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Verwaltungsgericht Berlin Beschluss vom 19.01.1990 - 4 A 438.89 - Ein Kraftfahrer, der 69 mal die Rechtsordnung über den ruhenden Straßenverkehr missachtet hat, ist charakterlich ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen

VG Berlin v. 19.01.1990: Ein Kraftfahrer, der 69 mal die Rechtsordnung über den ruhenden Straßenverkehr missachtet hat, ist charakterlich ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen




Das Verwaltungsgericht Berlin (Beschluss vom 19.01.1990 - 4 A 438.89) hat entschieden:

   Einem Kraftfahrer, der fortlaufend die Rechtsordnung über den ruhenden Straßenverkehr unter Inkaufnahme der Behinderung des fließenden Verkehrs missachtet und dieses Verhalten auch nach zahlreichen Sanktionen durch eintragungsfähige Bußgeldbescheide nachhaltig fortsetzt, ist charakterlich ungeeignet zum Führen von Kfz im öffentlichen Straßenverkehr. Die Entziehung seiner Fahrerlaubnis im Wege des Sofortvollzuges setzt nicht voraus, dass sich die von ihm ausgehende Gefahr, dass er auch die Rechtsvorschriften für den fließenden Verkehr nicht beachten wird, bereits konkretisiert hat.

Siehe auch
Die MPU-Anordnung zur Überprüfung der charakterlichen Eignung als Ermessensentscheidung (ohne Alkohol und Drogen)
und
Stichwörter zum Thema Fahrerlaubnis und Führerschein

Zum Sachverhalt:


Der 29-jährige Antragsteller ist mit insgesamt 69 Parkverstößen aktenkundig geworden. Dass sich hieraus die fehlende charakterliche Eignung des Ast. zum Führen von Kfz im öffentlichen Straßenverkehr ergebe, folgerte die Führerscheinbehörde daraus, dass im Rahmen einer psychologischen Fahreignungsuntersuchung am 24. 8. 1989, der sich der Ast. auf Aufforderung des Ag. unterzogen hatte, nicht einmal ansatzweise eine Einstellungsänderung gegenüber seinem Fehlverhalten zu erkennen gewesen sei, ihm vielmehr offensichtlich die Einsicht fehle, auch die anscheinend weniger bedeutsamen Verkehrsvorschriften zu beachten, die einen reibungslosen und sicheren Verkehrsfluss gewährleisten sollen.

Dem Antragsteller wurde daher die 1978 erworbene Fahrerlaubnis der (damaligen) Klassen 1 und 3 (jetzt A und B) sofort vollziehbar entzogen.

Das Verwaltungsgericht lehnte es ab, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder herzustellen.




Aus den Entscheidungsgründen:


" ... Die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur gebotene summarische Prüfung ergibt, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig ist. Der Ag. ist zutreffend davon ausgegangen, dass auch Verstöße gegen Vorschriften des ruhenden Verkehrs geeignet sind, die Nichteignung eines Kraftfahrers zum Führen von Kfz zu begründen, die gem. § 4 I StVG i.V. mit § 15b I Voraussetzung für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist. Denn insb. dann, wenn es sich - wie hier - um Verstöße handelt, die mit eintragungsfähigen (§ 28 Nr. 3 StVG) Bußgeldbescheiden und erhöhten Bußgeldern geahndet wurden, weil der Kraftfahrer als sog. „Dauerübertreter” aufgefallen war, und dieser auch weiterhin die Vorschriften des ruhenden Verkehrs hartnäckig missachtet, findet der vom BVerwG aufgestellte Grundsatz, dass Verkehrsverstöße, die im Verwarnungsverfahren gerügt werden können, bei der Prüfung der Eignung eines Kraftfahrers nicht zu berücksichtigen sind (vgl. BVerwGE 42, 206 = NJW 1973, 1992 = VRS 45, 234), keine Anwendung (so BVerwG, DÖV 1977, 602f. = VRS 52, 461 = StVE § 4 StVG Nr. 3). Wie in dem dort entschiedenen Fall hat auch der Ast. durch sein Verhalten bewiesen, dass er nicht bereit ist, die Verkehrsordnung, soweit sie den ruhenden Verkehr betrifft, zu beachten, obwohl die wiederholte Nichtbeachtung des Park- bzw. Haltverbots jeweils den Fußgängerverkehr bzw. den fließenden Verkehr behinderte und damit offensichtlich auch gefährdete. Ein Kraftfahrer aber, der offen-sichtlich nicht willens ist, auch bloße Ordnungsvorschriften, die im Interesse eines geordneten, leichten und ungefährdeten Verkehrs geschaffen sind, einzuhalten, und solche Vorschriften hartnäckig missachtet, wenn dies seinen persönlichen Interessen entspricht, ist zum Führen von Kfz nicht geeignet (BVerwG, aaO; vgl. dazu ferner Beschl. der Kammer v. 4. 3. 1985 - VG 4 A 56.85; v. 26. 3. 1986 - VG 4 A 845.85; Beschl. der 15. Kammer des VG Berlin v. 29. 7. 1987 - VG 15 A 300.87); denn bei der Beurteilung der charakterlichen Eignung zum Führen von Kfz im öffentlichen Straßenverkehr bedeutet es keinen prinzipiellen Unterschied, ob ein Kraftfahrer andere Verkehrsteilnehmer fortlaufend dadurch gefährdet, dass er durch sein verbotswidrig abgestelltes Fahrzeug ein Hindernis für den fließenden Verkehr bereitet oder ob er dies als Teilnehmer am fließenden Straßenverkehr tut.



Den Eindruck, dass dem Ast. die für eine Fahrerlaubnis erforderliche charakterliche Eignung fehlt, hat er in der psychologischen Untersuchung vom 24. 8. 1989 nicht nur nicht widerlegen können, sondern durch seine dort offenbarte, die maßgeblichen Verkehrsvorschriften geringschätzende Haltung nur bestärkt. So hat er eingeräumt, dass die Parkplatznot, die Ursache der zur Eintragung gelangten Verkehrsverstöße gewesen sei, zwar durch einen zwischenzeitlichen Wohnungswechsel entfallen sei, dass er aber dennoch in der Folgezeit wiederum etwa 6 mal verbotswidrig geparkt habe, wobei in 2 Fällen sein Fahrzeug sogar habe umgesetzt werden müssen. Unerheblich ist, dass in diesen Fällen „lediglich” Verwarnungsgeldangebote ergingen; denn der Ast. zeigt hierdurch, dass er noch immer nicht bereit ist, die Rechtsordnung über den ruhenden Verkehr anzuerkennen, selbst wenn durch sein Fahrzeug Behinderungen eintreten, die eine Abschleppmaßnahme rechtfertigen. Deshalb ist von ihm auch nicht zu erwarten, dass er die Rechtsvorschriften im fließenden Verkehr hinreichend beachten wird, selbst wenn bisher entsprechende Verstöße nicht bekannt geworden sind.

Bei dieser Sachlage hat der Ag. die Anordnung der sofortigen Vollziehung gem. § 80 II Nr. 4 VwGO beanstandungsfrei mit der drohenden Gefahr weiterer - auch den fließenden Verkehr betreffende - Verkehrsverstöße durch den Ast. begründet. Gera-de wegen der im Rahmen seiner psychologischen Untersuchung eingeräumten Fortsetzung seines verkehrswidrigen Verhaltens kann er sich nicht darauf berufen, ein die Dringlichkeit des Sofortvollzuges begründendes Interesse fehle bereits deshalb, weil der letzte mit einem Bußgeldbescheid geahndete Verkehrsverstoß im Juli 1988 begangen wurde. ..."

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