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Oberlandesgericht Brandenburg Beschluss vom 17.02.2021 - 53 Ss-OWi 334/20 - Absehen vom Fahrverbot bei langer Verfahrensdauer

OLG Brandenburg v. 17.02.2021: Absehen vom Fahrverbot bei langer Verfahrensdauer




Das Oberlandesgericht Brandenburg (Beschluss vom 17.02.2021 - 53 Ss-OWi 334/20) hat entschieden:

   Das Fahrverbot kann seinen Sinn verlieren, wenn die zu ahndende Tat lange zurückliegt, die für die lange Verfahrensdauer maßgeblichen Umstände auch außerhalb des Einflussbereiches des Betroffenen liegen und in der Zwischenzeit kein weiteres Fehlverhalten des Betroffenen im Straßenverkehr festgestellt worden ist. In der obergerichtlichen Rechtsprechung, der sich der Senat angeschlossen hat, ist die Tendenz erkennbar, den Sinn eines Fahrverbotes in Frage zu stellen, wenn die zu ahndende Tat mehr als zwei Jahre zurückliegt.


Siehe auch
Lange Verfahrensdauer
und
Stichwörter zum Thema Fahrverbot

Gründe:


I.

Mit Bußgeldbescheid des Zentraldienstes der Polizei des Landes Brandenburg vom 11. September 2018 wurde gegen den Betroffenen wegen einer am … 2018 begangenen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 48 km/h (nach Toleranzabzug) eine Geldbuße in Höhe von 160,00 € verhängt sowie ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat unter Zubilligung einer Abgabefrist für den Führerschein von vier Monaten angeordnet.

Gegen diesen Bußgeldbescheid hat der Betroffene mit Verteidigerschriftsatz vom 24. September 2018 Einspruch eingelegt.

Nachdem die Akten nach Verfügung der Staatsanwaltschaft N. vom 17. Dezember 2018 am 19. Dezember 2018 dem Amtsgericht Oranienburg vorgelegt worden waren, hat die Bußgeldrichterin unter dem 22. Februar 2019 Hauptverhandlungstermin auf den 15. Juli 2019 anberaumt.

Nach Erhalt der Ladung unter dem 14. Juni 2019 hat der Betroffene unter dem 17. Juni 2019 Terminverlegung wegen Ortsabwesenheit beantragte.

Am 24. Juni 2019 hat die Bußgeldrichterin daraufhin neuen Termin zur Hauptverhandlung auf den 07. Oktober 2019 anberaumt.

Unter dem 16. September 2019 hat die Bußgeldrichterin den Hauptverhandlungstermin wieder auf gehoben und die Akte der Staatsanwaltschaft N. zur Prüfung übersandt, ob infolge des Verteidigungsvorbringens, wonach das Fahrverbot für den Betroffenen eine besondere Härte darstellen würde, eine Kompensationsentscheidung in Betracht komme und im Beschlusswege entschieden werden könne.

Unter dem 26. September 2019 hat sich die Staatsanwaltschaft N. mit dem Vorgehen nicht einverstanden erklärt und die Akten dem Amtsgericht Oranienburg zurückgesandt.

Am 09. Oktober 2019 hat die Bußgeldrichterin daraufhin Termin zur Hauptverhandlung auf den 10. Dezember 2019 anberaumt.

Wegen Erkrankung der Bußgeldrichterin wurde der Hauptverhandlungstermin unter dem 05. Dezember 2019 erneut aufgehoben.

Am 08. Januar 2020 hat die nunmehr zuständige Bußgeldrichterin die Sache auf den 03. März 2020 terminiert und den Betroffenen auf dessen Antrag von seiner Erscheinenspflicht befreit.

Das Amtsgericht Oranienburg hat den Betroffenen durch Urteil vom 03. März 2020 wegen fahrlässiger Überschreitung der außerhalb geschlossener Ortschaften zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 160,00 € verurteilt sowie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt, welches erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Hiergegen hat der Betroffene durch seinen Verteidiger form- und fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt, mit welcher er die Verletzung materiellen und formellen Rechts rügt.




Die Generalstaatsanwaltschaft Landes Brandenburg hat in ihrer Stellungnahme vom 28. September 2020 beantragt, die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 03. März 2020 mit der Maßgabe als unbegründet zu verwerfen, dass der Betroffene des vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 48 km/h schuldig ist.

Gegen den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat der Betroffene mit Verteidigerschriftsatz vom 23. Oktober 2020 weiter vorgetragen.

Mit Verfügung vom 26. Oktober 2020 hat der Senat die Akte an das Amtsgericht Oranienburg zur Fertigung dienstlicher Stellungnahmen der Bußgeldrichterin und der Protokollführerin gereicht.

Die Akte ist sodann mit den erbetenen dienstlichen Äußerungen unter dem 06. November 2020 an den Senat zurückgereicht worden.

In der Folge erhielt der Betroffene Gelegenheit zur Stellungnahme, die er mit Verteidigerschriftsatz vom 24. November 2020 wahrnahm.

Unter dem 25. November 2020 wurde die Akte daraufhin erneut der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg zur Gelegenheit ergänzender Stellungnahme übersandt, welche diese indes nicht nutzte und die Akte unter dem 02. Dezember 2020 an den Senat zurückreichte.

Auf rechtlichen Hinweis des Senats vom 23. Dezember 2020 hat der Betroffene mit Verteidigerschriftsatz vom 13. Januar 2012 sein Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt, wobei er ausschließlich den Wegfall des Fahrverbotes erstrebt.





II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat mit der Sachrüge Erfolg. Die nach wirksamer Rechtsmittelbeschränkung einzig noch verfahrensgegenständliche Verhängung des Fahrverbotes hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, sie unterlag deshalb der Aufhebung. Der Senat entscheidet diesbezüglich in der Sache selbst (§ 79 Abs. 6 OWiG), da bei einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht keine weiteren Feststellungen, die für die Entscheidung über ein Fahrverbot wesentlich sind, zu erwarten sind.

Das Fahrverbot nach § 25 StVG hat nach der gesetzgeberischen Intention in erster Linie eine Erziehungsfunktion. Es ist als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme gedacht und ausgeformt (vgl. BVerfGE 27, 36, 42; OLG Brandenburg, Beschluss vom 26. Februar 2019, Az.: (1B) 53-Ss-Owi-608/18 -; OLG Stuttgart, Beschluss vom 19. Januar 2017, Az.: 2 Ss 762/16 -; OLG Dresden, Beschluss vom 11. März 2019 - OLG 23 Ss 80/19 (B) -). Von ihm soll eine warnende Wirkung auf den Betroffenen ausgehen und ihn anhalten, sich künftig verkehrsordnungsgemäß zu verhalten. Das Fahrverbot kann deshalb seinen Sinn verlieren, wenn die zu ahndende Tat lange zurückliegt, die für die lange Verfahrensdauer maßgeblichen Umstände auch außerhalb des Einflussbereiches des Betroffenen liegen und in der Zwischenzeit kein weiteres Fehlverhalten des Betroffenen im Straßenverkehr festgestellt worden ist (vgl. OLG Brandenburg, a.a.O.; OLG Stuttgart, a.a.O., m.w.N.; OLG Dresden m.w.N.). Wann bei langer Verfahrensdauer der Zeitablauf entweder allein oder zusammen mit anderen Umständen ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen kann, ist zwar grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls, die einen gewissen Beurteilungsspielraum eröffnet. In der obergerichtlichen Rechtsprechung, der sich der Senat angeschlossen hat, ist allerdings die Tendenz erkennbar, den Sinn eines Fahrverbotes in Frage zu stellen, wenn die zu ahndende Tat mehr als zwei Jahre zurückliegt.



Die dem Betroffenen zur Last gelegte Tat liegt hier inzwischen mehr als zwei Jahre und zehn Monate zurück, wobei es zu erheblichen Verfahrensverzögerungen kam, deren Ursachen nicht der Sphäre des Betroffenen zuzurechnen sind.

Vor diesem Hintergrund erscheint die Anordnung eines Fahrverbotes gegen den Betroffenen nicht mehr geboten, vielmehr konnte das Fahrverbot entfallen.

III.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 1, 3 StPO. Nachdem der Betroffene seine Rechtsbeschwerde teilweise zurückgenommen hat, hat er die Kosten der teilweisen Rücknahme zu tragen (2/3). Im Übrigen erweist sich die auf die Verhängung des Fahrverbots beschränkte Rechtsbeschwerde in vollem Umfang erfolgreich, so dass der Staatskasse die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen jeweils zu 1/3 aufzuerlegen waren.

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