"... 1. Der Beweis des ersten Anscheins spricht für ein Verschulden des Kraftfahrers, wenn dieser ohne erkennbaren Anlass auf die Gegenfahrbahn gerät und dort mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zusammenstößt (Senatsurteile vom 2.2.1955 VI ZR 278/53 VersR 55, 189; vom 24.2.1959 VI ZR 62/58 VersR 59, 465 (466); vom 24.3.1959 VI ZR 82/58 VersR 59, 518 (519); vom 19.1.1960 VI ZR 16/59 VersR 60, 523; vom 7.10.1960 VI ZR 180/59 VersR 60, 1017; vom 13.6.1961 VI ZR 224/60 VersR 61, 846; vom 16.6.1964 VI ZR 93/63 VersR 64, 1102 (1103); vom 15.4.1966 VI ZR 246/64 VersR 66, 693; vom 25.3.1969 VI ZR 252/67 VersR 69, 636 (637). Der Ort des Zusammenstoßes weist aber für sich genommen nicht immer nach der Lebenserfahrung auf ein Verschulden des Fahrers hin, der seine rechte Fahrbahn verlassen hat (Senatsurteile vom 24.2.1959, vom 24.3.1959, vom 7.10.1960 und vom 16.6.1964 aaO). Die Anwendung des Anscheinsbeweises bei Verkehrsunfällen setzt Geschehensabläufe voraus, bei denen sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung zunächst der Schluss aufdrängt, dass der Verkehrsteilnehmer seine Pflicht zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verletzt hat. Es muss sich um Tatbestände handeln, für die nach der Lebenserfahrung eine schuldhafte Verursachung typisch ist (Senatsurteil vom 24.3.1959 aaO). Der bloße Umstand, dass ein Kraftfahrer auf die Gegenfahrbahn geraten ist, reicht als Grundlage für einen Anscheinsbeweis nicht stets aus. Wenn im zu entscheidenden Einzelfall weitere Umstände des Unfallgeschehens bekannt sind sei es, dass der Kl. sie selbst vorträgt oder dass sie unstreitig oder vom Gericht festgestellt sind, so müssen sie in die Betrachtung mit einbezogen werden. Das gesamte feststehende Unfallgeschehen muss nach der Lebenserfahrung typisch dafür sein, dass derjenige Verkehrsteilnehmer, der sich im Augenblick des Zusammenstoßes auf seiner Gegenfahrbahn befunden hat, schuldhaft gehandelt hat. 2. Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Bekl. zunächst rechts auf seiner Fahrbahnhälfte gefahren ist und dann mit einer plötzlichen Lenkbewegung sein Fahrzeug nach links in den Bereich der Gegenfahrbahn gelenkt hat. Auf der anderen Seite ist ungeklärt, woher der Motorradfahrer gekommen ist, der sich nach einer Feier das Motorrad zu einer Probefahrt ausgeliehen hatte. Bei dieser Sachlage fehlt es an einem typischen Geschehensablauf. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts begründet die abrupte Lenkbewegung keinen Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Bekl. Es drängt sich lediglich der Schluss auf, dass die Lenkbewegung eine Reaktion auf die Annäherung des Motorradfahrers darstellte. Dass es sich dabei um eine fehlerhafte Reaktion gehandelt hat, lässt sich dem Geschehen dagegen nicht entnehmen. Die Möglichkeit einer Fehlreaktion ist zwar nicht auszuschließen. Sie liegt aber keinesfalls näher als das Gegenteil. Da bereits die Voraussetzungen für einen Anscheinsbeweis zu Lasten des Bekl. nicht vorliegen, stellt sich die Frage der Erschütterung des Anscheinsbeweises nicht. ..." |