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BGH Urteil vom 30.03.1995 - 4 StR 725/94 - Gefährdung des Beifahrers infolge Alkoholgenusses

BGH v. 30.03.1995: Zur Gefährdung des Beifahrers infolge Alkoholgenusses




Siehe auch
Gefährdung des Beifahrers bei Alkoholdelikten
und
Stichwörter zum Thema Alkohol

Zur Frage, wann von einer konkreten Gefährdung eines mit einem betrunkenen Fahrzeugführer mitfahrenden Insassen auszugehen ist, hat der BGH (Urteil vom 30.03.1995 - 4 StR 725/94) ausgeführt:

"Die Annahme einer konkreten Gefahr ... kann auch nicht damit begründet werden, dass sich in dem von dem fahruntüchtigen Angeklagten gesteuerten Fahrzeug als Beifahrerin während der gesamten Dauer der Trunkenheitsfahrten seine Lebensgefährtin befand.




Insofern hat der Senat allerdings in früheren Entscheidungen beiläufig in Erwägung gezogen, ob der Insasse des von einem fahruntüchtigen Fahrer geführten Fahrzeugs wegen des ihn ungleich stärker als jeden anderen Verkehrsteilnehmer treffenden Risikos regelmäßig auch dann konkret gefährdet sein könne, wenn es nicht zu einer gefährlichen Begegnung mit anderen Verkehrsteilnehmern, geparkten Autos oder sonstigen Gegenständen komme (BGH NStZ 1985, 263, 264; 1989, 73, 74). Er hat dazu die Auffassung vertreten, dass dies jedenfalls dann anzunehmen sei, wenn sich die Fahruntüchtigkeit des Täters in Fahrfehlern, die die Sicherheit des Beifahrers beeinträchtigen, wie beispielsweise im Fahren in Schlangenlinien, in einem auch nur vorübergehenden Abkommen von der Fahrbahn oder in einem sonstigen nicht durch die Verkehrslage bedingten Fahrmanöver "indiziell nach außen gezeigt habe" (BGH NStZ 1989, 74; BGHR StGB § 315 c Abs. 1 Nr. 1a Gefährdung 2). Ob die Annahme einer konkreten Gefahr für den Beifahrer allein aufgrund der Mitfahrt auch ohne solche indiziellen Fahrfehler möglich sei, hat der Senat - ebenfalls beiläufig - "im Hinblick auf den mit einer höheren BAK verbundenen überproportionalen Anstieg der Gefährlichkeit des betrunkenen Kraftfahrers gegenüber dem nüchternen Fahrer, zumindest bei einem mittelschweren Rausch, jedenfalls bei einer BAK von 2,0 Prom" zwar als naheliegend bezeichnet, aber letztlich offen gelassen (BGHR StGB § 315 c Abs. 1 Nr. 1a Gefährdung 2 = NZV 1992, 370).

Diese Erwägungen sind in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und im Schrifttum auf vielfältige Kritik gestoßen (vgl. u.a. BayObLGSt 1988, 76; 1989, 125; BayObLG VRS 87, 125; OLG Köln NJW 1991, 3291; Lackner, StGB, 20. Aufl., § 315 c Rdnr. 23; Cramer in Schönke / Schröder StGB, 24. Aufl., § 315 c Anm. 29 A; Jagusch / Hentschel, StraßenverkehrsR, 33. Aufl., § 315 c Rdnr. 3; Berz NZV 1989, 409, 414; NStZ 1990, 237; Geppert NStZ 1985, 264, 265; 1989, 320, 322; Hauf DAR 1994, 59; Hentschel JR 1985, 434; NJW 1995, 627, 634; Janiszewski, Verkehrsstrafrecht, 4. Aufl., Rdnr. 288 b; Ströber DAR 1989, 414; Werle JR 1990, 75). Sie bedürfen in der Tat der Präzisierung, um die Grenzen zwischen abstrakter und konkreter Gefahr und damit zwischen § 316 StGB und § 315 c StGB nicht zu verwischen.




Soweit der Senat erwogen hat, allein aus der sehr hohen BAK des Fahrers auf eine konkrete Gefährdung des Beifahrers zu schließen, hält er hieran nur für den Fall fest, dass die alkoholische Beeinflussung des Fahrers einen solchen Grad erreicht hat, dass er nicht mehr in der Lage ist, kontrollierte Fahrmanöver auszuführen, und damit die Situation einem Fahren ohne die notwendigen technischen Einrichtungen - z.B. ohne intakte Bremsen - vergleichbar ist (so auch Geppert aaO.). Diese Feststellung kann aber ... nicht an einem bestimmten BAK-Wert festgemacht oder ab einem bestimmten BAK-Wert angenommen werden; erforderlich ist vielmehr die Feststellung, dass der "Fahrer" nicht mehr zu kontrollierter Betätigung der wesentlichen technischen Einrichtungen des Fahrzeugs (Lenkung, Bremsen, Gaspedal) in der Lage war. ...

Der Senat hat im übrigen offen gelassen, inwieweit die Fahruntüchtigkeit des Täters sich "indiziell nach außen gezeigt" haben muss (NStZ 1989, 73, 74; NZV 1992, 370; vgl. auch Jähnke DRiZ 1990, 427 ff.); insofern trifft die Kritik, dass er allein auf die starke Alkoholisierung des Fahrers abgehoben habe, nicht zu. Die Hinweise des Senats bedürfen allerdings der Klarstellung: Zur Annahme einer konkreten Gefahr genügt es nicht, wenn der betrunkene Fahrer lediglich einen folgenlosen Fahrfehler begeht, also etwa in Schlangenlinien fährt oder auf die - fahrzeugleere - andere Fahrbahnseite gerät. Hinzutreten muss vielmehr, dass es dabei "beinahe" zu einem Unfall gekommen wäre. Von einer konkreten Gefahr des Beifahrers kann demnach nur dann gesprochen werden, wenn der auf der Trunkenheit des Fahrers beruhende Fahrfehler zu einer kritischen Verkehrssituation geführt hat. ..."

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