigen. Die Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit, diese Kosten nicht oder nur teilweise über die Mauteinnahmen anzulasten (Art. 7a Abs. 1 Satz 3 Wegekostenrichtlinie). Unter dem Begriff der gewogenen durchschnittlichen Mautgebühr sind nach der Begriffsbestimmung in Art. 2 Buchst. ba) Wegekostenrichtlinie sämtliche Einnahmen aus Mautgebühren in einem bestimmten Zeitraum zu verstehen, geteilt durch die Anzahl der in diesem Zeitraum in einem bestimmten mautpflichtigen Straßennetz zurückgelegten Fahrzeugkilometer, wobei sowohl die Einnahmen als auch die Fahrzeugkilometer für die mautpflichtigen Fahrzeuge berechnet werden. Baukosten sind nach der Begriffsdefinition in Art. 2 Buchst. aa) Wegekostenrichtlinie die mit dem Bau verbundenen Kosten, gegebenenfalls einschließlich der Finanzierungskosten, insbesondere von neuen Infrastrukturen oder neuen Infrastrukturverbesserungen (einschließlich umfangreicher struktureller baulicher Instandsetzung). Finanzierungskosten sind Kreditzinsen und/oder die Verzinsung des Eigenkapitals der Anteilseigner (Art. 2 Buchst. ab) Wegekostenrichtlinie).

Im Falle neuer, von den Mitgliedstaaten nach dem 10. Juni 2008 eingeführter Mautsysteme ohne konzessionsgebundene Mautgebühren berechnen die Mitgliedstaaten die Kosten anhand einer Methodik, bei der die in Anhang III aufgeführten Eckpunkte für die Berechnung zugrunde gelegt werden (Art. 7a Abs. 3 Unterabsatz 1 Wegekostenrichtlinie). In Anhang III sind die Eckpunkte für die Berechnung der gewogenen durchschnittlichen Mautgebühren gemäß Art. 7 Abs. 9 Wegekostenrichtlinie festgelegt. Mautsysteme, die am 10. Juni 2008 bereits eingeführt sind, sind von den Regelungen in Art. 7a Abs. 3 Wegekostenrichtlinie ausgenommen, solange sie in Kraft bleiben und sofern sie nicht wesentlich geändert werden (Art. 7a Abs. 3 Unterabsatz 3 Wegekostenrichtlinie).

Die Regelungen zu den Eckpunkten für die Mautberechnung in Anhang III der Wegekostenrichtlinie finden danach hier keine Anwendung. Denn das deutsche Mautsystem war zum Stichtag des 10. Juni 2008 bereits eingeführt und ist auch nicht wesentlich geändert worden. Namentlich ist durch die Aktualisierung der Wegekostenrechnung in den Jahren 2007 und 2008 keine solche wesentliche Änderung erfolgt. Nach dem Erwägungsgrund 17 der Richtlinie 2006/62/EG, der zwar keinen eigenständigen Regelungsgehalt hat, bei der Auslegung der Richtlinie aber als Auslegungshilfe herangezogen werden kann, würde eine wesentliche Änderung unter anderem bei einer erheblichen Änderung der ursprünglichen Bedingungen des Mautsystems durch die Änderung eines Vertrags mit dem Betreiber des Mautsystems vorliegen, nicht aber bei Änderungen, die in dem ursprünglichen System vorgesehen sind. Dieser Erwägung ist zu entnehmen, dass bisherige Mautsysteme, einschließlich der gewählten Mautkalkulation, Bestand haben sollen, sofern sie im Wesentlichen in ihrer ursprünglichen Form beibehalten werden. Ein solcher Bestandsschutz besteht dagegen nicht mehr, wenn etwa die Kalkulationsmethodik oder der Vertrag mit der Betreibergesellschaft wesentlich geändert wird. Eine erhebliche Änderung der Bedingungen des Mautsystems in diesem Sinne lag hier jedoch nicht vor. Das WKG 2007 stellt eine bloße Fortführung der bisherigen Mautkalkulation dar; wesentliche Änderungen mit der Betreibergesellschaft sind nicht erfolgt. Insbesondere ist die Kalkulationsmethodik durch das WKG 2007 nebst Variantenberechnungen nicht wesentlich geändert worden (vgl. etwa WKG 2007, S. 1). Die Anpassung der Mautsätze durch in bestimmten Zeitabständen neu zu erstellende bzw. zu aktualisierende Kalkulationen ist in dem bisherigen Mautsystem vorgesehen gewesen. Die (teilweise) Neubewertung des Anlagevermögens und die Einbeziehung von neuen Gewerken (vgl. WKG 2007, S. 32: Erweiterung der Kostenbasis im WKG 2002 um die Gewerke Rastanlagen und Meistereien) unterfallen der (bloßen) Aktualisierung der bisherigen Kalkulation.

Eine konkrete Berechnungsmethode für die Ermittlung des durchschnittlich gewogenen Mautsatzes und/oder der tatsächlich zu erhebenden Mautsätze gibt das Unionsrecht weder für die Kalkulation insgesamt noch für Einzelaspekte vor. Es beschränkt sich vielmehr auf die Vorgabe von Rahmenbedingungen. Die "alten" Mautsysteme haben in Bezug auf die Berechnungsmethodik allein die Vorgaben des Art. 7 und des Art. 7a, insbesondere des Art. 7 Abs. 9 und des Art. 7a Abs. 1, Wegekostenrichtlinie zu berücksichtigen. Aus diesen Vorschriften ergibt sich insbesondere die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, bei der Festsetzung der Mautgebühren ausschließlich die Infrastrukturkosten im Sinne von Art. 7 Abs. 9Wegekostenrichtlinie zu berücksichtigen. Dagegen sind die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, diese Kosten vollständig anzulasten (Art. 7a Abs. 1 Satz 3 Wegekostenrichtlinie). Zur Mautsatzdifferenzierung gibt Art. 7 Abs. 10 Wegekostenrichtlinie einen Rahmen vor.

Innerhalb dieser Rahmenbedingungen verbleibt ein Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten. Dieser besteht selbst dann, wenn Mitgliedstaaten ihre Kostenrechnung anhand einer Methodik durchzuführen haben, bei der die in Anhang III der Wegekostenrichtlinie aufgeführten Eckpunkte für die Berechnung zugrunde zu legen sind (vgl. Fußnote 1 in Anhang III). Erst Recht besteht ein solcher Spielraum im Fall von "alten" Mautsystemen - wie hier -, für die die Vorgaben des Anhangs III nicht gelten.

   Vgl. EuGH, Urteil vom 28. Oktober 2020 - C-321/19 -, juris Rn. 44.

Für die Mautkalkulation gelten auch nicht generell die Grundsätze, die die Rechtsprechung zu Kalkulationen im Benutzungsgebührenrecht, insbesondere im Kommunalabgabenrecht, etwa zu § 6 KAG NRW, entwickelt hat. Sie lassen sich, da der rechtliche Rahmen ein anderer ist, nicht ohne weiteres übertragen. Maßgeblich sind hier vielmehr die Vorgaben, die das Unionsrecht und das nationale Recht für die Mautkalkulation im Zeitpunkt der Mauterhebung machen.

Begrenzt wird der danach bestehende Spielraum der Mitgliedstaaten durch Art. 7 Abs. 9 Wegekostenrichtlinie. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift liegt nach der im Vorlageverfahren ergangenen Entscheidung des EuGH vor bei jeder Überschreitung der Infrastrukturkosten des betreffenden Verkehrswegenetzes, die auf nicht unerhebliche Berechnungsfehler oder die Berücksichtigung von Kosten zurückzuführen ist, die nicht zu den in dieser Bestimmung genannten Kosten gehören.

   Vgl. EuGH, Urteil vom 28. Oktober 2020 - C-321/19 -, a. a. O. Rn. 32 f.

Danach sind zwei Fälle zu unterscheiden: Ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 9Wegekostenrichtlinie ist zum einen dann anzunehmen, wenn in die Kalkulation Kosten eingestellt werden, die von vornherein nicht zu den ansatzfähigen Kosten gehören, weil es sich nicht um Infrastrukturkosten im Sinne des Art. 7 Abs. 9 Wegekostenrichtlinie handelt. Zum anderen verstoßen nicht unerhebliche Berechnungsfehler in der Kalkulation gegen Art. 7 Abs. 9 Wegekostenrichtlinie, sofern sie zu einer Überschreitung der Infrastrukturkosten führen. Ein solcher Fehler betrifft regelmäßig Kosten, die - anders als bei der erstgenannten Fehlerkategorie - dem Grunde nach ansatzfähig sind.

Ein unionsrechtswidriger, weil die Kosten der Infrastruktur überschreitender Kalkulationsfehler in diesem Sinne liegt etwa vor, wenn - zum Beispiel durch die Wahl einer bestimmten Kalkulationsmethode - Kosten angesetzt werden, die der bestehenden oder geplanten wirtschaftlichen Realität nicht entsprechen (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts vom 18. Juni 2020 - Rs. C-321/19 -, juris Rn. 69 ff.), der betreffende Kostenansatz mit anderen Worten prognostisch nicht vertretbar war.

Nicht unerheblich ist jeder Berechnungsfehler, der sich auf die Höhe der gewogenen durchschnittlichen Mautgebühren auswirkt. Denn eine Art "Fehlertoleranz" oder Bagatellgrenze, wie sie die Rechtsprechung im Bereich des Kommunalabgabenrechts anerkannt hat,

   vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994 - 9 A 1248/92 -, NVwZ 1995, 1233 = juris Rn. 92 (Fehlertoleranz von bis zu 3 %),

bzw. wie sie dort zum Teil gesetzlich normiert ist,

   vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes (5 %-Fehlertoleranz) oder § 2 Abs. 2 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes für Baden-Württemberg (Fehlertoleranz bei einer nur "geringfügigen Kostenüberdeckung"),

gibt es im Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 9 Wegekostenrichtlinie nicht. Nach der im Vorlageverfahren ergangenen Entscheidung des EuGH steht die genannte Vorschrift "jeder" Überschreitung der Infrastrukturkosten entgegen, die auf einem nicht unerheblichen Berechnungsfehler beruht.

   Vgl. EuGH, Urteil vom 28. Oktober 2020 - C-321/19 -, a. a. O. Rn. 32.

Auch eine Überschreitung von beispielsweise "nur" 3,8 % bzw. im Bereich von bis zu 6 % stellt einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 9 Wegekostenrichtlinie dar.

   Vgl. EuGH, Urteil vom 28. Oktober 2020 - C-321/191 -, a. a. O. Rn. 33.

Eine andere Betrachtung würde auch dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz ("effet utile") nicht gerecht.

Die Kläger können sich auf diese aus Art. 7 Abs. 9 Wegekostenrichtlinie abgeleiteten Vorgaben auch berufen. Denn diese Regelung entfaltet unmittelbare Wirkung. Der Einzelne kann sich vor den nationalen Gerichten gegenüber einem Mitgliedstaat unmittelbar auf die Verpflichtung aus Art. 7 Abs. 9 und Art. 7a Abs. 1 und 2 Wegekostenrichtlinie, ausschließlich die Infrastrukturkosten im Sinne von Art. 7 Abs. 9 zu berücksichtigen, berufen, wenn der Mitgliedstaat dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist oder sie nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat.

   Vgl. EuGH, Urteil vom 28. Oktober 2020 - C-321/19 -, a. a. O. Rn. 46.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann sich der Einzelne danach nicht nur auf die Berücksichtigung von dem Grunde nach nicht ansatzfähigen Kosten, sondern auch auf nicht unerhebliche Berechnungsfehler berufen, die zu einer Überschreitung der Infrastrukturkosten führen. Denn auch in diesem Fall liegt ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 9 Wegekostenrichtlinie vor, weil (Infrastruktur-)Kosten angesetzt werden, die im Sinne der genannten Vorschrift nicht bzw. nicht in dem angesetzten Umfang ansatzfähig sind.

Ausgehend von diesen Vorgaben in Art. 7 Abs. 9 und Art. 7a Abs. 1 und 2 Wegekostenrichtlinie waren die (noch) im Streit stehenden, von den Klägern im streitigen Zeitraum erhobenen Mautgebühren teilweise unionsrechtswidrig.

Über die Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht hat der Senat nicht mehr zu entscheiden, soweit im WKG 2007 Kosten der Polizei angesetzt worden sind. Die Beklagte hat in Reaktion auf das Urteil des EuGH vom 28. Oktober 2020, wonach die Kosten der Verkehrspolizei nicht unter den Begriff der "Kosten für [den] Betrieb" im Sinne des Art. 7 Abs. 9 Wegekostenrichtlinie fallen und diese Vorschrift einem Ansatz der Kosten der Verkehrspolizei entgegensteht (vgl. Rn. 29 und 32), den Klägern die Gebühren in der Höhe entsprechend dem Anteil der in der gewogenen durchschnittlichen Mautgebühr enthaltenen Polizeikosten erstattet (423,69 Euro). Daraufhin haben die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Abgesehen von den Polizeikosten ist nicht ersichtlich, dass im WKG 2007 im Rahmen der Ermittlung der Wegekosten (weitere) Kosten angesetzt worden wären, die bereits dem Grunde nach nicht zu den ansatzfähigen Kosten gehören. Derartiges behaupten auch die Kläger nicht.

Die Einwände der Kläger gegen die Berechnung der gewogenen durchschnittlichen Mautgebühren im WKG 2007, die sie teilweise nur durch Bezugnahme auf das Vorbringen der Kläger in den vom BGL unterstützten Verfahren geltend gemacht haben, greifen überwiegend nicht durch ((a) bis (e)). Allerdings verstößt der Ansatz eines Tagesneuwerts bzw. Wiederbeschaffungswerts im Rahmen der Eigenkapitalverzinsung des Grundvermögens gegen Art. 7 Abs. 9 Wegekostenrichtlinie ((f)).

(a) Gegen die Vermögensbewertung nach der Synthetischen Methode bestehen grundsätzlich - abgesehen von dem Sonderfall der im Bundeseigentum stehenden Grundstücke (dazu unten (f)) - keine Bedenken.

Die Synthetische Methode (SM) geht bei der Berechnung des Bruttoanlagevermögens von einem physischen Bestand an Infrastrukturelementen aus, für den mithilfe von geeigneten Einheitskostensätzen die Wiederbeschaffungspreise ermittelt werden. Dagegen wird bei der Perpetual Inventory Methode (kumulative Methode oder PIM) das Bruttoanlagevermögen zum jeweiligen Stichtag aus den bisherigen kumulierten Investitionen in das Anlagevermögen berechnet, abzüglich der bereits vollständig abgeschriebenen Vermögensbestandteile. Durch die Berücksichtigung von Wiederbeschaffungspreisen bzw. Tagesneuwerten unter Verwendung von Daten aus einem hinreichend differenzierten Bestandsregister zielt die SM darauf ab, den Preis zu ermitteln, der für die Wiederbeschaffung des Infrastrukturvermögens (Ersatzneubau) erforderlich wäre (vgl. Stellungnahme B1. D. vom 2. November 2017, S. 5).

Die Vermögensbewertung im WKG 2007 erfolgte nach der SM. Das Rechnungsverfahren basiert auf einem "Bottomup"-Ansatz. Das bedeutet, dass von Einzelobjekten - Strecken (dazu gehören Grunderwerb, Erdbau, Binder-, Deck- und Tragschicht, Knoten und Ausstattung), Brücken, Tunnel, Rastanlagen und Meistereien - ausgegangen wird, deren Einzelvermögenswerte anschließend aufsummiert werden. Unter Rückgriff auf Bestandsdaten insbesondere des (früheren) Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) wurden mithilfe von Kostensätzen, etwa auch der Einheitskostensätze aus dem WKG 2002, die jeweiligen Tagesneuwerte errechnet (vgl. hierzu insgesamt WKG 2007, S. 21, sowie WKG 2002, S. 43).

Diese Methode der Vermögensbewertung im WKG 2007 ist unionsrechtlich grundsätzlich zulässig.

So auch Stellungnahme der EU-Kommission im Notifizierungsverfahren vom 10. Dezember 2014 - C(2014) 9313 final, S. 8, Ziff. 31, sowie Stellungnahme der Kommission in der Sitzung des Komitologieausschusses vom 1. Dezember 2008 (Minutes, Meeting of the Committee established under Article 9c of Directive 1999/62/EG on charging of heavy goods vehicles for the use of certain infrastructures), Ziffer 3; Link, Ein Überblick zu methodischen Fragen der Wegekostenrechnung, ZfV 2014, 124 (128).

Jedenfalls für den hier vorliegenden Fall, in dem Anhang III der Wegekostenrichtlinie keine Anwendung findet, ergibt sich aus den Vorgaben der Richtlinie weder, dass ausschließlich eine der genannten beiden Methoden zur Bewertung des Vermögensbestands, SM oder PIM, zulässig wäre, noch dass im Rahmen der Bewertung des Anlagevermögens allein die historischen Anschaffungskosten berücksichtigt werden dürften. Die Richtlinie definiert den Kostenbegriff nicht, beschränkt ihn insbesondere nicht auf die tatsächlichen Kosten in diesem Sinne. Dies lässt sich aus Art. 7 Abs. 9 Wegekostenrichtlinie nicht ableiten, wonach die Mautgebühren auf den Infrastrukturkosten beruhen (Satz 1) und sich - soweit hier relevant - an den Baukosten orientieren müssen (Satz 2), also den mit dem Bau verbundenen Kosten (Art. 2 Buchst. aa). Da die Wegekostenrichtlinie ein unionsweit einheitliches Verständnis von einem (betriebswirtschaftlichem) Kostenbegriff nicht vorgibt, haben die Mitgliedstaaten auch insoweit einen Gestaltungsspielraum bei der Wahl der Kalkulationsmethode. Welche Kalkulationsmethode aus betriebswirtschaftlicher Sicht vorzugswürdig ist, etwa weil sie die Infrastrukturkosten bestmöglich abbildet oder weil sie möglicherweise rein praktische Vorteile bietet, hat der Senat wegen dieses Gestaltungsspielraums der Mitgliedstaaten nicht zu entscheiden.

Soweit die Kläger einwenden, die EU-Kommission habe im Schreiben vom 19. Mai 2010 an den Ständigen Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union Bedenken geäußert und die Erstellung eines umfassenden Inventars der Vermögenswerte gefordert, das es jedoch nicht gebe, greift dieser Einwand nicht durch. Die EU-Kommission hatte damals lediglich pauschal die Erstellung eines solchen Inventars angeregt und im Übrigen später an ihren insoweit bestehenden Bedenken nicht mehr festgehalten (vgl. die oben genannte Stellungnahme vom 10. Dezember 2014 - C(2014) 9313 -, S. 8). Außerdem verkennt dieser Einwand den methodischen Ansatz der SM, bei der das Anlagevermögen gerade nicht "kameralistisch", sondern synthetisch auf der Basis vieler Einzelinformationen, etwa aus Bestandsdaten des Verkehrsministeriums und der BASt, und einer Reihe von Annahmen ermittelt wird (vgl. hierzu auch die Mitteilung der Regierung der Bundesrepublik Deutschland an die Europäische Kommission vom 30. Juli 2010, S. 3 f., als Antwort auf das Schreiben der Kommission vom 19. Mai 2010).

(b) Das gewählte Abschreibungsverfahren (sog. ökonomische Abschreibung) verstößt ebenfalls nicht gegen die Vorgaben der Art. 7 Abs. 9 und Art. 7a Abs. 1 und Abs. 2 Wegekostenrichtlinie.

Bei der ökonomischen Abschreibung wird - anders als beim Abschreibungsverfahren im Bereich des Kommunalabgabenrechts, wo regelmäßig der Wiederbeschaffungszeitwert in voller Höhe mit dem Abschreibungssatz multipliziert wird -, die Differenz zwischen den jeweiligen Tagesgebrauchtwerten am Anfang und am Ende einer Rechnungsperiode abgeschrieben (vgl. WKG 2007, S. 23, und WKG 2002, S. 59 ff.). Ausgangsbasis der Abschreibungsberechnung ist also nicht das nach der SM ermittelte Bruttoanlagevermögen, sondern das daraus errechnete Nettoanlagevermögen (Tagesgebrauchtwert), das Wertminderungen durch Abnutzung und Alter der Bauelemente berücksichtigt und damit den tatsächlichen Wert des vorhandenen Anlagevermögens widerspiegelt. Die Methode der ökonomischen Abschreibung verteilt die nominalen Anschaffungsausgaben über einen flexiblen Nutzungszeitraum und nicht linear (vgl. WKG 2002, S. 58).

Bei Anwendung dieses Abschreibungsverfahrens können sich auch Zuschreibungen, d. h. negative Abschreibungen, ergeben, wenn nämlich die Wertsteigerung des Anlagevermögens infolge der Anwendung des Preisindexes die Wertminderung durch Alterung übersteigt. Die Summe der Abschreibungsbeträge über die gesamte Nutzungsdauer ergibt - im Unterschied etwa zur Abschreibung zu Wiederbeschaffungspreisen - den Vermögenswert bei Inbetriebnahme der Anlage, mithin die Anschaffungs- oder Herstellungsausgaben; Abschreibungserlöse über den Anschaffungswert werden also nicht erzielt (vgl. IWW/progtrans, Anlagen zum Endbericht, Aktualisierung der Wegekostenrechnung für die Bundesfernstraßen in Deutschland, 15. September 2008, im Folgenden: WKG 2007, Anlagen zum Endbericht, S. 10 ff., sowie WKG 2002, S. 61 und S. 144).




Damit genügt die ökonomische Abschreibung nach den nachvollziehbaren Darlegungen der Beklagten und ihrer Gutachter auch dem Kriterium der kapitaltheoretischen Erfolgsneutralität,

   vgl. hierzu auch Knieps u. a., Abschreibungen bei Preisänderungen in stationären und nicht stationären Märkten, Zeitschrift für betriebswissenschaftliche Forschung 2001, 53, S. 759 ff.,

und zwar auch dann, wenn die allgemeine Preissteigerungsrate nicht der spezifischen Preissteigerungsrate für das jeweilige Anlagegut entspricht (vgl. den Endbericht zur Berechnung der Wegekosten für das Bundesfernstraßennetz sowie der externen Kosten nach Maßgabe der Richtlinie 1999/62/EG für die Jahre 2013 bis 2017, erstellt von B1. D. u. a., März 2014, im Folgenden: WKG 2014, S. 37). Über die Abschreibungen wird also nur der Anschaffungswert erwirtschaftet, weshalb die Abschreibungsmethode im Ergebnis keine Preiseffekte berücksichtigt, obwohl sie nicht auf den Anschaffungskosten basiert (vgl. IWW/ progtrans, Erläuterungen zur Anfrage der Europäischen Kommission, 6. Mai 2009, S. 3). Dass der Eingang von Preiseffekten über den Tagesgebrauchtwert nicht zu einem Inflationsausgleich führt, liegt also daran, dass die Wertsteigerung die Abschreibung nicht wie bei der Abschreibung nach dem Wiederbeschaffungszeitwert erhöht, sondern infolge der Erhöhung des Bruttoanlagevermögens absenkt.

(c) Der Ansatz des Nominalzinssatzes auf der Basis des Tagesgebrauchtwerts begegnet - zum Sonderfall der im Bundeseigentum stehenden Grundstücke unten (f) - weder dem Grunde ((aa)) noch der Höhe ((bb)) nach Bedenken.

(aa) Die Berücksichtigung einer Eigenkapitalverzinsung bei der Berechnung der gewogenen durchschnittlichen Mautgebühren ist nach Art. 7 Abs. 9 Satz 3 Wegekostenrichtlinie grundsätzlich zulässig. Weil nach den vorstehenden Ausführungen dem Gesichtspunkt der reproduktiven Substanzerhaltung als Kalkulationsziel nicht bereits auf der Ebene der Abschreibungen Rechnung getragen wird, sondern damit lediglich der Anschaffungswert erwirtschaftet wird, ist die kalkulatorische Verzinsung mit dem Nominalzinssatz auf der Basis des Tagesgebrauchtwerts sachlich vertretbar. Die Preiseffekte werden damit bei den kalkulatorischen Zinsen berücksichtigt. Die Wahl der ökonomischen Abschreibungsmethode bedingt also, dass die Zinsen auf der Basis des Nettoanlagevermögens (Wiederbeschaffungsrestwert oder Tagesgebrauchtwert) berechnet werden und hierbei der Nominalzins, verstanden als Realzins plus Inflationsrate, angesetzt wird.

   Vgl. WKG 2007, Anlagen zum Endbericht, S. 8 und 19; IWW/progtrans, Erläuterungen zur Anfrage der Europäischen Kommission, 6. Mai 2009, S. 3, 5; WKG 2002, S. Z-6 und 58 ff.

(bb) Der angewendete Nominalzinssatz von 4,5 % ist entgegen der Auffassung der Kläger ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden, weil er vom Einschätzungsspielraum der Beklagten gedeckt ist.

Angesetzt wurde im WKG 2007 für das Basisjahr 2005 zunächst ein Zinssatz von 4 %, der bis 2012 linear auf 5,5 % steigt (vgl. WKG 2007, S. 56). Tatsächlich angesetzt worden ist für die Gebührenkalkulation im WKG 2007 sodann ein konstanter Zinssatz für den gesamten Kalkulationszeitraum von 4,5 % (vgl. WKG 2007, Ergebnisdokumentation, Varianten zur Berechnungsmethodik Grunderwerb und zum Zinssatz, 14. April 2008, S. 4; WKG 2007, Ergebnisdokumentation, Varianten zur Mautspreizung bei Absenkung der Mautsätze in Kategorie C, S. 1).

Die insoweit erforderliche Prognose beruht auf vertretbaren, den wirtschaftlichen Realitäten entsprechenden Annahmen. Der zugrunde gelegte Realzins von 3 % wird damit begründet, dass dieser Wert in Anlehnung an die Vorgaben der Bundesverkehrswegepläne 1992 und 2003 die langfristige soziale Opportunitätskostenrate widerspiegelt. Auf die näheren, nachvollziehbaren Erläuterungen in den Anlagen zum Endbericht, Aktualisierung der Wegekostenrechnung für die Bundesfernstraßen in Deutschland (S. 19 f.), wird Bezug genommen. Dabei hat das WKG 2007 auch berücksichtigt, dass der durchschnittliche Realzins für Bundesanleihen im Zeitraum von 1997 bis 2007 bei 3,3 % lag, der Durchschnitt der letzten 30 Jahre darüber (siehe auch die Stellungnahme der Q. AG vom 3. November 2017, S. 6). Die Inflationsrate wurde, orientiert an den EZB-Annahmen, zunächst auf 2 % festgelegt (WKG 2007, Anlagen zum Endbericht, S. 20). Es ist sodann aber nicht der sich daraus ergebende Wert von 5 %, sondern mit 4,5 % ein niedrigerer Zinssatz der Kalkulation zugrunde gelegt worden. Bei der Prognose des Nominalzinssatzes wurden ferner Erwartungen der Finanzmärkte sowie Inflationstendenzen berücksichtigt (WKG 2007, Anlagen zum Endbericht, S. 20 ff.).

Die dagegen erhobenen Einwände der Kläger greifen nicht durch. Ob eine expost-Betrachtung ergibt, dass die angenommenen Zinssätze sich anders als prognostiziert entwickelt haben, ist irrelevant. Soweit die Kläger darauf hinweisen, dass die Umlaufrendite der Anleihen der öffentlichen Hand zwischen 2003 und 2009 durchschnittlich bei 3,86 % lag und die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen Stand November 2009 bei 3,36 %, gibt das für die im WKG 2007 in Bezug auf die Jahre 2007 bis 2012 anzustellende Prognose deshalb nichts her. Zudem lassen die Kläger den zulässigerweise gewählten längeren Betrachtungszeitraum des WKG 2007 außer Acht. Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Finanzierung langlebiger Infrastrukturgüter in Rede steht, dass rund 40 % des Anlagevermögens aus der Zeit vor 1982 stammen, die zugehörigen Opportunitätskosten also vor längerer Zeit angefallen sind, und dass deshalb eine auf langfristige Finanzierungsbedingungen abstellende Prognose der Kapitalkosten sachgerecht ist.

Auf Rechtsfehler führt auch nicht der Einwand, dass andere Studien, die ebenfalls einen Opportunitätskostenansatz verfolgen, für die maßgeblichen Referenzjahre geringere Werte annähmen.

   Vgl. etwa Link, Ein Überblick zu methodischen Fragen der Wegekostenrechnung, ZfV 2014, 124 (141: 2,5 % Realzinssatz); F. , Kosten des Grunderwerbs für die Bundesautobahnen in der Wegekostenrechnung 2007, 23. November 2021, S. 18 ff.

Insoweit hat Prof. F. in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Senats eingeräumt, dass es sich bei dem auch von ihm befürworteten Wert von 2,5 % um den Realzinssatz handele. Abgesehen davon lässt sich mit dieser, ohnehin nur geringfügig unter dem streitgegenständlichen Ansatz eines Realzinssatzes von 3 % liegenden Annahme nicht begründen, dass der von der Beklagten vertretbar angenommene kalkulatorische Zinssatz den bestehenden Spielraum verletzt und zu einer Überschreitung der Infrastrukturkosten führt.

Aus dem Hinweis der Kläger auf das Schreiben der EU-Kommission vom 19. Mai 2010 an den Ständigen Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union, in dem ausgeführt wird, die "Anwendung eines fiktiven Zinssatzes von 5,5 %" erscheine "exzessiv", ergibt sich nach den vorstehenden Ausführungen nichts anderes. Es ist nicht mit einem "Zinssatz von 5,5 %" gerechnet worden, schon gar nicht mit einem Realzins von 5,5 %, sondern vielmehr mit einem Nominalzins von 4,5 %, der zudem auf vertretbaren Annahmen beruht.

Dass im WKG 2007 die nach Auffassung des Senats nicht vertretbare Betriebsfiktion eines öffentlichen Unternehmens (dazu unten unter (f)) zugrunde gelegt wurde, ist unerheblich. Zwar spielt die Betriebsfiktion grundsätzlich eine maßgebliche Rolle für die Kalkulation und bedeutet die für die Wegekostenrechnung 2007 angenommene Betriebsfiktion "öffentliches oder teilprivatisiertes Unternehmen" nach dem WKG 2007, dass ein Realzins zu öffentlichen Kapitalmarktbedingungen zugrunde zu legen ist (vgl. WKG 2007, S. 15,

Tabelle 5). Allerdings hat sich nach den nachvollziehbaren Angaben der Beklagten die - fehlerhafte - Betriebsfiktion auf die Höhe des Zinssatzes im WKG 2007 nicht ausgewirkt, weil der hier der Berechnung der Nominalzinsen zugrunde gelegte Realzinssatz von 3 % die langfristige soziale Opportunitätskostenrate widerspiegelt und damit auch bei der Betriebsfiktion öffentliche Verwaltung gerechtfertigt gewesen wäre.

(d) Die (teilweise) Berücksichtigung einer sogenannten Qualitätskomponente im WKG 2007 verstößt nicht gegen die Vorgaben der Wegekostenrichtlinie. Vielmehr handelt es sich dabei um eine vertretbare Methode der Kostenermittlung ((aa)). Soweit bei der Bewertung einzelner Infrastrukturelemente eine Qualitätskomponente berücksichtigt worden ist, hat sich dieser Ansatz zudem nach den nachvollziehbaren Erläuterungen der Gutachter im Ergebnis nicht kostenerhöhend ausgewirkt ((bb)).

(aa) Die Vermögensbewertung nach der SM, das heißt nach aktuellen Wiederbeschaffungspreisen oder Tagesneuwerten, hat zur Konsequenz, dass veränderte Ansprüche an die Eigenschaften der jeweiligen Anlagen in die Ermittlung des Bruttoanlagevermögens mit einfließen (baulichstrukturelle Qualitätskomponente).

Denn das Bruttoanlagevermögen entspricht bei einer Ermittlung nach der SM dem Betrag, der im jeweiligen Rechnungsjahr für eine vergleichbare, auf neuestem Stand der Technik gebaute Neubaustrecke aufgewendet werden würde (vgl. WKG 2002, S. 43). Angesetzt wird also grundsätzlich der Wert des jeweiligen Infrastrukturelements, wie es heute unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts angeschafft werden würde. Es muss zum einen eine vergleichbare Grundfunktionalität besitzen wie das zu bewertende Element und zum anderen den aktuellen Ausführungsanforderungen, etwa im Bereich der Verkehrssicherheit, genügen (vgl. die Stellungnahme der Q. AG vom 13. Dezember 2018, S. 16 f.).

Gleichzeitig bedeutet der Ansatz von Tagesneuwerten aber auch, dass der technische Fortschritt bei der Herstellung der Anlagen berücksichtigt wird. Insbesondere Rationalisierungseffekte können deshalb zu im Vergleich zum Anschaffungszeitpunkt niedrigeren Herstellungspreisen führen (vgl. die Stellungnahme der Q. AG vom 13. Dezember 2018, S. 17 ff.). Die Wiederbeschaffungspreise sind im Übrigen schon nicht

für alle historisch bedingten Qualitäten verfügbar, weil diese teilweise aufgrund heutiger technischer Normen gar nicht mehr angeboten werden.

Die Berücksichtigung von veränderten Anforderungen an die jeweiligen Infrastrukturelemente rechtfertigt hiervon ausgehend nicht den Schluss, damit würden den gebührenpflichtigen Nutzern fiktive Kosten für künftige Anlagen angelastet, die ihnen im betreffenden Kalkulationszeitraum gar nicht zur Verfügung stünden. Ob das Unionsrecht den damit angesprochenen gebührenrechtlichen Grundsatz der Periodengerechtigkeit vorgibt, erscheint schon zweifelhaft, kann aber

dahinstehen. Nicht ableiten lässt sich dieser Grundsatz jedenfalls aus Art. 2 Buchst. ac) Wegekostenrichtlinie, wonach "umfangreiche strukturelle bauliche Instandsetzung" eine bauliche Instandsetzung mit Ausnahme derjenigen Instandsetzung ist, die für die Verkehrsteilnehmer keinen aktuellen Nutzen mehr hat. Wie die nachfolgende Erläuterung der Begriffsdefinition - "wenn beispielsweise die Ausbesserung durch eine weiter gehende Erneuerung der Straßendecke oder andere Bauarbeiten ersetzt wurde" - zeigt, geht es dabei um Kosten für letztlich überflüssige Instandsetzungsmaßnahmen. Jedenfalls werden durch den Ansatz von Kosten, die auf baulichstrukturelle Qualitätsveränderungen zurückzuführen sind, nicht unter Verstoß gegen Art. 7 Abs. 9 Wegekostenrichtlinie die Infrastrukturkosten überschritten. Vielmehr ist die vorgelagerte Frage betroffen, ob - was in Konsequenz der Zulässigkeit der Synthetischen Methode zu bejahen ist - diese im Wege einer vertretbaren Kalkulationsmethode ermittelt worden sind.

(bb) Darüber hinaus fehlt es auch an einer Überschreitung der Infrastrukturkosten, weil sich, soweit im WKG 2007 überhaupt eine baulichstrukturelle Qualitätskomponente berücksichtigt worden ist, diese nach den überzeugenden Ausführungen der Gutachter in ihren Stellungnahmen vom 13. Dezember 2018, die teilweise Bezug nimmt auf die Stellungnahme der B1. D. vom 2. November 2017, sowie vom 5. März 2019 jedenfalls nicht kostenerhöhend ausgewirkt hat. Diesen

Ausführungen ist der Prozessbevollmächtige der Kläger auch nicht mehr entgegengetreten.

Bei den Elementen Grunderwerb, Knoten, Ausstattung, Brücken, Rastanlagen und Meistereien ist eine baulichstrukturelle Qualitätskomponente nicht berücksichtigt worden. Grundstücke unterliegen keinen unterschiedlichen Qualitätsanforderungen; sie sind im Hinblick auf ihre Qualität angesetzt worden, "wie sie liegen". Auch die Knoten sind in einer Qualität bewertet worden, wie sie tatsächlich vorhanden ist. Bei der Ausstattung (etwa Leitplanken, Beschilderungen) wurde mit Blick auf die

regelmäßige Erneuerung und mangels Änderungen bei den Anforderungen "nach dem Stand der Technik" ebenfalls keine Qualitätskomponente berücksichtigt. Entsprechendes gilt für Brücken, die allein nach Quadratmetern (Brückenfläche) bewertet worden sind. Rastanlagen sind nach der Anzahl ihrer Parkplätze und der Größe der Grundstücke bewertet worden, eine Qualitätskomponente fließt dabei nicht mit ein. Für die Meistereien sind allein die Kosten für vergleichbare Anlagen angesetzt worden.

Grundsätzlich kostenerhöhende Effekte hatte der Ansatz einer baulichstrukturellen Qualitätskomponente letztlich nur bei zwei Elementen, nämlich beim Erd- und Oberbau (Deckschicht, Binderschicht, Tragschichten) sowie bei den Tunneln. Zurückzuführen sind sie insbesondere auf neue Trassierungen (Verbesserung der Trassierung zur Reduktion von Längsneigungen) sowie gestiegene Sicherheitsanforderungen. Allerdings werden diese Effekte durch mehrere kostensenkende Effekte rechnerisch ausgeglichen. Soweit Bezugsgrößen Spur- und Randstreifenkilometer waren - so insbesondere beim

Erd- und Oberbau -, sind Anlagen tendenziell unterbewertet worden. Das hängt damit zusammen, dass die Bewertung die Regelquerschnitte der RAS-Q 96 (Richtlinie für die Anlage von Straßen - Teil Querschnitte, Ausgabe 1996) zugrunde gelegt hat. Davor galten größere Regelquerschnitte. Aufgrund der Orientierung an der RAS-Q 96 wurden demnach Bundesautobahnen aus der Herstellungszeit vor 1996 unter dem Aspekt der Spurbreite mit einer geringeren Qualität bewertet als sie tatsächlich vorhanden war. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass aufgrund technischen Fortschritts der Autobahnbau in Bezug auf das allgemeine Preisniveau günstiger geworden ist. Hinsichtlich der Tunnel kommt hinzu, dass nach den Daten des WKG 2007 nur knapp 10 % aller Tunnel (gemessen an Tunnelkilometern) auf Autobahnen vor dem Jahr 1990 erstellt worden sind. Sie waren demnach ohnehin im Zeitpunkt der Bewertung - im WKG 2007 wurden Einheitskosten aus einer Stichprobe von Tunnelbauprojekten aus den späten 1990er und frühen 2000er Jahren ermittelt - fast vollständig auf dem "aktuellen Stand der Technik". Der auf eine etwaige Qualitätskomponente zurückzuführende Anteil der Kosten ist deshalb allenfalls sehr gering. Zudem macht der Anteil der Kapitalkosten der Tunnel an den Gesamtkosten nur 1,6 % aus. Unter Berücksichtigung dieser Umstände werden im Bereich Erd- und Oberbau sowie bei den Tunneln die geringfügigen Mehrkosten durch Verbesserungen der Längsneigung im Rahmen der Trassierung sowie durch Aspekte der Verkehrssicherheit damit im Ergebnis durch die auf die genannten Umstände zurückzuführenden Minderkosten ausgeglichen (vgl. zu den Berechnungen im Einzelnen die Stellungnahme der Q. AG vom 13. Dezember 2018, S. 21 ff. und S. 24, sowie die Stellungnahme der Q. AG vom 5. März 2019, S. 9 f.).

(e) Die Berücksichtigung von Planungskosten des Straßenbaus, wie sie bei der Berechnung der Wegekosten im WKG 2007 erfolgt ist, ist nicht zu beanstanden. Die Kläger rügen insoweit, der Ansatz von "Planungskosten in Höhe von 18 % der Kapitalkosten" sei unzulässig, weil überhöht. Dieser Einwand ist bereits im Ausgangspunkt unzutreffend. Planungskosten sind im WKG 2007 nicht pauschal "mit 18 % der Kapitalkosten" angesetzt worden. Vielmehr ist wie folgt vorgegangen worden: Aus dem WKG 2002 ist die Berücksichtigung von Planungskosten in Höhe von 3 % der Baukosten (integriert in die Einheitskostensätze) übernommen worden. Dieser

Prozentsatz entspricht einer Pauschale, die der Bund den Ländern für sog. Zweckausgaben anteilig zu den Baukosten vergütet (vgl. § 6 Abs. 3 des Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs - BABG -; berücksichtigt wurden für die Entwurfsbearbeitung 2 % und für die Bauaufsicht 1 % der Baukosten). Weil diese Vergütungen nur einen kleinen Teil der faktischen Planungskosten darstellen, sind weitere, effektiv anfallende Planungskosten angesetzt worden (etwa Kosten für die Festlegung der Trassenführung, für Planfeststellungsverfahren oder für gutachterliche Beratung). Zur Ermittlung des Planungskostensatzes wurden unterschiedliche Studien ausgewertet, in denen der Anteil an Planungskosten stark variiert, mindestens aber mit 10 % ausgewiesen wird. Letztlich haben die Gutachter orientiert an Kurzgutachten bzw. Stellungnahmen des Landesrechnungshofes Baden-Württemberg und der DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH einen Wert von 15 % im Modell zur Berechnung der Wegekosten hinterlegt. Dieser ergibt sich als Differenz von 18 % und den bereits in den Einheitskostensätzen enthaltenen 3 % (Bundeszuschüsse). Da Planungskosten des Straßenbaus eindeutig mit der Trassenfestlegung (Erdbauarbeiten) korrelieren, sind die Planungskosten als Teil der Erdbauarbeiten definiert worden. (Nur) die Kostensätze für Erdbau sind also um einen entsprechenden Faktor erhöht worden. Berücksichtig worden ist bei dieser Methodik im Übrigen auch, dass die meisten der erweiterten Planungskosten (Trassenführung, Planfeststellung) langfristigen Charakter haben. Durch die Anbindung an die Kostenposition Erdbau wurden die Planungskosten damit zusammen mit dem Erdbau über 90 Jahre abgeschrieben (vgl. zu den Planungskosten insgesamt: WKG 2007, S. 37, außerdem WKG 2007, Anlagen zum Endbericht, S. 15 ff., sowie die Mitteilung der Regierung der Bundesrepublik Deutschland an die Europäische Kommission vom 30. Juli 2010, S. 6 f., als Antwort auf das Schreiben der Kommission vom 19. Mai 2010).

Dass dieses Vorgehen zu einer unionsrechtlich unzulässigen Kostenüberschreitung führt, ist nicht zu erkennen. Insbesondere ist der letztlich gewählte Planungskostensatz in nachvollziehbarer und vertretbarer Weise gewählt worden. Er orientiert sich an real anfallenden Kosten. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen, bei der Erstellung des WKG 2007 ausgewerteten Studien ist nichts dafür ersichtlich, dass ein realitätsfremder, überhöhter Satz gewählt worden wäre. Wie bei der Wahl des Zinssatzes gibt es im Übrigen auch insoweit nicht den "einzig richtigen" Satz und besteht insoweit ein Spielraum der Beklagten. Dieser Spielraum ist nach den

vorstehenden Ausführungen bei der Berücksichtigung von Planungskosten im WKG 2007 nicht überschritten.

(f) Im Bereich der Eigenkapitalverzinsung des Grundvermögens liegt der Kalkulation des gewogenen durchschnittlichen Mautsatzes allerdings ein nicht unerheblicher Berechnungsfehler zugrunde, der zu einer Überschreitung der Infrastrukturkosten im Sinne des Art. 7 Abs. 9 Wegekostenrichtlinie führt. Unter Berücksichtigung sowohl der Zielsetzung der Kalkulation als auch der tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten im Zeitpunkt der Prognoseentscheidung konnte zu diesem Zeitpunkt der Ansatz eines Tagesneuwerts bzw. Wiederbeschaffungswerts als Basis für die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung des Grundvermögens nicht vertretbar

angenommen werden. Diese Anwendung einer nicht vertretbaren Berechnungsmethode stellt einen nicht unerheblichen - zu einer Kostenüberschreitung führenden - Berechnungsfehler dar.

Zwar gehören die Kosten des Grunderwerbs als mit dem Bau verbundene Kosten zu den Baukosten im Sinne von Art. 7 Abs. 9 Satz 2, Art. 2 Buchst. aa) Wegekostenrichtlinie. Auch ist die Berücksichtigung einer Eigenkapitalverzinsung nach der Richtlinie, wie bereits ausgeführt, grundsätzlich zulässig. Das ergibt sich schon aus Art. 7 Abs. 9 Satz 3 Wegekostenrichtlinie, wonach die gewogenen durchschnittlichen Mautgebühren auch eine Kapitalverzinsung umfassen können, während die in Art. 2 Buchst. aa) und ab) der Richtlinie genannten Finanzierungskosten lediglich die Fremdfinanzierungskosten umfassen dürften. Eine Eigenkapitalverzinsung ist auch in Anhang III der Richtlinie vorgesehen (Ziff 2.1, erster Spiegelstrich, Satz 1: Zinsertrag für das investierte Kapital), was ebenfalls den Rückschluss zulässt, dass sie zu den Kosten im Sinne des Art. 7 Abs. 9 Satz 3 Wegekostenrichtlinie gehört. Zweck der Vorgaben in Anhang III ist die Harmonisierung der Gebührenerhebungssysteme (vgl. Erwägungsgrund 17), also die Schaffung eines Mindestmaßes an Vereinheitlichung in den Mitgliedstaaten. Eine Methodik, bei der die in Anhang III aufgeführten Eckpunkte für die Berechnung derSinne des Art. 7 Abs. 9 Wegekostenrichtlinie.

gewogenen durchschnittlichen Mautgebühren zugrunde gelegt werden, ist daher grundsätzlich - auch bei "alten" Mautsystemen - eine zulässige Kostenberechnung im Sinne des Art. 7 Abs. 9 Wegekostenrichtlinie.

   Vgl. hierzu bereits Vorlagebeschluss vom 28. März 2019, juris Rn. 31 a. E.

Diese grundsätzlich ansatzfähigen Kosten der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung sind im WKG 2007 (nebst der Variantenrechnungen aus April und September 2008) allerdings fehlerhaft berechnet worden, weil mit einer sachlich nicht vertretbaren Verzinsungsbasis kalkuliert wurde.

Das WKG 2007 geht von der Betriebsfiktion "öffentliches/teilprivates Unternehmen" aus.

   vgl.KG 2007, S. 14

Mit der Wegekostenrechnung sollten die Kosten, die sich aus den laufenden Kosten und den Kapitalkosten (kalkulatorische Abschreibungen und kalkulatorische Zinsen) zusammensetzen, zu 100 % gedeckt werden; eine Gewinnerzielung war nach den Angaben der Gutachter in der mündlichen Verhandlung vom 27. und 28. März 2019 nicht beabsichtigt. Weitere, mit der Kalkulation verfolgte Prinzipien waren u. a. das Prinzip der langfristigen Substanzerhaltung des Netzes sowie das "life cycle costing"-Prinzip (vgl. WKG 2007, S. 17 f.). Ausgehend von diesen Prämissen wählt das Gutachten als Verzinsungsbasis für die im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstücke einen Tagesneuwert bzw. Wiederbeschaffungswert. Es geht dabei aus vom Preisstand im Jahr 2000 (wie im WKG 2002 ermittelt) zuzüglich des Werts später hinzuerworbener Grundstücke. Die ursprünglich geplante Anpassung auf das Basisjahr 2005 (vgl. WKG 2007, Anlagen zum Endbericht, S. 29) ist letztlich nicht erfolgt (vgl. Variantenberechnungen vom 14. April 2008 und vom 22. September 2008). Für das hier maßgebliche Prognosejahr 2010 ist für die Grundstücke ein Vermögenswert in Höhe von insgesamt 13,65 Mrd. Euro berücksichtigt worden (vgl. etwa die Stellungnahme der Q. AG vom 3. März 2016, S. 8). Bei Zugrundlegung eines Zinssatzes von 4,5 % errechnen sich daraus kalkulatorische Zinsen in Höhe von 0,61 Mrd. Euro.

Die Wahl dieser Verzinsungsbasis war unter Berücksichtigung sowohl der genannten eigenen Prämissen des Gutachtens als auch der tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten im Zeitpunkt der Prognoseentscheidung sachlich nicht vertretbar.

   So schon Vorlagebeschluss vom 28. März 2019, juris Rn. 41; s. auch Schlussanträge des Generalanwalts vom 18. Juni 2020 - C-321/19 -, a. a. O. Rn. 70 f.

Die Bewertung des Anlagevermögens - hier der Grundstücke - zu Tagesneuwerten bzw. Wiederbeschaffungswerten trägt in der Regel dem Ziel einer Substanzerhaltung Rechnung. Eine Reinvestition bzw. Wiederbeschaffung war bei den vorhandenen Grundstücken im Zeitpunkt der Prognoseentscheidung jedoch nicht zu erwarten. Ist eine Reinvestition im Sinne einer Substanzerhaltung aber nicht erforderlich, werden über den Ansatz der Wiederbeschaffungswerte als Verzinsungsbasis (kalkulatorische) Zinsen berücksichtigt, die die Kosten der Infrastruktur überschreiten. Die Verwendung von Wiederbeschaffungswerten bei Grundstücken im Rahmen der Bewertung nach der Synthetischen Methode - wenn auch hier nach dem Bewertungszeitpunkt des Jahres 2000 - führt dazu, dass der Anlagevermögenswert mit der Wertentwicklung der Grundstückspreise korreliert und eine Wertsteigerung den Gebührenzahlern angelastet wird (vgl. hierzu auch WKG 2014, S. 54 f.) Im Ergebnis werden damit mehr als die Anschaffungskosten erwirtschaftet, obwohl nach den Angaben der Gutachter ausdrücklich nur eine Kostendeckung zu 100 %, nicht aber eine Gewinnerzielung, gewollt war.

Sonstige Gründe, insbesondere wirtschaftliche Argumente, mit denen sich die Wahl der im Vergleich zu einem (historischen oder fortgeschriebenen) Anschaffungswert höheren Verzinsungsbasis rechtfertigen lassen könnte,

   vgl. hierzu die Schlussanträge des Generalanwalts vom 18. Juni 2020 - C-321/19 -, a. a. O. Rn. 70 ("wenn keine weiteren einschlägigen wirtschaftlichen Argumente vorliegen"),

haben die Beklagte und die von ihr beauftragten Gutachter nicht aufgezeigt.

Ohne Erfolg verweist die Beklagte insoweit darauf, die Bewertung des Anlagevermögens zu aktuellen Preisständen (Tagesneuwerten bzw. Wiederbeschaffungswerten) trage dem "life cycle costing"-Prinzip Rechnung, das eine Opportunitätskostenbetrachtung auch in Gestalt einer realen Kapitalerhaltung des unveräußerlichen Grundvermögens einschließe. Das "life cycle costing"-Prinzip verfolgt den bei Grundstücken unanwendbaren Ansatz, jeder Nutzergeneration den entsprechenden Ressourcenverzehr (ausgedrückt durch die kalkulatorische Abschreibung und die kalkulatorischen Zinsen) zuzuordnen (vgl. IWW/Progtrans, Erläuterungen zur Anfrage der Europäischen Kommission, 6. Mai 2009, S. 4); es sollen zukunftsbezogene Kosten- und Gebührensätze ermittelt werden, die eine Substanzerhaltung garantieren (vgl. WKG 2007, Anlagen zum Endbericht, S. 4). Ein Substanzverbrauch findet bei Grundstücken aber nicht statt, der Lebenszyklus ist unendlich. Deshalb sind hier im WKG 2007 richtigerweise bei den Grundstücken, bei denen "Bruttovermögen = Nettovermögen" zugrunde gelegt wurde, auch faktisch keine Abschreibungen erfolgt (vgl. die Stellungnahme der Q. AG vom 10. November 2021, S. 2). Es sind auch keine Wertzuwächse des Grundvermögens in der Kalkulationsperiode angenommen und damit auch keine negativen Abschreibungen (Zuschreibungen) berücksichtigt worden. Vor diesem Hintergrund kann bei Grundstücken auch nicht mit der kapitaltheoretischen Neutralität der Verwendung von Tagesneuwerten sowie damit argumentiert werden, durch die Anwendung der ökonomischen Abschreibungsmethode wirkten sich eventuell angenommene Wertsteigerungen kostendämpfend aus. Denn mangels Abschreibung der Grundstücke erfolgt keine Reduzierung des Kostenansatzes dadurch, dass Zuschreibungen in Höhe des Wertzuwachses vorgenommen werden (so auch F. , Kosten des Grunderwerbs für die Bundesautobahnen in der Wegekostenrechnung 2007, S. 16 f.). Den Opportunitätskosten des Flächenerwerbs bzw. -verbrauchs wird hingegen mit der - bei der Wahl einer vertretbaren Verzinsungsbasis auch bei Grundstücken zulässigen - kalkulatorischen Verzinsung mit dem Nominalzinssatz hinreichend Rechnung getragen (vgl. auch WKG 2014, S. 35 f.). Im Übrigen hält der Senat auch eine angemessene Indexierung der historischen Grundstückspreise, wie sie im WKG 2014 vorgenommen worden ist, für sachlich vertretbar, um so Inflationsgesichtspunkte zu berücksichtigen und zu gewährleisten, dass heutige und zukünftige Nutzer den gleichen, um die Inflation bereinigten Beitrag für die Nutzung der Grundstücke (bzw. die Opportunitätskosten des in den Grundstücken gebundenen Kapitals) zahlen (vgl. WKG 2014, S. 54 f.). Damit wird ausreichend der Forderung der Beklagten Rechnung getragen, eine Anpassung an den aktuellen Preisstand sei geboten, weil die Mautgebühren für die hier in Rede stehenden Jahre 2010 und 2011 mit der Kaufkraft dieser Jahre zu entrichten waren.

Soweit die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 30. November 2021 auf die Ausführungen in einer Dissertation aus dem Jahr 2012 (Walter, Die Lkw-Maut in Deutschland, Dissertation, Hamburg, 2012, S. 302, Fn. 1568) hingewiesen haben, wonach die Kalkulation von der Europäischen Kommission positiv bewertet worden sei, ergeben sich daraus keine Anhaltspunkte für die rechtliche Zulässigkeit der gewählten Zinsbasis im Bereich des Grundvermögens im WKG 2007. Der Autor der Dissertation führt selbst aus, dass nicht abschließend beurteilt werden könne, ob die Kalkulation betriebswirtschaftlich haltbar sei (S. 302). Überdies lässt eine bloße, in einem internen Memorandum von Ende 2004 von einer Kommissarin ausgesprochene "positive Bewertung" keinerlei Rückschluss darauf zu, dass die EU-Kommission das WKG 2007 auf die Einhaltung der Vorgaben der im Jahr 2007 geltenden Wegekostenrichtlinie hin überprüft und die Berechnung zudem (vollständig) gebilligt hätte. Abgesehen davon wäre eine solche Bewertung der Kommission für den Senat auch nicht bindend.

Der weitere Vortrag der Vertreter der Beklagten in der Berufungsverhandlung, die rechtliche Zulässigkeit der gewählten Zinsbasis im Bereich des Grundvermögens im WKG 2007 rechtfertige sich aus dem Gesichtspunkt der kalkulatorischen Miete, wobei sich die heranzuziehende ortsübliche Vergleichsmiete auch immer nach dem Tagesneuwert des Grundstücks berechne, rechtfertigt ebenfalls keine andere Betrachtung. Abgesehen davon, dass derartige Überlegungen auf die Kalkulation von Kosten für Autobahngrundstücke nicht übertragbar sind, dienen kalkulatorische Mieten in der Bundesverwaltung nur dazu, die kalkulatorischen Zinsen auf Gebäude und Grundstücke zu ersetzen, wenn keine Wertansätze für das gebundene Kapital vorliegen (vgl. das von den Beklagtenvertretern insoweit angeführte KLR Handbuch der Bundesfinanzverwaltung (H 90 01), Stand: April 2008, Teil II 2.2.4 a. E.). Letzteres ist hier jedoch, wie nachfolgend ausgeführt wird, gerade nicht der Fall.

Der Hinweis der Gutachter auf praktische Gründe der Auftragsdurchführung, nämlich die fehlende Verfügbarkeit der historischen Grunderwerbskosten, vermag die Vorgehensweise ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Sie machen insoweit geltend, allein das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin, mit dem sich die ursprünglich geplante Zusammenarbeit nicht habe realisieren lassen, verfüge über eine Datenbank mit historischen Grunderwerbskosten. Dass die das Wegekostengutachten beauftragende Beklagte nicht über die Daten verfügte bzw. diese nicht den Gutachtern zur Verfügung stellen konnte, ist abwegig. So führen die Gutachter des WKG 2014 aus, für die Ermittlung des Anlagevermögens bei den Grundstücken hätten sie auf die vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) zur Verfügung gestellten historischen Ausgaben für Grunderwerb für die Bundesautobahnen und die Bundesstraßen zurückgegriffen (vgl. WKG 2014, S. 54). Auch in dem von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 30. November 2021 vorgelegten Schreiben des DIW (Frau Dr. M. ) vom 28. November 2021 wird ausgeführt, dass Daten zu historischen Grunderwerbskosten dem BMVI vorliegen, von dort dem DIW im Rahmen einer jährlichen Publikation ("Verkehr in Zahlen") übermittelt werden und so auch an das "Wegekostenreferat" hätten übermittelt werden können.

Begründen lässt sich die Berücksichtigung der Grundstücke mit einem Tagesneuwert auch nicht mit der von den Gutachtern gewählten Betriebsfiktion. Denn die Entscheidung für die Betriebsfiktion "öffentliches/teilprivates Unternehmen" war ebenfalls im Zeitpunkt der Prognoseentscheidung sachlich nicht vertretbar, weil sie den damaligen und für die nähere Zukunft zu erwartenden Rahmenbedingungen nicht entsprach.

   So auch schon Vorlagebeschluss vom 28. März 2019, juris Rn. 41.

Eine Privatisierung oder Teilprivatisierung des Bundeseigentums an dem Autobahnnetz war im Kalkulationszeitraum nicht hinreichend konkret beabsichtigt. Die - von den Prozessbevollmächtigten der Beklagten sowie dem sachverständigen Beistand L. in der mündlichen Verhandlung am 30. November 2021 nochmals bekräftigte - Behauptung, die gewählte Betriebsfiktion habe den damaligen Absichten entsprochen (vgl. auch die Stellungnahme Q. AG vom 10. November 2021, S. 4), wird nicht durch belastbare tatsächliche Annahmen belegt. Die von der Beklagten angeführten Vorschläge der Pällmann-Kommission aus dem Jahr 2000, das Verkehrsinfrastruktur-finanzierungsgesellschafts-gesetz vom 28. Juni 2003 und die nachfolgende Gründung der Verkehrs-infrastruktur-finanzierungs-gesellschaft mbH (VIFG) sowie der Umstand, dass Formen der öffentlichprivaten Zusammenarbeit im Zusammenhang (nur) mit dem Autobahnausbau geplant waren, reichen für die Annahme einer grundlegenden institutionellen Veränderung bei der Finanzierung und Bereitstellung des Autobahnnetzes im Kalkulationszeitraum nicht aus. Die Vorschläge der Pällmann-Kommission, der im Schlussbericht vom 5. September 2000 vorgesehene Zeitplan sowie die für die VIFG vorgesehene Funktion waren im Jahr 2007 auch nicht wie geplant umgesetzt, so dass der Rückgriff darauf sowie auf die Überlegungen des Expertenworkshops 2001 (vgl. WKG 2007, Anlagen zum Endbericht, S. 3) die Annahme der Betriebsfiktion öffentliches Unternehmen wegen einer Ausgliederung der Verkehrsinfrastruktur aus dem Bundeshaushalt im Jahr 2007 nicht rechtfertigen konnte. Lediglich als Pilotprojekte wurden in einem ersten Schritt auf vier Autobahnabschnitten ÖPP-Lösungen umgesetzt (vgl. dazu Böger, Die Bedeutung der Finanzierung bei ÖPP-Projekten im Bereich der öffentlichen Straßenverkehrsinfrastruktur, in: Die wirtschaftliche Seite des Bauens, Festschrift zum 60. Geburtstag von Rainer Wanninger. Schriftenreihe des IBB. Braunschweig: Institut für Bauwirtschaft und Baubetrieb (2010), Heft 50, S. 81 (85)). Auch die Ankündigung eines Masterplans Güterverkehr und Logistik für das Jahr 2008 und die Ankündigung, ÖPP zu implementieren (Jahreswirtschaftsbericht 2008 der Bundesregierung, BT-Drs. 16/7845, S. 35 f. (Ziff. 54 und 55)), ist derart vage, dass sie den Schluss auf eine Privatisierung des Autobahnnetzes nicht zulässt.

Dem im Schriftsatz vom 15. Januar 2021 angekündigten und in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag der Beklagten zu der kapitaltheoretischen Neutralität der Berechnung der Kapitalkosten des Grundvermögens im WKG 2007 nebst Anlagen zum Endbericht und Variantenrechnungen muss der Senat nicht nachgehen. Es bedarf keines weiteren Sachverständigengutachtens. Denn zu der angesprochenen Frage liegen bereits gutachterliche Stellungnahmen vor, die der Senat berücksichtigt und zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Namentlich liegen sachverständige Äußerungen der Gutachter der Beklagten vor, insbesondere die Stellungnahme der Q. AG vom 7. Dezember 2020, die sich ausführlich mit der Frage der Grunderwerbskosten im WKG 2007 befasst und das dortige Vorgehen erläutert. Darüber hinaus verhält sich auch die von den Klägern vorgelegte gutachterliche Stellungnahme des Prof. Dr. F. zur Frage der kalkulatorischen Kosten des Grundvermögens. Diese gutachterlichen Stellungnahmen erachtet der Senat als ausreichend, ihm die für die Entscheidung erforderliche Sachkunde zu vermitteln, und sieht in Ausübung des ihm insoweit zustehenden Ermessens keinen Anlass zur Einholung eines weiteren Gutachtens (vgl. § 98 VwGO i. V. m. § 412 Abs. 1 ZPO).

   Vgl. dazu BVerwG, Beschlüsse vom 27. März 2000 - 9 B 518.99 -, InfAuslR 2000, 412 = juris Rn. 12, und vom 27. Februar 2001 - 1 B 206.00 -, juris Rn. 6 f., jeweils m. w. N.

Abgesehen davon ist die Entscheidungserheblichkeit der unter Beweis gestellten Tatsachen nicht erkennbar. Die Frage der kapitaltheoretischen Neutralität bzw. Erfolgsneutralität aus kapitaltheoretischer Sicht stellt sich grundsätzlich im Zusammenhang mit der gewählten Abschreibungsmethode (vgl. etwa WKG 2014, S. 35 f.; siehe dazu bereits oben), die bei den Grundstücken mangels Abschreibung aber nicht relevant ist.

(2) Die Mauterhebung verletzt im Übrigen entgegen der Auffassung der Kläger keine unionsrechtlichen Vorschriften.

(a) Für die von den Klägern gerügten Verstöße gegen die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) und die Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 ff. AEUV) sowie gegen die Regelungen der EU-Verkehrspolitik in Art. 90 ff. AEUV ist nichts ersichtlich. Aus den vom Verwaltungsgericht zutreffend näher ausgeführten Gründen, auf die Bezug genommen wird, findet die Dienstleistungsfreiheit auf dem Gebiet des Verkehrs grundsätzlich keine Anwendung (vgl. auch Art. 58 Abs. 1 AEUV), sondern gelten insoweit die Regelungen der Art. 90 ff. AEUV.

   Zu einem - hier nicht vorliegenden - Ausnahmefall vgl. EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Alber vom 9. September 2003 - C-157/02 -, juris Rn. 123 ff.

Die Warenverkehrsfreiheit dürfte schon tatbestandlich nicht einschlägig sein. Es erscheint zweifelhaft, ob die Lkw-Maut, die unabhängig vom Transport von Waren für die Nutzung der Straßen erhoben wird, eine Abgabe oder Maßnahme gleicher Wirkung wie Ein- und Ausfuhrzölle oder Ein- und Ausfuhrbeschränkungen ist. Das kann aber dahinstehen.

Dass die Wegekostenrichtlinie gegen die Warenverkehrsfreiheit, gegen Art. 90 ff. AEUV oder aber gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot aus Art. 18 AEUV verstößt, wird von den Klägern nicht substantiiert dargelegt und ist auch nicht erkennbar. Nach Art. 7 Abs. 4 und Abs. 10 a), 2. Spiegelstrich Wegekostenrichtlinie dürfen die Mautgebühren sowie die Mautsatzdifferenzierung weder mittelbar noch unmittelbar zu einer unterschiedlichen Behandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit des Verkehrsunternehmers, des Landes oder Ortes der Niederlassung des Verkehrsunternehmers oder der Zulassung des Fahrzeugs oder des Ausgangs- oder Zielpunktes der Fahrt führen.

   Vgl. dazu auch EuGH, Urteil vom 5. Februar 2004 - C-157/02 -, juris Rn. 35, 51 ff.

Eine danach verbotene Diskriminierung erfolgt hier nicht, da alle in- und ausländischen Gebührenschuldner gleichermaßen mautpflichtig sind und in den jeweiligen Fahrzeugkategorien ein einheitlicher Mautsatz pro Kilometer auf dem gesamten erfassten Verkehrsnetz gilt. Eine Fallgestaltung, bei der faktisch unterschiedliche Mautsätze für den Transitverkehr und den innerstaatlichen Güterverkehr erhoben werden, wie sie der EuGH bei der Brennermaut beanstandet hat,

   vgl. EuGH, Urteil vom 26. September 2000 - C-205/98 -, juris Rn. 79 ff.,

ist hier nicht gegeben. Eine mittelbare Diskriminierung legen die Kläger auch mit ihrem Vorbringen nicht dar, Transportunternehmen aus anderen EU-Mitgliedstaaten müssten jeweils aus dem Ausland anfahren und hätten dementsprechend für die Fahrt zum Beladeort bzw. ab dem Entladeort in Deutschland weitere Strecken auf mautpflichtigen Straßen zurückzulegen. Dieser Annahme ist schon nicht zu folgen. Insoweit hat die Beklagte zutreffend ausgeführt, dass das mautpflichtige Streckennetz auch lange inländische mautpflichtige Beförderungsstrecken zulässt, während aus dem Ausland versandte Ware und Transportunternehmen aus anderen EU-Mitgliedstaaten je nach Zielort und dessen Nähe zur Grenze möglicherweise auch nur recht kurze mautpflichtige Strecken zurücklegen müssen.




Dies zugrunde gelegt, lassen sich aus dem AEUV weder über die Wegekostenrichtlinie hinausgehende Vorgaben ableiten noch erfordert das Primärrecht die Auslegung dieser Vorgaben in einem bestimmten Sinne, etwa - wie von den Klägern geltend gemacht - bei einem Gestaltungsspielraum stets die Wahl der für den Gebührenschuldner günstigsten Kalkulationsmethode. Denn damit bestünde dieser schon nicht.

   Vgl. aber EuGH, Urteil vom 28. Oktober 2020 - C-321/19 -, a. a. O. Rn. 44, wonach die Wegekostenrichtlinie den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Modalitäten der Berechnung der Mautgebühren einen Gestaltungsspielraum belässt.

(b) Für den weiter geltend gemachten Verstoß der rückwirkenden Festsetzung der Mautsätze in Anlage 4 des Bundesfernstraßenmautgesetzes mit Wirkung vom 27. Juli 2013 gegen die Dienstleistungs- und Warenverkehrsfreiheit sowie die Regelungen zur EU-Verkehrspolitik ist ebenfalls nichts erkennbar. Aus diesen Bestimmungen, soweit sie überhaupt anwendbar sind, lässt sich kein generelles Rückwirkungsverbot ableiten. Im Übrigen liegt aus den unten zum Verfassungsrecht ausgeführten Gründen (bb.) auch keine mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbare Rückwirkung vor.

(c) Die Rüge der Kläger, die rückwirkende Festsetzung der Mautsätze in Anlage 4 des Bundesfernstraßenmautgesetzes sei als verdeckte verbotene Beihilfe zugunsten der Toll Collect GmbH im Sinne des Art. 107 AEUV unionsrechtswidrig, ist schon nicht nachvollziehbar. Selbst wenn im Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Betreiberunternehmen Toll Collect gegen Art. 107 AEUV verstoßen worden sein sollte - wofür nichts ersichtlich ist -, folgte daraus nicht die Unionsrechtswidrigkeit der Mauterhebung im öffentlichrechtlichen Gebührenverhältnis zwischen den Klägern und der Beklagten.

bb. Soweit die Mauterhebung nach den vorstehenden Ausführungen unionsrechtskonform ist, bestehen auch keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

(1) Entgegen der Auffassung der Kläger verstößt die rückwirkende Festsetzung der Mautsätze in Anlage 4 des Bundesfernstraßenmautgesetzes mit Wirkung vom 27. Juli 2013 nicht gegen Verfassungsrecht. Eine verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung liegt nicht vor.

Zwar dürfen belastende Abgabengesetze ihre Wirksamkeit grundsätzlich nicht auf abgeschlossene Tatbestände erstrecken. Das gilt aber nicht ausnahmslos.

Vertrauensschutz kann da nicht in Frage kommen, wo das Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt wäre. Unter anderem ist das Vertrauen nicht schutzwürdig, wenn der Bürger nach der rechtlichen Situation in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge vom Gesetz zurückbezogen wird, mit dieser Regelung rechnen musste.

   Vgl. BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 1961 - 2 BvL 6/59 -, BVerfGE 13, 261 = juris Rn. 48 ff., sowie Beschluss vom 11. Dezember 2007 - 1 BvR 1792/06 -, juris Rn. 24

Ein solcher Fall liegt hier aber vor. Die Kläger konnten nicht auf ein Unterbleiben der Mauterhebung vertrauen, da bereits vor der Regelung der Mautsätze im Gesetz (statt durch Rechtsverordnung) eine Pflicht der Kläger zur Mautentrichtung bestand. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Mautsätze durch die rückwirkende Erhebung in den Gesetzesrang nicht verändert worden sind. Vielmehr sind die bereits zuvor in der Mauthöheverordnung normierten Sätze unverändert übernommen worden. Eine Neu- bzw. Nachkalkulation der Mautsätze mit Wirkung für die Vergangenheit ist nicht erfolgt und war im Übrigen auch nicht erforderlich, da es nicht um eine Neufestsetzung der Gebühren (nach Ablauf des Kalkulationszeitraums) ging. Bei der "Überführung" der bisherigen Mautsätze in das Bundesfernstraßenmautgesetz handelte es sich um eine bloße formelle Änderung des Normrangs, ohne dass der materielle Gehalt oder der Anwendungsbereich der Mautsätze berührt war.

   So auch die Begründung des Gesetzgebers, vgl. BT-Drs. 17/4979, S. 24 (zu den für die Zeit ab dem 19. Juli 2011 geltenden Mautsätzen), und BT-Drs. 17/13465, S. 9 (für die rückwirkende "gesetzliche Bestätigung der Mautsätze")

Namentlich sind die Mautsätze nicht in ihrer Höhe geändert worden. Die rückwirkende Erhebung der Mautsätze in den Gesetzesrang führt damit nicht zu höheren Mautgebühren, als sie bereits nach der früheren Rechtslage - deren Gültigkeit unterstellt - zu entrichten waren. Dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ist damit hinreichend Rechnung getragen.

   Vgl. zu diesem Aspekt auch OVG NRW, Urteil vom 14. Dezember 2004 - 9 A 4232/02 -, juris Rn. 22 f. m. w. N.

Aus dem Einwand der Kläger, die im hier streitigen Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 18. Juli 2011 geltende Mauthöheverordnung bzw. die in diesem Zeitraum nach der Mauthöheverordnung geltenden Mautsätze seien unwirksam gewesen, ergibt sich ebenfalls nichts für die Annahme, die Kläger hätten auf die Nichterhebung von Mautgebühren im genannten Zeitraum vertrauen können. Bereits die Auffassung der Kläger, die Unwirksamkeit der Mauthöheverordnung sei durch das erkennende Gericht rechtskräftig festgestellt worden, trifft nicht zu. Das von ihnen insoweit angeführte Urteil vom 25. Oktober 2012 - 9 A 2054/07 - ist nicht rechtskräftig geworden. Das Urteil ist durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Mai 2013 - 9 B 6.13 - aufgehoben und die Rechtssache zurückverwiesen worden. Die Sache hat sich im Anschluss daran unstreitig erledigt. Im Übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht auch nicht, wie die Kläger meinen, die Ausführungen im Urteil vom 25. Oktober 2012 zur Unwirksamkeit der Mauthöheverordnung in der im dortigen Verfahren geltenden Fassung "im Ergebnis bestätigt". Gerade im Hinblick auf die - im Urteil vom 25. Oktober 2012 verneinte - Frage nach der sachgerechten Berücksichtigung der Anzahl an Achsen der Lkw hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass nicht ausreichend geklärt worden sei, ob es hinreichend gewichtige Gründe insbesondere der Verwaltungspraktikabilität gibt, die die vom Verordnungsgeber vorgenommene Einteilung der mautpflichtigen Fahrzeuge in nur zwei Achsklassen von bis zu drei Achsen und ab vier Achsen als "sachgerecht" im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 ABMG erscheinen lassen.

Abgesehen davon berufen sich die Kläger auch gar nicht darauf, im Zeitpunkt der Mauterhebung auf die Unwirksamkeit der Mauthöheverordnung vertraut zu haben. Das von ihnen angeführte Urteil vom 25. Oktober 2012 ist erst nach dem hier in Rede stehenden Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 18. Juli 2011 ergangen. Im Übrigen könnten sich die Kläger, selbst wenn die Mauthöheverordnung unwirksam gewesen sein sollte und sie sich auf den dadurch erzeugten Rechtsschein verlassen hätten, nicht auf Vertrauensschutz berufen. Sie hätten nicht darauf vertrauen können, keine Maut entrichten zu müssen, weil eine Rechtsnorm, die sich im Nachhinein als ungültig erweist, unter Umständen durch eine rechtlich nicht zu beanstandende Norm ersetzt werden kann.

   Vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 1961 - 2 BvL 6/59 -, a. a. O. Rn. 54.

(2) Die Achsklasseneinteilung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Kläger machen insoweit unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom 25. Oktober 2012 - 9 A 2054/02 - und die dortigen Ausführungen zu der Frage, ob bei der Festsetzung der Mautsätze in der damaligen Mauthöheverordnung eine sachgerechte Berücksichtigung der Anzahl der Achsen der Lkw erfolgt ist, geltend, die Zusammenfassung der zwei- und dreiachsigen Fahrzeuge in einer Kategorie sei unzulässig.

Die vom Gesetzgeber gewählte Einteilung der mautpflichtigen Fahrzeuge in (nur) zwei Achsklassen verstößt jedoch nicht gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatz der Abgabengerechtigkeit. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet im Verhältnis der Gebührenpflichtigen untereinander eine Ungleichbehandlung, die nicht durch Sachgründe gerechtfertigt ist. Der Grundsatz der Abgabengerechtigkeit verbietet aber nicht jegliche Typisierung und Pauschalierung. Durchbrechungen des Gleichheitssatzes durch Typisierungen und Pauschalierungen können, insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen, durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt sein, solange die durch jede typisierende Regelung entstehende Ungerechtigkeit noch in einem angemessenen Verhältnis zu den erhebungstechnischen Vorteilen der Typisierung steht und die Zahl der Ausnahmen gering ist. Die Grenze liegt dort, wo ein sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder die gesetzliche Gleichbehandlung wesentlich ungleicher Sachverhalte auch mit Blick auf die Verwaltungsvereinfachung fehlt.

   Vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 30. April 2009 - 9 B 61.08 -, juris Rn. 5, und vom 28. März 1995 - 8 N 3.93 -, NVwZ-RR 1995, 594 = juris Rn. 11 m. w. N.

Dieser Maßstab ist im Ausgangspunkt ein anderer - weiterer - als derjenige, an dem die Entscheidungen des Verordnungsgebers der früheren Mauthöheverordnung zu messen waren. Die Verordnungsermächtigung in § 3 Abs. 2 Satz 1 ABMG hatte insoweit vorgesehen, dass die Höhe der Maut pro Kilometer "unter sachgerechter Berücksichtigung der Anzahl der Achsen" festzusetzen ist. Danach war die Anzahl der Achsen bereits dann und insoweit zu berücksichtigen, als dies "sachgerecht" möglich war, mithin dann, wenn eine eindeutige und quantifizierbare Korrelation zwischen bestimmten Kosten nach § 3 Abs. 2 Satz 2 ABMG von einigem Gewicht und der unterschiedlichen Anzahl von Achsen mautpflichtiger Fahrzeuge hergestellt werden konnte. Allerdings stand bereits dem Verordnungsgeber bei der nach § 3 Abs. 2 Satz 1 ABMG gebotenen "sachgerechten" Differenzierung der Mautsätze nach der Achszahl der mautpflichtigen Fahrzeuge ein Gestaltungsspielraum zu, soweit es um die Aufteilung der Fahrzeuge in Achsklassen ging. Auch der Verordnungsgeber durfte - in den oben genannten Grenzen - typisieren und pauschalieren.

   Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 16. Mai 2013 - 9 B 6.13 -, a. a. O. Rn. 5, sowie Urteil vom 4. August 2010 - 9 C 6.09 -, a. a. O. Rn. 29.

Der Gesetzgeber ist mit Blick auf den aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatz der Abgabengerechtigkeit indes nur zu einer Differenzierung der Mautsätze nach Achsklassen verpflichtet, soweit dies erforderlich ist um sicherzustellen, dass einzelne Gebührenschuldner im Verhältnis zu anderen bezogen auf die Inanspruchnahme der Straßen nicht unverhältnismäßig hoch belastet werden. Verfassungsrechtlich geboten ist nicht, dass dem unterschiedlichen Maß der Inanspruchnahme staatlicher Leistungen genau Rechnung getragen wird, sondern nur, dass in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit eine verhältnismäßige (Belastungs-)Gleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibt.

   Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 13. April 2005 - 6 C 5.04 -, NVwZ-RR 2005, 592 = juris Rn. 19 m. w. N.

Dies zugrunde gelegt ist die Einteilung der mautpflichtigen Lkw in zwei Achsklassen durch den Gesetzgeber nicht zu beanstanden. Sie hält sich im Rahmen der zulässigen Typisierung und Pauschalierung. Dass die Anzahl der Achsen grundsätzlich geeignet ist, das Maß der Inanspruchnahme der Straßen abzubilden (grundsätzlich mehr Abnutzung/Verursachung von Straßenschäden bei höherer Achszahl) und mithin ein zulässiges Differenzierungskriterium ist (vgl. § 3 Abs. 1 ABMG), stellen die Kläger nicht in Frage. Die Bildung von (nur) zwei Achsklassen genügte dabei - entgegen der Auffassung der Kläger - den sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Anforderungen. Insbesondere ist die von den Klägern beanstandete Zusammenfassung der Zwei- und Dreiachser in einer Achsklasse durch hinreichend gewichtige Gründe der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt. Dazu gehört insbesondere, dass bei dieser Einteilung bereits anhand äußerlich erkennbarer Merkmale regelmäßig die jeweilige Achsklasse zu erkennen ist, nämlich "Solo-Lkw" (Zwei- und Dreiachser) einerseits und Last- und Sattelzüge (ab vier Achsen) andererseits, und sich so Vereinfachungen bei der Kontrolle der Mautentrichtung ergeben. Eine weitere Ausdifferenzierung würde den Kontrollaufwand erhöhen. Dazu kommt, dass der Anteil der Fahrleistungen der Lkw in der Achsklasse 1 an den Fahrleistungen aller mautpflichtigen Lkw sehr gering war. Im Jahr 2005 (Basisjahr des WKG 2007) betrug er ca. 5,9 %, im Jahr 2006 ca. 5,4 % (vgl. WKG 2007, S. 128). Etwaige Ungerechtigkeiten aufgrund einer fehlenden weiteren Ausdifferenzierung der Mautsätze zwischen zwei- und dreiachsigen Fahrzeugen beträfen demnach nur einen äußerst geringen Teil der Gebührenschuldner. Sie stünden zudem in einem angemessen Verhältnis der genannten erhebungstechnischen Vorteile der Typisierung.

(3) Auch den weiteren - unsubstantiierten - verfassungsrechtlichen Einwänden der Kläger vermag der Senat nicht zu folgen. Die Kläger machen bereits nicht hinreichend deutlich, unter welchen Aspekten sie die im hier streitigen Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 18. Juli 2011 gesetzlich normierten Mautsätze für verfassungswidrig halten. Sie beziehen sich insoweit im Wesentlichen pauschal und ohne nähere Begründung auf "das Vorbringen der Kläger in den BGL-Verfahren", das sie sich zu eigen machen. Dabei lassen sie insbesondere unberücksichtigt, dass sich das dortige Vorbringen, namentlich auch im Bereich der verfassungsrechtlichen Einwände, auch auf hier nicht im Streit stehende Mautsätze, insbesondere in den Jahren 2013 und 2014, bezogen hat. Es ist aber nicht Aufgabe des Senats, aus dem umfangreichen Vorbringen der Kläger in den Verfahren 9 A 2204/14 und 9 A 2205/14 dasjenige herauszusuchen, das möglicherweise auch den vorliegenden Fall der Kläger betreffen könnte. Ebenso wenig ist der Senat gehalten, ohne substantiierte Rügen der Kläger in eine umfassende verfassungsrechtliche Prüfung einzutreten, mithin insoweit ungefragt auf Fehlersuche zu gehen.

   Vgl. hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 17. April 2002 - 9 CN 1.01 -, BVerwGE 116, 188 = juris Rn. 42 ff. (zur gerichtlichen Überprüfung einer Abgabenkalkulation); OVG NRW, Urteil vom 10. Juli 2018 - 9 A 50/16 -, juris Rn. 38 f.

Dies vorausgeschickt ist unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens eine Verfassungswidrigkeit der hier streitigen Mautsätze, soweit sie nach den oben gemachten Ausführungen nicht schon unionsrechtswidrig sind, nicht zu erkennen. Da die in der Kalkulation berücksichtigten Kosten der Verkehrspolizei inzwischen herausgerechnet, den Klägern die anteiligen Kosten erstattet und der Rechtsstreit insoweit von den Beteiligten übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, erübrigt sich die Prüfung jeglicher verfassungsrechtlicher Fragen im Zusammenhang mit dem Ansatz der Polizeikosten. Entsprechendes gilt hinsichtlich der nach den oben gemachten Ausführungen unionsrechtswidrig berücksichtigten kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung in Bezug auf das Grundvermögen.


Soweit die hier streitigen Mautsätze danach noch am Maßstab des Verfassungsrechts zu überprüfen sind, bestehen auf der Grundlage des klägerischen Vorbringens keine Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit der Mautsätze.

Das Grundgesetz enthält keinen eigenständigen Gebührenbegriff, aus dem sich unmittelbar Prüfungsmaßstäbe für die Verfassungsmäßigkeit von Gebührenmaßstäben, Gebührensätzen oder Gebührenhöhen ergäben. Insbesondere lassen sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG oder aus den Abgrenzungen zum verfassungsrechtlichen Steuerbegriff insoweit keine allgemeinen Prüfungsmaßstäbe ableiten. Allerdings bedarf die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben - wie die Mauterhebung - mit Blick auf die Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung (Art. 104a ff. GG) und zur Wahrung der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen (Art. 3 Abs. 1 GG) einer über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehenden besonderen sachlichen Rechtfertigung. Dies gilt für die Abgabenerhebung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach.

   Vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Februar 1979 - 2 BvL 5/76 -, BVerfGE 50, 217 = juris Rn. 34, sowie Beschluss vom 17. Januar 2017 - 2 BvL 2/14 u. a. -, BVerfGE 144, 369 = juris Rn. 62 m. w. N.

Die verfassungsrechtliche Kontrolle einer gesetzgeberischen Gebührenbemessung hat, nicht zuletzt weil maßgebliche Bestimmungsgrößen sich häufig nicht exakt und im Voraus quantifizieren lassen, einen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zu wahren und darf angesichts der mit der Gebührenbemessung verbundenen komplexen Kalkulationen, Bewertungen, Einschätzungen und Prognosen nicht überspannt werden. Eine Gebührenregelung ist jedoch dann als sachlich nicht gerechtfertigt zu beanstanden, wenn sie in einem groben Missverhältnis zu den verfolgten legitimen Gebührenzwecken steht. Der mit der Gebührenerhebung verbundene Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG ist in einem solchen Fall unverhältnismäßig und läuft außerdem dem Gleichheitssatz zuwider.

   Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2017 - 2 BvL 2/14 u. a. -, a. a. O. Rn. 66 m. w. N., und Urteil vom 19. März 2003 - 2 BvL 9/98 u. a. -, BVerfGE 108, 1 = juris Rn. 62.

Ein allgemeines gebührenrechtliches Kostenüberschreitungsverbot ist, anders als die Kläger möglicherweise meinen, dagegen nicht verfassungsrechtlich verankert.

   Vgl. VerfGH Berlin, Beschluss vom 14. Juli 2010 - 39/09 -, juris Rn. 49 und 65; Brüning, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2021, § 6 Rn. 24.

Im Hinblick auf ein etwaiges Kostendeckungsgebot räumen die Kläger selbst ein, dass es insoweit an einer unmittelbar aus der Verfassung ableitbaren Vorgabe fehlt (vgl. etwa S. 66 des von den Klägern als Anlage K 72 zum Schriftsatz vom 2. November 2021 überreichten Schriftsatzes der Klägerin im Verfahren 9 A 2205/14).

   Vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 27. November 2019 - 9 CN 1.18 -, BVerwGE 167, 117 = juris Rn. 12 m. w. N.

Diese Maßstäbe zugrunde gelegt ergibt sich aus dem Vorbringen der Kläger nicht, dass die Mautsätze im Hinblick auf das Gleichheitsprinzip und/oder das Äquivalenzprinzip oder aus sonstigen Gründen verfassungswidrig wären. Das gilt nach den oben gemachten Ausführungen insbesondere in Bezug auf die im WKG 2007 gewählte Methodik sowie den gewählten kalkulatorischen Zinssatz. Die Auffassung, dass die Kostenermittlung insoweit oder auch insgesamt nicht sachgerecht gewesen sei, teilt der Senat nicht. Auf die obigen Ausführungen zur grundsätzlichen Vertretbarkeit der SM, des gewählten Abschreibungsverfahrens sowie der kalkulatorischen Verzinsung wird insoweit verwiesen. Soweit die Kläger die Berücksichtigung einer Qualitätskomponente - auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten - beanstanden, nimmt der Senat ebenfalls auf die Ausführungen zum Unionsrecht Bezug. Unabhängig davon, dass die Methodik danach nicht zu beanstanden ist und sich die Berücksichtigung einer Qualitätskomponente hier jedenfalls im Ergebnis nicht ausgewirkt hat, legen die Kläger auch nicht dar, dass sich der von ihnen insoweit als verletzt angesehene Grundsatz der Periodengerechtigkeit unmittelbar aus der Verfassung ableiten lässt. Auch mit Blick auf die Planungskosten bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Nach den oben gemachten Ausführungen ist nichts dafür ersichtlich, dass insoweit etwa ein Verstoß gegen das Prinzip der Erforderlichkeit vorliegt, weil überflüssige oder übermäßige Kosten in Ansatz gebracht worden wären.

c. Der oben festgestellte Verstoß gegen das Unionsrecht, namentlich gegen Art. 7 Abs. 9 Wegekostenrichtlinie, führt dazu, dass das nationale Recht - hier die in Anlage 4 des Bundesfernstraßenmautgesetzes normierten Mautsätze - im Umfang der Unionsrechtswidrigkeit nicht anwendbar ist (aa.). Die insoweit im Sinne von § 21 Abs. 1 BGebG zu Unrecht gezahlten Mautgebühren sind zu erstatten; das ist hier ein Betrag in Höhe von 565,31 Euro (bb.) Hinsichtlich der Polizeikosten steht den Klägern kein weiterer Erstattungsanspruch zu (cc.).

aa. Entgegen der Auffassung der Kläger, die davon ausgehen, die Teilunionsrechtswidrigkeit müsse zwingend zur Gesamt(unions-)rechtswidrigkeit führen, besteht der Erstattungsanspruch nicht in Höhe der gesamten Mautzahlung, sondern nur, soweit der Anwendungsvorrang des Unionsrechts reicht. Das Unionsrecht begründet keine rechtsvernichtende Wirkung gegenüber dem mitgliedstaatlichen Recht, sondern drängt nur dessen Anwendung insoweit zurück, als eine Normenkollision besteht. Mitgliedstaatliches Recht wird insoweit lediglich unanwendbar.

   Vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 2011 - 1 BvR 1916/09 -, BVerfGE 129, 78 = juris Rn. 81.

Damit wird auch nicht etwa ein überhöhter Mautsatz im gerichtlichen Verfahren nachgebessert, wie die Kläger (sinngemäß) geltend machen. Vielmehr wird der festgesetzte Mautsatz nicht angewandt, soweit er unionsrechtswidrig ist. Dieses Ergebnis folgt unmittelbar aus dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts. Der von den Klägern angeregten Klärung durch den EuGH bedarf es bei dieser eindeutigen Frage nicht. Die Annahmen im Kommunalabgabenrecht, dass bei einer - die Toleranzgrenze (von zum Beispiel 3 %) übersteigenden - Verletzung des Kostenüberschreitungsverbots die entsprechend kalkulierten Gebührensätze nichtig sind, weil nach dem mutmaßlichen Willen des Satzungsgebers, der das mögliche Maß bei der Gebührenerhebung ausschöpfen will, nicht von der Gültigkeit des Gebührensatzes ausgegangen werden kann,

   vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 20. Mai 2011 - 9 A 1901/09 -, juris Rn. 18 f.,

können auf teilweise unionsrechtswidrige Mautgebühren nicht übertragen werden.

Der danach bestehende Erstattungsanspruch wegen Unionsrechtswidrigkeit gilt auch für die Maut, die die Kläger für die Nutzung etwa des (damals) mautpflichtigen Abschnittes der B 9 - als Ausweichstrecke - oder der Autobahnabschnitte gezahlt haben, die nicht zu dem Verkehrswegenetz gehören, das für die Mautberechnung dem Anwendungsbereich der Wegekostenrichtlinie unterliegt. Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Wegekostenrichtlinie gelten die in den Absätzen 2 bis 12 genannten Anforderungen an die Erhebung von Mautgebühren nur für das transeuropäische Straßennetz (sog. TEN-Netz, vgl. Art. 2 Buchst. a) Wegekostenrichtlinie). Auf anderen Straßen, etwa auf parallelen Ausweichstraßen, ist die Mauterhebung nach Satz 2 des Art. 7 Abs. 1 der Wegekostenrichtlinie zulässig und darf dabei lediglich den internationalen Verkehr nicht diskriminieren und keine Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Unternehmen herbeiführen. Die Beklagte hat allerdings für die nach § 1 Abs. 4 Satz 1 ABMG i. V. m. § 1 Satz 1 der früheren Verordnung zur Ausdehnung der Mautpflicht auf bestimmte Abschnitte von Bundesstraßen (Mautstreckenausdehnungsverordnung - MautStrAusdehnV) mautpflichtigen Bundesstraßen sowie für die nicht dem TEN-Netz angehörenden Autobahnen keinen eigenen Mautsatz festgelegt, sondern lediglich den einheitlichen, anhand der Kosten des gesamten Autobahnnetzes kalkulierten Mautsatz auch auf diese angewandt (vgl. § 3 Abs. 2 ABMG, § 1 MauthV bzw. Anlage 4 (zu § 14 Abs. 3) BFStrMG) - was im Übrigen hinsichtlich der Bundesstraßen vorteilhaft für die Gebührenschuldner war, für die das WKG 2007 deutlich höhere Mautsätze errechnet hatte. Ist dieser einheitliche Mautsatz mit den unionsrechtlichen Vorgaben teilweise unvereinbar, besteht auch für alle Mautzahlungen ein Erstattungsanspruch, auf die dieser angewandt worden ist. Davon ist im Übrigen auch die Beklagte ausgegangen, indem sie hinsichtlich sämtlicher streitgegenständlicher Mautgebühren die Polizeikosten erstattet hat.

bb. Wegen der unionsrechtswidrigen Kalkulation der Kapitalkosten des Grundvermögens können die Kläger eine Mauterstattung in Höhe von 565,31 Euro beanspruchen.

Für die Bezifferung des Erstattungsanspruchs sind die insoweit berücksichtigten Kapitalkosten in Höhe von 0,61 Mrd. Euro vollständig aus der im WKG 2007 nebst Variantenrechnungen ermittelten gewogenen durchschnittlichen Mautgebühr herauszurechnen, auch wenn die Berücksichtigung einer Eigenkapitalverzinsung des Grundvermögens bei der Berechnung des Mautsatzes, wie ausgeführt, grundsätzlich zulässig ist.

Dem Senat ist es verwehrt, selbst einen Betrag zu bestimmen bzw. - etwa durch die Vorgabe einer konkret bezifferten Verzinsungsbasis - errechnen zu lassen, der zulässigerweise in der Kalkulation hätte berücksichtigt werden dürfen. Denn das Gericht prüft bei den dem Gesetz- oder Satzungsgeber zustehenden Spielräumen im Gebührenrecht lediglich, ob dieser die einzuhaltenden Grenzen dieser Spielräume beachtet hat. Es darf aber weder von sich aus diesen Spielraum ausfüllen noch insoweit getroffene Entscheidungen abändern. In das Normsetzungs- und Normgestaltungsermessen des Gesetzgebers bei Gebührenkalkulationen darf das Gericht schon aus Gründen des Demokratiegebots nicht eingreifen.

   Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. Januar 1991 - 9 A 765/88 -, www.nrwe.de, Rn. 127; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 10. November 1992 - 6 A 12117/90 -, juris Rn. 27.

Ein solcher Entscheidungs-, Bewertungs- und Prognosespielraum besteht hier aus den oben ausgeführten Gründen nach dem Unionsrecht bei der Berechnung der Mautgebührensätze. Im Bereich der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung obliegt es den Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob solche Kosten überhaupt angesetzt werden, und, wenn ja, wie das Grundvermögen bewertet wird. Ferner besteht ein Spielraum, ob und ggf. wie Anschaffungskosten der Grundstücke indexiert werden.

Die Beklagte selbst kann nach dem Urteil des EuGH vom 28. Oktober 2020 - C-321/19 - den unionsrechtswidrig überhöhten Mautgebührensatz ebenfalls nicht durch eine im gerichtlichen Verfahren eingereichte Neuberechnung nachträglich rechtfertigen. Die nachträgliche Rechtfertigung eines überhöhten Gebührensatzes im gerichtlichen Verfahren - sei es durch die Anwendung einer anderen Berechnungsmethode oder durch die Aktualisierung der ursprünglich berücksichtigten Infrastrukturkosten - ist danach unzulässig (vgl. Rn. 47 ff.). Schon deshalb kann die Beklagte nicht mit Erfolg geltend machen, die Anwendung von SM und PIM komme unter sonst gleichen Annahmen zu gleichen Anlagevermögenswerten (so auch WKG 2014, S. 54). Im Übrigen mag das allenfalls gelten bei gleichen Annahmen, also etwa der Anwendung eines Preisindexes für Grundstücke auf die historischen Anschaffungswerte. Dies haben die Gutachter im WKG 2014 abgelehnt und sind deshalb nach Anwendung des Verbraucherindexes auch zu niedrigeren Werten für die Grundstücke gekommen (10,5 Mrd. Euro bei einem Preisstand 2010 gegenüber 13,65 Mrd. Euro im WKG 2007).

Nach der vom Senat angeforderten Berechnung (vgl. die Stellungnahme der Q. AG vom 10. November 2021, S. 6) beträgt der durchschnittlich gewogene Mautsatz bezogen auf das hier maßgebliche Jahr 2010 bei vollständiger Herausrechnung sowohl der Polizeikosten als auch der Kapitalkosten im Bereich des Grundvermögens 14,9 Cent/km. Er ist danach um 8,59 % (3,68 %-Punkte wegen der Polizeikosten, 4,91 %-Punkte wegen der Grundstückskosten) niedriger als die fehlerhaft berechnete gewogene durchschnittliche Mautgebühr.

Für die Kläger errechnet sich damit ein (weiterer) Erstattungsbetrag in Höhe von 565,31 Euro. Von dem von ihnen ursprünglich - nach der teilweisen Klagerücknahme und Hauptsacheerledigung in der mündlichen Verhandlung vom 27./28. März 2019 - noch verlangten Erstattungsbetrag in Höhe von 12.324,45 Euro sind zunächst die oben unter Ziffer 1. a. genannten Beträge in Höhe von insgesamt 811,04 Euro in Abzug zu bringen, weil insoweit von vornherein kein Erstattungsanspruch besteht. Aus diesem Betrag in Höhe von 11.513,41 Euro sind die Erstattungsbeträge zu errechnen. Wegen der Grundstückskosten (Anteil von 4,91 %) errechnet sich der noch zu erstattende Betrag von 565,31 Euro.

cc. Wegen der Polizeikosten (Anteil von 3,68 %) errechnet sich der den Klägern bereits erstattete Betrag von 423,69 Euro.

Ein weiter gehender Erstattungsanspruch besteht entgegen der im Schriftsatz vom 29. November 2021 geäußerten Auffassung der Kläger nicht. Ein Berechnungsfehler der Beklagten bzw. ihrer Gutachter ist nicht zu erkennen. Sie haben vielmehr zutreffend aus den Wegekosten (für Lkw ab 12 t zGG: 4,87 Mrd. Euro) die anteiligen Polizeikosten in Höhe von 206 Mio. Euro herausgerechnet und diesen Betrag sodann durch die Maßstabseinheit (hier: Fahrleistung der Lkw ab 12 t zGG: 29,79 Mrd. Fahrzeugkm) geteilt. Daraus ergibt sich der (neue) gewogene durchschnittliche Mautsatz von 15,7 Cent/km (unter Herausrechnung nur der Polizeikosten). Die von den Klägern offenbar angestellte Rechnung, mit der eine Art "eigener Mautsatz" für die Kosten der Verkehrspolizei errechnet und dieser dann vom gewogenen durchschnittlichen Mautsatz abgezogen wird, entspricht weder der von der Wegekostenrichtlinie vorgegebenen Berechnung (vgl. Art. 2 Buchst. b) Wegekostenrichtlinie) noch der allgemeinen Vorgehensweise im Gebührenrecht, zunächst die Gesamtkosten zu errechnen und diese dann mithilfe der Maßstabseinheiten auf die Gebührenschuldner zu verteilen. Den pauschalen Einwänden gegen die Berechnung bzw. Anwendung der Äquivalenzziffern lässt sich ebenfalls nichts für die Annahme einer fehlerhaften Berechnung zulasten der Kläger entnehmen. Die Kläger verkennen, dass die Beklagte bzw. ihre Gutachter ersichtlich bereits zugunsten der Kläger mit der Äquivalenzziffer 4 (vgl. die Stellungnahme der Q. AG vom 5. März 2019, S. 3; Äquivalenzziffer aggregiert aus den Äquivalenzziffern in Tabelle 26 auf S. 111 WKG 2007) gerechnet haben.

2. Die Kläger können unmittelbar aus dem Unionsrecht eine Verzinsung der ihnen schon erstatteten Mautgebühren (Polizeikosten) bzw. aufgrund dieses Urteils noch zu erstattenden Mautgebühren (Grundstückskosten) beanspruchen (a.). Die konkrete Berechnung der Zinsen richtet sich nach nationalem Recht (b.). Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung bleibt ohne Erfolg (c.).

a. Der von den Klägern geltend gemachte Zinsanspruch hat seine Rechtsgrundlage unmittelbar im Unionsrecht.

Der EuGH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sich im Fall von Abgabenbeträgen, die von einem Mitgliedstaat unter Verstoß gegen Vorschriften des Unionsrechts, zu denen neben Verordnungen auch unmittelbar anwendbare Richtlinienbestimmungen zählen, erhoben worden sind, ein Anspruch auf Erstattung nicht nur der zu Unrecht erhobenen Beträge, sondern auch der Beträge ergibt, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Abgabe an den Mitgliedstaat gezahlt oder von diesem einbehalten worden sind. Darunter fallen auch Einbußen aufgrund mangelnder Verfügbarkeit von Geldbeträgen. Der somit bestehende Anspruch auf Erstattung der Beträge nebst Zinsen ergibt sich unmittelbar aus dem Unionsrecht und gilt auch für inländische Abgaben, die unter Verstoß gegen Unionsrecht erhoben worden sind.

   Vgl. etwa EuGH, Urteile vom 18. Januar 2017 - C-365/15 - (Wortmann), juris Rn. 37, vom 18. April 2013 - C-565/11 - (Irimie), juris Rn. 21, vom 27. September 2012 - C-113/10 u. a. - (Zuckerfabrik Jülich), juris Rn. 64 ff., vom 19. Juli 2012 - C-591/10 - (Littlewoods Retail u. a.), juris Rn. 24 ff. und vom 8. März 2001 - C-397/98 u. a. - (Metallgesellschaft), juris Rn. 84 ff.


Dieser Rechtsprechung hat sich auch der Bundesfinanzhof angeschlossen und die unmittelbare Herleitung des Zinsanspruchs aus dem Unionsrecht betont. Deshalb stehe dem nicht entgegen, dass das nationale Recht keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz auf angemessene Verzinsung rückständiger Staatsleistungen, sondern nur die Verzinsung nach Maßgabe genau umschriebener Tatbestände kenne.

   Vgl. BFH, Urteil vom 22. Oktober 2019 - VII R 24/18 -, BFHE 267, 90 = juris Rn. 19 ff.

Nach der dargestellten Rechtsprechung des EuGH steht den Klägern der unionsrechtliche Zinsanspruch dem Grunde nach zu. Denn die Beklagte hat die bereits erstatteten Mautgebühren in Höhe von 423,69 Euro (Anteil Polizeikosten) und die noch zu erstattenden Mautgebühren in Höhe von 565,31 Euro (Anteil Grundstückskosten) unter Verstoß gegen die - nach dem Urteil des EuGH vom 28. Oktober 2020 - C-321/19 - unmittelbar anwendbaren - Vorschriften des Art. 7 Abs. 9 und Art. 7a Abs. 1 und 2 Wegekostenrichtlinie, mithin unter Verstoß gegen Vorschriften des Unionsrecht erhoben.

b. Die konkrete Berechnung der Zinsen richtet sich mangels unionsrechtlicher Regelung nach nationalem Recht. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es Sache der nationalen Stellen und insbesondere der nationalen Gerichte, in Fällen der Erstattung von nationalen Abgaben, die von einem Mitgliedstaat unter Verstoß gegen Vorschriften des Unionsrechts erhoben wurden, alle mit dieser Erstattung zusammenhängenden Nebenfragen, wie etwa die der Zahlung von Zinsen, gemäß ihren innerstaatlichen Vorschriften über den Zinssatz und den Zeitpunkt, von dem an die Zinsen zu berechnen sind, zu regeln. Diese Regelungen müssen den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität entsprechen, das heißt, sie dürfen nicht ungünstiger sein als bei ähnlichen Klagen, die auf Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts gestützt sind, und sie dürfen nicht so ausgestaltet sein, dass sie die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Diesem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz genügen nationale Vorschriften nicht, die einen späteren Beginn des Zinszeitraums als den der Abgabenentrichtung bestimmen. Denn dem Abgabenpflichtigen darf nicht eine angemessene Entschädigung für die Einbußen vorenthalten werden, die er durch die zu Unrecht gezahlte Abgabe erlitten hat. Die Einbuße hängt davon ab, wie lange der unter Verstoß gegen das Unionsrecht zu Unrecht gezahlte Betrag nicht zur Verfügung gestanden hat und entsteht somit grundsätzlich im Zeitraum vom Tag der zu Unrecht geleisteten Zahlung der fraglichen Abgabe bis zum Tag ihrer Erstattung.

   Vgl. etwa EuGH, Urteile vom 18. April 2013 - C-565/11 - (Irimie), a. a. O. Rn. 23 ff., und vom 19. Juli 2012 - C-591/10 - (Littlewoods Retail u. a.), a. a. O. Rn. 27 f.; so auch BFH, Beschluss vom 5. Dezember 2017 - VII B 85/17 -, ZfZ 2018, 102 = juris Rn. 7 m. w. N.

Dies zugrunde gelegt sind die Erstattungsbeträge hier ab dem jeweiligen Tag nach der Mautzahlung - so der Antrag der Kläger - bis zum Tag der Erstattung in sinngemäßer Anwendung des § 291 i. V. m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.

Weder im Autobahnmautgesetz noch im Bundesfernstraßenmautgesetz noch im Bundesgebührengesetz ist ein Zinsanspruch für zu erstattende Mautgebühren geregelt. Überdies gelangen auch die Verzinsungsvorschriften der §§ 233 ff. der Abgabenordnung - AO - nicht zur Anwendung, weil Mautgebühren nach § 1 und § 3 AO nicht in den Anwendungsbereich der Abgabenordnung fallen. Dessen ungeachtet hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 8. Juli 2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 -, juris, § 233a i. V. m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO umfassend und für alle Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2014 für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt. Aufgrund des einheitlichen Regelungskonzepts des Gesetzgebers beschränkt sich die Unvereinbarkeitserklärung auch nicht allein auf Nachzahlungszinsen zulasten der Steuerpflichtigen, sondern umfasst ebenso Erstattungszinsen zugunsten der Steuerpflichtigen. Für Verzinsungszeiträume vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2018 gilt die Vorschrift des § 233a i. V. m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO zwar fort, ohne dass der Gesetzgeber verpflichtet wäre, auch für diesen Zeitraum rückwirkend eine verfassungsgemäße Regelung zu schaffen. Für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2019, die auch vorliegend in Rede stehen, bleibt es hingegen bei der Unanwendbarkeit der Vorschrift. Insoweit ist der Gesetzgeber verpflichtet, eine Neuregelung bis zum 31. Juli 2022 zu treffen, die sich rückwirkend auf alle Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2019 erstreckt und alle noch nicht bestandskräftigen Hoheitsakte erfasst. Eine derartige Neuregelung liegt bislang aber noch nicht vor.

Mangels unmittelbar anwendbarer Zinsregelung greift der Senat zurück auf eine sinngemäße Anwendung des § 291 i. V. m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind bei öffentlichrechtlichen Geldforderungen und damit auch bei Erstattungsansprüchen in sinngemäßer Anwendung des § 291 BGB Prozesszinsen zu entrichten, wenn das einschlägige Fachrecht keine gegenteilige Regelung trifft. Das Gericht knüpft dabei an Rechtsüberzeugungen an, die in Deutschland schon vor Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs fast allgemein zur Anerkennung gelangt und im Verkehrsleben herrschend waren. Sie halten den Schuldner, auch wenn er sich in redlichem Glauben, zur Zahlung nicht verpflichtet zu sein, auf einen Prozess einlässt, nach dem das gesamte Rechtsleben beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben für verpflichtet, dem Gläubiger für die Nutzungen Ersatz zu leisten, die er ihm während der Dauer des Prozesses vorenthalten hat.

   Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2014 - 5 C 8.13 -, NJW 2014, 1979 = juris Rn. 22 f. m. w. N.

Diese Grundsätze sind auch auf die Verzinsung des Mauterstattungsanspruchs übertragbar.

Da im Verwaltungsprozess anders als in zivilgerichtlichen Verfahren vielfach nicht unmittelbar auf Leistung des Geldbetrages, sondern mittels der Verpflichtungsklage auf Erlass eines Verwaltungsakts geklagt werden muss, der seinerseits die Auszahlung eines Geldbetrages anordnet, können Prozesszinsen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch verlangt werden, wenn die Verwaltung erst - wie hier nach § 4 Abs. 2 Satz 4 BFStrMG - zum Erlass eines die Zahlung unmittelbar auslösenden Verwaltungsakts verpflichtet werden muss.

   Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 1998 - 2 C 28.97 -, DVBl. 1998, 1082 = juris Rn. 13 m. w. N.

Bei sinngemäßer Anwendung des § 291 i. V. m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB besteht danach - im Ausgangspunkt - ein Anspruch auf Verzinsung der schon erstatteten bzw. noch zu erstattenden Mautgebühren vom Tag der Rechtshängigkeit des Erstattungsanspruchs bis zum Tag der Erstattung der Mautgebühren in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.

§ 288 Abs. 2 BGB, wonach bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, der Zinssatz für Entgeltforderungen neun (vormals acht) Prozentpunkte über dem Basiszinssatz beträgt, gelangt hier - entgegen der Ansicht der Kläger - über § 291 Satz 2 BGB nicht zur Anwendung. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt die Zuerkennung von Prozesszinsen gemäß § 288 Abs. 2 BGB - anknüpfend an den in der Norm enthaltenen Begriff des Rechtsgeschäfts - ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn es sich um eine vertragliche Leistungspflicht handelt, die in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Leistungspflicht des anderen Vertragspartners steht. Diese Voraussetzungen erfüllen öffentlichrechtliche Erstattungsansprüche jedoch nicht.

   Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2015 - 9 B 32.15 -, juris Rn. 8 m. w. N.

Da nach der oben dargestellten Rechtsprechung des EuGH die nationalen Verzinsungsvorschriften aber nicht so ausgestaltet sein dürfen, dass sie einen späteren Beginn des Zinszeitraums als den der Abgabenentrichtung bestimmen, wendet der Senat vorliegend § 291 i. V. m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB sinngemäß dahingehend an, dass die von der Beklagten an die Kläger bereits erstatteten bzw. noch zu erstattenden Mautgebühren ab dem jeweiligen Tag nach der Mautzahlung - so der Antrag der Kläger - bis zum Tag der Erstattung zu verzinsen sind. Denn die Kläger konnten während des gesamten Zeitraums vom jeweiligen Tag nach der Mautzahlung bis zum Tag der jeweiligen Erstattung keine Nutzungen mehr aus dem (zu Unrecht) geleisteten Geldbetrag ziehen.

c. Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung bleibt ohne Erfolg. Die Zinsansprüche der Kläger sind nicht verjährt.

Öffentlichrechtliche Ansprüche unterliegen mangels spezieller Regelung grundsätzlich der Verjährung entsprechend den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Dabei ist nach dem Gesamtzusammenhang der für den jeweiligen Anspruch geltenden Rechtsvorschriften und der Interessenlage zu beurteilen, welche Verjährungsregelungen als die "sachnächsten" entsprechend heranzuziehen sind. Der Anspruch auf Prozesszinsen nach § 291 BGB ist der regelmäßigen dreijährigen Verjährung gemäß § 195 BGB unterworfen. Diese Vorschrift ist auch für die Verjährung von Prozesszinsen in verwaltungsgerichtlichen Verfahren als die sachnächste Regelung heranzuziehen mit der Folge, dass auch dort die Verjährungsfrist regelmäßig drei Jahre beträgt. Sie beginnt entsprechend § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

   Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. März 2017 - 9 C 1.16 -, BVerwGE 158, 296 = juris, Rn. 10 f.

Ausgehend von diesen Überlegungen gilt auch für den unionsrechtlichen Zinsanspruch die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren. Diese Frist ist noch nicht abgelaufen. Hinsichtlich des auf den - noch zu erstattenden - Betrag von 565,31 Euro (Anteil Grundstückskosten) bezogenen Zinsanspruchs beginnt die Frist erst mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Erstattungsbescheid erlassen wird. Hinsichtlich des auf den - bereits erstatteten - Betrag von 423,69 Euro (Anteil Polizeikosten) bezogenen Zinsanspruchs beginnt die Verjährungsfrist frühestens mit dem Schluss des Jahres 2021 zu laufen, wenn man nämlich in der im Schriftsatz der Beklagten vom 15. Januar 2021 enthaltenen Zusage, den Klägern den auf den Ansatz der Polizeikosten zurückzuführenden Gebührenanteil zu erstatten, den konkludenten Erlass eines Bescheides i. S. d. § 4 Abs. 2 Satz 4 BFStrMG sieht oder falls das BAG zwischenzeitlich einen solchen Bescheid - ohne dass dieser im gerichtlichen Verfahren vorgelegt worden ist - erlassen hat.

Die Verjährungsfrist für den hier geltend gemachten Zinsanspruch beginnt frühestens mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist (vgl. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB), das heißt also, mit dem Schluss des Jahres, in dem der Mauterstattungsbescheid im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 4 BFStrMG erlassen wird. Denn der Zinsanspruch setzt das Bestehen des Erstattungsanspruchs voraus, der wiederum erst durch den Erstattungsbescheid entsteht. § 4 Abs. 2 Satz 4 BFStrMG findet, wie oben ausgeführt, nach den Grundsätzen des intertemporalen Verfahrensrechts hier Anwendung. Ist damit der Erlass des Verwaltungsakts - hier des Mauterstattungsbescheides - für das Entstehen des Erstattungsanspruchs konstitutiv, ist konsequenterweise auch die Entstehung des Nebenanspruchs - hier des unionsrechtlichen Zinsanspruchs - davon abhängig.

   Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. März 2017 - 9 C 1.16 -, a. a. O. Rn. 16 (zu § 236 AO).

Dagegen kann auch nicht eingewandt werden, der unionsrechtliche Zinsanspruch sei bereits im Zeitpunkt der jeweiligen Zahlung der unionsrechtswidrigen Maut - hier also im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 18. Juli 2011 - entstanden und deshalb im Zeitpunkt der Geltendmachung durch die Kläger, die den Zinsantrag erstmals mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2021 auf Zeiträume vor Rechtshängigkeit bzw. Antragstellung beim BAG erweitert haben, (ganz oder jedenfalls teilweise) verjährt gewesen. Es kann dahinstehen, ob der Zinsanspruch im Zeitpunkt der jeweiligen Mautzahlungen bereits einmal entstanden ist, weil es damals die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 4 BFStrMG noch nicht gab und der Erstattungsanspruch deshalb möglicherweise schon mit der Zahlung der unionsrechtswidrigen Mautgebühren entstanden ist.

Zu der Auffassung des Gesetzgebers, bei der Anfügung der Sätze 2 bis 5 in § 4 Abs. 2 BFStrMG habe es sich um eine bloße Klarstellung zu dem bisherigen Erstattungsverfahren gehandelt, vgl. BT-Drs. 18/2656, S. 48 f., einerseits; zur Statthaftigkeit einer allgemeinen Leistungsklage vgl. BVerwG, Urteil vom 4. August 2010 - 9 C 6.09 -, a. a. O. Rn. 9, andererseits.



Denn jedenfalls haben das Inkrafttreten der Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 4 BFStrMG am 13. Dezember 2014 und deren Anwendung nach den Grundsätzen des intertemporalen Verfahrensrechts im vorliegenden Fall zur Folge, dass ein vorher etwa entstandener Erstattungsanspruch nebst zugehörigem Zinsanspruch untergegangen ist. Insoweit hat § 4 Abs. 2 Satz 4 BFStrMG auch einen materiellrechtlichen Gehalt, indem er die Entstehung von vor seinem Inkrafttreten noch im Streit befindlichen Erstattungsansprüchen auf den Zeitpunkt des Erlasses eines entsprechenden Erstattungsbescheides zeitlich "nach vorne" verlagert und schon entstandene Ansprüche (zunächst) untergehen lässt. Dagegen sprechen im konkreten Fall - wie schon bei der Frage nach der statthaften Klageart - auch keine Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Die (tatbestandlichen) Voraussetzungen für das Bestehen des Erstattungsanspruchs nach § 4 Abs. 2 Satz 1 BFStrMG i. V. m. § 21 Abs. 1 BGebG sowie des daran anknüpfenden unionsrechtlichen Zinsanspruchs bleiben dieselben. Dass der Zinsanspruch nunmehr erst mit dem Erlass des Erstattungsbescheides entsteht, wirkt sich mit Blick auf eine etwaige Verjährung sogar zugunsten der Kläger aus.

Auf die Frage, wann die Kläger im Sinne von § 199 Abs. 1 BGB von den den unionsrechtlich Zinsanspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt haben oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangt haben müssten, kommt es damit nicht mehr an.

Da der unionsrechtliche Zinsanspruch noch nicht bzw. - bezogen auf die Erstattung des Anteils der Polizeikosten - frühestens im Januar 2021 entstanden ist, ist erst Recht die - kenntnisunabhängige - zehnjährige Frist des § 199 Abs. 4 BGB, auf die sich die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 30. November 2021 berufen haben, noch nicht abgelaufen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 155 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Sie berücksichtigt, dass die Kläger mit ihrem ursprünglichen Erstattungsbegehren in Höhe von 12.420,53 Euro nur teilweise, nämlich in Höhe von insgesamt (3,72 Euro + 423,69 Euro + 565,31 Euro =) 992,72 Euro erfolgreich gewesen wären bzw. erfolgreich waren. Die Unterliegensquote der Kläger beträgt daher etwa 92 %. Das Obsiegen der Kläger hinsichtlich des begehrten Zinsanspruchs wirkt sich nach § 43 Abs. 1 GKG nicht streitwerterhöhend und deshalb auch in der Kostenentscheidung nicht aus. Die Kläger haften für die von ihnen zu tragenden Kosten als Gesamtschuldner, weil das streitige Rechtsverhältnis ihnen gegenüber nur einheitlich entschieden werden kann (§ 159 Satz 2 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10 und Nr. 11, 711 und 709 Satz 2 ZPO. Bei der Verknüpfung von Verpflichtungsklage und Leistungsklage analog § 113 Abs. 4 VwGO darf das Urteil zur Vermeidung einer Umgehung des § 167 Abs. 2 VwGO auch hinsichtlich des Leistungsausspruchs - hier in Ziffer 2. b. des Tenors - nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

   So auch Nds. OVG, Beschluss vom 4. Dezember 2020 - 10 LC 402/18 -, a. a. O. Rn. 51, unter Hinweis auf Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 113 Rn. 21 m. w. N.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt. Soweit die Beklagte in der Berufungsverhandlung hinsichtlich des unionsrechtlichen Zinsanspruchs grundsätzliche Bedeutung geltend gemacht hat, vermag der Senat im Hinblick auf die eindeutige Rechtsprechung des EuGH keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf zu erkennen.

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