Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

VGH München Beschluss vom 03.09.2002 - 11 CS 02.1082 - Von einem regelmäßigen oder gewohnheitsmäßigen Cannabiskonsum ist nur dann auszugehen, wenn täglicher oder zumindest nahezu täglicher Konsum vorliegt

VGH München v. 03.09.2002: Von einem regelmäßigen oder gewohnheitsmäßigen Cannabiskonsum ist nur dann auszugehen, wenn täglicher oder zumindest nahezu täglicher Konsum vorliegt




Der VGH München (Beschluss vom 03.09.2002 - 11 CS 02.1082) hat entschieden:

  1.  Als "regelmäßige Einnahme von Cannabis" iSd FeV Anlage 4 Nr 9.2.1 kann im Hinblick auf die sich daraus ergebende Fahrungeeignetheit nur ein Cannabiskonsum verstanden werden, der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen tatsächlich bereits als solcher und ohne das Hinzutreten weiterer fahreignungsrelevanter Umstände die Fahrungeeignetheit des Konsumenten zur Folge hat.

  2.  Von einem regelmäßigen oder gewohnheitsmäßigen Cannabiskonsum wird aber nur dann gesprochen werden können, wenn täglicher oder zumindest nahezu täglicher Konsum vorliegt.

  3.  Nach den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen sind die fahreignungsrelevanten Veränderungen des Leistungsvermögens und der Persönlichkeit infolge eines regelmäßigen (im Sinne eines täglichen oder nahezu täglichen) Cannabiskonsums im Wesentlichen eine Folge der Häufigkeit des Konsums und allenfalls noch von der jeweils eingenommenen Dosis, nicht aber entscheidend von der Dauer der Cannabiseinnahme abhängig.

  4.  Auch der Umstand, dass der Betroffene in seiner Wohnung Cannabis zum Eigenverbrauch selbst angebaut hat und bei der Wohnungsdurchsuchung 11 Pflanzen mit 15,5 g Blättern sowie eine Plastiktüte mit 10,5 g Blättern, eine kleine Tüte mit Cannabissamen und Rauchgeräte mit Zubehör gefunden wurden, rechtfertigt noch nicht den Schluss auf einen regelmäßigen Konsum im Sinne eines täglichen oder nahezu täglichen Cannabiskonsums.


Siehe auch
Konsumgrade / Konsummuster bei Cannabis
und
Stichwörter zum Thema Cannabis

Zum Sachverhalt:


Nachdem bei einer polizeilichen Untersuchung am 17. Oktober 2000 in der Wohnung des Antragstellers elf Cannabispflanzen (15,5 g Blätter), eine Plastiktüte mit Cannabisblättern (10,5 g), sechs Rauchgeräte mit diversem Zubehör, eine kleine Tüte mit Cannabissamen und eine Tüte mit ca. 2 g Marihuanadolden gefunden worden waren, ließ der Antragsteller aufgrund einer entsprechenden Aufforderung durch die Antragsgegnerin vom 8. Mai 2001 ein fachärztliches Gutachten zur Überprüfung seiner Kraftfahreignung erstellen.

In dem psychiatrischen Fachgutachten der Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapie, Kinder- und Jugendpsychotherapie Dr. R. vom 16. August 2001 führt die Gutachterin im wesentlichen aus, dass der Antragsteller nach seinen Angaben etwa 1995 angefangen habe, Cannabis zu nehmen, wobei der Konsum in Ferienzeiten etwa zweimal wöchentlich und in Schul- bzw. Semesterzeiten etwa alle 14 Tage, vorwiegend am Wochenende, erfolgt sei. Seit er auffällig geworden sei, habe er nichts mehr konsumiert und wolle es so auch halten, bis die Droge "in der BRD endlich legalisiert" worden sei. Zwar neige der Antragsteller zur Bagatellisierung des Suchtverhaltens und zur Überschätzung seiner Kontrollmöglichkeiten, er sei aber in der Lage, die Problematik von Teilnahme am Kraftverkehr und Suchtmittelgebrauch sinnvoll einzuschätzen. Zusammenfassend sei festzustellen, dass der Antragsteller über 5 Jahre hinweg in größeren Abständen Cannabis konsumiert habe, wobei der Konsum kontrolliert stattgefunden und der Antragsteller auf die Benutzung von Kraftfahrzeugen unter Cannabis verzichtet habe. Seine Aussage, er habe seit Oktober 2000 vollkommen auf Cannabiskonsum verzichtet, werde durch die negativen Laborbefunde der durchgeführten Urinscreenings unterstützt, die auch keine Hinweise auf länger zurückliegenden Cannabiskonsum zeigten. Problematisch sei die verharmlosende Einstellung zur Droge, die noch wenig durchdacht erscheine. Dennoch sei davon auszugehen, dass die psychische Leistungsfähigkeit und Kritikfähigkeit des Antragstellers nicht herabgesetzt sei, so dass er in der Lage sei, verantwortliche Entscheidungen zu treffen.




Unter Hinweis darauf, dass der Anbau von Cannabis sowie die bei der Wohnungsdurchsuchung zusammen mit Raucherutensilien sichergestellte Menge an Cannabis deutlich gegen den gegenüber der Gutachterin behaupteten Gelegenheitskonsum sprächen und auch keinerlei Distanzierung vom Cannabiskonsum erkennbar geworden sei, forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Schreiben vom 30. August 2001 zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens auf.

Nach Ablauf der hierfür gesetzten Frist entzog sie ihm mit Bescheid vom 27. November 2001 die Fahrerlaubnis der Klassen 1 a und 3 und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung wies sie auf § 14 Abs. 2 FeV und darauf hin, dass sie gemäß § 11 Abs. 8 FeV aus der Nichtvorlage des geforderten Fahreignungsgutachtens auf die Nichteignung des Antragstellers habe schließen dürfen. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller mit Schreiben vom 30. Dezember 2001 Widerspruch ein, den die Regierung von Schwaben mit Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2002 zurückwies.

Daraufhin erhob der Antragsteller Klage und beantragte mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 20. März 2002 die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage.

Mit Beschluss vom 16. April 2002 gab das Verwaltungsgericht dem Antrag mit der Begründung statt, dass bei summarischer Überprüfung die Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnisse wegen fehlender Fahreignung des Antragstellers nicht vorlägen und seine Klage deshalb voraussichtlich Erfolg haben werde.

Gegen diesen Beschluss legte die Antragsgegnerin Beschwerde ein. Das Rechtsmittel blieb erfolglos.




Aus den Entscheidungsgründen:


"... Das Verwaltungsgericht hat ausführlich und frei von Rechtsfehlern dargelegt, warum der Antragsteller derzeit nach Lage der Akten nicht als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen werden kann und die bereits anhängige Anfechtungsklage gegen den Entziehungsbescheid voraussichtlich Erfolg haben wird, mit der Folge, dass die im vorliegenden Verfahren vorzunehmende Interessenabwägung zu Gunsten des Antragstellers ausfällt. Insbesondere ist das Verwaltungsgericht aus den im angefochtenen Beschluss dargelegten Gründen, auf die der Verwaltungsgerichtshof zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug nimmt, bei der rechtlichen Beurteilung zutreffend davon ausgegangen, dass beim Antragsteller nach Lage der Akten keine regelmäßige Einnahme von Cannabis gegeben ist, die als solche nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung die Fahrungeeignetheit zur Folge hätte, und die Antragsgegnerin auch nicht berechtigt war, gemäß § 11 Abs. 8 FeV aus der Nichtvorlage des von ihr mit Schreiben vom 30. August 2001 geforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens auf die fehlende Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen zu schließen.

Soweit die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren erneut die Auffassung vertritt, nach den Feststellungen im psychiatrischen Fachgutachten vom 16. August 2001 über Dauer und Häufigkeit des Cannabiskonsums des Antragstellers sei von einer regelmäßigen Einnahme im Sinne der Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung auszugehen, vermag auch der Verwaltungsgerichtshof dem nicht zu folgen. Zwar weist die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass bei der Beantwortung der Frage, ob beim Antragsteller eine "regelmäßige" oder nur "gelegentliche" Einnahme von Cannabis im Sinne der Nrn. 9.2.1 bzw. 9.2.2 der Anlage 4 vorliegt, nicht lediglich auf die Formulierung in der zusammenfassenden Beurteilung des Facharztgutachtens abgestellt werden kann, wonach der Antragsteller über 5 Jahre hinweg "in größeren Abständen" Cannabis konsumiert hat. Aber auch wenn der rechtlichen Beurteilung entsprechend den anamnestischen Angaben des Antragsteller zu Grunde gelegt wird, dass die Cannabiseinnahme "in Ferienzeiten etwa zweimal wöchentlich, in Schul- bzw. Semesterzeiten etwa alle 14 Tage, vorwiegend am Wochenende" erfolgt ist, handelte es sich dabei noch nicht um eine "regelmäßige" Einnahme im Sinne der Nr. 9.2.1 der Anlage 4. Zwar mag dies im Sprachgebrauch eine regelmäßige Einnahme in dem Sinne sein, dass der Cannabiskonsum in bestimmten zeitlichen Abständen immer wieder erfolgt ist. Als "regelmäßige Einnahme von Cannabis" im Sinne der Nr. 9.2.1 der Anlage 4 kann im Hinblick auf die sich daraus nach der Intention des Verordnungsgebers unmittelbar ergebende Fahrungeeignetheit jedoch nur ein Cannabiskonsum verstanden werden, der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen tatsächlich bereits als solcher und ohne das Hinzutreten weiterer fahreignungsrelevanter Umstände die Fahrungeeignetheit des Konsumenten zur Folge hat. Von einem regel- bzw. gewohnheitsmäßigem Cannabiskonsum in diesem Sinne wird, wie sich insbesondere aus den Untersuchungen von Kannheiser (vgl. dazu: "Mögliche verkehrsrelevante Auswirkungen von gewohnheitsmäßigem Cannabiskonsum" - NZV 2000, 57), sowie auch aus der Gleichstellung von regelmäßigem mit täglichem oder gewohnheitsmäßigem Cannabiskonsum in den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung vom Februar 2000 (6. Aufl., S. 43) ergibt, aber nur dann gesprochen werden können, wenn täglicher oder zumindest nahezu täglicher Konsum vorliegt. Denn erst dann ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von Veränderungen des Leistungsvermögens und der Persönlichkeit des Konsumenten auszugehen, die unabhängig vom aktuellen Konsum die Leistungsfähigkeit herabsetzen und als verkehrsbezogen gefährlich betrachtet werden können, weil sie die Bereitschaft und Fähigkeit, sich überindividuellen Regeln und Normen anzupassen, beeinträchtigen und zudem die zum Kraftfahren erforderliche Aktivierung, Wachheit, Aufmerksamkeit und Konzentration sowie die Bereitschaft, die Anforderungen und Risiken des Straßenverkehrs ernst zu nehmen und den Drogenkonsum und das Fahren zu trennen, mindern können (vgl. Kannheiser, a.a.O. S. 67/68).




Daran, dass der dem Antragsteller aufgrund seiner eigenen Angaben nachgewiesene und der Entscheidung zu Grunde zu legende Cannabiskonsum mit einer Frequenz von etwa zweimal wöchentlich in den Ferienzeiten und etwa alle 14 Tage in Schul- bzw. Semesterzeiten somit nicht als regelmäßiger Konsum im Sinne der Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung zu qualifizieren ist, sondern dass es sich dabei lediglich um die gelegentliche Einnahme von Cannabis im Rechtssinne handelt, ändert auch der Umstand nichts, dass der Antragsteller eingeräumt hat, Cannabis in diesem Umfang bereits seit 1995 konsumiert zu haben. Denn nach den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen sind die beschriebenen Veränderungen des Leistungsvermögens und der Persönlichkeit infolge eines regelmäßigen (im Sinne eines täglichen oder nahezu täglichen) Cannabiskonsums im wesentlichen eine Folge der Häufigkeit des Konsums und allenfalls noch von der jeweils eingenommenen Dosis, nicht aber entscheidend auch von der Dauer der Cannabiseinnahme abhängig. Auch der Umstand, dass der Antragsteller in seiner Wohnung Cannabis zum Eigenverbrauch selbst angebaut hat und bei der Wohnungsdurchsuchung 11 Pflanzen mit 15,5 g Blättern, sowie eine Plastiktüte mit 10,5 g Blättern, eine kleine Tüte mit Cannabissamen und Rauchgeräte mit Zubehör gefunden wurden, rechtfertigt noch nicht den Schluss auf einen regelmäßigen im Sinne eines täglichen oder nahezu täglichen Cannabiskonsums durch den Antragsteller.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist aber auch insoweit nicht zu beanstanden, als es keine Rechtsgrundlage für die Forderung der Antragsgegnerin an den Antragsteller gesehen hat, eine medizinisch-psychologische Untersuchung durchführen zu lassen, und die Antragsgegnerin deshalb auch nicht für berechtigt gehalten hat, gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV aus der Nichtvorlage des geforderten Gutachtens auf die Fahrungeeignetheit des Antragstellers zu schließen.


Insbesondere war auch unter Berücksichtigung der von der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren dargelegten Gesichtspunkte die Forderung nach einem medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens nicht nach § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV berechtigt. Zwar wird mit der Antragsgegnerin davon auszugehen sein, dass "weitere Tatsachen" im Sinne dieser Bestimmung nicht nur die in der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung ausdrücklich aufgeführten fahreignungsrelevanten Tatsachen sind. Das von der Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang für wesentlich gehaltene, hinsichtlich seiner Fahreignungszweifel begründenden Besonderheiten im Übrigen aber nicht näher dargelegte Verhalten des Antragstellers bei der Aufforderung zum Drogenscreening stellt aber keine fahreignungsrelevante weitere Tatsache im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV dar. Ebenso wenig kann aus den vom Verwaltungsgerichtshof im Übrigen geteilten Zweifeln des Verwaltungsgerichts an der Beweiskraft der negativen Laborbefunde auf das Vorliegen solcher Tatsachen geschlossen werden. Insbesondere berechtigt nicht schon der Umstand, dass infolge eines möglicherweise unsachgemäßen Vorgehens des mit der Erstellung des ärztlichen Gutachtens beauftragten Facharztes, das dem Probanden unter Umständen sogar die Möglichkeit gibt, auf das Untersuchungsergebnis in unlauterer Weise Einfluss zu nehmen, Zweifel an der Richtigkeit des daraufhin vorgelegten Facharztgutachtens angezeigt sind, dazu, das Trennvermögen des Betreffenden anzuzweifeln und unter diesem Gesichtspunkt nach § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Eignungsgutachtens zu verlangen. Schon im Hinblick auf die mit einer medizinisch-psychologischen Begutachtung verbundene erhebliche Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (vgl. dazu bereits BVerfG vom 24.6.1993 - 1 BvR 689/92 - NJW 1993, 2365), aber auch deshalb, weil sich der Untersuchte in aller Regel darauf verlässt und auch darauf verlassen kann, dass der von ihm beauftragte Facharzt mit verkehrsmedizinischer Qualifikation die Begutachtung in einwandfreier Weise durchführt, muss es dann, wenn das Gutachten an erkennbaren Mängeln leidet, vielmehr als Sache der Fahrerlaubnisbehörde angesehen werden, zunächst vom Betreffenden selbst unter Hinweis auf die festgestellten Mängel die Vorlage eines methodisch einwandfrei erstellten, in sich schlüssigen und im Ergebnis nachvollziehbaren Facharztgutachtens zu verlangen.

Tatsachen im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV, die unter dem Gesichtspunkt einer möglicherweise fehlenden Bereitschaft oder Fähigkeit, Cannabiskonsum und die motorisierte Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr voneinander zu trennen, Anlass zu Zweifeln an der Fahreignung des Antragstellers geben könnten, können dem fachärztlichen Gutachten vom 16. August 2001 auch nicht insoweit entnommen werden, als darin von einer Neigung des Antragstellers zur Bagatellisierung seines Suchtverhaltens und zur Überschätzung seiner Kontrollmöglichkeiten die Rede ist. Ein konkreter Hinweis darauf, dass deshalb auch eine Teilnahme des Antragstellers am öffentlichen Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss als nahe liegend erscheint, kann diesen Ausführungen schon deshalb nicht entnommen werden, weil die Gutachterin gleichzeitig darauf hinweist, dass die psychische Leistungsfähigkeit und die Kritikfähigkeit des Antragstellers nicht herabgesetzt sind und er in der Lage ist, die sich aus der Teilnahme am Kraftverkehr und dem Suchtmittelgebrauch ergebende Problematik sinnvoll einzuschätzen. Gerade im Hinblick auf diese Ausführungen im fachärztlichen Gutachten vom 16. August 2001 bleibt unerfindlich, worauf die Antragsgegnerin ihre im Schriftsatz vom 4. Juli 2002 vertretene Auffassung von einer "absolut kritiklosen Haltung des Antragstellers gegenüber den Gefahren des Haschisch-Konsums auch im Hinblick auf das Führen von Kraftfahrzeugen" stützt. Auch der Umstand, dass der Antragsteller freimütig erklärt hat, er werde den Cannabiskonsum nach einer Legalisierung der Droge wieder aufnehmen, rechtfertigt diesen Schluss nicht und berechtigte die Antragsgegnerin damit auch nicht, vom Antragsteller zur Klärung begründeter Zweifel an seiner Fahreignung unter dem Gesichtspunkt eines ausreichenden Trennvermögens die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV zu verlangen.



Eine solche Berechtigung ergibt sich auch nicht aus § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV. Dabei kann dahinstehen, ob diese Regelung überhaupt bei der Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis oder nur bei deren Wiedererteilung Anwendung findet (vgl. dazu OVG Bremen vom 8.9.2000 - NJW 2000, 2438). Denn jedenfalls wird § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs bei Vorliegen lediglich gelegentlicher Cannabiseinnahme durch die für diesen Fall in § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV getroffene spezielle Regelung verdrängt (vgl. Sächs. OVG vom 8.11.2001 - 3 BS 136/01- DÖV 2002, 577).

Wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, lässt sich die Aufforderung der Antragsgegnerin vom 30. August 2001 zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung auch nicht auf § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV stützen. Dabei kann im vorliegenden Fall die Frage offen bleiben, ob bzw. inwieweit diese Bestimmung im Falle von Fahreignungszweifeln im Zusammenhang mit der Einnahme von Cannabis überhaupt neben § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV anwendbar ist. Denn nach Lage der Akten kann jedenfalls bei verständiger Würdigung des Facharztgutachtens vom 16. August 2001 nicht davon ausgegangen werden, dass zur Klärung von Eignungszweifeln ein medizinisch-psychologisches Gutachten "zusätzlich erforderlich" ist im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1 FeV. Insoweit wird zwar nicht entscheidend darauf abgestellt werden können, dass das fachärztliche Gutachten keinen expliziten Hinweis auf die Notwendigkeit einer zusätzlichen medizinisch-psychologischen Begutachtung enthält. Aber auch ohne einen solchen ausdrücklichen Hinweis kann die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach dem Gesamtinhalt des fachärztlichen Gutachtens nicht als erforderlich angesehen werden. Wie bereits ausgeführt, ergeben sich aus dem Facharztgutachten in Anbetracht der darin enthaltenen Aussage, dass der Antragsteller die Problematik von Teilnahme am Kraftfahrverkehr und Suchtmittelgebrauch sinnvoll einzuschätzen weiß und in der Lage ist, verantwortliche Entscheidungen zu treffen, insbesondere keine durch eine medizinisch-psychologische Begutachtung zu klärenden Fahreignungszweifel hinsichtlich des Trennvermögens des Antragstellers. Um die Frage zu klären, ob der Antragsteller tatsächlich nur in den von ihm eingeräumten Umfang, also nur gelegentlich Cannabis konsumiert hat, die im Hinblick auf das zweifelhafte Vorgehen der Gutachterin im Zusammenhang mit der Durchführung der von ihr veranlassten Drogenscreenings allenfalls klärungsbedürftig sein könnte, wäre die Durchführung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung ohnehin nicht das verhältnismäßige Mittel und damit auch nicht erforderlich im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 FeV; wenn seitens der Antragsgegnerin unter diesem Gesichtspunkt Zweifel an der Richtigkeit des Facharztgutachtens bzw. der Glaubwürdigkeit des Antragstellers bestanden, hätte die Antragsgegnerin diese allerdings zum Anlass nehmen können, vom Antragsteller unter Hinweis auf die festgestellten Mängel die Vorlage eines ordnungsgemäß erstellten Facharztgutachtens zu verlangen, das sich auch bezüglich der für das weitere Vorgehen der Fahrerlaubnisbehörde wesentlichen Frage der Häufigkeit des Cannabiskonsums auf anerkannte Untersuchungsstandards und -methoden stützen kann. ..."

- nach oben -



Datenschutz    Impressum