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Verwaltungsgericht Schleswig Beschluss vom 17.10.2005 - 3 B 19405 - Für die Anerkennung der Teilnahme an einem Aufbauseminar bzw. einer verkehrspsychologischen Beratung mit Punkteabzug ist der Zeitpunkt der Rechtskraft maßgeblich

VG Schleswig v. 17.10.2005: Für die Anerkennung der Teilnahme an einem Aufbauseminar bzw. einer verkehrspsychologischen Beratung mit Punkteabzug ist der Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung maßgeblich




Das Verwaltungsgericht Schleswig (Beschluss vom 17.10.2005 - 3 B 19405) hat entschieden:

   Für die Anerkennung der Teilnahme an einem Aufbauseminar bzw. einer verkehrspsychologischen Beratung mit Punkteabzug ist der Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung maßgeblich.

Siehe auch
Das Fahreignungs-Bewertungssystem - neues Punktsystem
und
Stichwörter zum Thema Fahrerlaubnis und Führerschein

Zum Sachverhalt:


Der Antragsteller hatte in der Zeit vom 12.05. bis 26.05.2005 an einer verkehrspsychologischen Beratung teilgenommen und unter Vorlage dieser Bescheinigung beantragt, so gestellt zu werden, als weise sein Konto 2 Punkte weniger auf.

Zeitlich nach der Teilnahme an der verkehrspsychologischen Beratung, nämlich am 28.06.2005. wurde eine weitere Bußgeldentscheidung rechtskräftig, die auf einer Tatzeit vom 06.12.2004 beruhte.

Deshalb hat die Führerscheinstelle dem Antragsteller mitgeteilt, dass die Vorlage der Bescheinigung über die Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung ins Leere gehe, weil es bezüglich der am 28.06.2005 rechtskräftig gewordenen Entscheidung auf das Tatzeitprinzip ankomme. Sein Register weise des-halb nunmehr 1 S Punkte auf. Die Fahrerlaubnis wurde dem Antragsteller daraufhin durch Bescheid vom 31.08.2005 entzogen. Zugleich wurde die sofortige Vollziehung des Bescheides angeordnet.

Gegen die Entscheidung wurde Widerspruch erhoben und zugleich beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Führerscheinstelle vom 31.08.2005 anzuordnen. Das Gericht gab dem Antrag statt.




Aus den Entscheidungsgründen:

"... Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist hier § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG. Danach gilt ein Betr. als ungeeignet zum Führen von Kfz, wenn sich 18 oder mehr Punkte ergeben. Die Fahrerlaubnisbehörde hat in diesen Fällen die Fahrerlaubnis zu entziehen. Im vorliegenden Fall wies das Punktekonto des Antragstellers jedoch zum Zeitpunkt der Entziehungsverfügung objektiv lediglich einen Stand von 16 Punkten auf.

Dies ergibt sich aus der Vorschrift des § 4 Abs. 4 Satz 2 StVG. Demgemäß werden zwei Punkte abgezogen, wenn der Betr. nach der Teilnahme an einem Aufbauseminar und nach Erreichen von 14 Punkten, aber vor Erreichen von 18 Punkten, an einer verkehrspsychologischen Beratung teilgenommen hat und er hierüber der Fahrerlaubnisbehörde innerhalb von drei Monaten nach Beendigung eine Bescheinigung vorgelegt hat. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Punkte werden in dem genannten Sinne nämlich erst "erreicht" i.S.d. § 4 Abs. 4 Satz 2 StVG oder "ergeben sich" i. S. d. § 4 Abs. 3 Satz 1 StVG mit Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die Straftat oder OWi (so genanntes Rechtskraftprinzip). Vorliegend datiert die Teilnahmebescheinigung vom 26.05. 2005, die auch objektiv rechtzeitig der Fahrerlaubnisbehörde vorgelegt wurde. Dass diese Teilnahmebescheinigung innerhalb der Behörde nicht ordnungsgemäß und unverzüglich dem Antragsteller zugeordnet wurde, ist diesem nicht zuzurechnen. Die letzte Entscheidung ist aber erst am 28.06.2005 rechtskräftig geworden. Nach der Rspr. des Gerichts (vgl. hierzu grundlegend Beschluss der Kammer vom 30.05. 2005. Az.: 3 B 861/05) ist demgegenüber nicht - wie dies der Antragsgegner tut - auf den Tattag der letzten begangenen Verfehlung, hier also den 06.12.2004, abzustellen. Das Gericht hat in dem genannten Beschluss hierzu unter anderem Folgendes ausgeführt:
"Während einige Gerichte das Rechtskraftprinzip bereits aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 StVG entnehmen wollen (VG Halle (Saale) vom 15. 4. 2004, Az. 1 B 31/04; OVG Lüneburg, NJW' 2003, 1472). weist das OVG Weimar in dem zitierten Beschluss zu Recht daraufhin, dass die Begriffe ergeben sich" in § 4 Abs. 3 Satz 1 und "erreicht" in § 4 Abs. 4 Satz 1 StVG keinen eindeutigen Schluss auf den maßgeblichen Zeitpunkt ermöglichen.


Der Wille des Gesetzgebers, bei der Auslegung des § 4 StVG auf den Zeitpunkt der Rechtskraft abzustellen, lässt sich jedoch aus der Systematik der entsprechenden Regelungen im StVG ableiten. Insbesondere aus der Tatsache, dass in den §§ 2a Abs. 2 Satz 1 und 65 Abs. 4 StVG ausdrücklich auf den Zeitpunkt abgestellt wird zu dem eine Straftat oder OWi begangen wurde, lässt sich schließen, dass der Gesetzgeber diesen Sonderfall des Abstellens auf den Tattag jeweils ausdrücklich regeln wollte, während das Abstellen auf den Zeitpunkt der Rechtskraft den Normalfall darstellt, der keiner ausdrücklichen Regelung bedurfte. Soweit das OVG Weimar die historische Auslegung heranzieht und darauf hinweist, dass nach früherer Rechtslage der Tag der Begehung der Tat zum Ausgangspunkt der Berechnung der Frist gemacht wurde, innerhalb der das Erreichen von 18 Punkten zur Fahrerlaubnisentziehung führte (§ 3 Nr. 3 und 4 Vwv. zu 15 b StVO a. F.), lässt sich dieser Umstand ebenfalls eher als Beleg dafür ansehen, dass der Gesetzgeber bewusst darauf verzichtet hat, bei der Neuregelung auf den Tag der Tatbegehung abzustellen.

Die Anwendung des Rechtskraftprinzips ist aber auch aus Gesichtspunkten der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit notwendig. Während dem Betr. zum Zeitpunkt der Rechtskraft der behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung bewusst ist, dass sein Vergehen entsprechend geahndet und Punkte im Verkehrszentralregister nach sich ziehen wird, kann er die tatsächlichen Folgen seines Vergehens zum Zeitpunkt der Tatbegehung in keiner Weise absehen.

Soweit das OVG Thüringen darauf hinweist, den im Gesetz angelegten Unsicherheiten könne dadurch begegnet werden, dass bei der jeweiligen Anhörung zu den entsprechenden Maßnahmen erfragt werden könne, ob noch weitere Taten begangen wurden, würde dies bedeuten, dass der Betr., um selbst Rechtsklarheit erlangen zu können, sich unter Umständen selbst belasten müsste, ohne zu wissen, ob sein Verhalten überhaupt der Verwaltungsbehörde bisher zur Kenntnis gelangt war. Dies würde, außer dass es lebensfremd ist anzunehmen, dass ein Verkehrssünder bei einer solchen Anhörung sämtliche ihm erinnerlichen Übertretungen von straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften der Behörde mitteilen würde, dem Grundsatz des "nemo tenetur", nach welchem sich niemand einer Tat selbst bezichtigen muss, widersprechen. Schließlich ist dem Argument des OVG Thüringen, der Betr. könne bei Anwendung des Rechtskraftprinzips die Rechtskraft taktisch hinauszögern, um bis zum Eintritt der Rechtskraft noch eine Punktereduzierung zu erlangen, entgegenzuhalten, dass es zum einen in unserem Rechtssystem angelegt ist, wenn sich Betr. durch Inanspruchnahme der ihnen zugebilligten Rechte auch Vorteile verschaffen können, und dass zum anderen in den Genuss einer solchen taktischen Vorgehensweise ohnehin nur diejenigen Betr. kommen können, deren in Frage stehende OWi oder Straftat vor der erstmaligen Teilnahme an einem Aufbauseminar für Punkteauffällige oder einer verkehrspsychologischen Beratung lag. Im Hinblick darauf, dass ohnehin die Hoffnung besteht, dass sich diese im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen positiv auf das Fahrverhalten von Punkteauffälligen auswirken, ist der gewisse Nachteil, den das Ermöglichen einer solchen taktischen Vorgehensweise mit sich bringt, zugunsten der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit hinzunehmen."

Dieser Beschluss wurde vom OVG Schleswig DAR 2006, 174 f. (Beschluss vom 06.12.2005 - 4 MB 107/05) bestätigt.

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