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OLG Köln Urteil vom 24.10.2005 - 16 U 24/05 - Keine Anwendung des Reißiverschlussverfahrens bei Stau beim Einfahren in die Autobahn

OLG Köln v. 24.10.2005: Keine Anwendung des Reißiverschlussverfahrens bei Stau beim Einfahren in die Autobahn

Siehe auch
Das Reißverschlussverfahren - Einordnen bei Wegfall eines Fahrstreifens
und
Stichwörter zum Thema Autobahn



Das OLG Köln (Urteil vom 24.10.2005 - 16 U 24/05) hat entschieden, dass das Reißverschlussverfahren keineswegs auf das Einfahren auf eine Autobahn anzuwenden ist, und zwar auch nicht, wenn auf der Hauptfahrbahn langsamer Verkehr oder Stau herrscht:

   Auch bei Stau oder langsamen Autobahnverkehr ist für das Wechseln vom Beschleunigungsfahrstreifen auf die Hauptfahrbahn das Reißverschlussverfahren nicht anwendbar; die Benutzer der Hauptfahrbahn haben das Vorrecht.

Zum Sachverhalt:


Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 31.10.2002 auf der BAB 3 in L im Bereich der Auffahrt L-N in Fahrtrichtung Frankfurt. Der Kläger befuhr mit seinem PKW die Beschleunigungsspur der Autobahnauffahrt. Als er versuchte, sich bei zähfließendem Verkehr auf der rechten Fahrbahn vor dem vom Beklagten zu 1) gefahrenen LKW einzuordnen, kam es zum Zusammenstoß beider Fahrzeuge. Dabei wurde der PKW des Klägers an der linken hinteren Seite beschädigt.

Der Kläger begehrt von den Bekl. Schadensersatz. Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger den gegen ihn als Wartepflichtigen sprechenden Anscheinsbeweis nicht entkräftet habe. Auf das Reißverschlussverfahren könne er sich nicht berufen; vielmehr habe er den Zusammenstoß durch das Einfahren in eine zu enge Lücke allein verursacht.

Die Berufung des Kl. blieb erfolglos.





Aus den Entscheidungsgründen:


"... Der Kläger beruft sich zu Unrecht darauf, dass der Beklagte zu 1) nach dem Reißverschlussverfahren verpflichtet gewesen sei, ihn von der Beschleunigungsspur auf die rechte Fahrbahn der Autobahn einfädeln zu lassen. Dabei kann offen bleiben, ob der Kläger sich unmittelbar vor dem Zusammenstoß bereits am Ende des Beschleunigungsstreifens befand oder erst in deren Mitte, wie die von ihm selbst gefertigte Skizze nahelegt, die das Amtsgericht seiner Entscheidung mit zugrunde gelegt hat. Auch im ersten Fall kann er sich auf ein Vorfahrtsrecht nämlich nicht berufen.

Das sog. Reißverschlussverfahren ist in § 7 Abs. 4 StVO geregelt. Es schreibt vor, dass bei einer Fahrbahn mit mehreren Fahrstreifen, von denen einer endet oder aus sonstigen Gründen nicht durchgehend befahren werden kann, den am Weiterfahren gehinderten Fahrzeugen der Übergang auf den benachbarten Fahrstreifen in der Weise zu ermöglichen ist, dass sich diese unmittelbar vor dem Beginn der Verengung jeweils im Wechsel nach einem auf dem durchgehenden Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug einordnen können. Es gilt zwingend, sobald der Abstand der auf mehreren Fahrstreifen ankommenden Fahrzeuge kein Einordnen mit ausreichendem Abstand mehr zulässt (Hentschel, Straßenverkehrsrecht 38. Auflage 2005, § 7 StVO Rdn. 20). Aber auch beim Reißverschlussverfahren gilt der Vorrang desjenigen, der den weiterführenden Fahrstreifen benutzt (KG VRS 1968, 339). Er darf aber nicht erzwungen werden.



Das Reißverschlussverfahren findet allerdings keine Anwendung auf dem Beschleunigungsstreifen der Autobahn. Hier gilt vielmehr § 18 Abs. 3 StVO. Nach dieser Vorschrift hat auf Autobahnen und Kraftfahrstrassen der Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn - dazu gehören die Beschleunigungsstreifen nicht - Vorfahrt (BGH NJW 1986, 1044). Auf die Beachtung dieser Regelung darf der Benutzer der durchgehenden Fahrbahn auch vertrauen. Der einfahrende Verkehr ist wartepflichtig und darf nur so einfahren, dass er den durchgehenden Verkehr nicht gefährdet oder behindert. Alle Einfahrenden müssen sich mit größter Sorgfalt eingliedern (OLG Köln VM 1998, 87; Hentschel § 18 StVO Rdn. 17). Wenn es in dieser Situation zu einem Zusammenstoß zwischen einem die durchgehende Fahrbahn benutzenden Kraftfahrzeug und einem einfädelnden Verkehrsteilnehmer kommt, spricht - wie bereits das Amtsgericht richtig festgestellt hat - für das Verschulden des Einfädelnden der Beweis des ersten Anscheins.

Diesen Anscheinsbeweis hat der Kläger auch unter Berücksichtigung seines zweitinstanzlichen Sachvortrages und des Ergebnisses der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme nicht entkräftet. Seine Behauptung, dass zwischen dem LKW des Beklagten zu 1) und dem vorausfahrenden Fahrzeug ein für das Einfahren genügend großer Abstand bestanden habe und dass der Unfall nur dadurch zustande gekommen sei, dass der Beklagte zu 1) seinen LKW vorsätzlich oder fahrlässig beschleunigt habe, ist nicht bewiesen. Für sie spricht nur die vom Kläger selbst im Rahmen seiner Anhörung (§ 141 ZPO) abgegebene Unfalldarstellung, der jedoch der anderslautende und gegenüber dem Vorbringen des Klägers in sich nicht weniger plausible Sachvortrag der Beklagten in beiden Instanzen entgegensteht. Auch unter Berücksichtigung der Aussage des vom Kläger benannten Zeugen T ergibt sich nichts anderes. Der Zeuge hat im Rahmen seiner Bekundung den Sachvortrag des Klägers in den entscheidenden Punkten nämlich nicht bestätigt, sondern bekundet, weder zur Länge der zwischen beiden LKW bestehenden Lücke noch zum Fahrverhalten des Beklagten zu 1) Genaues sagen zu können, da er den LKW des Beklagten zu 1) vor dem Unfall nicht gesehen habe. Seiner Aussage kann daher auch nicht entnommen werden, dass der Beklagte zu 1) seinen LKW unmittelbar vor dem Unfall beschleunigt hat. ..."

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