Das Verkehrslexikon

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Die Grundsätze der fiktiven Schadensabrechnung

Die Grundsätze der fiktiven Schadensabrechnung


Siehe auch Abstrakte bzw. sog. fiktive Schadensabrechnung - Abrechnung auf Gutachtenbasis




Gemäß § 249 Satz 2 BGB hat der Geschädigte Anspruch auf den für die Schadensbeseitigung erforderlichen Geldbetrag (sog. Wiederherstellungskosten). Der erforderliche Betrag ist keineswegs identisch mit dem vom Geschädigten aufgewendeten Betrag. Was erforderlich ist, ist objektiv zu bestimmen: entscheidend ist, was ein verständiger, wirtschaftlich denkender Eigentümer in der Lage des Geschädigten aufwenden würde. Für die (im Prozessfall nach § 287 ZPO vorzunehmende Schätzung) ist ein Sachverständigengutachten, welches diese Anforderungen berücksichtigt, eine sachgerechte Grundlage (vgl. BGH NZV 89, 465).

Der Geschädigte braucht seinen Reparaturaufwand deshalb auch nicht durch die Vorlage von Rechnungen zu belegen. Er kann - z.B. im Falle einer sog. Billigreparatur - auch höhere Kosten "auf Gutachtenbasis" abrechnen. Nur dann, wenn gegen das eingereichte Gutachten vom Schädiger oder dessen Versicherer substantiierte Einwände erhoben werden, kann der Geschädigte gehalten sein, nähere Angaben zur tatsächlichen Reparaturdurchführung und ihren Kosten zu machen (vgl. BGH aaO.).


Der Geschädigte kann die - durch ein Gutachten nachgewiesenen - Kosten einer vollständigen Reparatur durch eine Fachwerkstatt auch dann beanspruchen, wenn er sein Fahrzeug nur behelfsmäßig oder gar nicht reparieren lässt (vgl. BGH aaO).

Deshalb braucht der Geschädigte auch nicht darzulegen oder nachzuweisen, was er mit dem beschädigten Fahrzeug gemacht hat. Dieser lange Zeit unbestrittene Grundsatz wurde allerdings neuerdings durch die Rechtsprechung modifiziert. Der BGH (Urt. v. 23.05.2006 - VI ZR 192/05) geht nämlich davon aus, dass der Anspruch auf fiktiven Ersatz im Fall der Weiterbenutzung des unreparierten Fahrzeugs nur dann besteht, wenn der Zeitraum der Weiterbenutzung mindestens 6 Monate beträgt. Ein alsbaldiger Weiterverkauf des unreparierten Fahrzeugs innerhalb dieser Frist macht die fiktive Schadensabrechnung - ohne Restwertabzug - also unzulässig.

Wenn der Ersatzpflichtige substantiierte, begründete und nur deshalb überhaupt beachtliche Einwände gegen die Richtigkeit einzelner Positionen des Gutachtens vorbringt, die der Geschädigte nicht ausräumen kann, muss dieser es sich gefallen lassen, dass ggf. gem. § 287 ZPO einzelne Abschläge vorgenommen werden, dies allerdings auch nur bei denjenigen Positionen, auf die sich die begründeten Einwände des Ersatzpflichtigen beziehen (vgl. zu diesem Problem auch den Aufsatz "Streit um den Schaden" von Bundesrichter Dr. Greger in NZV 94, 11 ff.).

Hat der Geschädigte zunächst die fiktive Schadensabrechnung gewählt, dann verliert er damit nicht das Wahlrecht, später - beispielsweise bei erhöhtem Reparaturaufwand - dennoch konkret abzurechnen, sofern er bei der Wahl der abstrakten Abrechnung nicht auf sein entsprechendes Wahlrecht verzichtet hat (vgl. z. B. OLG Celle (Urt. v. 28.03.2006 - 14 U 200/05)).

Ob eine "gemischte" Abrechnung aus teilweise fiktiver und teilweise konkreter Schadensabrechnung zulässig ist, ist bisher vom BGH noch nicht entschieden worden (ausdrücklich offengelassen in BGH DAR 2003, 554 f. = NZV 2003, 569 f. = NJW 2003, 3480 f. (Urt. v. 15.07.2003 - VI ZR 361/02) - der Kläger hatte die Reparaturkosten nach SV-Gutachten abgerechnet, jedoch Ausfallentschädigung für den tatsächlich längeren Zeitraum einer andersartigen - billigeren - Reparaturdurchführung gefordert; dies wurde ihm verweigert, ohne dass es auf die Streitfrage der gemischten Abrechnung ankam).