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Verwaltungsgericht Braunschweig Urteil vom 25.01.2005 - 5 A 216/03 - Zum "Parken" von Fahrrädern in einem Fußgängerzonenbereich

VG Braunschweig v. 25.01.2005: Zum "Parken" von Fahrrädern in einem Fußgängerzonenbereich


Das Verwaltungsgericht Braunschweig (Urteil vom 25.01.2005 - 5 A 216/03) hat zum "Parken" von Fahrrädern in einem Fußgängerzonenbereich entschieden:
Straßenverkehrsrechtliche Regelungen lassen es nicht zu, allgemein das Abstellen von Fahrrädern in dem Fußgängerverkehr vorbehaltenen Bereichen zu untersagen. Nicht zu beurteilen sind in diesem Zusammenhang Fallgestaltungen, in denen Fahrräder z.B. unter Missachtung der allgemeinen Regelungen des § 1 StVO abgestellt worden sind.


Siehe auch Stichwörter zum Thema Fahrrad und Radfahrer und Parken von Fahrrädern auf dem Gehweg


Zum Sachverhalt: Der Kläger wendet sich gegen die Beseitigung seines Fahrrades vom Bahnhofsvorplatz vor dem G. Hauptbahnhof und will erreichen, dass sich derartiges in der Zukunft nicht wiederholt.

Der Bereich des Bahnhofsvorplatzes um das IC-Restaurant herum ist mit dem Verkehrszeichen Nr. 242 als Fußgängerbereich ausgewiesen. Daneben befindet sich nördlich des IC-Restaurants eine Fahrradabstellanlage, die mit dem Verkehrszeichen Nr. 314 als Parkbereich mit den Zusatzzeichen „für Fahrräder“ und „bis 72 Std.“ gekennzeichnet ist.

Außerdem befinden sich auf dem Teil des Bahnhofsvorplatz, der westlich des ICRestaurants liegt, zwei große Schilder mit der Aufschrift „Abstellen von Fahrrädern (als Symbol dargestellt) verboten; Abgestellte Fahrräder werden kostenpflichtig entfernt“. Der Kläger stellte am 25. März 2002 gegen 10.00 Uhr sein Fahrrad auf dem Bahnhofsvorplatz auf der zur Post zeigenden Seite des Hauptbahnhofes (östlich des Gebäudes des ehemaligen Intercity-Restaurants) ab und sicherte es mit einem Stahlseilschloss an einer Straßenlaterne.

Kurze Zeit später stellte die Beklagte dieses Fahrrad sicher und durchtrennte zu diesem Zweck das Fahrradschloss.

Die gegen die Verkehrsregelung gerichtete Klage hatte Erfolg.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Die Umstellung des Klageantrages von einem vorbeugenden Unterlassungsantrag in einen Feststellungsantrag ist gemäß § 91 Abs. 1 VwGO sachdienlich. Die nunmehr erhobene Feststellungsklage ist auch gemäß § 43 VwGO zulässig. An der begehrten Feststellung hat der Kläger ein berechtigtes Interesse, weil er beabsichtigt, sein Fahrrad weiterhin auf dem Bahnhofsvorplatz abzustellen, und dieses Recht von der Beklagten bestritten wird (vgl. zu einem vergleichbaren Fall auch Nds. OVG, Urteil vom 6.6.2003 - 12 LB - 68/03 -, Nds. VBl. 2003, S. 265, 266, sowie BVerwG, Urteil vom 29.1.2004 - 3 C 29.03 - DVBl. 2004, Seite 519; so auch BVerwG, Urt. vom 21.08.2003 - 3 C 15.03 - BayVBl. 2004, S. 567). Dem Feststellungsinteresse steht nicht entgegen, dass sich im Laufe des gerichtlichen Verfahrens das niedersächsische Gefahrenabwehrrecht, auf das die Beklagte die Sicherstellung des Fahrrades des Klägers gestützt hatte, geändert hat. Denn die nunmehr geltende Fassung des § 26 Nds. SOG (vgl. Gesetz vom 11. Dezember 2003 - Nds. GVBl. S. 414) entspricht dem Wortlaut nach dem alten § 26 NGefAG.

Die Feststellungsklage ist auch begründet. Die hier getroffenen straßenverkehrsrechtlichen Regelungen lassen es nicht zu, allgemein das Abstellen von Fahrrädern in dem Fußgängerverkehr vorbehaltenen Bereichen zu untersagen. Nicht zu beurteilen sind in diesem Zusammenhang Fallgestaltungen, in denen Fahrräder z.B. unter Missachtung der allgemeinen Regelungen des § 1 StVO abgestellt worden sind.

Zwar ist der vorliegende Fall nicht unmittelbar mit dem durch die o.a. Urteile beurteilten Fall der straßenverkehrsrechtlichen Beschilderung des Bahnhofsvorplatzes in H. vergleichbar, weil dort andere Verkehrszeichen, nämlich die Verkehrszeichen Nr. 290 und 292 nebst Zusatzzeichen verwandt wurden. In der Sache geht es jedoch um eine vergleichbare Zielrichtung, die die Straßenverkehrsbehörde mit der im vorliegenden Fall verwandten Beschilderung verfolgt, nämlich zu verhindern, dass außerhalb eines näher bezeichneten Bereichs und einer eingerichteten kostenpflichtigen Fahrradstation keine Fahrräder auf dem Bahnhofsvorplatz abgestellt werden. Die Beklagte hat zur Erreichung dieses Zieles einen anderen Weg gewählt, indem der Bahnhofsvorplatz in I. durch das Verkehrszeichen Nr. 242 als Fußgängerzone ausgewiesen wurde.

Auch mit dieser Beschilderung ist jedoch nicht ein allgemeines Verbot verbunden, im Bereich der Fußgängerzone Fahrräder abzustellen.

Auszugehen ist davon, dass sich aus § 12 StVO, der das Halten und Parken betrifft, nicht ein Verbot für das Abstellen von Fahrrädern auf dem Gehweg herleiten lässt. Dazu hat das VG Lüneburg im Urteil vom 25. September 2002 - 5 A 161/01 - ausgeführt: Das Abstellen von Fahrrädern auf Gehwegen oder anderen dem Fußgängerverkehr vorbehaltenen öffentlichen Verkehrsflächen ist jedoch eine straßenverkehrsrechtlich grundsätzlich zugelassene Nutzung, weil die gesetzlichen Parkverbotsregelungen des § 12 Abs. 3 StVO keine entgegenstehenden straßenverkehrsrechtlichen Anordnungen enthalten. Zunächst bezieht sich diese Vorschrift in den in § 12 Abs. 3 Nrn. 1 - 9 StVO aufgeführten Fällen nur auf das Parken auf der Fahrbahn.

Soweit in diesen Regelungen das Parken auf Gehwegen in Nr. 7 (durch das Zeichen 315 oder durch eine Parkflächenmarkierung gem. § 41 Abs. 3 Nr. 7 StVO) und in Nr. 8c (Parken auf Gehwegen mit Zeichen 315) angesprochen wird, beziehen sich diese Regelungen nur auf Kraftfahrzeuge und treffen keine Bestimmungen für das „Parken“ von Fahrrädern auf Gehwegflächen. Die Parkregelungen in § 12 Abs. 3a und 3b StVO betreffen schon nach dem Wortlaut nur Parkvorgänge mit Kraftfahrzeugen. Die Regelung in § 12 Abs. 4 StVO, nach der zum Parken „der rechte Seitenstreifen ... zu benutzen (ist), wenn er ausreichend befestigt ist, sonst ist an den rechten Fahrbahnrand heranzufahren“ regelt die Ausführung des Parkvorganges und ist, wenn dies im Wortlaut auch nicht zum Ausdruck kommt, als ausschließliche Anordnung für den Parkvorgang durch Kraftfahrzeuge und Motorräder, nicht aber für Radfahrer anwendbar (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl. 2001, § 12 StVO, Anm. 38 ff. S. 517 f, der in der Kommentierung ausschließlich das Parken von Kraftfahrzeugen, nicht aber das Abstellen von Fahrrädern bespricht). Das gilt auch unter Berücksichtigung der in § 17 Abs. 4 S. 4 StVO enthaltenen Bestimmung, dass u.a. Fahrräder bei Dunkelheit nicht unbeleuchtet auf der Fahrbahn stehen gelassen werden dürfen. Denn es wäre unsinnig und mit dem in § 1 Abs. 1 StVO enthaltenen Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme unvereinbar, wenn Fahrräder nur am rechten Seitenstreifen der Fahrbahnen abgestellt werden dürften und damit etwa im Innenstadtbereich die vorgesehenen Parkmöglichkeiten für Kraftfahrzeuge blockieren würden. Dementsprechend wird dies unter der Geltung der Straßenverkehrsordnung auch weder praktiziert noch von den Straßenverkehrsbehörden gefordert (davon geht auch aus das OVG Bremen, Urt. v. 10.11.1998, 1 BA 20/97, VRS 98, 53 ff.; vgl. auch Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl. 2001, § 12 StVO, Anm. 41, S. 518, der nur die Mitbenutzung des Gehweges durch Kraftfahrzeuge problematisiert und in Anm. 55 am Ende, S. 524, durch die Erwähnung der Platzbeanspruchung und der Beweglichkeit von Fahrrädern im Gegensatz von Motorrädern wohl auch eine generelle verkehrsrechtliche Gestattung zum Abstellen von Fahrrädern auf Gehwegen annimmt). Das gilt auch für die Vorschrift des § 12 Abs. 4a StVO, nach der für das Parken, soweit es auf dem Gehweg erlaubt ist, „nur der rechte Gehweg, in Einbahnstraßen der rechte und linke Gehweg zu benutzen ist“. Auch diese Vorschrift gilt offenkundig ebenfalls nur für das Abstellen von Kraftfahrzeugen. Das straßenrechtlich und straßenverkehrsrechtlich damit grundsätzlich zugelassene, weil nicht verbotene, Abstellen von Fahrrädern auf Gehwegen oder auf den Fußgängern vorbehaltenen Verkehrsflächen erlaubt damit auch das Abstellen von Fahrrädern auf dem Bahnhofsvorplatz in L.

Dieser Auffassung hat sich das Nds. OVG im Urteil vom 6. Juni 2003 - 12 LB 68/03 - (aaO. S. 268) angeschlossen und ausgeführt: Hinsichtlich des Abstellens von Fahrrädern auf Gehwegflächen gilt nichts anderes.

Denn dieses wird von dem in § 12 Abs. 4 StVO enthaltenen grundsätzlichen Verbot des Haltens und Parkens auf Gehwegen überhaupt nicht erfasst, vielmehr handelt es sich dabei - wie das Verwaltungsgericht zu Recht feststellt - um eine straßenverkehrsrechtlich grundsätzlich zugelassene Nutzung jenseits der Reglementierung des ruhenden Verkehrs auf Gehwegen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass Fahrräder - obschon Fahrzeuge im Sinne der Straßenverkehrs-Ordnung - gemäß § 25 Abs. 1 und 2 StVO Gehwege benutzen dürfen, wenn sie dort geschoben werden (Kettler, NZV 2003, 211; für die StVO a.F.: OLG Celle, Urt. v.17.12.1959 - 1 Ss 329/59 -, VRS 19, 70, 71 f.). Auch gehen von abgestellten Fahrrädern - anders als dies etwa bei Motorrädern der Fall ist - für Fußgänger in der Regel keine durch die allgemeinen Regelungen des Straßenverkehrsrechts und des Ordnungsrechts nicht beherrschbare Gefahren aus (Hentschel, a.a.O., § 12 StVO, Rn 55; Kettler, NZV 2003, 211). In der obergerichtlichen Rechtsprechung (OVG Bremen, Urt. v. 10.11.1998 - I BA 20/97 -, VRS 98, 53, 56 f.) ist denn auch im Zusammenhang mit der Frage der Rechtmäßigkeit eines auf der Fahrbahn eingerichteten Fahrradabstellplatzes das Abstellen von Fahrrädern auf dem Gehweg als Regelfall angesehen worden.

Diese Auffassung teilt auch das BVerwG in dem o.a. Urteil vom 29. Januar 2004 - 3 C 29/03 - a. a. O.

Dieser Einschätzung zur allgemeinen Zulässigkeit des Abstellens von Fahrrädern auf Gehwegen schließt sich das erkennende Gericht an.

Durch die von der Beklagten vorgenommene Regelung durch das Verkehrszeichen Nr. 242 (Fußgängerzone) hat sich hieran nichts geändert.

So definiert der Gesetzgeber schon den Bedeutungsgehalt der Einzelregelung „Fußgänger“ durch das Zeichen Nr. 239 in § 41 Abs. 2 Nr. 5 Satz 5 a StVO einerseits dahingehend, dass Fußgänger die für sie bestimmten Sonderwege benutzen müssen und andere Verkehrsteilnehmer sie nicht benutzen dürfen, andererseits stellt der Gesetzgeber in § 41 Abs. 2 Nr. 5 Satz 4 StVO klar, dass das Zeichen Nr. 239 „Fußgänger“ zur Bestimmung eines Gehwegbereiches nur dort steht, wo eine Klarstellung notwendig ist, d.h. die Zweckbestimmung des Straßenteils als Gehweg sich nicht aus dessen Ausgestaltung ergibt (VwV zu Zeichen 239, vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl. 2003, § 41 StVO Rn. 83c). Schon daraus ergibt sich, dass dieses Zeichen die allgemeinen oben dar- 9 - - 8 - gestellten Befugnisse auf Gehwegen nicht weiter einschränkt, d.h. auch das Abstellen von Fahrrädern auf dem Gehweg nicht verbietet.

Nichts anderes kann für das hier verwandte Verkehrszeichen Nr. 242 (Fußgängerzone) gelten. Nach § 41 Abs. 2 Nr. 5 Satz 6 Nr. 1 StVO gilt für diesen Fußgängerbereich, dass dieser Fußgängern vorbehalten ist und andere Verkehrsteilnehmer ihn nicht benutzen dürfen. Damit unterscheidet sich der Regelungsgehalt des Zeichens Nr. 242 nicht von dem des Zeichens Nr. 239. Das Zeichen Nr. 242 ermöglicht es der Straßenverkehrsbehörde lediglich, die fußgängerbezogenen Regelungen nicht nur auf einen Weg, sondern auf eine größere Zone zu beziehen. Inhaltlich gilt sowohl beim nichtbeschilderten Gehweg, als auch bei der Beschilderung durch Zeichen Nr. 239 oder Nr. 242, dass dieser Bereich Fußgängern vorbehalten ist und andere Verkehrsteilnehmer ihn nicht benutzen dürfen. Nach den obigen Ausführungen stellt das Abstellen von Fahrrädern jedoch keine Benutzung in diesem Sinne dar.

Hieran ändert sich durch die Beschilderung der Fahrradabstellanlage mit dem Verkehrszeichen Nr. 314 (Parkplatz) ergänzt durch Zusatzzeichen nichts, denn durch dieses Zeichen wird gemäß § 42 Abs. 4 Nr. 1 StVO das Parken (§ 12 Abs. 2 StVO) erlaubt, das gemäß Nr. 2 jedoch - wie geschehen - durch Zusatzschilder eingeschränkt werden kann.

Dagegen lässt sich aus dieser Beschilderung kein Verbot ableiten, außerhalb des gekennzeichneten Bereichs Fahrräder abzustellen.

Auch durch die zusätzlichen - nicht amtlichen - Schilder „Abstellen von Fahrrädern (durch Symbol dargestellt) verboten; Abgestellte Fahrräder werden kostenpflichtig entfernt“ ändert sich an dieser straßenverkehrsrechtlichen Lage nichts. Diese Schilder enthalten keine eigenständige straßenverkehrsrechtliche Regelung, sondern geben nur wieder, welche Rechtslage aus Sicht der Beklagten mit der Aufstellung des Verkehrszeichens Nr. 242 verbunden ist. Diese Schilder können auch nicht als wirksame Anordnung des Grundstückseigentümers angesehen werden, welche Nutzung seines Eigentums er anderen gestatten möchte, denn die Möglichkeiten des hier privaten Grundstückseigentümers (Deutsche Bundesbahn) werden durch die straßenrechtliche Widmung dieser Fläche zum öffentlichen Verkehr überlagert. Das Nds. Straßengesetz setzt für eine solche Widmung auch nicht voraus, dass das betroffene Grundstück im Eigentum des Trägers der Straßenbaulast steht (vgl. § 6 Abs. 2 NStrG).

Die Beklagte kann sich bezüglich der zulässigen Nutzung des Bahnhofsvorplatzes auch nicht auf die zwischen ihr und der Deutschen Bundesbahn getroffene Nutzungsvereinbarung berufen, weil diese Vereinbarung keine Wirkungen gegenüber Dritten entfaltet.

Auch aus der hier vorliegenden Widmung des Bahnhofsvorplatzes für den öffentlichen Verkehr lässt sich eine Nutzungsbeschränkung über das oben dargelegte straßenverkehrsrechtliche Maß nicht herleiten, so dass auch aus straßenrechtlichen Vorgaben kein allgemeines Verbot für das Abstellen von Fahrrädern auf dem Bahnhofsvorplatz abgeleitet werden kann. Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass zu entscheiden, ob straßenrechtlich die von der Beklagten gewünschten Einschränkungen der Nutzbarkeit möglich sind, weil dieser Weg bisher noch nicht beschritten wurde.

Der vorliegende Fall gibt auch keine Veranlassung darüber zu entscheiden, ob der Eigentümer von Einrichtungen auf dem Bahnhofsvorplatz, die nicht wie die Fahrradabstellanlage zur Sicherung von Fahrrädern bestimmt sind, verbieten kann, diese Einrichtungen, wie z.B. Laternenstangen, Stangen für Verkehrszeichen, Schutzgitter für angepflanzte Bäume, zur Sicherung eines Fahrrades gegen Diebstahl zu benutzen, denn derartige Regelungen sind nicht getroffen worden. ..."



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