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Verwaltungsgericht Schleswig Beschluss v. 25.02.2008 - 3 B 20/08 - Entziehung der Fahrerlaubnis bei einer THC-Konzentration von 2,74 ng/ml ohne MPU

VG Schleswig v. 25.02.2008: Entziehung der Fahrerlaubnis bei einer THC-Konzentration von 2,74 ng/ml ohne MPU




Das Verwaltungsgericht Schleswig (Beschluss vom 25.02.2008 - 3 B 20/08) hat entschieden:

   Die Entziehung der Fahrerlaubnis ohne vorherige MPU-Anordnung ist rechtmäßig, wenn sich aus dem Blutgehalt von Abbaustoffen sowohl die Tatsache des gelegentlichen Konsums wie auch das fehlende Trennvermögen ergibt. Dies ist bei einer THC-Konzentration von 2,74 ng/ml der Fall.

Siehe auch
Der aktive THC-Wert als Nachweis von gelegentlichem Cannabiskonsum
und
Stichwörter zum Thema Cannabis

Aus den Entscheidungsgründen:


"... Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die von dem Antragsgegner mit Bescheid vom 07.02,2008 verfügte, mit Anordnung der sofortigen Vollziehung versehene Entziehung der Fahrerlaubnis.

Der nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässige Antrag ist unbegründet. Die nach dieser Vorschrift gebotene Interessenabwägung zwischen dem privaten Aufschubinteresse des Antragstellers einerseits und dem öffentlichen Vollziehungsinteresse des Antragsgegners andererseits geht zu Lasten des Antragstellers aus. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden, summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist der streitgegenständliche Bescheid offensichtlich rechtmäßig. Bei dieser Sachlage überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides gegenüber dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV. Erweist sich nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, so hat ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen. Dies gilt gemäß § 43 Abs, 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel der Anlege 4 zur FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen worden ist und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Nach Nr. 9.2.1 in Verbindung mit Vorbemerkung Nr. 3 der Anlage 4 zur FeV wird ein Kraftfahrer, der regelmäßig Cannabis einnimmt, im Regelfall als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen sein. Ferner gilt nach Nr. 9.2.2 in Verbindung mit Vorbemerkung Nr. 3 der Anlage 4 zur FeV, dass ein Kraftfahrer auch dann, wenn er gelegentlich Cannabis einnimmt, im Regelfall als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist. wenn keine Trennung zwischen Konsum und Fahren erfolgt oder wenn zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen oder eine Störung der Persönlichkeit oder ein Kontrollverlust vorliegen.




Vorliegend ist von einer Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen in Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV auszugehen. Aus dem eingeholten chemisch-toxikologischen Gutachten vom 10.012008 ergibt sich, dass der Antragsteller nicht über das nach Nr. 9.2.2. der Anlage 4 zur FeV erforderliche Trennungsvermögen zwischen dem Konsum von Cannabis einerseits und der Teilnahme am Straßenverkehr andererseits verfügt. Die im Gutachten festgestellte THC-Konzentration von 2,74 ng/ml spricht dafür, dass der Antragsteller nur wenige Stunden vor der Überprüfung durch die Polizei noch Cannabis konsumiert hat. Die Kammer geht davon aus, dass ab einem gemessenen THC-Wert von 1,0 ng/ml im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges dies als ein Beleg für eine mangelnde Trennungsfähigkeit im Sinne der Nr, 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV angesehen werden kann.

   (OVG Schleswig, Beschluss vom 09.05.2005-4 MB 43/05; so auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.11.2004 -1C S 2194/04 = ZfS 2005. 155; OVG Lüneburg, Beschluss vom 11.07.2003 - 12 ME 287/03 = NVwZ-RR 2003, 899 ff.).

Der Antragsteller ist auch als gelegentlicher Konsument von Cannabis im Sinne von Nr, 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV einzustufen. Dafür spricht bereits seine Einlassung im vorliegenden Antragsverfahren, worin er die gelegentliche Einnahme nicht in Abrede stellt. Zudem ist es sehr unwahrscheinlich, dass ein Fahrerlaubnisinhaber das erste Mal Cannabis konsumiert, anschließend ein Fahrzeug im Straßenverkehr führt und sogleich in eine Verkehrskontrolle gerät, bei der der Rauschmittelkonsum festgestellt wird. Daher ist es Sache des Fahrerlaubnisinhabers, durch substantiellen Vortrag, der glaubhaft zu machen ist, das Gericht davon zu überzeugen, dass er den oben beschriebenen Ausnahmefall dar stellt. Daran fehlt es hier aber.

Die rechtliche Bewertung des Antragstellers, dass § 14 Abs, 1 Satz 4 FeV für den vorliegenden Fall eine Sonderregelung treffe, wonach die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden könne und der Antragsgegner das ihm eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt habe, teilt die erkennende Einzelrichterin nicht. Die Vorschrift greift nur ein, wenn Zweifel über die Trennungsfähigkeit zwischen Konsum und Fahren bestehen. Diese Zweifel bestanden nicht; vielmehr steht nach obigen Ausführungen die fehlende Trennungsfähigkeit fest, weil der Antragsteller unter dem Einfluss von Cannabis ein Fahrzeug geführt hat.



Schließlich begegnet die in dem angegriffenen Bescheid angeordnete sofortige Vollziehung keinen durchgreifenden Bedenken. Zweck des Begründungserfordernisses des § 80 Abs, 3 S. 1 VwGO ist es, die Behörde zu einer sorgfältigen Prüfung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts anzuhalten. Außerdem sollen den Betroffenen die für die Sofortvollzugsanordnung maßgeblichen Gründe zur Kenntnis gebracht werden. Allerdings kann sich die Behörde auf die den Verwaltungsakt selbst tragenden Erwägungen stützen, wenn die den Erlass des Verwaltungsaktes rechtfertigen den Gründe zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung belegen. Unter dem Aspekt der Gefahrenabwehr wird dies angesichts der hohen Bedeutung der Sicherheit des Straßenverkehrs bei Fahrerlaubnisentziehungen regelmäßig der Fall sein. Die speziell in Bezug auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides gegebene Begründung kann deshalb knapp gehalten werden (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.6.2002 – 10 S 985/02 –: NVZ 2002. 580).

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist die von dem Antragsgegner verfügte Sofortvollzugsanordnung und deren Begründung rechtlich nicht zu beanstanden. Die Begründung der Anordnung lässt erkennen, dass die Behörde die Anordnung der sofortigen Vollziehung einzelfallbezogen geprüft und eine Interessenabwägung vorgenommen hat. Auf die wesentlichen Gesichtspunkte für die Anordnung des Sofortvollzuges, insbesondere den Ausschluss der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, wird hingewiesen. Dies reicht für die Begründung der Sofortvollzugsanordnung aus. ..."

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