Das Verkehrslexikon
BGH Urteil vom 13.07.1993 - VI ZR 278/92 - Allein aus der Übernahme der Führung eines Kfz kann kein Haftungsausschluss gefolgert werden
BGH v. 13.07.1993: Allein aus der Übernahme der Führung eines Kfz und der Mitnahme einer Person kann kein Haftungsausschluss gefolgert werden
Der BGH (Urteil vom 13.07.1993 - VI ZR 278/92) hat entschieden:
Allein daraus, daß sich jemand aus Gefälligkeit an das Steuer eines fremden Fahrzeugs setzt und eine andere Person mitnimmt, kann die Vereinbarung des Ausschlusses einer deliktischen Haftung auch beim Bestehen einer Haftpflichtversicherung keineswegs gefolgert werden.
Siehe auch Haftung und Haftungsbegrenzung bei Gefälligkeitsfahrten
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Dem Berufungsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß die Voraussetzungen für einen zwischen Holger K. als Mitfahrer und der Erstbeklagten als Fahrerin des Pkw stillschweigend vereinbarten Haftungsausschluß, der zum Wegfall der Grundlage für die Einstandspflicht der Beklagten zu 2) führen würde, nicht als erfüllt angesehen werden können.
aa) Eine derartige Haftungsbeschränkung kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auf der Grundlage des § 242 BGB nur ganz ausnahmsweise angenommen werden; sie stellt eine künstliche Rechtskonstruktion aufgrund einer Willensfiktion dar, da sie von einem Haftungsverzicht ausgeht, an den beim Abschluß der Vereinbarung niemand gedacht hat (vgl. BGHZ 34, 355, 361; 41, 79, 81; 43, 72, 76; Senatsurteil vom 9. Juni 1992 - VI ZR 49/91 - VersR 1992, 1145, 1147). Allein daraus, daß sich jemand aus Gefälligkeit an das Steuer eines fremden Fahrzeugs setzt und eine andere Person mitnimmt, kann die Vereinbarung des Ausschlusses einer deliktischen Haftung keineswegs gefolgert werden (vgl. Senatsurteile vom 14. Februar 1978 - VI ZR 216/76 - VersR 1978, 625; vom 14. November 1978 - VI ZR 178/77 - VersR 1979, 136; vom 18. Dezember 1979 - VI ZR 52/78 - VersR 1990, 426, 427 und vom 15. Januar 1980 - VI ZR 191/78 - VersR 1980, 384, 385). Gerade dort, wo der Schädiger gegen Haftpflicht versichert ist, erst recht, wenn eine Pflichtversicherung besteht, die dem Schutz des Unfallopfers dienen soll, entspricht es weder dem gesetzlichen Anliegen der Versicherungspflicht noch dem Willen der Beteiligten, durch (letztlich fingierte) Verzichtsabreden den Haftpflichtversicherer zu entlasten (vgl. BGHZ 39, 156, 158; Senatsurteile vom 26. Oktober 1965 - VI ZR 102/64 - VersR 1966, 40, 41 und vom 9. Juni 1992 - VI ZR 49/91 - aaO). Deshalb spricht das Bestehen eines Haftpflichtversicherungsschutzes für den Schädiger in aller Regel gegen eine stillschweigende Haftungsbeschränkung (vgl. BGHZ 63, 51, 59; Senatsurteil vom 15. Januar 1980 - VI ZR 191/78 - aaO). Diese setzt vielmehr grundsätzlich voraus, daß für den Schädiger, der gerade keinen Versicherungsschutz genießt, ein nicht hinzunehmendes Haftungsrisiko gegeben wäre und darüberhinaus besondere Umstände vorliegen, die im konkreten Fall einen Haftungsverzicht des Geschädigten als besonders naheliegend erscheinen lassen. Diese Voraussetzungen wurden in der Rechtsprechung z.B. dann als erfüllt angesehen, wenn unter der Geltung des § 11 Nr. 3 AKB a.F. der Fahrer eines Kraftfahrzeugs einem Schadensersatzanspruch des mitfahrenden Halters ausgesetzt war, da jene Bestimmung dem Schädiger insoweit den Versicherungsschutz versagte; auch dann wurde jedoch die Feststellung zusätzlicher Umstände gefordert, die im Einzelfall einen Haftungsverzicht des Halters rechtfertigten, etwa sein besonderes Interesse daran, daß der Fahrer das Steuer übernahm (vgl. Senatsurteile vom 14. Februar 1978 - VI ZR 216/76 - aaO; vom 18. Dezember 1979 - VI ZR 52/78 - aaO; vom 15. Januar 1980 - VI ZR 191/78 - aaO und vom 31. Mai 1983 - VI ZR 117/80 - VRS 65, 178, 180). ..."