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OLG Düsseldorf Urteil vom 12.12.2005 - I-1 U 100/05 - Zum Anscheinsbeweis bei Drehung des Fahrzeugs bei der Fahrt um 360 Grad

OLG Düsseldorf v. 12.12.2005: Zum Anscheinsbeweis bei Drehung des Fahrzeugs bei der Fahrt um 360 Grad




Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 12.12.2005 - I-1 U 100/05) hat zur Annahme eines Anscheinsbeweises für eine überhöhte Geschwindigkeit folgendes entschieden:

  1.  Dreht sich ein Fahrzeug beim Befahren einer Autobahnausfahrt um 360 Grad und bleibt sodann dort stehen, so spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine unangemessene Geschwindigkeit beim Befahren der Ausfahrt.

  2.  Nach ständiger Rechtsprechung - auch des Senats - ist das falsche Reagieren eines Verkehrsteilnehmers dann kein Verschulden, wenn er in einer ohne sein Verschulden eingetretenen, für ihn nicht voraussehbaren Gefahrenlage keine Zeit zu ruhiger Überlegung hat und deshalb nicht das Richtige und Sachgerechte unternimmt, um den Unfall zu verhüten, sondern aus verständlicher Bestürzung objektiv falsch reagiert.

  3.  Bei einem nicht zum Vorsteuerabzug Berechtigten ist auf der Basis der Bruttobeträge zu prüfen, ob die Reparaturkosten - einschließlich eines hier im Gutachten nicht angegebenen Minderwertes - innerhalb der 130 %-Grenze liegen (herrschende Meinung; vgl. Huber NZV 2004, 105, 109; Eggert, Verkehrsrecht aktuell 2004, 116; Senat, Urteil vom 26. September 2005, Aktenzeichen I/1 U 30/05).

  4.  Liegen die Reparaturaufwendungen oberhalb des Wiederbeschaffungswertes, aber noch innerhalb der 130 %-Grenze, ist nach der Rechtsprechung des Senats als Nachweis des Integritätsinteresses die vollständige und fachgerechte Reparatur erforderlich. Eine Teilreparatur ist nicht ausreichend.




Siehe auch
Anscheinsbeweis - Beweis des ersten Anscheins - Beweis prima facie
und
Stichwörter zum Thema Beweisführung

Gründe:


I.

Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.

Begründet ist das Rechtsmittel in dem Umfang, in welchem der Kläger die durch das Landgericht ausgesprochene Haftungsverteilung angreift. Der Senat vermag sich nicht der durch das Landgericht ausgesprochenen Quotierung anzuschließen, derzufolge der auf den Kläger entfallenden Eigenhaftungsanteil mit 40 % in Ansatz zu bringen sein soll. Vielmehr muss er eine Kürzung seiner Anspruchsberechtigung nur in Höhe von 20 % hinnehmen.

Der Kläger dringt einerseits nicht mit seinem Einwand durch, der Schadensfall sei für ihn ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG gewesen. Andererseits lässt sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme entgegen der durch das Landgericht vertretenen Ansicht nicht zweifelsfrei feststellen, dass den Kläger ein Mitverschulden hinsichtlich der Entstehung seiner unfallbedingten materiellen und immateriellen Schäden trifft. Zu seinen Lasten wirkt sich nur die von seinem Fahrzeug ausgegangene Betriebsgefahr anspruchsmindernd aus - und zwar in einem Umfang von 20 %. Damit umfasst die Ersatzverpflichtung der Beklagten die Quote von 80 % der ersatzfähigen Schäden des Klägers.




Soweit der Kläger die Höhe der ihm durch das Landgericht als ersatzfähig zuerkannten Schadenspositionen angreift, bleibt seinem Rechtsmittel der Erfolg weitgehend versagt. Entsprechend der Begründung der angefochtenen Entscheidung ist der Kläger in Bezug auf seinen Fahrzeugschaden nur zu einer Abrechnung auf Totalschadensbasis berechtigt, so dass er den auf Gutachtenbasis geltend gemachten höheren Reparaturkostenbetrag nicht durchzusetzen vermag.

Teilweise begründet ist die Berufung nur in dem Umfang, in welchem der Kläger ein höheres Schmerzensgeld begehrt.




II.

Im einzelnen ist folgendes auszuführen:

1. Rechtsgrundlage für das begründete klägerische Leistungsverlangen sind die Vorschriften der §§ 7, 17 StVG, 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 3 Nr. 1 und Nr. 2 PflVersG.

2. a) Obwohl es nicht zu einer Berührung zwischen dem Pkw des Klägers und demjenigen des Beklagten zu 1. gekommen ist, steht außer Zweifel, dass sich das Schadensereignis anlässlich des Betriebes des Pkw Ford Escort des Beklagten zu 1. im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG zugetragen hat.

b) In zutreffender Würdigung der erstinstanzlich erhobenen Beweise ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, es lasse sich nicht feststellen, dass der Beklagte zu 1. die Autobahnausfahrt in der falschen Richtung befahren habe und dass er seinen Pkw zum Unfallzeitpunkt auf einen Kollisionskurs zu dem durch den Kläger gesteuerten Wagen bewegt habe (Bl. 5 UA; Bl. 80 d.A.). Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Pkw Ford Escort für den Kläger anlässlich der Benutzung der Autobahnausfahrt ein plötzliches Frontalhindernis bildete, welches die darauf zufahrenden Verkehrsteilnehmer zu einer Notreaktion veranlasste. Der Kläger, der als erster die Gefahrenstelle erreicht hatte, sah sich zu einer Ausweichlenkung nach links veranlasst, welche den durch ihn gesteuerten Pkw Mercedes Benz in schadensursächlicher Weise von der Fahrbahn abkommen ließ. Der ihm mit einem gewissen zeitlichen Abstand folgende Zeuge W. hat einen Zusammenstoß mit dem Pkw des Beklagten zu 1. nur dadurch vermeiden können, dass er eine Vollbremsung mit der Folge einer Aktivierung seines Antiblockiersystems einleitete. Zum Betrieb im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG gehört auch ein Unfall ohne Fahrzeugberührung, wenn das Verhalten des einen Fahrzeuges das des anderen beeinflusst hat, wie etwa bei einer Veranlassung zum Ausweichen oder zu einer Notbremsung (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 7 StVG, Rdnr. 6 und 8 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen).




3. Darüber hinaus steht fest, dass der Beklagte zu 1. die schadensursächliche Gefahrensituation im Kurvenbereich der Autobahnausfahrt schuldhaft herbeigeführt hat. Auch wenn ihm nicht nachzuweisen ist, dass er die Auffahrt in der falschen Richtung benutzt hat, ist erwiesen, dass die mit der Position seines Pkw verbunden gewesene Hindernisbildung auf einen ihm anzulastenden schuldhaften Fahrfehler zurückging: Schon der Beweis des ersten Anscheins spricht für die Annahme, dass die Drehung seines Fahrzeuges um 360° im Kurvenbereich einer Autobahnausfahrt auf eine nach Maßgabe der Vorgaben des § 3 Abs. 1 Satz 2 StVO überhöhte Annäherungsgeschwindigkeit zurückzuführen ist. Überdies gestehen die Beklagten zu, dass der Beklagte zu 1. "aufgrund der vorherrschenden Witterungsverhältnisse zu schnell in die Autobahnausfahrt hineingefahren sein mag" (Schriftsatz vom 26. Juli 2005; Bl. 121 d.A.). Obwohl sich keine Fahrtbewegung des Pkw Ford Escort für den Zeitpunkt der Annäherung des Klägers nachweisen lässt, bildete dieses auch in einer Stillstandsposition ein plötzliches Frontalhindernis für nachfolgende Verkehrsteilnehmer. Schuldhaft hat es der Beklagte zu 1. in dieser Ausgangssituation zudem unterlassen, auf seinen Pkw durch die sofortige Einschaltung des Warnblinklichtes als Hindernis entsprechend dem Gebot des § 15 Satz 1 StVO aufmerksam zu machen.

III.

1. a) Der Kläger beruft sich in seiner Rechtsmittelbegründung ohne Erfolg darauf, der Unfall habe sich für ihn als ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG dargestellt (Bl. 111 d.A.). In diesem Zusammenhang verweist der Senat zunächst voll inhaltlich auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil (Bl. 4, 5 UA; Bl. 79, 80 d.A.). Ergänzend ist folgendes auszuführen:



b) Der Kläger mag aufgrund des Verlaufs der ausgeprägten Rechtskurve nicht in der Lage gewesen sein, den Pkw des Beklagten zu 1. als ein entgegen seiner Fahrtrichtung positioniertes Fahrzeug frühzeitig zu erkennen (Bl. 112 d.A.). Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 StVG gilt ein Ereignis u.a. jedoch nur dann als unabwendbar, wenn der Fahrzeugführer jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet hat. Ein in diesem Sinne als "Idealfahrer” zu verstehender Fahrzeugführer durfte jedoch nicht von der Annahme ausgehen, dass er in der durch ihn nicht einsehbaren kurvenförmigen Ausfahrspur freie Fahrt haben werde. Ganz abgesehen davon, dass man nie eine Behinderung durch Fahrzeuge ausschließen kann, die wegen eines Unfalls, einer Panne oder aus sonstigen Gründen auf der Fahrbahn liegen bleiben, muss man auch an einer Autobahnausfahrt im morgendlichen Berufsverkehr mit der Möglichkeit eines Verkehrsrückstaus rechnen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass es immerhin dem dem Kläger folgenden Fahrer, dem Zeugen W., gelungen ist, die Gefahrenstelle ohne Schadensfolgen zu passieren - wenn auch nur mit Hilfe einer Vollbremsung und einer Ausweichlenkung nach links.

2. In diesem Zusammenhang dringt der Kläger auch nicht mit seinem Einwand durch, in Abweichung von der Beweiswürdigung des Landgerichts sei davon auszugehen, dass sich das Fahrzeug des Beklagten zu 1. im Moment seiner Annäherung in einer Fahrtbewegung befunden habe (Bl. 111 d.A.). Allein aus einer Einlassung des Beklagten zu 1., er habe in der Stillstandsposition am Fahrbahnrand die Fahrzeuge der erstinstanzlich vernommenen Zeugen sowie einen Lkw gesehen, kann entgegen der spekulativen Schlussfolgerung des Klägers nicht die Feststellung abgeleitet werden, dass sich bei seiner Annäherung der Ford Escort des Beklagten zu 1. eben noch in einer Vorwärtsbewegung befunden haben müsse (Bl. 111 d.A.). Alle Angaben des Beklagten zu 1. müssen unter dem Gesichtspunkt gewürdigt werden, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort bei der Staatsanwaltschaft Duisburg zu dem Aktenzeichen 185 Js 302/04 anhängig war.

Nachvollziehbar ist deshalb eine Unfallschilderung des Beklagten zu 1., welche die Annahme nahe legen soll, er habe das Fahrzeug seines Unfallgegners gar nicht erst wahr genommen.

IV.

Indes vermag der Senat nicht der Bewertung des Landgerichts zu folgen, dem Kläger sei ein erhebliches Mitverschulden an der Entstehung seines Unfallschadens im Umfang von 40 % aufgrund der Tatsache anzulasten, dass er in der Gefahrensituation eine Überreaktion gezeigt habe; hätte er die Bremskraft seines Fahrzeuges richtig dosiert und dessen Lenkrad etwas geringer eingeschlagen, hätte er seinen Wagen auf der Fahrbahn halten können (Bl. 6 UA; Bl. 81 d.A.). Diese Einschätzung des Unfallbeitrages des Klägers, derzufolge er seine Schäden - bis auf eine Differenz von 10 % - fasst zur Hälfte selbst tragen müsste, wird den Besonderheiten der Unfallsituation nicht in dem gebotenen Umfang gerecht. Ein dem Kläger anzulastendes Mitverschulden an der Entstehung des Schadensereignisses lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen.

1. a) Über die Annäherungsgeschwindigkeit des Klägers bei der Benutzung der Autobahnausfahrt ist nichts bekannt. Allein aus der Tatsache, dass er von der Fahrbahn abgekommen ist, lässt sich nicht im Wege des Anscheinsbeweises auf ein erhöhtes Ausgangstempo unter Missachtung des § 3 Abs. 1 StVO oder auf ein Aufmerksamkeits- oder Reaktionsverschulden im Sinne eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 StVO schließen.

b) Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in Verbindung mit dem als Urkundenbeweis zu verwertenden Inhalt der beigezogenen Strafakte 185 Js 302/04 StA Duisburg steht fest, dass der Kläger - ebenso wie die übrigen vernommenen Unfallzeugen - von dem Anblick des entgegen seiner Fahrtrichtung positionierten Pkw des Beklagten zu 1. völlig überrascht wurde und er in seiner Not zu einer Ausweichreaktion gezwungen wurde. Diese ist zwar - darin ist dem Landgericht beizupflichten - zu heftig ausgefallen mit der Folge, dass der Kläger von der Straße abgekommen ist. Die entscheidende Ursache für die Fehlreaktion des Klägers hat jedoch in schuldhafter Weise der Beklagte zu 1. gesetzt: Dieser hat auch im Falle seines Stillstandes im Moment der Annäherung des Klägers den Anschein einer Gegenverkehrssituation in einem Autobahnbereich hervorgerufen, auf welchem nicht mit Fahrzeugen in Gegenrichtung zu rechnen war. Da der Kläger zur Unfallzeit um 6.20 Uhr - nach der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige herrschte Dämmerung - in die Scheinwerfer des Pkw Ford Mondeo blickte, war das Fahrzeug nicht auf Anhieb als ein auf dem Standstreifen infolge einer Notsituation angehaltener Wagen zu erkennen, denn dazu hätte dieser mit seinen Rücklichtern in die Fahrtrichtung des Klägers zeigen müssen.

c) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass der Kläger von dem Anblick des Pkw des Beklagten zu 1. ebenso überrascht wurde wie die nachfolgenden Zeugen W. und T.. Ersterer war Fahrer eines Fahrzeuges, welches kurz nach dem Unfall des Klägers am Ort des Geschehens eintraf. Zur Vermeidung eines Zusammenstoßes mit dem Pkw Ford Escort sah sich der Zeuge W. zur Einleitung einer Vollbremsung gezwungen, im Zuge der sich das Antiblockiersystem einschaltete. Gleiches hat sein Beifahrer, der Zeuge T., berichtet. Dieser wurde in dem Moment auf das "in falscher Fahrtrichtung” stehende Fahrzeug des Beklagten zu 1. aufmerksam, als der Zeuge W. die Vollbremsung einleitete.

d) Aufschlussreich ist darüber hinaus die detaillierte Unfallschilderung, die der Zeuge T. für das bezeichnete Strafverfahren unter dem Datum des 20. Mai 2004 verfasst hat (Bl. 15/17 BeiA). Danach befand sich das Fahrzeug des Beklagten zu 1. "entgegengesetzt zur Fahrtrichtung rechts halb auf der Fahrbahn und halb auf dem Standstreifen und versuchte anscheinend zu wenden”. Die Standortangabe ("halb auf der Fahrbahn und halb auf dem Standstreifen”) entspricht der Darstellung des Beklagte in seiner Klageerwiderung (Bl. 25 d.A.). Nach der weiteren schriftlichen Schilderung des Zeugen T. hat es sein Fahrer, der Zeuge W., nur mit Mühe geschafft, ohne Kollisionsberührung den Standort des Pkw Ford Escort zu passieren ("wir kamen soeben daran vorbei”; Bl. 27 BeiA).

2. Zutreffend ist deshalb nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die Feststellung des Landgerichts, für den Kläger habe sich beim Eintreffen am Unfallort eine besonders gefährliche Situation ergeben: Wegen der falschen Richtung des Fahrzeuges musste der Kläger damit rechnen, dass der Beklagte zu 1. entweder als Gegenverkehr los fuhr oder ggfs. ein Wendemanöver einleiten werde, wie er es später tatsächlich auch durchgeführt hat. Der Kläger hat sich also herausgefordert gesehen - ebenso wie der später die Unfallstelle passierende Zeuge W. - durch ein Brems- und Ausweichmanöver einen möglichst großen Abstand zu dem Ford Escort herzustellen. Es hat sich um eine Augenblicksentscheidung gehandelt, in welcher sich der Kläger darüber klar werden musste, welche Reaktion zur Vermeidung eines Zusammenstoßes erforderlich war (Bl. 5, 6 UA; Bl. 80, 81 d.A.).

3. a) Dem Kläger darf aber in der plötzlichen Notsituation, mit der er konfrontiert war, keine schuldhafte Überreaktion aufgrund des Umstandes angelastet werden, dass er es nicht geschafft hat, sein Fahrzeug auf der Fahrbahn zu halten. Er musste in Sekundenschnelle eine Entscheidung über sein Fahrverhalten treffen. Die Tatsache, dass der Pkw des Beklagten zu 1. im engen Kurvenbereich bei ungünstigen Sichtverhältnissen halb in die durch den Kläger benutzte Fahrbahn hinein ragte, macht deutlich, dass dieser durch den richtigen Einsatz von Bremsung und Lenkung ein situationsadäquates Fahrgeschick zeigen musste. Auch dem Zeugen W. war es nur mit Mühe gelungen, einen Zusammenstoß "so eben” zu vermeiden.

b) Dem Kläger gereicht es deshalb nicht zwingend zum Vorwurf, dass es ihm nicht wie einem Idealfahrer gelungen ist, in der Notsituation sein Fahrzeug so beherrschen, dass er bei dem Versuch der Vorbeifahrt an dem hindernisbildenden Pkw des Beklagten zu 1. auf der Fahrbahn verblieb. Nach ständiger Rechtsprechung - auch des Senats - ist das falsche Reagieren eines Verkehrsteilnehmers dann kein Verschulden, wenn er in einer ohne sein Verschulden eingetretenen, für ihn nicht voraussehbaren Gefahrenlage keine Zeit zu ruhiger Überlegung hat und deshalb nicht das Richtige und Sachgerechte unternimmt, um den Unfall zu verhüten, sondern aus verständlicher Bestürzung objektiv falsch reagiert (BGH DAR 1976, 185 mit Hinweis auf BGH LM Nr. 2 zu § 286 ZPO und weiteren Rechtsprechungsnachweisen; so auch Senat, zuletzt im Urteil vom 13. September 2004 zu dem Aktenzeichen I-1 U 31/04).

2. a) Aus diesem Grund lässt sich der durch das Landgericht zu Lasten des Klägers festgesetzte Eigenhaftungsanteil von 40 % nicht aufrecht erhalten. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass dem Beklagten zu 1. ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 15 Satz 1 StVO anzulasten ist. Danach ist sofort Warnblinklicht einzuschalten, wenn ein mehrspuriges Fahrzeug an einer Stelle liegen bleibt, an der es nicht rechtzeitig als stehendes Hindernis erkannt werden kann.

b) Unstreitig hat der Beklagte zu 1., nachdem er mit seinem Fahrzeug im Ausfahrtbereich die Drehung vollzogen hatte, die Warnblinklichtanlage nicht eingeschaltet. Seinem Vorbringen in der Klageerwiderung gemäß war es ihm zunächst nicht möglich, sich zu bewegen, da er aufgrund einer Schocksituation wie "versteinert” gewesen sei (Bl. 25 d.A.). Dies ändert jedoch nichts daran, dass er wegen der erheblichen Gefährdungssituation, die von seinem umgedrehten Fahrzeug ausging, durch die Betätigung der Warnblinkanlage in der Dämmerung hätte auf sich aufmerksam machen müssen. Dann wäre für die ihm entgegen kommenden Verkehrsteilnehmer, u.a. auch für den Kläger, sofort zu erkennen gewesen, dass sie nicht mit einem "Geisterfahrer” oder mit einem Wendenden konfrontiert waren, sondern mit einem Fahrer, dessen Pkw aufgrund einer Notsituation zum Stillstand gekommen war.

c) Auch ein nach einem Unfall im Verkehrsraum stehendes Fahrzeug ist im Sinne des § 15 StVO liegengeblieben, selbst wenn sich später dessen Fahrfähigkeit herausstellt (BGH VersR 1977, 36). Selbst wenn der Beklagte wegen seiner körperlichen Verfassung zunächst nicht in der Lage gewesen sein sollte, sein Fahrzeug fortzubewegen, änderte dies nichts an der Einschlägigkeit des § 15 StVO. Denn ein Liegenblieben kann auch durch den Körperzustand des Fahrers bedingt sein (Hentschel a.a.O., § 15 StVO, Rdnr. 3).

V.

Bei der Abwägung aller unfallursächlichen Umstände nach § 17 StVG kann im Ergebnis deshalb zu Lasten des Klägers nur die von seinem Fahrzeug ausgegangene Betriebsgefahr anspruchsmindernd berücksichtigt werden. Demgegenüber steht das in mehrfacher Hinsicht schuldhafte Verhalten des Beklagten zu 1. bei der Entstehung der Unfallsituation. Dieses überwiegt indes nicht in einem solchen Ausmaß, dass die von dem klägerischen Fahrzeug ausgegangene Betriebsgefahr nicht mehr haftungsbegründend ins Gewicht fällt. Mutmaßlich infolge eines zu starken Lenkeinschlages nach dem Erkennen der Gefahrensituation hat der Kläger die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und ist von der Fahrbahn abgekommen. Bei der weiteren Bewegung seines Wagens durch die Grünanlagen sind ihm dann die klagegegenständlichen Sach- und Personenschäden entstanden. Durch das unkontrollierte Ausbrechen war die von dem klägerischen Fahrzeug ausgegangene Betriebsgefahr in einer Weise erhöht, dass diese mit einem Anteil von 20 % in Ansatz zu bringen ist.

VI.

Soweit das Rechtsmittel des Klägers - unabhängig von seinem Eigenhaftungsanteil - gegen die Kürzungen gerichtet ist, die das Landgericht in Bezug auf seine materiellen und immateriellen Schadenspositionen ausgesprochen hat, ist dieses nur im Hinblick auf sein Schmerzensgeldbegehren begründet. Im übrigen, also insbesondere in Bezug auf den Umfang des ersatzfähigen Fahrzeugschadens, bleiben seine Berufungsangriffe ohne Erfolg.

1. Zu Recht hat das Landgericht ausgeführt, dass der Kläger seinen Fahrzeugschaden nur auf der Grundlage einer Totalschadensabrechnung geltend machen kann und nicht fiktiv auf Gutachtenbasis. Daran ändert nichts der Umstand, dass er eine Teilinstandsetzung seines verunfallten Pkw Mercedes Benz hat vornehmen lassen. Wesentliche und sicherheitsrelevante Teile des Fahrzeuges sind von der Teilreparatur unberührt geblieben.

Der Inhalt des durch den Kläger eingeholten Schadensgutachtens des Sachverständigenbüros P. und J. GmbH vom 11. Mai 2004 ist unstreitig. Danach ist von dem Eintritt eines wirtschaftlichen Totalschadens auszugehen. Denn dem Wiederbeschaffungswert einschließlich Mehrwertsteuer (10.500 €) stehen Reparaturkosten einschließlich Mehrwertsteuer in Höhe von 11.350,08 € gegenüber (Bl. 7 d.A.). Damit übersteigt der Instanzsetzungsaufwand den Wiederbeschaffungswert um 8 % und der Schadensfall ist in die Gruppe der sogenannten "130 % Fälle” einzuordnen. Liegen die Reparaturkosten oberhalb des Wiederbeschaffungswertes, aber noch innerhalb der 130 %-Grenze, setzt die Ersatzfähigkeit des Instandsetzungsaufwandes, wie noch darzulegen sein wird, den Nachweis des Integritätsinteresses durch eine vollständige und fachgerechte Reparatur voraus. Diesen Nachweis erbringt der Kläger nicht.

a) Der gebotenen rechtlichen Einordnung seines Fahrzeugschadens kann sich der Kläger zunächst nicht dadurch entziehen, dass er anstelle des Bruttobetrages der Reparaturkosten nur den Nettoaufwand von 9.784,55 € seiner Klageforderung zugrunde legt. Denn bei einem nicht zum Vorsteuerabzug Berechtigten ist auf der Basis der Bruttobeträge zu prüfen, ob die Reparaturkosten - einschließlich eines hier im Gutachten nicht angegebenen Minderwertes - innerhalb der 130 %-Grenze liegen (herrschende Meinung; vgl. Huber NZV 2004, 105, 109; Eggert, Verkehrsrecht aktuell 2004, 116; Senat, Urteil vom 26. September 2005, Aktenzeichen I/1 U 30/05).

b) Verursacht bei mehreren zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten eine den geringeren Aufwand, ist der Geschädigte grundsätzlich auf diesen beschränkt. Nur der für diese Art der Schadensbeseitigung nötige Geldbetrag ist zur Herstellung im Sinne des § 249 BGB erforderlich (BGH NJW 2003, 2085 m.w.N.). Dieses sich aus § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ergebende Wirtschaftlichkeitsgebot gilt jedoch nicht absolut. Bedeutung kann insoweit insbesondere das Interesse des Geschädigten an der Instandsetzung unter Weiterbenutzung seines Fahrzeuges, also das Integritätsinteresse, gewinnen. Auch der Grundsatz der Dispositionsfreiheit des Geschädigten kann zu einer Korrektur einer allein an den Kosten ausgerichteten Schadensabrechnung Veranlassung geben.

c) Mangels einer vollständigen und fachgerechten Instandsetzung des Unfallfahrzeuges muss der Kläger hier nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot eine Abrechnung auf Totalschadensbasis hinnehmen. Dies hat zur Konsequenz, dass der Wiederbeschaffungswert um den durch den Kläger laut Gutachten zu erzielenden Restwert von 3.000 € zu kürzen ist. Der durch das Landgericht für den Wiederbeschaffungswert in Ansatz gebrachte Betrag von 10.500,00 € wird von den Parteien nicht in Zweifel gezogen. Dieser ist deshalb für die Schadensberechnung zugrunde zu legen, ohne dass es einer Überprüfung durch den Senat bedarf, ob der darin enthaltene Umsatzsteueranteil korrekt berücksichtigt ist. Erstattungsfähig ist im Ergebnis somit nur der sogenannte Wiederbeschaffungsaufwand in der durch das Landgericht berücksichtigten Höhe von 7.500,00 € (10.500,00 € - 3.000,00 €).

2. a) In Bezug auf die Notwendigkeit der Abrechnung des an seinem Pkw eingetretenen Sachschadens nach Totalschadensgrundsätzen verweist der Kläger ohne Erfolg auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29. April 2003 zu dem Aktenzeichen VI ZR 393/02 (veröffentlicht in NJW 2003, 2085). Zwar hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung offen gelassen, ob es für den sogenannten Integritätszuschlag auf die Qualität der Reparatur ankommt. Indessen hatte der Bundesgerichtshof die Qualitätsfrage nicht zu entscheiden, da im Ausgangsfall die Reparaturkosten einschließlich Mehrwertsteuer deutlich unter dem Wiederbeschaffungswert lagen (vgl. Eggert, Verkehrsrecht aktuell 2004, 115, 116).

b) Liegen - wie hier - die Reparaturaufwendungen oberhalb des Wiederbeschaffungswertes, aber noch innerhalb der 130 %-Grenze, ist nach der Rechtsprechung des Senats als Nachweis des Integritätsinteresses die vollständige und fachgerechte Reparatur erforderlich (zfs 2001, 111, 113; DAR 2001, 499, 501; so auch OLG Hamm - 9. Zivilsenat - zfs 1997, 371, 372; Eggert, DAR 2001, 20, 26; Müller SVR 2004, 201, 204). Zwischenzeitlich hat auch der Bundesgerichtshof entschieden, dass Ersatz von Reparaturaufwand bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges nur verlangt werden kann, wenn die Instandsetzung fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat (Urteil vom 15.02.2005, Az.: VI ZR 70/04, veröffentlicht in DAR 2005, 266).

c) An einem solchen Nachweis fehlt es im vorliegenden Fall.

Unstreitig hat der Kläger nur eine Teilreparatur im Umfang von 5.684 € einschließlich Mehrwertsteuer vornehmen lassen, über die sich die Kostenaufstellung der C. & S. GmbH in Verbindung mit der Reparaturbescheinigung des Sachverständigenbüros P. und J. vom 28. Mai 2004 verhält. Allein schon ein Vergleich mit den im Ursprungsgutachten vom 11. Mai 2004 ausgewiesenen Instandsetzungskosten von 11.350,08 € macht deutlich, dass die durch den Kläger veranlasste Instandsetzungsmaßnahme keine vollständige Schadensbeseitigung zum Gegenstand gehabt hat. Unstreitig sind von der Reparatur die Schäden an der hinteren Karosserie und am rechtsseitigen Aufbaubereich nicht betroffen. Ebenso wenig ist eine Erneuerung der beschädigten sicherheitsrelevanten Teile an der Vorderachse vorgenommen worden (Bl. 7 UA; Bl. 82 d.A.).

d) Aus diesen Gründen reicht die durch den Kläger veranlasste Teilreparatur nicht als Nachweis für sein Integritätsinteresse und es verbleibt im Ansatz bei dem durch das Landgericht berücksichtigten Schadensbetrag von 7.500 €.

3. a) Hinzuzurechnen sind die dem Kläger durch das Landgericht zuerkannten Sachverständigenkosten im Umfang von 755 € sowie 25 €.

b) Der ersatzfähige Nutzungsausfall beschränkt sich entsprechend der zutreffenden Darlegung im angefochtenen Urteil mit 70 € auf einen Ausfalltag (Bl. 7, 8 UA; Bl. 82, 83 d.A.). Das Berufungsvorbringen des Klägers enthält zu dieser Kürzung keine Ausführungen und lässt somit nicht erkennen, aus welchem Grund sie sachlich nicht richtig sein soll.

c) Rechnet man die mit 4 € berücksichtigungsfähigen Attestkosten hinzu, stellt sich die Summe der im Ausgang ersatzfähigen unfallbedingten Vermögenseinbußen des Klägers auf 8.354 €. Der ihm davon zustehende 80%ige Anteil ergibt den Zwischensaldo von 6.683,20 €.

4. Hinsichtlich seiner immateriellen Beeinträchtigungen führt der Kläger zu Recht aus, dass der ihm durch das Landgericht zuerkannte Schmerzensgeldanspruch von 500 € unter Berücksichtigung der nach § 253 Abs. 2 BGB zu berücksichtigenden Zumessungsfaktoren dem Ausmaß seiner Verletzungen und deren Folgen nicht ganz gerecht wird. Auf der Grundlage einer hypothetischen vollen Haftung der Beklagten für das Schadensereignis stellte sich das dem Kläger durch das Landgericht zuerkannte Schmerzensgeld auf den Gesamtbetrag von 833,33 €.

Als billige Geldentschädigung steht dem Kläger jedoch ein etwas höherer Gesamtbetrag, nämlich ein solcher in der geltend gemachten Höhe von 1.000 €, zu, welcher unter Berücksichtigung der auf ihn entfallenden Mithaftungsquote von 20 % zu reduzieren ist.

Unstreitig hat der Kläger unfallbedingt Verletzungen erlitten, die sich auf weite Teile der Wirbelsäule, nämlich auf den Brust- und Lendenbereich, erstreckten. Diese stellten sich als Stauchung und Zerrung dar. Ein derartiges Verletzungsbild ist erfahrungsgemäß, insbesondere was die Lendenwirbelsäule anbelangt, mit erheblichen Schmerzbeeinträchtigungen verbunden. Diese machen sich insbesondere bei Alltagsbelastungen, wenn auch mit abnehmender Tendenz, bemerkbar. Die dem Kläger attestierte Arbeitsunfähigkeit erfasste einen Zeitraum von einer Woche.

3. Im Ergebnis stellt sich somit der begründete Schmerzensgeldanspruch des Klägers auf den Betrag von 800 €. Addiert man diesen zu dem oben genannten Zwischensaldo (6.683,20 €) hinzu, errechnet sich der tenorierte Gesamtbetrag von 7.483,20 €.

VII.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Gegenstandswert für den Berufungsrechtszug beträgt 5.816,15 €. Die Beschwer der Parteien liegt jeweils unter 20.000 €. Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

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