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OLG Karlsruhe Beschluss vom 05.09.2005 - 1 Ss 92/05 - Vorgänge nach Beendigung der Fahrt, Abstellen des Motors und Verlassen des Kraftfahrzeuges gehören nicht mehr zu einer Trunkenheitsfahrt

OLG Karlsruhe v. 05.09.2005: Vorgänge nach Beendigung der Fahrt, Abstellen des Motors und Verlassen des Kraftfahrzeuges gehören nicht mehr zu einer Trunkenheitsfahrt




Das OLG Karlsruhe (Beschluss vom 05.09.2005 - 1 Ss 92/05) hat zur Abgrenzung einer Trunkenheitsfahrt gegenüber einer Straßenverkehrsgefährdung entschieden:

   Das Merkmal des Führen eines Kraftfahrzeuges in § 315 c StGB setzt voraus, dass jemand das Fahrzeug willentlich in Bewegung setzt oder es unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrbewegung lenkt, weshalb Vorgänge nach Beendigung der Fahrt, Abstellen des Motors und Verlassen des Kraftfahrzeuges hierzu nicht mehr gehören.

Siehe auch
Fahrzeugführen im öffentlichen Straßenverkehr
und
Pflichten des Fahrzeugführers und Zustand des Fahrzeugs

Zum Sachverhalt:


Der mit 0,9 Prom. alkoholisierte Angekl. hatte sein Fzg auf einem Tankstellengelände abgestellt und es nicht durch Anziehen der Feststellbremse oder Einlegen eines Ganges gegen Wegrollen gesichert. Der Wagen rollte zurück und beschädigte ein anderes Fahrzeug.

Das Amtsgericht verurteilte ihn wegen Straßenverkehrsgefährdung gem. § 315 c StGB.

Die Revision des Angekl. hatte insoweit Erfolg, als das Revisionsgericht den Schuldspruch auf eine einfache Trunkenheitsfahrt gem. § 316 StGB bei unverändertem Strafmaß abänderte.




Aus den Entscheidungsgründen:


"... Auch die Annahme des Vorliegens einer relativen Fahruntüchtigkeit hält rechtlicher Nachprüfung stand. Zwar würde allein das Abstellen des Kraftfahrzeuges ohne dessen zureichende Sicherung durch Ziehen der Handbremse oder Einlegen eines Ganges hierfür nicht ausreichen, denn ein solcher Fehler könnte auch einem nüchternen Verkehrsteilnehmer unterlaufen. Hinzu kommt vorliegend aber noch die mit 0,9 Promille relativ nahe an der Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit liegende Blutalkoholkonzentration sowie die beim Angeklagten durch seinen „schwankenden Gang“ vorhandenen körperlichen Ausfallerscheinungen (vgl. LK-König,11 Aufl. 2000, § 316 Rn. 100 ff., 115 m.w.N.), welche zureichend auf das Vorliegen seiner Fahruntüchtigkeit schließen lassen.




3. In rechtlicher Hinsicht tragen die Feststellungen bezüglich der Tat Nr. 1 zwar eine Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 2 StGB), vermögen jedoch ein Vergehen der fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung nicht zu begründen (§ 315 c Abs.1 Nr.1 a, Abs. 3 StGB).

Die Frage, ob ein Führen eines Kraftfahrzeuges auch noch dann vorliegt, wenn sich der Pkw nach Fahrtende wegen Unterlassens von Sicherungsmaßnahmen weiter bewegt, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet (Tröndle/Fischer, StGB, 52. Auflage 2004, § 315 c Rn. 3). Das Merkmal setzt voraus, dass jemand das Fahrzeug in Bewegung setzt oder es unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrbewegung lenkt (BGHSt 35, 390 ff.). Es kann deshalb nur eigenhändig verwirklicht werden (LK-König, a.a.O., § 315 c Rn. 10, 201.) und setzt bereits vom Wortsinn her ein „finales Moment“ des „willentlich in Bewegung Setzens“ voraus, weshalb Vorgänge nach Beendigung der Fahrt, Abstellen des Motors und Verlassen des Kraftfahrzeuges hierzu nicht mehr gehören können (ebenso OLG Düsseldorf NZV 1992, 101 f.; OLG Frankfurt DAR 1990, 277; LK-König, a.a.O., § 315 c Rn. 13; Tröndle/Fischer, a.a.O., Rn. 3; a.A. Schönke-Schröder-Lieben, 26. Aufl. 2001, § 316 Rn. 20). Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 29.07.1964 (BGHSt 19, 371 ff.), nach welchem auch das Unterlassen von Sicherungsmaßnahmen ausreichen soll, steht nach Ansicht des Senates dieser Bewertung nicht entgegen, weil diese Entscheidung noch unter Geltung der früheren obergerichtlichen Auslegung des Merkmals des Führens eines Kraftfahrzeuges ergangen war, welche nicht maßgeblich auf einen finalen Bewegungsvorgang abhob, sondern hierunter u.a. auch das bloße Anlassen eines Fahrzeuges erfasste (vgl. Schwarz-Dreher, StGB 26. Aufl. 1964 § 315 B. Nr. 2). Diese Ansicht ist aber durch den Beschluss des Bundesgerichtshof vom 27.10.1988 (BGHSt 35, 390 ff.) zwischenzeitlich überholt.



4. Aufgrund der hierfür ausreichenden tatrichterlichen Festsstellungen hat der Senat den Schuldspruch entsprechend berichtigt und das Vorliegen zweier in Tatmehrheit zueinander stehender Vergehen der fahrlässigen Trunkenheit im Straßenverkehr erkannt. Bei der Weiterfahrt des Angeklagten nach dem Unfall handelt es sich um eine rechtlich selbständige Tat, weil sie auf einem neuen Entschluss beruhte. Dass diese - wie vom Amtsgericht wegen der zunächst vorhandenen Bereitschaft des Geschädigten Schneider zur einverständlichen Regulierung des Schadens - nicht als Unfallflucht i.S.d. § 142 StGB zu bewerten ist, steht dem nicht entgegen (BayObLG VRS 61, 351 ff.; Tröndle/Fischer, a.a.O., § 316 Rn. 56).

Einer Aufhebung und Zurückverweisung des Urteils zur Änderung des Rechtsfolgenausspruchs bedurfte es hingegen nicht, weil der Senat die vom Amtsgericht verhängte Strafe noch als angemessen ansieht (§ 354 Abs.1 a Satz 1 StPO; vgl. BGH NJW 2005, 1813 ff.). Zwar ist der Tatrichter bezüglich der Tat Nr.1 vom höheren Strafrahmen des § 315 c Abs.3 StGB ausgegangen, gleichwohl hat er beide rechtlich in Tatmehrheit zueinander stehenden Trunkenheitsdelikte mit der gleichen Einsatzstrafe von 25 Tagessätzen bewertet, so dass dem veränderten Strafrahmen auch nach Ansicht des Senates keine entscheidende Bedeutung beikommt. ..."

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