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Verwaltungsgericht Dessau Beschluss vom 02.10.2006 - 2 B 150/06 - Der Besitz kleiner Mengen Haschisch und Marihuana berechtigt auch dann nicht zur Anordnung einer MPU, wenn der Betroffene gelegentlichen Cannabiskonsum einräumt.

VG Dessau v. 02.10.2006: Der Besitz kleiner Mengen Haschisch und Marihuana (15,2 und 6 g) berechtigt auch dann nicht zur Anordnung einer MPU, wenn der Betroffene gelegentlichen Cannabiskonsum einräumt.




Das Verwaltungsgericht Dessau (Beschluss vom 02.10.2006 - 2 B 150/06) hat entschieden:
   Der Besitz kleiner Mengen Haschisch und Marihuana (15,2 und 6 g) berechtigt auch dann nicht zur Anordnung einer MPU, wenn der Betroffene gelegentlichen Cannabiskonsum einräumt.

Siehe auch
Besitz von Cannabisprodukten (Haschisch, Marihuana, Gras usw.)
und
Stichwörter zum Thema Cannabis

Aus den Entscheidungsgründen:


"... Die Interessenabwägung geht hier zugunsten des Antragstellers aus, denn bei der im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmenden summarischen Prüfung erweist sich die angefochtene Entziehung der Fahrerlaubnis als voraussichtlich rechtswidrig.

Rechtsgrundlage der Fahrerlaubnisentziehung ist § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes - StVG - iVm. § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung) - FeV -. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde demjenigen, der sich als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Geeignet ist gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat. Die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen beurteilt sich auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Kraftfahrers nach dem Maßstab seiner Gefährlichkeit für den öffentlichen Straßenverkehr. Dabei sind sämtliche im Einzelfall bedeutsamen Umstände heranzuziehen, die Aufschluss über die körperliche, geistige und charakterliche Eignung geben können (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 1987 - 7 C 87.84 -, NJW 1987 S. 2246). Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel u.a. nach der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung vorliegen.




Nach Auffassung des Antragsgegners hat sich der Antragsteller, in dessen Besitz im Rahmen einer polizeilichen Hausdurchsuchung am 14. Juli 2005 Cannabis (6g Marihuana; 15,2 g Haschisch) aufgefunden worden war, durch bestehende Zweifel an seiner Drogenabstinenz als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Der Antragsgegner stützt sich insoweit maßgeblich auf das medizinisch-psychologische Gutachten der D…GmbH vom 8. August 2006. Zudem sei die Wahrscheinlichkeit der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gegeben, „da (die) theoretischen Kenntnisse (des Antragstellers) den Ansprüchen an Verkehrsteilnehmer nicht genügen“.

Die letztgenannte Begründung ist nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens nicht nachvollziehbar. Weder aus den Verwaltungsvorgängen - insbesondere dem medizinisch-psychologischen Gutachten - noch aus dem Vorbringen der Beteiligten ergeben sich irgendwelche Anhaltspunkte für Wissensmängel des Antragstellers, die seine Fahreignung in Frage stellen könnten. Der Bescheid lässt nicht einmal erkennen, in welchem Bereich dem Antragsteller theoretische Kenntnisse fehlen sollen.


Von einer Ungeeignetheit des Antragstellers aufgrund „bestehender Zweifel an seiner Drogenabstinenz“ kann ebenfalls nicht ausgegangen werden.

Es erscheint bereits problematisch, ob die Anordnung der Beibringung des medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 15. Mai 2006 rechtmäßig gewesen ist. Der Antragsgegner hat die Anordnung auf § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV gestützt. Danach kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn eine gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen. Die danach erforderlichen „weiteren“ Zweifel über den Konsum hinaus wurden durch den Antragsgegner allerdings weder bezeichnet noch sind solche nach Aktenlage erkennbar, zumal der Antragsteller nicht unter Betäubungsmitteleinwirkung im Straßenverkehr auffällig geworden ist. Vielmehr scheint auch der Antragsgegner selbst nicht von zusätzlichen Bedenken gegen die Eignung, sondern von Zweifeln daran ausgegangen zu sein, ob lediglich eine „gelegentliche Einnahme von Cannabis“ vorliegt. Diese ist jedoch Tatbestandsvoraussetzung der Anordnung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV. Der Antragsgegner hat in seinem Beauftragungsschreiben an die D… vom 31. Mai 2006 entgegen der an den Antragsteller gerichteten Anordnung vom 15. Mai 2006 auch nicht die Fähigkeit des Antragstellers zur Trennung von Drogenkonsum und Teilnahme am Straßenverkehr zum Gegenstand der Begutachtung gemacht, sondern die Frage, ob eine Betäubungsmittelabhängigkeit des Antragstellers besteht bzw. ob dieser, ohne abhängig zu sein, weiterhin Betäubungsmittel einnimmt. Die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu diesen Zwecken ist jedoch nur unter den engen Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV zulässig, deren Vorliegen hier nach dem Gesetzeswortlaut fraglich erscheint. Zur Klärung der Frage, ob eine regelmäßige oder nur eine gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt, dürfte die Anordnung jedoch unzulässig sein, da hierfür die weniger einschneidende Anordnung eines ärztlichen Gutachtens das geeignete und angemessene Mittel sein dürfte (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl. 2005, § 14 FeV Rdn. 4). Dass das zuvor bereits beigebrachte ärztliche Gutachten vom 24. April 2006 diese Frage lediglich problematisiert, aber keine abschließende Aussage trifft, ist dabei nicht von Bedeutung und dürfte darüber hinaus auch darin begründet sein, dass die Klärung der Abhängigkeit und der Häufigkeit des Konsums des Antragstellers nicht Gegenstand der durch den Antragsteller mit Schreiben vom 21. März 2006 vorgegebenen Fragestellung war.

Dies bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn jedenfalls sind die Ergebnisse des Gutachtens vom 8. August 2006 nicht geeignet, eine mangelnde Fahreignung des Antragstellers zu begründen. Entgegen der Begründung des Bescheides kommt die Annahme von Eignungsmängeln nach Ziffer 9.1 der Anlage 4 ersichtlich nicht in Betracht. Denn diese betrifft - wie auch der Antragsgegner wörtlich zitiert - die Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes - ausgenommen Cannabis. Der Antragsteller hat eingeräumt, in der Vergangenheit gelegentlich Cannabis konsumiert zu haben. Für den Konsum anderer Drogen durch den Antragsteller gibt es dagegen keine Anhaltspunkte; auch der Antragsgegner geht ausschließlich von Cannabiskonsum aus.



Nach Ziffer 9.2.1 schließt der alleinige Konsum von Cannabis aber nur im Falle regelmäßiger Einnahme die Fahreignung aus. Eine regelmäßige Einnahme ist bislang nicht - insbesondere nicht durch die beiden Gutachten - festgestellt worden. Bei der vom Antragsteller jedenfalls für die Vergangenheit eingeräumten gelegentlichen Einnahme von Cannabis ist die Fahreignung dagegen gemäß Ziffer 9.2.2 in der Regel gegeben, wenn eine Trennung von Konsum und Fahren und kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen sowie keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust vorliegen. Ob der Antragsteller seinem Vorbringen entsprechend tatsächlich vollkommen drogenabstinent lebt oder aber die Einschätzung der Gutachter zutrifft, es sei nicht auszuschließen, dass er erneut im Zusammenhang mit Verstößen gegen das BTMG auffällig wird, ist daher nicht entscheidend. Denn für die genannten, zusätzlich erforderlichen eignungsausschließenden Faktoren gibt es keine zureichenden Feststellungen. Das medizinisch-psychologische Gutachten verhält sich hierzu nicht. Insbesondere enthält es keinerlei Einschätzung zu der Frage eines zukünftigen betäubungsmittelbedingten Auffälligwerdens des Antragstellers im Straßenverkehr, d.h. zur Fähigkeit des Antragstellers zur Trennung von Drogenkonsum und Fahren. ..."

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