OVG Bremen Beschluss vom 14.08.2007 - 1 B 302/07 - Zur Annahme gelegentlichen Cannabiskonsums
OVG Bremen v. 14.08.2007: Zur Annahme gelegentlichen Cannabiskonsums
Das OVG Bremen (Beschluss vom 14.08.2007 - 1 B 302/07) hat entschieden:
Gelegentlicher, also mindestens zweimaliger Gebrauch von Cannabis liegt auch dann vor, wenn der erste Konsum drei Jahre zurückliegt und dem Betroffenen danach eine neunmonatige Abstinenz bescheinigt wurde, bevor sodann der Zweitkonsum stattfand.
"... Die Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis wieder herzustellen, zu Recht abgelehnt. Das Vorbringen des Antragstellers zur Begründung seiner Beschwerde, auf dessen Überprüfung das Oberverwaltungsgericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt keine Änderung der angefochtenen Entscheidung.
1. Das Verwaltungsgericht hat den Antragsteller zu Recht als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen. Nach Ziff. 9.2.2. der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung (FeV) fehlt einem Kraftfahrer die Eignung, wenn er gelegentlich Cannabis zu sich nimmt und Konsum und Fahren nicht voneinander getrennt werden. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
a) Der Antragsteller nimmt “gelegentlich” Cannabis zu sich.
In der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte ist streitig, ob gelegentlicher Konsum schon dann vorliegt, wenn ein einmaliger Konsum dieser Droge festgestellt worden ist (so OVG Hamburg, zuletzt Beschl. v. 15.12.2005 – 3 Bs 214/05 –, NJW 2006, 1367), oder ob mindestens zweimal Cannabis in voneinander unabhängigen Konsumakten eingenommen worden sein muss (so in stRspr Bayerischer VGH, Beschl. v. 25.01.2006 – 11 CS 05.1453 – Blutalkohol 2006, 422; zuletzt Beschl. v. 12.03.2007 – 11 CS 06.1525 – ; ebenso VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 20.09.2003 – 10 S 1294/03 – DöV 2004 = Blutalkohol 2004, 185, 129; OVG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 13.12.2004 – 4 B 206/04 – Blutalkohol 2006, 161; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 19.12.2006 – 1 M 142/06 – ). Der Senat hat zu dieser Streitfrage bisher nicht Stellung nehmen brauchen. Sie kann auch in diesem Verfahren offen bleiben, denn der Antragsteller hat unstreitig mindestens zweimal Cannabis konsumiert.
Das gilt unabhängig davon, ob der Antragsteller lediglich am späten Abend des 06.11.2006 oder auch noch einmal erneut am frühen Morgen des 07.11.2006 Cannabis zu sich genommen hat. Zwar muss hier angesichts der festgestellten Werte davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller nicht nur, wie er eingeräumt hat, am Abend des 06.11.2006 mehrere Zigaretten mit Cannabis geraucht, sondern auch noch am frühen Morgen Cannabis konsumiert hat. Zugunsten des Antragstellers mag aber unterstellt werden, dass es sich bei der Einnahme von Cannabis am frühen Morgen nicht um einen erneuten, von dem Rauchen am Abend losgelösten selbständigen Vorgang, sondern um den unselbständigen Teil eines einheitlichen Konsumvorgangs während einer Nacht gehandelt hat (vgl. zu dieser Abgrenzung Bayerischer VGH, Beschl. v. 09.10.2006 – 11 CS 05.2819 – ).
Auch ein solcher einheitlicher Konsumvorgang am 06./07.11.20006 kann aber nicht als einmaliges Ereignis betrachtet werden. Beim Antragsteller war nämlich bereits zuvor am 02.06.2003 Cannabiskonsum festgestellt worden. Dass dieser Konsum längere Zeit zurücklag und dem Antragsteller im April 2004 durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten bescheinigt wurde, sich seit mindestens neun Monaten abstinent verhalten zu haben, steht seiner Berücksichtigung nicht entgegen. Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob diese Abstinenz tatsächlich vorgelegen hat (vgl. in diesem Zusammenhang auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 21.02.2007 – 10 S 2302/06 –, Blutalkohol 2007, 190). Es reicht aus, dass sie nicht angedauert hat. Der frühere Cannabisgebrauch schließt die Annahme aus, es habe sich am 06./07.11.2006 um ein “einmaliges Probierverhalten” (vgl. zu diesem Kriterium Bayerischer VGH, Beschl. v. 25.01.2006, a.a.O.) gehandelt, dessen Wiederholung nicht zu erwarten sei. Das gilt umso mehr, als der Antragsteller nach seinen eigenen Angaben gegenüber dem Gutachter früher über einen mehrjährigen Zeitraum täglich Cannabis zu sich nahm.
b) Der Antragsteller kann Konsum und Fahren nicht voneinander trennen.
An einer solchen Trennung fehlt es immer dann, wenn der Kraftfahrer objektiv unter dem Einfluss einer Cannabiskonzentration am Straßenverkehr teilgenommen hat, bei der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen davon ausgegangen werden muss, dass sich das Risiko von Beeinträchtigungen, die negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit haben, signifikant erhöht hat. Ob diese Schwelle schon überschritten ist, wenn eine THC-Konzentration von 1,0 ng/ml festgestellt wird (so VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 15.11.2004 – 10 S 2194/04, Blutalkohol 2005, 187; Beschl. v. 27.03.2006 – 10 S 2519/05 –, NJW 2006, 2135 = Blutalkohol 2006, 412), oder ob nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand eine Wirkstoffkonzentration von mehr als 2,0 ng/ml vorliegen muss (so Bayerischer VGH, vgl. insbes. Beschl. v. 11.11.2004 – 11 CS 04.2348 – Blutalkohol 2006, 414 und Beschl. v. 25.01.2006 – 11 CS 05.1711 – Blutalkohol 2006, 416; zuletzt Beschl. v. 04.06.2007 – 11 CS 06.2806 –; e-benso OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 19.12.2006, a.a.O.), kann hier offen bleiben, denn die beim Antragsteller zuletzt festgestellte Konzentration lag mit 5,0 ng/ml erheblich über beiden Werten. Bei dem ersten Vorfall am 02.06.2003 hatte der Antragsteller mit einer Wirkstoffkonzentration von 20 ng/ml THC am Straßenverkehr teilgenommen. Beide Vorfälle widerlegen die Behauptung der Beschwerde, der Antragsteller sei “zu keinem Zeitpunkt” selbst gefahren, sondern habe sich “jedes Mal” von seinen Eltern abholen lassen, wenn er zu einer Party gegangen sei, wo Cannabis konsumiert worden sei.
2. Aufgrund der beschriebenen Vorkommnisse steht zweifelsfrei fest, dass der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Gemäß § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV istihm daher die Fahrerlaubnis zu entziehen. Eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, wie es die Beschwerde verlangt, bedarf es dazu nicht.
3. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist auch nicht deshalb geboten, weil der Antragsteller aus beruflichen Gründen auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen ist. Zwar kommt dem Interesse des Antragstellers, weiterhin ein Kraftfahrzeug nutzen zu können, erhebliches Gewicht zu; gleichwohl hat es im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen Abwägung hinter dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs zurückzustehen. ..."