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Landgericht Leipzig Beschluss vom 20.04.2006 - Qs 29/06 - Schlechte Straßenverhältnisse und Schneematsch bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,62 Promille beim Rechtsabbiegen

LG Leipzig v. 20.04.2006: Schlechte Straßenverhältnisse und Schneematsch bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,62 Promille beim Rechtsabbiegen


Das Landgericht Leipzig (Beschluss vom 20.04.2006 - Qs 29/06) hat entschieden:

   Kommt ein Fahrzeugführer bei schlechten Straßenverhältnissen und Schneematsch bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,62 Promille beim Rechtsabbiegen zu weit nach links ab, so dass er im Kreuzungsbereich gegen ein auf der Gegenseite abgeparktes Fahrzeug fährt, so genügt dies nicht zum Nachweis der relativen Fahruntüchtigkeit. Dieses verkehrswidrige Verhalten konnte auch auf einem normalen „Fahrfehler”, welcher auch einem nüchternen Fahrer hätte unterlaufen können, beruhen.

Siehe auch
Abkommen von der Fahrbahn - Schleuderunfall
und
Stichwörter zum Thema Alkohol

Aus den Entscheidungsgründen:


"... Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg. Nach der der Kammer vorliegenden Sachakte sind bei dem gegenwärtigen Ermittlungstand keine dringenden Gründe für die Annahme vorhanden, dass der Beschuldigten die Fahrerlaubnis wegen einer - fahrlässig begangenen - Gefährdung des Straßenverkehrs gem. § 315c Abs. 1, Nr. la , Abs. 3 Nr. 2, § 69 Abs. 1 und 2 StGB endgültig entzogen werden wird, § 11 la Abs. 1 Satz 1 StPO.




Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen fehlt es an hinreichend konkreten Anhaltspunkten dafür, dass die Beschuldigte am 10. 2. 2006 gegen 22.55 Uhr im Straßenverkehr im Zustand relativer Fahruntüchtigkeit den verfahrensgegenständlichen Unfall verursachte und damit fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdete. Denn die Annahme relativer Fahruntüchtigkeit setzt die Feststellung voraus, dass sich die Beschuldigte zum Zeitpunkt der Tat unter dem Einfluss von Alkohol befand, dass sie fahruntüchtig war und die Fahruntüchtigkeit Folge des zuvor erfolgten Alkoholkonsums war.

Zwar stand die Beschuldigte zum Zeitpunkt des Vorfalls am 10. 2. 2006 gegen 22.55 Uhr unter dem Einfluss von Alkohol. Ausweislich des Befundberichts der Universität Leipzig über die Untersuchung auf Ethanol vom 14. 2. 2006 wies die der Beschuldigten am 10. 2. 2006 um 23.19 Uhr entnommene Blutprobe eine BAK von 0,62 Promille aus. Von diesem Blutalkoholwert hatte die Kammer auch auszugehen, nachdem die Beschuldigte den Konsum von 0,3 1 Rotwein am 10. 2. 2006 zwischen 22.00 Uhr und 22.30 Uhr angegeben hatte.

Zwar ist nach gesicherten Erkenntnissen eine BAK von 0,5 Promille bereits regelmäßig eine kritische Grenze zur Fahruntüchtigkeit (vgl. Tröndle/Fischer, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 52. Aufl., Rdn. 32 zu § 316 m.w.N.). Die Überschreitung dieser - kritischen - Grenze genügt jedoch zur Feststellung der Fahruntüchtigkeit nicht. Diese ist zum Tatzeitpunkt anhand einer Gesamtbewertung sämtlicher Indiztatsachen und der Umstände der konkreten Tat festzustellen.

Die aus den bisherigen Ermittlungsergebnissen ersichtlichen Anhaltspunkte genügen nach Einschätzung der Kammer jedoch nicht für die Annahme, dass die Beschuldigte den Unfall infolge alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit verursacht hatte.

Zunächst stellt die Kammer fest, dass ausweislich des Protokolls und Antrags zur Feststellung des Alkohols im Blut vom 10. 2. 2006 durch den untersuchenden Arzt D. keinerlei Ausfallerscheinungen dokumentiert wurden. Die Einschätzung, dass die Beschuldigte leicht unter Alkoholeinfluss zu stehen scheint, ist offenkundig ausschließlich auf den durch D. wahrgenommenen Alkoholgeruch zurückzuführen.



Zum Nachweis der relativen Fahruntüchtigkeit genügt nicht. dass die Beschuldigte beim Rechtsabbiegen vom A. in die Z.straße so weit nach links abkam, dass sie im Kreuzungsbereich gegen den auf der Gegenseite abgeparkten Pkw fuhr. Denn dieses verkehrswidrige Verhalten konnte auch auf einem „normalen” Fahrfehler, welcher auch einem nüchternen Fahrer hätte unterlaufen können, beruhen, zumal ausweislich der in der Akte befindlichen Lichtbilder schlechte Straßenverhältnisse herrschten und sich Schneematsch auf der Straße befand.

Auch aus dem der Tat vorhergegangenen verkehrswidrigen Verhalten kann nicht auf die Ursächlichkeit der Alkoholisierung für eine Fahruntüchtigkeit geschlossen werden. Hierfür genügt nicht der durch die Polizeibeamten festgestellte verbotswidrige Wendevorgang auf dem M.-Ring (Aktenvermerk vom 11. 2. 2006). Auch die von den Polizeibeamten beobachtete überhöhte Geschwindigkeit in einer 30er Zone - konkretere Angaben oder eine Schätzung der durch die Beschuldigte gefahrenen Geschwindigkeit enthält der o.g. Aktenvermerk nicht - kann nach Auffassung der Kammer nicht als alkoholbedingte Ausfallerscheinung betrachtet werden. Denn ausweislich des vorgenannten Aktenvermerks gab die Beschuldigte den Polizeibeamten gegenüber spontan an, wegen des verkehrswidrigen Wendevorgangs „und der damit verbunden(en) Strafe” Angst vor einer polizeilichen Kontrolle gehabt zu haben. Die überhöhte Geschwindigkeit ist deshalb als ein „verständliches Motiv” bei „fluchtbedingter” Geschwindigkeitsüberschreitung zu werten (vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O. Rdn. 36 mit Nachweisen aus der Rspr.).

Nach Auffassung der Kammer liegen jedenfalls gegenwärtig keine dringenden Gründe für die Annahme vor, dass bei einer das Verfahren abschließenden Entscheidung die Maßregel nach § 69 StGB angeordnet wird. Der angefochtene Beschluss war deshalb aufzuheben. ..."

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