Das Verkehrslexikon

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BGH Beschluss vom 14.09.2004 - 4 StR 62/04 - Die Einzelrichter-Entscheidung beim OLG ist nach der Neufassung des § 80 a OWiG der Regelfall in der Rechtsbeschwerdeinstanz

BGH v. 14.09.2004: Die Einzelrichter-Entscheidung beim OLG ist nach der Neufassung des § 80 a OWiG der Regelfall in der Rechtsbeschwerdeinstanz.




Siehe auch
Die Rechtsbeschwerde in Bußgeldsachen
und
Bußgeldverfahren / Ordnungswidrigkeitenverfahren

Nach der am 01.09.2004 in Kraft getretenen Änderung des § 80 a OWiG hat beim OLG der Einzelrichter auch in der Sache zu entscheiden, wenn die Zulassung der Rechtsbeschwerde (nur) deshalb erfolgt ist, weil die Versagung des rechtlichen Gehörs die Urteilsaufhebung geboten erscheinen lässt, vgl. BGH (Beschluss vom 14.09.2004 - 4 StR 62/04):

table>   Durch die Regelung des § 80a Abs. 1 OWiG in der Fassung des 1. Justizmodernisierungsgesetzes hat der Gesetzgeber den Grundsatz für die Besetzung der Bußgeldsenate neu festgelegt. In Umkehrung der bisherigen Rechtslage sind die Senate nunmehr "mit einem Richter besetzt, soweit nichts anderes bestimmt ist". Die Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden ist jetzt die Ausnahme.

Gründe:


Die Vorlegungssache betrifft die Frage, in welcher Besetzung der Bußgeldsenat eines Oberlandesgerichts über eine Rechtsbeschwerde zu entscheiden hat, wenn diese wegen Versagung des rechtlichen Gehörs gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG zugelassen worden ist.

I.

Gegen den Betroffenen erging am 29. April 2002 wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten ein Bußgeldbescheid, in welchem zwei Geldbußen in Höhe von jeweils 40 € festgesetzt wurden. Den hiergegen gerichteten Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Halle/Saalkreis durch Urteil gemäß § 74 Abs. 2 OWiG ohne Verhandlung zur Sache verworfen, weil der Betroffene, ohne gemäß § 73 Abs. 2 OWiG von der Verpflichtung zum Erscheinen entbunden worden zu sein, in der Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung nicht erschienen sei. Gegen dieses Urteil hat der Betroffene Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt. Er hat geltend gemacht, die Voraussetzungen für den Erlass eines Verwerfungsurteils nach § 74 Abs. 2 OWiG hätten nicht vorgelegen, da seinem vor der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen vom Amtsgericht zu Unrecht nicht stattgegeben worden sei. Das Oberlandesgericht Naumburg hat die Rechtsbeschwerde des Betroffenen mit Beschluss des Einzelrichters zugelassen, weil das Amtsgericht die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG verkannt habe und das Urteil daher gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben sei.




Das Oberlandesgericht beabsichtigt, auch über die Begründetheit der Rechtsbeschwerde durch den Einzelrichter zu entscheiden. Es sieht sich hieran jedoch durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. März 2000 (ZfS 2000, 226) gehindert, das - nach Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen Versagung des rechtlichen Gehörs durch den Einzelrichter - die Sache zur Entscheidung über die Begründetheit dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen hat.

Mit Beschluss vom 7. Januar 2004 hat das Oberlandesgericht Naumburg die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt:



table>   Entscheidet in Fällen, in denen die Rechtsbeschwerde gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG zugelassen worden ist, weil das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben sein wird, der Bußgeldsenat auch über die Begründetheit der Rechtsbeschwerde in der Besetzung mit einem Richter?

Der Generalbundesanwalt hat mit Zuschrift vom 25. Juni 2004 beantragt zu entscheiden, dass im Falle der Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG über die Begründetheit der Rechtsbeschwerde der Bußgeldsenat des Oberlandesgerichts in der Besetzung mit drei Richtern zu entscheiden hat.





II.

Die Vorlegungsvoraussetzungen gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 121 Abs. 2 GVG sind infolge der Änderung des § 80 a OWiG durch das Erste Gesetz zur Modernisierung der Justiz vom 24. August 2004 (BGBl I 2198, 2204), welches am 1. September 2004 in Kraft getreten ist, entfallen. Nach der Gesetzesänderung ist das vorlegende Oberlandesgericht an der beabsichtigten Entscheidung nicht gehindert. Zwar will das Oberlandesgericht Naumburg die vorgelegte und für seine beabsichtigte Entscheidung erhebliche Rechtsfrage anders als das Oberlandesgericht Frankfurt beantworten; dessen Entscheidung ist jedoch auf der Grundlage des § 80 a OWiG in der vor dem Inkrafttreten des 1. Justizmodernisierungsgesetzes geltenden Fassung ergangen; seine Entscheidung ist deshalb infolge der Gesetzesänderung überholt. Damit sind die Vorlegungsvoraussetzungen entfallen.

Auf die der Vorlegung zugrundeliegende Rechtsfrage ist nunmehr die am 1. September 2004 in Kraft getretene gesetzliche Regelung des § 80 a OWiG zur Besetzung der Bußgeldsenate der Oberlandesgerichte anzuwenden. Danach hat der Gesetzgeber die Frage der Besetzung der Bußgeldsenate in den Fällen der Zulassung der Rechtsbeschwerde (nur) wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG nach Auffassung des Senats im Sinne des vorlegenden Oberlandesgerichts entschieden:

Durch die Regelung des § 80 a Abs. 1 OWiG in der Fassung des 1. Justizmodernisierungsgesetzes hat der Gesetzgeber den Grundsatz für die Besetzung der Bußgeldsenate der Oberlandesgerichte neu festgelegt: In Umkehrung der bisherigen Rechtslage sind die Senate nunmehr "mit einem Richter besetzt, soweit nichts anderes bestimmt ist". Die Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden ist jetzt die Ausnahme. In den Absätzen 2 und 3 des § 80 a OWiG hat der Gesetzgeber diese Ausnahmefälle abschließend geregelt. Danach soll der gesamte Senat nur noch in den wirklich bedeutenden Fällen zusammentreten, nämlich dann, wenn eine Geldbuße und/oder eine vermögensrechtliche Nebenfolge festgesetzt oder beantragt worden ist, deren Wert - allein oder zusammengerechnet - 5.000 € übersteigt (Absatz 2), oder wenn dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern die Entscheidung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung der Rechtseinheitlichkeit übertragen worden ist (Absatz 3; BTDrucks. 15/999 S. 36 und 15/1491 S. 33).




Diesen gesetzgeberischen Willen zugrundegelegt und unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass Ausnahmevorschriften eng auszulegen sind (vgl. BGHSt 26, 270, 271; 44, 145, 148), ist der - missverständlich gefasste - Wortlaut des § 80 a Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 OWiG in der Fassung des 1. Justizmodernisierungsgesetzes, der sich mit der Besetzung der Bußgeldsenate in Verfahren über eine zugelassene Rechtsbeschwerde befasst, dahin auszulegen, dass auch bei zugelassenen Rechtsbeschwerden der Senat über deren Begründetheit nur dann in der Besetzung mit drei Richtern entscheidet, wenn der Einzelrichter die Rechtsbeschwerde gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG, also deshalb zugelassen hat, weil es geboten ist, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen. Nur in diesen Fällen hat der Einzelrichter nach Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde die Sache zur Entscheidung über die Begründetheit dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen.




Hingegen hat nach der neuen Rechtslage der Einzelrichter auch in der Sache zu entscheiden, wenn die Zulassung der Rechtsbeschwerde (nur) deshalb erfolgt ist, weil die Versagung des rechtlichen Gehörs die Urteilsaufhebung geboten erscheinen lässt (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG). Dieser gesetzgeberische Wille wird auch in der Stellungnahme der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (BTDrucks. 15/780 S. 7, 8) und in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum Entwurf des Justizmodernisierungsgesetzes (BTDrucks. 15/3482 S. 23) deutlich. Hieraus erschließt sich, dass die gesetzliche Fassung des § 80 a Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 OWiG lediglich eine einheitliche Handhabung der Besetzungsregelung (Dreierbesetzung) bei zulassungsfreien und zugelassenen Rechtsbeschwerden für Fälle, in denen die Überprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, sicherstellen soll. Eine weitere Ausnahme von der Regel des § 80 a Abs. 1 OWiG auch für Entscheidungen über Rechtsbeschwerden, die lediglich wegen der Versagung des rechtlichen Gehörs zugelassen worden sind, sollte durch § 80 a Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 OWiG daher ersichtlich nicht geschaffen werden.

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