Das Verkehrslexikon

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VGH München Beschluss vom 28.12.2020 - 11 ZB 20.2176 - Feststellungslast bei Anordnung eines eingeschränkten Haltvebots

VGH München v. 28.12.2020: Interessenabwägung zwischen Landwirten und Sommertouristen bei der Anordnung eines eingeschränkten Haltvebots




Der Verwaltungsgerichtshof VGH München (Beschluss vom 28.12.2020 - 11 ZB 20.2176) hat entschieden:

  1.  Ordnet die Straßenverkehrsbehörde ein Verkehrszeichen an, trägt sie jedoch die materielle Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Es obliegt ihr daher, die zugrundeliegenden Umstände zu ermitteln, zu dokumentieren und aktenkundig zu machen. Allein der in den Akten der Beklagten festgehaltene „Wunsch“ der betroffenen Landwirte bzw. deren „Bedürfnisse“ reicht für die Annahme einer zwingenden Erforderlichkeit der getroffenen Regelung eines eingeschränkten Haltverbots im Sinne von § 39 Abs. 1 und § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO nicht aus.

  2.  Wird ein eingeschränktes Haltverbot durch Zusatzschilder saisonal, tageszeitlich und örtlich näher geregelt und später die tageszeitliche Regelung zu Lasten der Allgemeinheit ausgedehnt, beginnt die Klagefrist ab Wirksamkeit der Änderung erneut zu laufen, wenn davon auszugehen ist, das die Straßenverkehrsbehörde mit der Änderung das eingeschränkte Haltverbot insgesamt neu regeln wollte.

Siehe auch
Verkehrsrechtliche Anordnungen von Halt- und Parkeinschränkungen
und
Stichwörter zum Thema Parken

Gründe:


I.

Gegenstand des Rechtsstreits ist ein von der Beklagten angeordnetes eingeschränktes Haltverbot.

Die Kläger sind Bewohner eines Anwesens auf der Nordseite der B* … Straße im Ortsbereich der Beklagten. Deren Gemeinderat beschloss am 16. Mai 2018 ein beidseitiges eingeschränktes Haltverbot mit Zusatzschildern ‚Saisonal von 01.04. bis 15.10.‘ und von ‚7:00 bis 19:00 Uhr‘ in der ‚gesamten A* … …str./B* … Str. von Ortsschild bis Ortsschild‘. In der Beschlussvorlage wird ausgeführt, der Ortsteil W* …stadt sei in den Sommermonaten von Tagestouristen sehr überlaufen. Die Landwirte hätten schon seit Jahren das Problem, dass sie mit ihren landwirtschaftlichen Maschinen von April bis Oktober kaum aus ihren Höfen ein- und ausfahren könnten. Vor allem durch die parkenden Fahrzeuge sowie die Boote und Bootsanhänger sei der Verkehr in der A* … …straße für die Landwirte sehr eingeschränkt. Die Arbeitszeiten verlagerten sich dadurch teilweise auf die Nachtstunden.

In der Folgezeit (der genaue Zeitpunkt ist unklar) wurden die entsprechenden Verkehrszeichen aufgestellt.

In einem von mehreren Anwohnern unterzeichneten Schreiben vom 18. Juli 2018 an die Beklagte erhoben die Kläger Einwendungen gegen die Beschilderung. Sie sei unverhältnismäßig, berücksichtige die berechtigten Interessen der Anwohner nicht und führe zu einer Zunahme von Geschwindigkeitsüberschreitungen.

Am 12. Dezember 2018 beschloss der Gemeinderat der Beklagten, ein beidseitiges eingeschränktes Haltverbot in der ‚gesamten A* … …str./B* … Str. von Ortsschild bis Ortsschild‘ mit Zusatzschildern ‚01.04. bis 15.11.‘ und von ‚7:00 bis 21:00 Uhr‘. Die Landwirte hätten sich in einer Besprechung sehr zufrieden mit der Probephase gezeigt, aber für eine Verlängerung bis zum 15. November und abends bis jeweils 21:00 Uhr ausgesprochen. Der Gemeinderat sei der Auffassung, dass die Bedürfnisse der Landwirte nach Abwägung aller Argumente höher anzusiedeln seien als die Privatinteressen. Mit verkehrsrechtlicher Anordnung vom 8. März 2019 ordnete die Beklagte die entsprechende Beschilderung an.




Gegen die vom Gemeinderat zuletzt beschlossene Regelung legten die Kläger Widerspruch ein und ließen durch ihre Prozessbevollmächtigten beim Verwaltungsgericht München die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beantragen.

Mit Beschluss vom 2. Dezember 2019 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab. Der Widerspruch sei nicht statthaft.

Daraufhin ließen die Kläger beim Verwaltungsgericht München mit Schreiben vom 10. Dezember 2019 (Eingang 11.12.2019) Klage erheben.

Im Rahmen eines Augenscheins am 28. Mai 2020 mit anschließender mündlicher Verhandlung erklärten die Kläger, sie würden die verkehrsrechtliche Anordnung lediglich im Abschnitt zwischen dem südwestlichen Ortsschild aus B* … kommend bis zur Abzweigung der V* … …straße und nur auf der nördlichen Straßenseite anfechten.

Nachdem die Beklagte eine gerichtliche Anregung zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits abgelehnt hatte (Gemeinderatsbeschluss vom 1.7.2020), stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren ein, soweit die Klage zurückgenommen worden war, und hob die im Vollzug des Gemeinderatsbeschlusses vom 12. Dezember 2018 erlassene verkehrsrechtliche Anordnung vom 8. März 2019 für den Abschnitt der B* … Straße zwischen südwestlichem Ortsschild aus B* … kommend bis zur Abzweigung der V* … …straße auf.

Die Klage sei zulässig und insbesondere innerhalb der Jahresfrist erhoben worden. Die Beklagte habe aufgrund des Gemeinderatsbeschlusses vom 12. Dezember 2018 nach der vorangegangenen Probephase eine vollständige Neuanordnung treffen wollen. Diese habe mit der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 8. März 2019 erstmals Verbindlichkeit nach außen erlangt. Die Klage sei auch begründet. Es sei zwar nachvollziehbar, dass die Beklagte sich aufgrund des nahen Seezugangs und der Parksituation veranlasst gesehen habe, verkehrslenkend einzugreifen. Es sei jedoch keine zwingende Notwendigkeit für ein Haltverbot von April bis Mitte November und von 7:00 bis 21:00 Uhr dargetan oder ersichtlich. In der konkreten Form bewege sich die Anordnung nicht im Bereich der Gefahrenabwehr. Wünsche oder Bequemlichkeiten der den Straßenabschnitt nutzenden Landwirte würden die Anordnung nicht rechtfertigen.

Zur Begründung des hiergegen eingereichten Antrags auf Zulassung der Berufung, dem die Kläger entgegentreten, lässt die Beklagte im Wesentlichen ausführen, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Die Rechtssache weise auch besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten auf und habe grundsätzliche Bedeutung. Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von der uneingeschränkten Zulässigkeit der Klage ausgegangen. Die Haltverbotsschilder seien spätestens Anfang Juli 2018 aufgestellt worden. Insoweit sei die Klage verfristet. Die Beklagte habe das Haltverbot nicht generell nochmals auf den Prüfstand stellen und neu anordnen wollen. Die Erprobung habe sich lediglich auf den mit Zusatzzeichen festzulegenden Tagesund Jahreszeitraum erstrecken sollen. Zulässig sei daher allenfalls eine Teilanfechtungsklage mit dem Ziel der Aufhebung der Zusatzzeichen, soweit diese 2019 geändert worden seien. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit begegne das Urteil auch insoweit, weil das Verwaltungsgericht offensichtlich davon ausgehe, das eingeschränkte Haltverbot müsse nicht nur zwingend erforderlich im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO sein, sondern es müsse darüber hinaus gemäß § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO auch auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage bestehen, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung von Rechtsgütern erheblich übersteige. § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO gelte jedoch nicht allgemein für den ruhenden Verkehr. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO seien aufgrund des seit Jahren andauernden Parkkonflikts erfüllt. Die betroffenen Landwirte und deren Subunternehmer hätten die Straße mit ihren großen Fahrzeugen während der Saison oftmals nicht mehr passieren können. Die angeordneten Verkehrszeichen mit ihren zeitlichen Beschränkungen würden die allein in Betracht kommende und verhältnismäßige Maßnahme zur Lösung des Nutzungskonflikts darstellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.





II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils liegen (nur) vor, wenn der Rechtsmittelführer einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - NVwZ 2016, 1243 Rn. 16; B.v. 18.6.2019 - 1 BvR 587.17 - VR 2019, 356 = juris Rn. 32 m.w.N.). Solche Zweifel ergeben sich aus der Antragsbegründung jedoch nicht.

a) Das Verwaltungsgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klage zulässig ist und insbesondere fristgerecht erhoben wurde.

Amtliche Verkehrszeichen im Sinne des § 39 der Straßenverkehrsordnung (StVO) vom 6. März 2013 (BGBl I S. 367), zuletzt geändert durch Verordnung vom 20. April 2020 (BGBl I S. 814), sind anfechtbare (Dauer-)Verwaltungsakte in Form der Allgemeinverfügung (Art. 35 Satz 2 BayVwVfG). Durch das eingeschränkte Haltverbot (Zeichen 286 nach Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) und die damit verbundenen Zusatzzeichen zur zeitlichen Eingrenzung hat die Beklagte örtliche Anordnungen durch Verkehrszeichen getroffen (§ 39 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO). Als hiervon betroffene Verkehrsteilnehmer und Anwohner können die Kläger geltend machen, durch diese Verkehrszeichen in ihren Rechten verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO; vgl. insoweit BVerwG, U.v. 21.8.2003 - 3 C 15.03 - NJW 2004, 698 = juris Rn. 12).

Anfechtungsklagen gegen Verwaltungsakte sind gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO grundsätzlich innerhalb eines Monats nach deren Bekanntgabe zu erheben, wenn die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens - wie hier nach Art. 15 Abs. 2 AGVwGO i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO - nicht erforderlich ist. Da Verkehrszeichen nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung:versehen sind, beträgt die Klagefrist gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO ein Jahr ab dem Zeitpunkt, in dem sich der betreffende Verkehrsteilnehmer der Regelung des Verkehrszeichens erstmals gegenübersieht (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 23.9.2010 - 3 C 37.09 - BVerwGE 138, 21/24 = juris Rn. 15).

Diese Frist ist hier hinsichtlich der von der Beklagten zuletzt getroffenen Regelung gewahrt. Maßgebend ist insoweit nicht der Zeitpunkt, an dem die Verkehrszeichen aufgrund des Gemeinderatsbeschlusses vom 16. Mai 2018 aufgestellt (vgl. § 45 Abs. 4 StVO) bzw. an dem sie von den Klägern erstmals wahrgenommen wurden. Vielmehr hat die Aufstellung der Verkehrszeichen in Umsetzung des Gemeinderatsbeschlusses vom 12. Dezember 2018 und der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 8. März 2019 die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO erneut ausgelöst, und zwar sowohl hinsichtlich des eingeschränkten Haltverbots als auch hinsichtlich der damit verbundenen und gegenüber der zunächst getroffenen Regelung geänderten zeitlichen Einschränkungen durch Zusatzzeichen. Es handelt sich dabei um eine unteilbare und damit insgesamt erneut anfechtbare Gesamtregelung.


Zwar ist die Teilbarkeit einer Verkehrsregelung durch Verkehrszeichen mit Zusatzzeichen nicht grundsätzlich ausgeschlossen (BayVGH, B.v. 5.11.2019 - 11 B 19.703 - juris Rn. 28; B.v. 23.10.2009 - 11 ZB 07.1580 - juris Rn. 12, jeweils m.w.N.). Die nach materiellrechtlichen Vorschriften zu beurteilende Teilbarkeit eines Verwaltungsaktes ist zu bejahen, wenn die Teile nicht in einem untrennbaren inneren Zusammenhang stehen, sondern als selbständige Regelung weiter existieren können, ohne ihren Bedeutungsinhalt zu verändern. In den Blick zu nehmen ist dabei der Bedeutungsinhalt, der der Gesamtregelung zukommen soll. Steht der Erlass des Verwaltungsaktes wie vorliegend im Ermessen der Behörde, ist auch von Bedeutung, ob sie den Verwaltungsakt auch ohne die angegriffene Teilregelung erlassen hätte. Durch eine bloße Teilaufhebung darf ihr nicht eine Restregelung aufgezwungen werden, die als solche möglicherweise rechtswidrig wäre und die sie jedenfalls so nicht erlassen hätte (vgl. BVerwG, B.v. 1.7.2020 - 3 B 1.20 - juris Rn. 14 m.w.N.; Sauthoff, Öffentliche Straßen, 3. Auflage 2020, Rn. 1130). Hiervon ausgehend stellt die vom Gemeinderat der Beklagten am 12. Dezember 2018 beschlossene Anordnung eine unteilbare und damit insgesamt erneut anfechtbare Gesamtregelung dar. Die vom Gemeinderat am 16. Mai 2018 beschlossene Regelung diente zunächst nur der Erprobung. Das ergibt sich aus dem Schreiben der Beklagten vom 6. August 2018 an die Kläger, wonach der Gemeinderat beschlossen habe, „für diese Saison probeweise eine entsprechende Beschilderung vorzunehmen. Nach Ablauf der Beschilderung“ werde der Gemeinderat „dann die Erfahrungen auswerten“ und auch die Stellungnahme der Kläger „in die Entscheidung für weitere Jahre mit einbeziehen.“ Auch im Gemeinderatsbeschluss vom 12. Dezember 2018 wird in der Rückschau zur Regelung vom 16. Mai 2018 mehrfach die Formulierung „Probephase“ verwendet. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Erprobung auf die saisonale und tageszeitliche Begrenzung des Haltverbots beschränkt sein sollte und dass die Beklagte von Anfang an das eingeschränkte Haltverbot gegebenenfalls auch ohne zeitliche Einschränkungen, also ganzjährig und „rund um die Uhr“ hätte erlassen wollen. Vielmehr spricht alles dafür, dass sie das Haltverbot nur verbunden mit dem Zusatzzeichen, und zwar zunächst nur zur Erprobung und schließlich in geänderter Form dauerhaft erlassen wollte.

Damit liegt hier eine unteilbare Gesamtregelung vor, hinsichtlich der die Aufstellung der geänderten Zusatzzeichen nach der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 8. März 2019 die Klagefrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO für sämtliche Verkehrszeichen erneut in Lauf gesetzt hat. Die am 11. Dezember 2019 beim Verwaltungsgericht eingegangene Klage ist daher fristgerecht eingereicht worden.

b) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht dahingehend, dass das Verwaltungsgericht von zu hohen Anforderungen für die Anordnung eines Haltverbots ausgegangen wäre.




Grundsätzlich gilt für jedes Verkehrszeichen, dass dessen Anordnung angesichts der allen Verkehrsteilnehmern obliegenden Verpflichtung, die allgemeinen und besonderen Verhaltensvorschriften der Straßenverkehrsordnung eigenverantwortlich zu beachten, nur dort getroffen werden darf, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend geboten (§ 39 Abs. 1 StVO) bzw. zwingend erforderlich (§ 45 Abs. 9 Satz 1 StVO) ist. Die darüber hinausgehenden erhöhten Anforderungen des § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO, die voraussetzen, dass auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt, gelten insbesondere für Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs. Diese Anforderungen hat das Verwaltungsgericht jedoch nicht zugrunde gelegt. Abgesehen davon, dass die Vorschrift des § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO an keiner Stelle des Urteils zitiert oder im Wortlaut wiedergegeben wird, spricht auch sonst nichts dafür, dass das Verwaltungsgericht eine Gefahrenlage vorausgesetzt hätte, die auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der geschützten Rechtsgüter erheblich übersteigt. Vielmehr stützt das Verwaltungsgericht seine rechtlichen Erwägungen ausdrücklich auf die Anforderungen gemäß § 39 Abs. 1 und § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO. Auch inhaltlich überschreiten die Ausführungen im angefochtenen Urteil nicht den hierdurch vorgegebenen Rahmen. Das gilt auch insoweit, als das Verwaltungsgericht im Zusammenhang mit der Parksituation zu Badezeiten von „besonderen“ und „konkreten“ Gefahrenlagen spricht und solche Gefahrenlagen zumindest zu „Hochzeiten an heißen Sommertagen“ für möglich hält, was grundsätzlich die zwingende Erforderlichkeit einer Regelung rechtfertigen könnte. Ausdrücklich verneint hat es allerdings die zwingende Notwendigkeit eines eingeschränkten Haltverbots bereits ab April bis Mitte November täglich von 7:00 bis 21:00 Uhr, weil diese weder ersichtlich noch belegt sei.



Diese Auffassung begegnet keinen ernstlichen Zweifeln. Wie das Verwaltungsgericht hält auch der Senat es durchaus für möglich, dass es an den Aufstellorten der Verkehrszeichen insbesondere in den Sommermonaten zu bestimmten Tageszeiten aufgrund parkender Badegäste zu Situationen kommen kann, die ein eingeschränktes Haltverbot zwingend geboten bzw. erforderlich erscheinen lassen, weil ansonsten landwirtschaftliche Fahrzeuge ihre zu bewirtschaftenden Flächen nicht mehr erreichen können und entgegenkommende größere Fahrzeuge in der betroffenen Straße mangels Ausweichmöglichkeiten nicht mehr aneinander vorbeifahren können. Der Regelung durch Verkehrszeichen steht auch nicht entgegen, dass ein den Durchgangsverkehr behinderndes Halten oder Parken bereits nach den allgemeinen Verkehrsregeln der Straßenverkehrsordnung untersagt ist. Aufgrund besonderer Umstände zwingend geboten bzw. erforderlich kann ein Verkehrszeichen auch dann sein, wenn auch ohne Verkehrszeichen geltende Regelungen in der Straßenverkehrsordnung, hier etwa das Verbot, an engen Straßenstellen zu halten (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO) oder das allgemeine Rücksichtnahmegebot und Behinderungsverbot (§ 1 StVO), ständig missachtet werden. Allerdings hat es die Beklagte versäumt, entsprechende Vorkommnisse, aus denen sich die Notwendigkeit einer entsprechenden Regelung ergibt, zu dokumentieren und aktenkundig zu machen. Aus den Akten ergibt sich weder die Lage der entsprechenden Flächen und der Höfe der Landwirte noch deren Zahl. Auch die Häufigkeit und das Ausmaß der Vorkommnisse, die Breite der betroffenen Fahrzeuge und der Straße, die Parksituation im Einzelnen und die besonders betroffenen Tages- und Jahreszeiten hat die Beklagte nicht festgehalten. Vielmehr hat sie in der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht ausdrücklich eingeräumt, vor der Anordnung weder eine polizeiliche Stellungnahme eingeholt zu haben noch über eine belegbare Dokumentation von Unfallgeschehen, Gefahrenlagen etc. zu verfügen. Auch zum Nutzungsbedarf der betroffenen Landwirte konnte sie nur vage Angaben machen. So erklärten die Beklagtenvertreter, bei zwei von drei betroffenen Landwirten wisse man nicht genau, wo deren Bewirtschaftungsflächen lägen.

Damit ist die Notwendigkeit der getroffenen Regelung insbesondere hinsichtlich ihres zeitlichen Umfangs nicht überprüf- und nachvollziehbar. Ordnet die Straßenverkehrsbehörde ein Verkehrszeichen an, trägt sie jedoch die materielle Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Es obliegt ihr daher, die zugrundeliegenden Umstände zu ermitteln, zu dokumentieren und aktenkundig zu machen. Allein der in den Akten der Beklagten festgehaltene „Wunsch“ der betroffenen Landwirte (Beschluss des Gemeinderats vom 1.7.2020 hinsichtlich der Ablehnung der vom Gericht angeregten gütlichen Einigung) bzw. deren „Bedürfnisse“ (Gemeinderatsbeschluss vom 12.12.2018) reicht für die Annahme einer zwingenden Erforderlichkeit der getroffenen Regelung im Sinne von § 39 Abs. 1 und § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO nicht aus. Gleiches gilt für die stichwortartig protokollierte Besprechung am 28. November 2018 mit den Landwirten, die hinsichtlich des Haltverbots lediglich deren Wünsche in zeitlicher Hinsicht beschreibt.

Das Verwaltungsgericht hat die von den Klägern zuletzt nur noch eingeschränkt angefochtene verkehrsrechtliche Regelung daher zu Recht aufgehoben. Es hat auch zu Recht Zweifel hinsichtlich der Ermessensausübung der Beklagten geäußert (§ 114 VwGO), auf die es allerdings erst entscheidungserheblich ankäme, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen für die verkehrsrechtliche Regelung erfüllt wären. In der Niederschrift der Gemeinderatssitzung vom 12. Dezember 2018 wird lediglich das Ergebnis der Ermessensentscheidung festgehalten, wonach die „Bedürfnisse der Landwirte gegenüber den Privatinteressen höher angesiedelt“ würden. Von der Regelung dürften aber auch Anwohner betroffen sein, die auf ihrem Grundstück nicht über eine ausreichende Zahl von Stellplätzen verfügen. Auch wenn angesichts der sehr strengen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO an die Ermessensausübung keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind (BayVGH, U.v. 28.9.2011 - 11 B 11.910 - juris Rn. 24, 39), worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hinweist, und das Recht auf Anliegergebrauch dem Eigentümer eines Grundstücks keinen Anspruch darauf gibt, dass Parkmöglichkeiten auf öffentlichen Straßen und Plätzen unmittelbar bei seinem Grundstück oder in dessen Nähe eingerichtet werden oder erhalten bleiben (BVerwG, U.v. 6.8.1982 - 4 C 58.80 - BayVBl 1983, 57 = juris Rn. 12 ff.; B.v. 20.12.1991 - 3 B 118.91 - NVwZ-RR 1992, 587 = juris Rn. 4 ff.; BayVGH, B.v. 16.3.2015 - 11 ZB 14.2426 - juris Rn. 12), lassen sich den Akten keine näheren Erwägungen darüber entnehmen, in welcher Weise die Beklagte die für und gegen die Anordnung sprechenden Gesichtspunkte gewürdigt und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gegeneinander abgewogen hat.

2. Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) oder wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

Wie bereits ausgeführt hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung weder ausdrücklich noch sinngemäß auf die erhöhten Anforderungen des § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO gestützt. Die Frage, ob diese insbesondere für den fließenden Verkehr geltende Regelung auch für den ruhenden Verkehr zur Anwendung kommt, würde sich daher in einem Berufungsverfahren nicht stellen. Auch hinsichtlich der Teilbarkeit der von der Beklagten beschlossenen Regelung und der daran anknüpfenden Frage, ob die Klage nicht nur hinsichtlich der Zusatzzeichen, sondern auch hinsichtlich des Haltverbots fristgemäß erhoben wurde, weist die Rechtssache angesichts der hierzu bereits dargestellten Rechtsprechung weder besondere Schwierigkeiten auf noch hat sie insoweit grundsätzliche Bedeutung.

3. Als unterlegene Rechtsmittelführerin hat die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und der Empfehlung in Nr. 46.15 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der Streitgegenstand des Zulassungsverfahrens aufgrund der Klagerücknahme gegenüber dem ursprünglichen Streitgegenstand reduziert ist.

5. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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