Das Verkehrslexikon

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Vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls in der Kfz-Versicherung

Vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls in der Kfz-Versicherung




Gliederung:


-   Einleitung
-   Weiterführende Links
-   Allgemeines
- Bedingter Vorsatz
- Beweislast / Beweiserleichterungen
- Selbsttötungsabsicht



Einleitung:


Nach den §§ 81 Abs. 1, 103 VVG n.F. (§ 152 VVG a.F.) haftet der Versicherer nicht, wenn der Versicherungsnehmer den Eintritt der Tatsache, für die er dem Dritten verantwortlich ist, vorsätzlich widerrechtlich herbeigeführt hat.

In einem solchen Fall ist der Versicherungsschutz auch im Außenverhältnis zum Geschädigten von vornherein ausgeschlossen. Denn da der Direktanspruch eines im Straßenverkehr durch ein Kraftfahrzeug Geschädigten gegen die Haftpflichtversicherung des Gegners nach § 3 Nr. 1 Pflichtversicherungsgesetz voraussetzt, dass dieser seinerseits einen Anspruch auf Haftpflichtleistungen gegen seine eigene Versicherung hat, entfällt konsequenterweise der Direktanspruch, wenn diese im Verhältnis zum Versicherungsnehmer gemäß § 81 Abs. 1 VVG n.F. nicht haftet, weil der Versicherungsnehmer den Verkehrsunfall vorsätzlich herbeigeführt hat.


Vorsatz im Sinne dieser Vorschrift ist derjenige des allgemeinen Zivilrechts, also Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolges. Es genügt, wenn der Handelnde den als möglich erkannten Erfolg billigend in Kauf nimmt ('Eventualvorsatz).

Bei grobfahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls ist der Versicherer berechtigt, die Leistung gem. § 81 Abs. 2 VVG n.F. in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.

Damit gehört für nicht vorsätzliche Handlungen das nach altem VVG-Recht geltende "Alles-oder-Nichts-Prinzip" seit 2008 der Vergangenheit an.

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Weiterführende Links:


Stichwörter zum Thema Kfz-Versicherung

Stichwörter zum Thema Alkohol

Unfallmanipulationen - gestellte Unfälle - Unfallbetrug

Grobfahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls

Vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls in der Kfz-Versicherung

Suizid und Selbsttötungsabsicht

Straßenverkehrsgefährdung / gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr

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Allgemeines:

OLG Nürnberg v. 02.12.2004:
Leistungsfreiheit des Haftpflichtversicherers gem. § 152 VVG bei Unfallbetrug

LG Bonn v. 19.12.1997:
Leistungsfreiheit nur gegenüber dem Fahrzeugführer, nicht gegenüber dem unbeteiligtem Halter bei Unfallbetrug durch den Vorausfahrenden.

OLG Hamm v. 15.06.2005:
Die Haftung der Kfz-Pflichtversicherung ist gegenüber dem vorsätzlich handelnden Fahrer, der das Fahrzeug als Waffe benutzt hat, gemäß § 152 VVG ausgeschlossen. Der Fortfall des Deckungsanspruchs des mitversicherten Fahrers gegen die Pflichtversicherung wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Schadens wirkt aber nicht zugleich gegen die Halterin und Versicherungsnehmerin, der kein vorsätzliches Verhalten zur Last fällt.

LG Mannheim v. 18.08.2005:
Im Falle vorsätzlicher Herbeiführung eines Verkehrsunfallschadens ist der Direktanspruch des Geschädigten nicht ausgeschlossen.

OLG Saarbrücken v. 19.12.2006:
Zum Beweismaß an den Nachweis eines "gestellten" Verkehrsunfallereignisses

OLG Brandenburg v. 30.08.2007:
Der Nachweis einer vorsätzlichen Herbeiführung des Verkehrsunfalls kann durch die Sammlung von Hilfstatsachen erfolgen, die den Schluss auf die erforderliche Haupttatsache rechtfertigen, wobei die Hilfstatsachen feststehen müssen, also unstreitig oder bewiesen sein müssen. Dabei ist zum Nachweis der Manipulation keine mathematisch lückenlose Gewissheit erforderlich, sondern es ist auf eine in lebensnaher Gesamtschau vernünftige Gewichtung der Verdachtsmomente abzustellen. Gelingt dies, dann sind der Versicherungsnehmer und der Versicherer gegenüber dem angeblich Geschädigten leistungsfrei.

OLG Oldenburg v. 05.08.2009:
Nach § 152 VVG a.F. haftet der Versicherer nicht, wenn der Versicherungsnehmer den Eintritt der Tatsache, für die er dem Dritten verantwortlich ist, vorsätzlich widerrechtlich herbeigeführt hat. In einem solchen Fall ist der Versicherungsschutz auch im Außenverhältnis zum Geschädigten von vornherein ausgeschlossen. Denn da der Direktanspruch eines im Straßenverkehr durch ein Kraftfahrzeug Geschädigten gegen die Haftpflichtversicherung des Gegners nach § 3 Nr. 1 Pflichtversicherungsgesetz voraussetzt, dass dieser seinerseits einen Anspruch auf Haftpflichtleistungen gegen seine eigene Versicherung hat, entfällt konsequenterweise der Direktanspruch, wenn diese im Verhältnis zum Versicherungsnehmer gemäß § 152 VVG a.F. nicht haftet, weil der Versicherungsnehmer den Verkehrsunfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Vorsatz im Sinne dieser Vorschrift ist derjenige des allgemeinen Zivilrechts, also Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolges. Es genügt, wenn der Handelnde den als möglich erkannten Erfolg billigend in Kauf nimmt.




LG Hagen v. 23.09.2009:
Der mitverklagte Halter, der an einer Unfallmanipulation des Führers seines Fahrzeugs nicht selbst beteiligt war, haftet lediglich für seinen Haftungsanteil aus der allgemeinen Haftungsabwägung. Der Fortfall des Deckungsanspruchs des mitversicherten Fahrers gegen die Pflichtversicherung wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Schadens wirkt nicht zugleich gegen den Halter und Versicherungsnehmer, dem kein vorsätzliches Verhalten zur Last fällt. Insoweit hat eine Abwägung der Verursachungsbeiträge nach § 17 StVG zu erfolgen. Im Rahmen dieser Abwägung muss sich der Halter des von einem der an der Unfallabsprache Beteiligten geführten Fahrzeugs den Verursachungsbeitrag des Führers seines Fahrzeugs nach den allgemeinen Grundsätzen zurechnen lassen. Danach verschmelzen die Verursachungsbeiträge des Halters und des Führers jeweils zu einer Haftungseinheit.

AG Solingen v. 06.01.2017:
Nur bei einer vorsätzlichen Herbeiführung des Schadens durch den Versicherungsnehmer kommt ein Leistungsausschluss des Kfz-Haftpflichtversicherers nach § 103 VVG in Betracht. Ein vorsätzliche Herbeiführung der Gefährdung reicht allein nicht aus.

OLG München v. 17.02.2017:
Auch gegenüber dem Gescädigten ist die Haftung der Kfz-Haftpflichtversicherung ausgeschlossen, wenn der Führer des versicherten Kraftfahrzeugs den Unfall vorsätzlich und widerechtlich verursacht. Ein bedingter Vorsatz ist hierbei ausreichend.

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Bedingter Vorsatz:

OLG Nürnberg v. 02.12.2004:
Gemäß § 152 VVG keine Haftung der Versicherung bei "reglementierendem" bedingt vorsätzlichem Abbremsen

BGH v. 15.12.1970:
Bei § 152 VVG handelt es sich nicht um eine Obliegenheitsverletzung, die den Versicherer nachträglich von seiner Verpflichtung zur Leistung befreit, sondern um einen subjektiven Risikoausschluß, bei dem von vornherein festgelegt ist, daß ein solcher Schadenfall nicht unter den Schutz des Versicherungsvertrages fällt. Diese Begrenzung der Haftung gilt auch gegenüber dem geschädigten Dritten und erfasst auch den mindestens bedingt vorsätzlich handelnden mitversicherten Fahrzeugführer.

OLG Nürnberg v. 02.08.2013:
Der Haftpflichtversicherer ist im Verhältnis zum Versicherungsnehmer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich und widerrechtlich den Schaden des Dritten herbeigeführt hat (§ 103 VVG). Vorsatz - auch im Sinne des § 103 VVG - bedeutet das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolgs; der Handelnde muss also den rechtswidrigen Erfolg seines Verhaltens voraussehen und trotzdem den Willen haben, sich entsprechend zu verhalten; zum Vorsatz gehört auch das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Tat; bedingter Vorsatz genügt. Die Beweislast hierfür liegt beim Versicherer.

OLG München v. 17.02.2017:
Bedingter Vorsatz ist gegeben, wenn der Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs als möglich und nicht völlig unwahrscheinlich erkannt und gebilligt wird. Die Annahme einer Billigung liegt nahe, wenn der Täter sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des betroffenen Rechtsguts durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang und überhaupt das Nichtvorliegen des objektiven Tatbestands vertrauen zu können, und wenn er es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht. In Kauf nimmt der Täter auch einen an sich unerwünschten Erfolg, mit dessen möglichen Eintritt er sich aber abfindet, anders ist es, wenn der Täter ernsthaft - nicht nur vage - darauf vertraut, dass der Erfolg nicht eintritt (Anschluss BGH, 13. Dezember 2001, VII ZR 305/99, NJW-RR 2002, 740).

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Beweislast / Beweiserleichterungen:

Beweislast

BGH v. 25.06.1997:
Will der Versicherer in der Fahrzeugversicherung für den Versicherungsfall "Zerstörung oder Beschädigung durch mut- oder böswillige Handlungen betriebsfremder Personen" nicht leisten, dann hat er die Beweislast dafür, dass der Täter nicht betriebsfremd war. Eine Beweiserleichterung kommt ihm dabei nicht zugute.

OLG Koblenz v. 31.10.2003:
Wurde die Außenhaut eines Wohnwagens unstreitig durch Messerstiche mehrfach mutwillig beschädigt, so ist ohne weiteres ein Versicherungsfall gegeben. Bei Vorliegen eines unstreitigen Versicherungsfalls muss der Kaskoversicherer den Vollbeweis für eine Verursachung der Beschädigung durch den Versicherungsnehmer oder seinen Repräsentanten führen; Beweiserleichterungen kommen ihm dabei nicht zugute.

BGH v. 13.04.2005:
Die volle Beweislast für die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls liegt beim Versicherer, dem allerdings Beweiserleichterungen durch Indizien zugute kommen können.

LG Dortmund v. 02.03.2017:
Die in A.2.3.2 und A.2.3.3 AKB 01.07.2013 geregelten Versicherungsfälle "Unfall" und "mut- oder böswillige Handlungen" überlagern sich teilweise. Wird die Außenhaut eines Fahrzeugs beschädigt, liegen insbesondere bei der Zerkratzung des Lacks in der Vollkaskoversicherung ohne weiteres die Voraussetzungen des Versicherungsfalls "Unfall" vor. Der Versicherer muss die Voraussetzungen des § 81 VVG vortragen und beweisen, um leistungsfrei zu werden, wenn der Versicherungsfall "Unfall" bewiesen ist.

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Selbsttötungsabsicht:

Suizid und Selbsttötungsabsicht

BGH v. 25.06.1997:
Aus der Formulierung „aus den Gefahren des täglichen Lebens“ in Nr 1 der Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Privathaftpflichtversicherung ergibt sich keine Beschränkung des Versicherungsschutzes, die über die in dieser Bestimmung genannten Ausnahmen hinausgeht. Ein Selbstmordversuch fällt in den Bereich der „Gefahren des täglichen Lebens“ mit der Folge der Einstandspflicht des Privathaftpflichtversicherers für durch jenen unbeabsichtigt verursachte Schäden.

OLG Oldenburg v. 05.08.2009:
Zeitlich direkt vor der Fahrt vorgenommene Handlungen (Abschiedsbrief, Internetankündigung, Zerstörung der Wohnung) rechtfertigen allein die Annahme eines Selbsttötungswillens. Auch die Tatsache, dass Bremsspuren fehlen, die auf eine Vermeidung des Unfalls bzw. zumindest Reduzierung der Unfallfolgen schließen ließen, untermauert das billigende Inkaufnehmen des eigenen Todes und spricht gegen einen (nur) grob fahrlässig verursachten Unfall.

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