Das Verkehrslexikon

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Kommt es infolge des Haftungsprivilegs für Kinder unter 10 Jahren zu einer Verschärfung der elterlichen Aufsichtspflicht?

Kommt es infolge des Haftungsprivilegs für Kinder unter 10 Jahren zu einer Verschärfung der elterlichen Aufsichtspflicht?




Siehe auch
Die Pflicht von Eltern und sonstigen Aufsichtspersonen zur Beaufsichtigung von Kindern und sonstigen Schutzbefohlenen
und
Die Haftungsprivilegierung von Kindern im Straßenverkehr

Ob die Änderung des Schadensrechts im Jahre 2002 und die dadurch eingeführte Haftungsprivilegierung für Kinder unter 10 Jahren eine Verschärfung der elterlichen Aufsichtspflichten zur Folge hat, ist umstritten.

Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass mit der Privilegierung gleichzeitig erhöhte Anforderungen an die Aufsichtspflicht gestellt werden könne und müssen (vgl. insoweit Scheffen DAR 1991, 121 ff., der vorschlägt, dass Eltern für bis zu 10-jährigen Kinder ohne Exkulpationsmöglichkeit haften sollten). Schmarsli PVR 2002, 355 ist der Auffassung, dass der Gesetzgeber mit der Gesetzesänderung eine Haftungsverlagerung auf die Eltern geschaffen habe; es sei daher immer eine Aufsichtspflichtverletzung, wenn Eltern ihre Kinder zwischen sieben und zehn Jahren ohne Kenntnis der gängigen Verkehrsregeln am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen lassen.


Ein Argument für eine vom Gesetzgeber vorzunehmende Aufsichtsverschärfung ist, dass dadurch die Rechte des geschädigten Dritten umfassender geschützt werden würden, da dieser den durch ein Kind verursachten Schaden nicht entschädigungslos als sein allgemeines Lebensrisiko hinnehmen müsste.

Steffen VersR 1998, 14469 ff. und Huber in Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/C.Huber, Das Neue Schuldrecht, 2002, Kap. 16, Rdnr. 80 meinen gleichfalls, dass im Gefolge einer Änderung des Haftungsumfangs bei Kindern die Eltern ein Stück weit in die entstehende Haftungsbresche springen müssten.

Von vielen wird allerdings jeglicher verändernder Einfluss der Schuldrechtsreform auf den Umfang der elterlichen Aufsichtspflichten in Abrede gestellt. Durch die gesetzgeberische Entscheidung, die Deliktsunfähigkeit von Kindern im motorisierten Straßenverkehr auszudehnen, sei eher eine Verlagerung des Schadensrisikos auf die Allgemeinheit erfolgt; einen Schaden durch ein Kind unter 10 Jahren zu erleiden, sei Teil des jedem auferlegten - durch freiwillige Versicherung auf eigene Kosten zu begrenzenden - allgemeinen Lebensrisikos (vgl. hierzu sehr ausführlich Bernau NZV 2005, 234 ff. mit vielen weiteren Nachweisen).




Bernau NZV 2005, 234 (238) führt insoweit aus:

   "Gegen eine Aufsichtsverschärfung ist einzuwenden, dass dadurch die entwicklungsbedingten Defizite des Kindes im motorisierten Straßenverkehr, welche seine haftungsrechtliche Privilegierung rechtfertigen, nicht ausgeglichen werden können. Zudem wird durch eine Ausdehnung der elterlichen Aufsicht der erforderliche Freiraum des Kindes eingeengt. Letztlich gehört ein von einem Kind verursachter Verkehrsunfall zum – selbst versicherbaren – allgemeinen Lebensrisiko eines jeden Verkehrsteilnehmers (...). Des Weiteren stehen einer elterlichen Haftungsverschärfung die Tatbestandsvoraussetzungen und der Normzweck des § 832 1 BGB (...), der bisherige Ansatz der Rechtsprechung zur Beurteilung der Aufsichtssituation in § 832 1 BGB (...), das in § 1626 II BGB normierte Erziehungsleitbild (...) sowie der gesetzgeberische Wille zu § 828 II BGB (...) entgegen.

Die Haftungsprivilegierung des Kindes in § 828 11 BGB hat keine Auswirkungen auf die Aufsichtshaftung der Eltern aus § 832 1 BGB."

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