Das Verkehrslexikon
Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 29.01.2004 - 3 C 29/03 - Fahrradparken im eingeschränkten Haltverbot
BVerwG v. 29.01.2004: Zum Fahrradparken im eingeschränkten Haltverbot
Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 29.01.2004 - 3 C 29/03) hat zum Bürgersteigparken von Fahrrädern entschieden:
Ein eingeschränktes Haltverbot für eine Zone (Zeichen 290/292) umfasst auch mit den Zusatzschildern 1053-30 (Parken in gekennzeichneten Flächen erlaubt) und 1060-11 (auch Fahrräder-Symbol) nicht das Abstellen von Fahrrädern auf Flächen, die der Nutzung durch Fußgänger vorbehalten sind.
Siehe auch Stichwörter zum Thema Fahrrad und Radfahrer und Parken von Fahrrädern auf dem Gehweg
Zum Sachverhalt: Die Beteiligten streiten darum, ob die für den Bahnhofsvorplatz in Lüneburg getroffene Haltverbotsregelung auch für Fahrräder gilt, die auf einer der Nutzung durch Fußgänger vorbehaltenen Fläche abgestellt wurden.
Der Kläger hat mit seiner Klage die Feststellung begehrt, dass das von der Beklagten im Bahnhofsbereich in Lüneburg angeordnete eingeschränkte Haltverbot für eine Zone mit dem Zusatzschild "auch Fahrräder" nicht das Abstellen von Fahrrädern auf Verkehrsflächen, die der Fußgängernutzung vorbehalten sind, untersage. Diese Klage hat er später um den Leistungsantrag auf Erstattung von 15 € erweitert, die er zu entrichten hatte, um sein Fahrrad zurückzuerhalten, das am 15. August 2002 vom Gehweg vor dem Bahnhofsvorplatz entfernt und in Gewahrsam des Betreibers des Fahrradspeichers gegeben worden war.
Das Verwaltungsgericht Lüneburg hat mit Urteil vom 25. September 2002 die begehrte Feststellung getroffen und die Beklagte außerdem antragsgemäß zur Zahlung verurteilt.
Die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg mit Urteil vom 6. Juni 2003 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten war erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat ihre Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg ohne Verstoß gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) zurückgewiesen.
1. Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht von der Zulässigkeit des Feststellungsantrages ausgegangen. Das Begehren des Klägers ist gemäß § 43 VwGO auf die ("negative") Feststellung gerichtet, dass durch die von der Beklagten angeordnete Verkehrsregelung kein Rechtsverhältnis besteht, das ihn verpflichtet, das Abstellen von Fahrrädern auf dem Bahnhofsvorplatz zu unterlassen (vgl. Urteil vom 7. Mai 1987 - BVerwG 3 C 1.86 - BVerwGE 77, 214, 215 f.). An der begehrten Feststellung hat der Kläger ein berechtigtes Interesse, nachdem er beabsichtigt, sein Fahrrad weiterhin auf dem Bahnhofsvorplatz abzustellen, und dieses Recht von der Beklagten bestritten wird (vgl. Urteile vom 7. Mai 1987 - BVerwG 3 C 1.86 - BVerwGE 77, 215, 216, und vom 21. August 2003 - BVerwG 3 C 15.03 -). Schließlich steht auch die grundsätzliche Subsidiarität der Feststellungsklage nach § 43 Abs. 2 VwGO ihrer Zulässigkeit hier nicht entgegen. Dies gilt zum einen hinsichtlich einer Anfechtung des als Allgemeinverfügung im Sinne von § 35 Satz 2 VwVfG einzustufenden Zonenhaltverbotes (stRspr, vgl. Urteil vom 9. Juni 1967 - BVerwG VII C 18.66 - BVerwGE 27, 181, 182; Beschluss vom 7. November 1977 - BVerwG VII B 135.77 - Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 30 = NJW 1978, 656 sowie zuletzt Urteil vom 21. August 2003 - BVerwG 3 C 15.03 -). Der Kläger bestreitet nicht die Rechtmäßigkeit der Anordnung und strebt deren Aufhebung an, sondern will ihre Anwendbarkeit auf das Abstellen von Fahrrädern auf Flächen geklärt haben, die der Fußgängernutzung vorbehalten sind. Ein Kostenbescheid, durch dessen Anfechtung die Reichweite des Haltverbots inzidenter geklärt werden könnte, ist ebenfalls nicht ergangen. Ebenso wenig greift die Subsidiaritätsklausel hinsichtlich einer auf die Erstattung der erhobenen Kosten gerichteten allgemeinen Leistungsklage, da der Rechtsschutz hier in seiner Reichweite gegenüber der Feststellungsklage zurückbliebe. Der Kläger hat mit seinem Erstattungsanspruch bereits wegen formeller Mängel der Kostenerhebung Erfolg, damit ist aber im Rahmen der Leistungsklage eine Klärung des streitigen Geltungsbereichs des Zonenhaltverbots nicht mehr zu erreichen.
2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass das von der Beklagten für den Bahnhofsbereich in Lüneburg angeordnete eingeschränkte Zonenhaltverbot auch mit den angebrachten Zusatzschildern nicht das Abstellen von Fahrrädern auf Flächen umfasst, die der Fußgängernutzung vorbehalten sind, steht im Einklang mit Bundesrecht.
Nach § 41 Abs. 2 Nr. 8 StVO werden durch die Zeichen 290 und 292 die Grenzen der Haltverbotszone bestimmt. Das Verbot gilt - so Satz 2 der diese Zeichen erläuternden Regelung - für alle öffentlichen Verkehrsflächen des durch die Zeichen 290 und 292 begrenzten Bereichs, sofern nicht abweichende Regelungen durch Verkehrszeichen angeordnet oder erlaubt sind. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist daraus, dass nach dem Wortlaut dieser Regelung der Geltungsbereich des eingeschränkten Zonenhaltverbots "alle öffentlichen Verkehrsflächen" der Zone erfassen soll, nicht zu schließen, dass damit auch die einer Nutzung durch Fußgänger vorbehaltenen Flächen innerhalb der Zone erfasst werden.
a) Dies ergibt sich zum einen aus der Entstehungsgeschichte. Dieser Satz ist in § 41 Abs. 2 Nr. 8 StVO durch die Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung vom 21. Juli 1980 (BGBl I S. 1060) ausweislich der amtlichen Begründung (VkBl 1980 S. 518) eingefügt worden, weil in obergerichtlichen Entscheidungen zum Teil die Auffassung vertreten worden war, das Zonenhaltverbotszeichen 290 gelte lediglich für die Fahrbahn einer Straße und erstrecke sich ohne entsprechendes Zusatzschild nicht auf den Seitenstreifen. Die Ergänzung entsprach einem Beschluss des Bund-Länder-Fachausschusses (BLFA) für den Straßenverkehr und die Verkehrspolizei vom 8./9. März 1979 und sollte der Klarstellung dienen, dass das Zeichen 290 für alle tatsächlich öffentlichen Verkehrsflächen gelte. Die in der amtlichen Begründung inhaltlich in Bezug genommenen, wenn auch nicht genannten Entscheidungen des OLG Schleswig vom 19. Mai 1978 (- 1 Ss OWi 279/78 - VerkMitt 1979 Nr. 40 = SchlHA 1978, 163) und des OLG Celle vom 9. November 1979 (- 2 Ss OWi 205/79 - DAR 1980, 156) waren auf der Grundlage des alten Verordnungstextes davon ausgegangen, dass Seiten- und Parkstreifen sowie Park- und Ladebuchten - mithin aber jedenfalls Flächen, die auch dem Kraftfahrzeugverkehr offen standen - vom Zeichen 290 in der früheren Form nicht umfasst wurden. Aus all dem hat das Berufungsgericht zu Recht auf eine nur begrenzte Erweiterung geschlossen.
Diese Auslegung deckt sich auch mit der vom Berufungsgericht beim Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen eingeholten Stellungnahme vom 8. April 2003. Dort wird ausgeführt, der Verordnungsgeber habe mit dem eingefügten Satz verdeutlichen wollen, dass sich ein Haltverbot auch auf Seitenstreifen und andere mit Fahrzeugen befahrbare öffentliche Verkehrsflächen in einer Haltverbotszone erstrecke, nicht jedoch auf Fußgängerverkehrsflächen. Der Verordnungsgeber habe eine Reglementierung des Abstellens von Fahrrädern auf Fußgängerverkehrsflächen bewusst nicht vorgesehen.
b) Eine Bestätigung findet diese Auslegung im systematischen Zusammenhang der Regelungen des eingeschränkten Haltverbots (Zeichen 286) und des eingeschränkten Haltverbots für eine Zone (Zeichen 290/292).
In der amtlichen Begründung der Zehnten Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung vom 9. November 1989 wird für die Neufassung der Vorschriften über das Zonenhaltverbot ausdrücklich hervorgehoben, dass die Zeichen 290 und 292 die Bedeutung eines eingeschränkten Haltverbots erhalten, das materiell dem Zeichen 286 entspricht, jedoch - um gerade zentrale Bereiche mit besonders schützenswerter städtebaulicher Substanz von Verkehrszeichen möglichst frei zu halten - für eine Zone angeordnet werden kann (VkBl 1989 S. 784; vgl. auch Bouska, DAR 1989, 441, 443). Entsprechend war das Verhältnis zwischen eingeschränktem Haltverbot und Zonenhaltverbot im Übrigen auch bereits vor der Modifizierung des Zeichens 290 durch die Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung vom 21. Juli 1980 verstanden worden, wie die genannten Beschlüsse des OLG Schleswig und des OLG Celle zeigen, die hierauf ihre enge Auslegung der Vorgängerregelung des Zonenhaltverbots gestützt hatten.
Das eingeschränkte Haltverbot des Zeichens 286, das nach § 41 Abs. 2 Nr. 8 StVO das Halten auf der Fahrbahn über drei Minuten, ausgenommen zum Ein- oder Aussteigen oder zum Be- oder Entladen, verbietet, gilt aber - entsprechend dem Wortlaut dieser Regelung - nur für Fahrbahnen. Es kann, wie in der genannten Bestimmung ausdrücklich geregelt ist, durch das Zusatzschild "auch auf Seitenstreifen" entsprechend erweitert oder durch das Zusatzschild "auf dem Seitenstreifen" auf ein Haltverbot allein auf dem Seitenstreifen begrenzt werden. Dagegen darf es, auch mit Zusatzschildern, nicht für Gehwege verwendet werden, da es sich - ebenso wie das Zeichen 283 (Haltverbot) - nur an den Fahrverkehr wendet (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl. 2003, § 41 StVO Anm. zu Zeichen 283; Bouska, DAR 1972, 253, 261). Das eingeschränkte Haltverbot für eine Zone stellt aber, wie in der Begründung der Zehnten Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung vom 9. November 1989 nochmals zum Ausdruck kommt, nur eine grundsätzlich am Regelungsgehalt des Zeichens 286 orientierte räumliche Erweiterung seines Geltungsbereichs zur Vermeidung einer extensiven Beschilderung dar.
Soweit allgemein angenommen wird, dass das eingeschränkte Haltverbot für eine Zone nach den Zeichen 290/292 in der betreffenden Zone außer für die Fahrbahnen auch für die Park- und Seitenstreifen, die Park- und Ladebuchten und freie Plätze Geltung habe (vgl. etwa Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl. 2003, § 41 StVO Anm. zu Zeichen 290, 292; Bouska, VD 1980, 197, 215 sowie DAR 1992, 281, 286; ebenso Stellungnahme des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen vom 8. April 2003), findet dies - soweit dem Fahrverkehr zugängliche Flächen betroffen sind - seine Rechtfertigung in der Änderung von § 41 Abs. 2 Nr. 8 StVO durch die Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrsordnung vom 21. Juli 1980. Sie war gerade in Reaktion auf die eine solche Erstreckung ausschließende bisherige Rechtsprechung erfolgt. Dagegen kann nicht - wie die Beklagte meint - zugleich von einer Erweiterung des Haltverbots auf vom Zeichen 286 nicht erfasste Gehwege ausgegangen werden. Einer solchen Erweiterung bedurfte es schon deshalb nicht, weil das Gehwegparken jedenfalls von Kraftfahrzeugen bereits von § 12 Abs. 4 Satz 1 StVO, der die für das Gehwegparken maßgebliche Rechtsnorm ist (Urteil vom 14. Mai 1992 - BVerwG 3 C 3.90 - BVerwGE 90, 189, 190), vorbehaltlich etwa der Gestattung durch das Zeichen 315 und von Parkflächenmarkierungen gemäß § 41 Abs. 3 Nr. 7 StVO grundsätzlich verboten ist.
c) Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den von der Beklagten in Ergänzung des Zeichens 290 angebrachten Zusatzschildern.
Das von der Beklagten verwendete Zusatzzeichen 1053-30 "Parken in gekennzeichneten Flächen erlaubt" enthält keine Regelung dazu, ob das hier streitige Abstellen von Fahrrädern auf den der Fußgängernutzung vorbehaltenen Flächen innerhalb der Haltverbotszone erlaubt ist. Es enthält eine Erlaubnis, dagegen nicht die Erweiterung eines Verbotes.
Dem außerdem angebrachten Zusatzschild 1060-11 "auch Fahrräder (Symbol)" kommt nur der Regelungsgehalt zu, dass sich das mit dem Zeichen 290 angeordnete eingeschränkte Zonenhaltverbot im Rahmen seines örtlichen Geltungsbereichs auch auf Fahrräder erstreckt. Dieser räumliche Geltungsbereich umfasst aber gerade nicht das hier allein streitige Abstellen von Fahrzeugen auf Flächen, die der Nutzung durch Fußgänger vorbehalten sind. Diese Zusatzbeschilderung stellt vielmehr nur klar, dass das Haltverbot auf der Fahrbahn und anderen (auch) dem Fahrzeugverkehr zugänglichen Flächen ebenfalls für Fahrräder gilt. Dies ergibt sich allerdings auch bereits unmittelbar aus dem Zeichen 286. ..."