Das Verkehrslexikon

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Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 17.12.1976 - VII C 57.75 - Verkehrsverstöße, die im Verwarnungsverfahren gerügt werden können, bleiben grundsätzlich bei der Prüfung der Eignung eines Kraftfahrers unberücksichtigt

BVerwG v. 17.12.1976: Verkehrsverstöße, die im Verwarnungsverfahren gerügt werden können, bleiben grundsätzlich bei der Prüfung der Eignung eines Kraftfahrers unberücksichtigt




Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 17.12.1976 - VII C 57.75) hat grundsätzlich entschieden:

   Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, dass Verkehrsverstöße, die im Verwarnungsverfahren gerügt werden können, grundsätzlich bei der Prüfung der Eignung eines Kraftfahrers unberücksichtigt bleiben (vergleiche, BVerwG, 18. Mai 1973, VIII C 12.72, BVerwGE 42, 206). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz liegt vor, wenn ein Kraftfahrer selbst nach Ahndung durch eintragungsfähige Bußgeldbescheide die Vorschriften des ruhenden Verkehrs hartnäckig missachtet.

Siehe auch
Das Fahreignungs-Bewertungssystem - neues Punktsystem
und
Stichwörter zum Thema Fahrerlaubnis und Führerschein

Zum Sachverhalt:


Der 1935 geborene Kläger beging folgende Parkverstöße:

  -  17 x Parken im Parkverbot oder eingeschränkten Haltverbot,

  -  17 x Parken im Haltverbot,

  -  18 x Parken auf Gehwegen bzw Radwegen, davon einmal mi1t Verkehrsbehinderung,

  -  9 x Überschreiten der Parkzeit an einer Parkuhr.




Darüber hinaus hatte der Kläger noch folgende Verstöße begangen:

  -  Am 9. Mai 1969 befuhr er eine Straße in gesperrter Richtung. Es wurde eine Geldbuße von 10 DM festgesetzt.

  -  Am 17. September 1970 überschritt er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 20 km/h und überfuhr dabei die weiße ununterbrochene Mittellinie. Die Geldbuße betrug 70 DM.

  -  Am 2. November 1970 wurde er wegen Fahrens ohne Licht mit einer Geldbuße von 5 DM belegt.

  -  Am 11. August 1971 wurde eine Überschreitung des Hauptuntersuchungstermins nach 7C 29 StVZO um 2 bis 3 Monate festgestellt und eine Geldbuße von 20 DM festgesetzt.

Die Beklagte, die den Kläger bereits im Juni 1971 verwarnt hatte, entzog ihm mit Verfügung vom 4. September 1972 die Fahrerlaubnis. Sein Widerspruch wurde mit Bescheid des Senators für Inneres vom 13. Dezember 1972 zurückgewiesen.

Das Verwaltungsgericht hat der auf Aufhebung der Entziehungsverfügung gerichteten Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil geändert und die Klage abgewiesen.

Die hiergegen gerichtete - zugelassene - Revision des Klägers blieb erfolglos.




Aus den Entscheidungsgründen:


"... Es (das angefochtene Urteil) hat mit Recht den Kläger als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im Sinne von 7C 4 Abs 1 StVG angesehen, weil er sich durch ständige Missachtung der Vorschriften des ruhenden Verkehrs einen in der Nähe seiner Wohnung liegenden Abstellplatz für sein Kraftfahrzeug verschafft und dies trotz aller Maßnahmen der Behörden unbeeindruckt fortgesetzt hat. Dass er dabei - wie er geltend macht - nicht immer der Fahrer gewesen sei, der das Kraftfahrzeug in einer Haltverbotszone oder Parkverbotszone abgestellt hat, ist für die hier zu entscheidende Frage ohne rechtlichen Belang. Der Halter eines Kraftfahrzeuges, der durch zahlreiche ihm zugehende Bußgeldbescheide erfährt, dass Personen, die sein Fahrzeug benutzen, laufend gegen Verkehrsvorschriften verstoßen, und der dagegen nichts unternimmt, weil er keine Rechtsmittel gegen die Bußgeldbescheide ergreift und auch nicht die Überlassung des Fahrzeugs an die jeweiligen Täter von Ordnungswidrigkeiten verweigert, zeigt charakterliche Mängel, die ihn selbst als einen ungeeigneten Verkehrsteilnehmer ausweisen.

Dass der Kläger seit Jahren laufend Bußgeldbescheide erhalten hat, ist für die Eignungsprüfung nicht ausschlaggebend. Diese Bußgeldbescheide sind stets deshalb ergangen, weil der Kläger das ihm zunächst angesonnene Verwarnungsgeld nicht bezahlt hat. Da die Geldbußen jeweils in Höhe des sonst zu zahlenden Verwarnungsgeldes festgesetzt worden sind, hat sich durch die formelle Behandlung an dem Charakter der Ordnungswidrigkeit als eine zum Bagatellbereich gehörende Verkehrszuwiderhandlung materiell nichts geändert (vgl dazu Begründung der Bundesregierung zur Neufassung des 7C 28 StVG durch das Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - BT-Drucks V/1319 S 92).

Derartige Verkehrsverstöße sind, wie der Senat in seinem Urteil vom 18. Mai 1973 - BVerwG VII C 12.71 - (BVerwGE 42, 206) ausgeführt hat, bei der Prüfung der Eignung eines Kraftfahrers grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Daran hält der Senat auch weiterhin fest. Die gegen diese Entscheidung erhobenen Bedenken hält der Senat für unbegründet.

Die Frage, ob ein Verkehrsverstoß dem Verwarnungsverfahren zugänglich ist oder nicht, stellte sich nur für das alte Recht vor der Umwandlung der Verkehrsübertretungen in Verkehrsordnungswidrigkeiten durch das Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (EGOWiG) vom 24. Mai 1968 (BGBl I S 503). Heute kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, ob verwarnt worden ist oder nicht. Nachdem nunmehr das Verwarnungsgeld bis zur Höhe der Geldbuße heraufgesetzt worden ist (7C 27 Abs 1 StVG in der Fassung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 - BGBl I S 469 -; Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Erteilung einer Verwarnung - Verwarnungskatalog - vom 12. Juni 1975 - BAnz Nr 109), die unter der Eintragungsgrenze in das Verkehrszentralregister liegt, sind entsprechende Geldbußen bis zu 40 DM ebenso zu behandeln wie in dieser Höhe ausgesprochene Verwarnungen, weil die vom Senat dargelegten Gründe auf sie in gleicher Weise zutreffen. Auch sie werden nicht im Verkehrszentralregister erfasst.

Der Senat hat jedoch schon in dem genannten Urteil betont, dass die durch die Nichterfassung dem Bagatellbereich zugerechneten Verkehrsordnungswidrigkeiten grundsätzlich bei der Prüfung der Eignung nach 7C 4 Abs 1 StVG außer Betracht zu bleiben haben. Durch diese Fassung ist bereits zum Ausdruck gebracht, dass - wenn auch nur sehr eng begrenzte - Ausnahmen von diesem Grundsatz denkbar sind. Der vorliegende Sachverhalt stellt einen solchen Ausnahmefall dar.



Der Kläger hat durch sein Verhalten bewiesen1, dass er nicht bereit ist, die Verkehrsordnung, soweit sie den ruhenden Verkehr betrifft, zu achten. Er hat sich bewusst und gewollt ständig über diese Vorschriften hinweggesetzt, obwohl, wie die Beklagte mit Recht dargelegt hat, die Nichtbeachtung des Haltverbots, das der Kläger 17mal verletzt hat, nicht unerhebliche Gefahren für den fließenden Verkehr zur Folge hat. Demgegenüber kann der Kläger sich nicht darauf berufen, er habe diese Vorschriften und Einzelanordnungen über den ruhenden Verkehr für rechtswidrig gehalten. Er hatte nämlich die Möglichkeit, die durch Verkehrszeichen angeordneten Haltverbote und Parkverbote und sonstigen Beschränkungen des ruhenden Verkehrs mit der Anfechtungsklage anzufechten, weil es sich nach der Rechtsprechung des Senats (BVerwGE 27, 181) bei diesen Anordnungen um anfechtbare Verwaltungsakte handelt. Der Kläger kann aber diesen legalen Weg nicht durch einen illegalen ersetzen, indem er einfach die vorhandenen Verbote missachtet. Da der Kläger die Rechtsordnung über den ruhenden Verkehr nicht anerkennt und sie bewusst immer wieder verletzt, ist von ihm ein Beachten der Rechtsvorschriften im fließenden Verkehr nicht zu erwarten, wofür auch die Tatsache spricht, dass er auch die hierfür geltenden Rechtsbestimmungen in vier Fällen verletzt hat. Ein Kraftfahrer, der offensichtlich nicht willens ist, auch bloße Ordnungsvorschriften, die im Interesse eines geordneten, leichten und ungefährdeten Verkehrs geschaffen sind, einzuhalten, und wer solche Vorschriften hartnäckig missachtet, wenn dies seinen persönlichen Interessen entspricht, ist zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet. Das Berufungsgericht konnte daher auf Grund seiner Feststellungen unter Berücksichtigung dieses Verhaltens des Klägers zu dem Ergebnis gelangen, dass er nicht mehr geeignet sei, am öffentlichen Straßenverkehr mit Kraftfahrzeugen teilzunehmen, ohne dass es - wie der Kläger meint - genötigt gewesen wäre, ein Gutachten über die charakterliche Eignung des Klägers einzuholen. ..."

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