Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

OLG Düsseldorf Urteil v. 20.04.2004 - 4 U 132/03 - Regress in Höhe von 5.000,00 € bei relativer Fahruntüchtigkeit

OLG Düsseldorf v. 20.04.2004: Regress in Höhe von 5.000,00 € bei relativer Fahruntüchtigkeit


Das OLG Düsseldorf (Urteil v. 20.04.2004 - 4 U 132/03) hat entschieden:
Relative Fahruntüchtigkeit mit der Folge der Leistungsfreiheit des Versicherers in Höhe von 5.000,00 € ist anzunehmen, wenn der Versicherungsnehmer mit seinem Pkw bei 0,99 Promille Blutalkoholkonzentration auf einer innerörtlichen Straße nahe seiner Wohnung einem Kleintier ausweichen wollte und dabei das Lenkrad so verriss, dass er die Kontrolle über das Fahrzeug verlor und mit seinem Pkw eine Vorgartenmauer auf der linken Straßenseite durchbrach.


Siehe auch Die grobfahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls in der Voll- oder Teilkaskoversicherung und Vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls in der Kfz-Versicherung


Gründe:

Die Berufung des Beklagten ist unbegründet, die Berufung der Klägerin dagegen begründet.

I.

Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Landgericht hat der Klägerin zu Recht einen Regressanspruch in Höhe von 10.000,00 DM aus §§ 426 Abs. 1 S. 1 BGB, 3 Nr. 9 PflVG, 2 b Ziff. 1 e Ziff. 2 AKB, 5 Abs. 3 KfzPflVV zugesprochen, weil der Beklagte eine Obliegenheitsverletzung dadurch begangen hat, dass er ein Fahrzeug geführt hat, obwohl er hierzu wegen Genusses alkoholischer Getränke nicht sicher in der Lage war.

1) Dass der Beklagte vor der Fahrt, die am 22.7.2000 zu dem streitgegenständlichen Unfall geführt hat, Alkohol getrunken hat, ist unstreitig. Absolute Fahruntauglichkeit lag allerdings nicht vor, denn im Unfallzeitpunkt um 4:25 Uhr hatte der Beklagte nur eine Blutalkoholkonzentration von 1,07 o/oo. Die Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit liegt aber auch im Versicherungsvertragsrecht bei 1,1 o/oo (BGH, VersR 1991, 1367; OLG Köln, NVersZ 1999, 574; Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 26. Auflage, § 12 AKB, Rn. 91). Die dem Beklagten um 5:15 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 0,99 o/oo. Das Trinkende lag im Entnahmezeitpunkt länger als zwei Stunden zurück, so dass eine Rückrechnung zulässig ist, da die Resorptionsphase abgeschlossen ist (vgl. OLG Köln, NVersZ 1999, 574; OLG Nürnberg NVersZ 2001, 235). Der Beklagte will nämlich bereits ab Mitternacht nur mehr Cola getrunken und auch noch etwas gegessen haben (Beiakte StA Düsseldorf 214 VRs 465/01, Bl. 93). Für die Rückrechnung ist zur Ermittlung der Fahruntüchtigkeit der für den Beschuldigten günstigste Abbauwert von 0,1 o/oo pro Stunde zugrunde zu legen (Tröndle/Fischer, StGB, 50 Aufl., § 316 StGB, Rn. 8 d). Zwischen dem Unfall um 4:25 Uhr und der Blutprobe lagen hier 50 Minuten, auszugehen ist daher von einem Abbau von 0,083 o/oo. Addiert man dies zu der um 5:15 Uhr festgestellten Blutalkoholkonzentration von 0,99 o/oo, ergeben sich 1,073 o/oo, also ein knapp unter der Grenze von 1,1 o/oo liegender Wert.

Der Beklagte war jedoch relativ fahruntüchtig, denn es liegen konkrete Ausfallerscheinungen vor, die hierauf schließen lassen ( vgl. Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 26. Auflage, § 12 AKB, Rn. 93). Die Anforderungen an die Ausfallerscheinung als Anzeichen für die Fahruntauglichkeit sind hier deutlich herabgesetzt, denn sie müssen mit zunehmender Annäherung der Blutalkoholkonzentration an die Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit geringer ausfallen (OLG Köln, RuS 2003, 315; OLG Düsseldorf, RuS 2000, 362). Diese Grenze war hier nahezu erreicht.

Es würde daher ohne weiteres genügen, wenn der Beklagte, entsprechend der Annahme des Landgerichts, bei klarer Verkehrsituation ohne Anlass von der Straße abgekommen ist, da dies nur durch einen alkoholbedingten Fahrfehler erklärbar ist (vgl. Urteil des Senats vom 30.09.1997 - 4 U 148/96 -; OLG Saarbrücken, ZfSch 2001, 214; OLG Köln NVersZ 1999, 574). Wenn der Beklagte dagegen einem Tier hat ausweichen wollen, lag zwar möglicherweise keine klare Verkehrslage vor. Auch dann hat er aber einen Fahrfehler begangen, der auf alkoholbedingte Ausfallerscheinungen schließen läßt. Er hätte nämlich - durch ein Tier erschreckt - in der Folge nicht nur völlig das Lenkrad verrissen, sondern war nicht einmal in der Lage, die Kontrolle über das Fahrzeug wiederzugewinnen. Diese fehlerhaften Reaktionen sind alkoholbedingt erfolgt, denn das Verhalten des Beklagten unterscheidet sich in markanter Weise von den Reaktionsmöglichkeiten im nüchternem Zustand. Zum einen führt auch der Schreck wegen eines Tieres bei einem nüchternen Fahrer üblicherweise nicht zu der Überreaktion, das Lenkrad völlig zu verreißen. Derartig verstärktes Erschrecken und überzogene Reaktionen beruhen in der Regel vielmehr auf der alkoholtypisch zunächst verzögerten Wahrnehmungs- und Reaktionsmöglichkeit und der dann ebenfalls alkoholtypisch übersteigerten Reaktion (vgl. Brandenburgisches OLG, Blutalkohol 38, 194). Im übrigen vermag ein nüchterner Fahrer regelmäßig jedenfalls so schnell die Selbstbeherrschung wieder zu gewinnen, dass er nicht jegliche Kontrolle über das Fahrzeug verliert und ist daher auch bei einer Ausweichbewegung imstande, den Unfall zu vermeiden, während eine eingeschränkte Möglichkeit von Lenkradkorrekturen alkoholtypisch ist (OLG Koblenz RuS 1992, 34). Schließlich muss der Anprall hier mit erheblicher Wucht erfolgt sein, da das Fahrzeug nicht nur gegen die Vorgartenbegrenzungsmauer (vgl. Beiakte StA Düsseldorf 214 VRs 465/01, Bl. 2) sondern auch gegen die dahinter befindlichen Grabsteine prallte. Auch eine solche Anprallwucht spricht gegen einen Bremsversuch und damit für eine alkoholbedingte Einschränkung der Koordinations- und Reaktionsfähigkeit (vgl. Urteil des Senats vom 30.09.1997 - 4 U 148/96 -; OLG Frankfurt, VersR 1996, 52). Die Überreaktion und fehlende Korrekturmöglichkeit sind daher als alkoholbedingt zu werten (vgl. OLG Celle, ZfSch 1996, 222, OLG Hamm RuS 1999, 268). Dies gilt um so mehr, als - wie der Beklagte jetzt vorträgt - sogar allgemein bekannt sein soll, dass an der Unfallstelle häufig Kleintiere die Straße kreuzen. Da der Beklagte in der Nähe wohnte, wußte er dies ebenfalls. Aus welchem Grunde er sein Fahrverhalten hierauf nicht einstellen konnte, ist unerfindlich, wenn dies nicht auf dem Alkoholgenuss beruht (vgl. Urteil des Senats vom 30.09.1997 - 4 U 148/96 -; OLG Hamm Schaden-​Praxis 1995, 310). Angesicht der hier dicht an der Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit gelegenen Blutalkoholkonzentration genügen diese Fahrfehler ohne weiteres, um die relative Fahruntüchtigkeit zu belegen.

Dass der Beklagte vor dem Unfall und auch anschließend keine Ausfallerscheinungen gezeigt haben soll, ist unschädlich. Bei einer Blutalkoholkonzentration im Bereich von 1 o/oo ist eine zunächst unauffällige Fahrweise keineswegs untypisch. Dies schließt aber nicht aus, dass der spätere Fahrfehler auf Alkohol beruht (vgl. OLG Köln NVersZ 1999, 574). Ebenso ist werden nach einem Unfall und hierdurch "ernüchtert" bei der Blutentnahme häufig keine Ausfallerscheinungen mehr festgestellt (OLG Hamm, Schaden-​Praxis 1995, 310).

2.) Der Alkoholgenuss war ursächlich für den Unfall. Für den Kausalzusammenhang zwischen der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit und dem Unfall spricht der Beweis des ersten Anscheins (BGH VersR 1991, 1367, 1368; BGH VersR 1987, 1006, 1007; Senat NJW RR 2001, 101; OLG Köln, NVersZ 1999, 574). Der Anscheinsbeweis ist nur erschüttert, wenn Umstände nachgewiesen werden aus denen sich die ernsthafte und nicht nur theoretische Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs ergibt, den auch ein nicht alkoholisierter Fahrer nicht gemeistert hätte (BGH VersR 1986, 131; Senat NJW RR 2001, 101). Die allgemeine Möglichkeit, dass auch einem Nüchternen der Unfall hätte unterlaufen können, genügt nicht (BGH VersR 1986, 131; VersR 1976, 729; Senat NJW RR 2001, 101). Solche Umstände hat der Beklagte hier schon nicht vorgetragen, da auch bei einem Ausweichversuch wegen eines Tieres ein alkoholbedingter Fahrfehler vorliegt. Im übrigen ist der Zeuge H... hierzu erstinstanzlich nicht benannt worden, so dass das Landgericht richtigerweise den Beklagten als beweisfällig angesehen hat. Der Beklagte hat vielmehr erst mit der Berufungsbegründung behauptet, dem Zeugen H... unmittelbar nach dem Unfall von dem Tier erzählt zu haben. Dieses Vorbringen ist, da der Beklagten den verspäteten Vortrag nicht entschuldigt, nicht zuzulassen (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO).

II.

Die Berufung der Klägerin ist dagegen begründet, denn sie hat aus § 426 BGB i.V. m. § 7 I Ziff. 2. V. Ziff. 2. AKB, 6 Abs. 1 KfzPflVV einen weiteren Regressanspruch in Höhe von 5.000,00 DM gegen den Beklagten, weil dieser sich nach dem Unfall unerlaubt vom Unfallort entfernt hat.

1.) Ein weiterer Regress ist entgegen der Auffassung des Landgerichts grundsätzlich möglich.

Beim Zusammentreffen von Obliegenheitsverletzungen vor und nach Eintritt des Versicherungsfalls sind die Leistungsfreiheitsbeträge gemäß § 2 b Nr. 2 und § 7 I Nr. 2, V Nr. 2 AKB zusammenzurechnen. Das entspricht mittlerweile gefestigter Rechtsprechung und ganz herrschender Meinung (OLG Hamm, VersR 2000, 843; OLG Bamberg, RuS 2002, 2 unter 4.; OLG Köln, RuS 2002, 492 unter I.3.; OLG Schleswig, VersR 2003, 637; Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 5 KfzPflVV Rn. 11; derselbe, VersR 1996, 401, 405 f.; Langheid in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 5 KfzPflVV Rn. 11; Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung, 17. Aufl., § 2 b) AKB Rn. 139 und § 5 KfzPflVV Rn. 19; Stamm, VersR 1999, 261, 266; a. A. OLG Nürnberg, VersR 2001, 231; Wessels, NVersZ 2000, 262). Dieser Auffassung ist der Senat in seinem Urteil vom 31.10.2003 (I-​4 U 71/03) beigetreten.

Die jeweils vor und nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllenden Obliegenheiten bestehen eigenständig nebeneinander. Die Trunkenheitsklausel dient - wie die übrigen in § 5 KfzPflVV geregelten Obliegenheiten - der Verminderung der Gefahr bzw. der Verhütung einer Gefahrerhöhung. Demgegenüber sollen die nach dem Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllenden Obliegenheiten dem Versicherer die Aufklärung des Schadensfalls und dessen sachgemäße Regulierung ermöglichen (Senat a.a.O.). Beide Obliegenheiten haben also keineswegs dieselbe Stoßrichtung, die erstgenannte will vielmehr den Schadenseintritt überhaupt verhindern, die zweitgenannte die Aufklärung ermöglichen.

Verstößt eine versicherte Person nacheinander gegen beide Arten von Obliegenheiten, führt deren Ahndung auch nicht zu einer Doppelbestrafung. Ein Verbot der Addition von Leistungsfreiheitsbeträgen lässt sich aus § 5 und § 6 KfzPflVV, die von den Versicherungsbedingungen einzuhaltende Mindeststandards festlegen, nicht herleiten. Eine entsprechende Vorgabe wäre jedoch zu erwarten gewesen, wenn der Verordnungsgeber die Leistungsfreiheit aus sozialen Erwägungen auf einen Leistungsfreiheitsbetrag hätte beschränken wollen. Aus den Versicherungsbedingungen hier läßt sich nichts anderes entnehmen, denn aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers stehen auch § 2 b Nr. 1 lit. e und § 7 I Nr. 2 S. 2, V Nr. 2 AKB beziehungslos nebeneinander.

Schließlich ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb einem Versicherungsnehmer, der bereits eine Obliegenheit vor Eintritt des Versicherungsfalls verletzt hat, nach der deutlichen Zäsur durch den Eintritt des Versicherungsfalls ohne weitere Konsequenzen noch ein weiterer Obliegenheitsverstoß möglich sein soll.

2.) Durch sein Verhalten hat der Beklagte gegen die Aufklärungsobliegenheit aus § 7 I Nr. 2 AKB verstoßen. Die in dieser Klausel erkennbar weit gefasste Aufklärungsobliegenheit ist stets verletzt, wenn der Versicherte den objektiven und subjektiven Tatbestand einer Unfallflucht i.S. von § 142 StGB verwirklicht hat. Die vertragliche Aufklärungsobliegenheit umfasst auch ohne ausdrückliche Vereinbarung die strafrechtlich sanktionierte Rechtspflicht, die elementar und allgemein bekannt ist (BGH VersR 2000, 222; Senat, a.a.O.).

Der objektive Tatbestand eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort i.S. von § 142 StGB ist hier ohne weiteres erfüllt. Der Beklagte hat einen Fremdschaden in erheblicher Höhe verursacht und sich anschließend sofort vom Unfallort entfernt, obwohl Zeugen ihm sogar anboten, die Polizei zu rufen. § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB verpflichtet den Unfallbeteiligten aber, eine angemessene Zeit zu warten, um das Eintreffen feststellungsbereiter Personen - wozu auch Polizeibeamte gehören - zu ermöglichen. Gegen diese Pflicht wird mit jedem Entfernen verstoßen (Tröndle/Fischer, StGB, 51. Auflage, § 142 StGB Rn. 35).

Auch der subjektive Tatbestand des § 142 StGB ist aber erfüllt. Dass der Beklagte sich - unwiderlegbar - dahin einläßt, er habe zur nahegelegenen Polizeistation gehen und zuvor nur in seiner auf dem Weg befindlichen Wohnung seine Papiere holen wollen, läßt den Vorsatz nicht entfallen. Grundsätzlich genügt bedingter Vorsatz dahingehend, dass ein Unfall stattgefunden hat, der Schaden nicht ganz unerheblich ist, der Täter Unfallbeteiligter ist, sich entfernt und Feststellungen vereitelt werden. Vereitelungsabsicht ist dagegen nicht erforderlich (Fischer/Tröndle, StGB, 51. Auflage, § 142 StGB, Rn. 38; Cramer/Sternberg-​Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 26. Auflage, § 142 StGB, Rn. 76). Da in der Regel Feststellungen über das Unfallgeschehen am Unfallort wesentlich leichter getroffen werden können, was jedem Verkehrsteilnehmer ohne weiteres ersichtlich ist, fehlt der dahingehende Vorsatz allenfalls dann, wenn der Täter sich entfernt, um den Geschädigten beschleunigt zu verständigen (OLG Koblenz NZV 1996, 324; OLG Zweibrücken DAR 1982, 332; Fischer/Tröndle, StGB, 51. Auflage, § 142 StGB, Rn. 76; Cramer/Sternberg-​Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 26. Auflage, § 142 StGB, Rn. 76) und er sein Verhalten für hierzu geeigneter hielt und halten durfte, als das Abwarten an der Unfallstelle (vgl. OLG Frankfurt, NJW 1967, 2072). So lag es aber hier nicht, denn dem Beklagten war sogar angeboten worden, die Polizei zu verständigen. Auch wenn das zum Grabsteinhandel gehörende Haus unbewohnt war, ist die Annahme, Polizeibeamte wären zur Ermittlung des Geschädigten an der Unfallstelle nicht ebenso schnell in der Lage, wie bei Verlassen des Unfallorts, durch nichts gerechtfertigt. Entsprechend beruft der Beklagte sich auch nicht darauf, dies geglaubt zu haben. Er will sich vielmehr entfernt haben, weil einer der Unfallzeugen alkoholbedingt desorientiert gewesen sei. Sein Verhalten war also keineswegs auf die beschleunigte Verständigung des Geschädigten gerichtet. Die mögliche Alkoholisierung eines Zeugen stellt aber schon deshalb keinen nachvollziehbaren Anlass dar, die Unfallstelle zu verlassen, weil der Beklagte nichts dazu vorträgt, dass dieser Zeuge aggressiv oder zumindest unangenehm aufgetreten wäre. Allenfalls dann könnte aber sein Verhalten entschuldigt sein. Soweit der Beklagte sich im Strafverfahren dahingehend eingelassen hat, er sei sich der Wartepflicht nicht bewusst gewesen, da er in 2 bis 3 Minuten bei der Polizei sein wollte (Beiakte StA Düsseldorf 214 VRs 465/01, Bl. 47, 90), ist auch dies nicht unter Beweis gestellt. Darüber hinaus handelte es sich bei einem Irrtum über die Wartepflicht um einen für den Vorsatz nach § 142 StGB unbeachtlichen Verbotsirrtum (Tröndle/Fischer, StGB, 51 Auflage, § 142 StGB, Rn. 41).

3.) Bei einem vorsätzlichen Verstoß gegen eine Obliegenheit gemäß § 6 Abs. 3 VVG tritt Leistungsfreiheit schon dann ein, wenn die Verletzung der Aufklärungspflicht generell geeignet war, die Interessen des Versicherers ernstlich zu gefährden. Davon ist bei einer Unfallflucht in der Regel auszugehen, weil hierdurch die Prüfung der Leistungspflicht erschwert wird (BGH VersR 2000, 222; Senat, a.a.O.). Auf das tatsächliche Ergebnis einer Unfallflucht, d.h., ob es gelingt, Feststellungen zu erschweren, kommt es für die Relevanz der Aufklärungspflichtverletzung nicht an (BGH VersR 2000, 222; OLG Frankfurt, VersR 2001, 1374; Urteil des Senats vom 16.04.2001 - I-​4 U 165/01 -; OLG Frankfurt, VersR 2001, 1374; Prölss/Martin, § 6 VVG Rn. 101 m.w.N.).

Dass hier die Haftungslage eindeutig ist, weil der Beklagte sein Fahrzeug am Unfallort zurückließ, läßt daher die Relevanz nicht entfallen. Auch dann wird die Prüfmöglichkeit des Versicherers durch eine Unfallflucht entscheidend verkürzt, denn ihm geht es in erster Linie darum zu prüfen, ob er nach § 61 VVG von der Leistungspflicht frei ist, insbesondere bei möglicher alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit (BGH VersR 2000, 222).

Ebenso wenig fehlt die Relevanz hier deshalb, weil auch die Feststellung der Alkoholisierung zeitnah gelang. Dennoch war das Verhalten des Beklagten generell geeignet, Feststellungen zu erschweren, denn dass diese Eignung hier entfällt, ist durch nichts belegt. Anders als die Obliegenheitsverletzung selbst muss aber die fehlende Relevanz der Obliegenheitsverletzung und sein geringes Verschulden der Versicherungsnehmer beweisen (Prölss in Prölss/Martin, VVG, 26. Auflage, § 6 VVG, Rn. 125; Römer in Römer/Langheid, VVG, 2. Auflage, § 6 VVG, Rn. 125). Hier läßt das belegte äußere Erscheinungsbild des Beklagtenverhaltens jedoch offen, ob er sich tatsächlich unverzüglich zur Polizei begeben und die Blutprobe ermöglicht hätte, wenn nicht andere Zeugen die Polizei auf ihn hingewiesen hätten. Er will zwar eine solche Absicht dem Zeugen H... gegenüber angegeben haben, ob er sich tatsächlich so verhalten wollte, ergibt sich hieraus jedoch nicht. Ebenso ist denkbar, dass er von vorneherein abwarten wollte, bis kein Alkohol im Blut mehr festgestellt werden könnte, oder dass er seine zunächst bestehende Absicht, die Polizei aufzusuchen, wieder aufgegeben hätte, wäre er nicht gestellt worden. Darüber hinaus hatte sich der Beklagte durch sein Entfernen die Möglichkeit eines Nachtrunks eröffnet, so dass die grundsätzliche Eignung seines Verhaltens, Nachteile für die Klägerin zu verursachen, durch nichts ausgeräumt wird.

4.) Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286, 288 BGB.

III. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1 S. 1, 97 Abs . 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 ZPO. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung bezogen auf die Frage, ob ein mehrfacher Regress möglich ist, bedarf es der Revision nicht, da die hier vertretene Auffassung die mittlerweile ganz herrschende ist.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 7.669,38 EUR
(Berufung des Beklagten: 5.112,92 EUR,
Berufung der Klägerin: 2.556,46 EUR)



Datenschutz    Impressum