Das Verkehrslexikon

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Vorbemerkung zu den Haftungsquoten bei den Überholer-/Linksabbieger-Unfällen

Vorbemerkung zu den Haftungsquoten bei den Überholer-/Linksabbieger-Unfällen


Siehe auch Unfälle zwischen Überholer und vorausfahrendem Linksabbieger




Die aus der Rechtsprechung ersichtlichen Haftungsquoten bieten eher ein chaotisches Bild; es werden nahezu alle denkbaren Quoten angetroffen. Zum Teil liegt dies daran, dass offenbar in vielen Urteilen nicht klar genug erkannt wird, zu wessen Lasten Unklarheiten bei der Aufklärung des Sachverhalts gehen (oft ist aus Entscheidungen auch nicht ersichtlich, ob bestimmte Umstände wie z.B. das rechtzeitige Einordnen, das Setzen des Blinklichts usw. festgestellte oder nur unterstellte Tatsachen waren).

Welche extreme Fallgestaltung vorliegen muss, um zu einer Alleinhaftung des Überholers zu gelangen, mag die Entscheidung des OLG München VersR 1975, 1058 verdeutlichen:
"Wer mit einer Geschwindigkeit von mindestens 110 km/h und unter Verletzung einer Überholverbotszone im Bereich einer Abzweigung einen Linksabbieger zu überholen versucht, der sich ordnungsgemäß zur Straßenmitte eingeordnet und rechtzeitig Abbiegezeichen gegeben hat, haftet im Kollisionsfall allein für die Unfallfolgen; die Betriebsgefahr des einbiegenden Fahrzeugs tritt gegenüber der rücksichtslosen Fahrweise des überholenden und der wegen der hohen Geschwindigkeit außerordentlich großen Betriebsgefahr des überholenden Kfz völlig zurück."


Entscheidungen, in denen die volle Haftung dem Linksabbieger auferlegt wurde, scheint es kaum zu geben (was wohl daran liegt, dass die Betriebsgefahr des zum Überholen ausscherenden Fahrzeugs auf Grund der immanenten Gefährlichkeit dieses Vorgangs niemals gänzlich außer acht gelassen wird). Allerdings hat in einem Fall des Abbiegens in ein Grundstück das OLG Düsseldorf VersR 1983, 40 dennoch volle Haftung des Linksabbiegers angenommen:
"Vorbemerkung zu den Haftungsquoten bei den Überholer-/Linksabbieger-Unfällen"Beim Linksabbiegen müssen die erste Rückschau, die Anzeige der Richtungsänderung und das Einordnen zur Fahrbahnmitte so frühzeitig erfolgen, dass sich der nachfolgende Verkehr auf die Situation gefahrlos einstellen kann. ...

Bei Unmöglichkeit rechtzeitigen Einordnens muss der Linksabbieger mit dem Abbiegen notfalls ganz warten, bis alle Nachfolgenden ihn passiert haben.

Im Hinblick auf die vom Einbiegen in ein Grundstück ausgehenden objektiven Gefahren trägt der Abbiegende die Verantwortung für das damit verbundene Verkehrsgeschehen in der Regel allein."


Es kommt also in der Regel zu einer quotalen Haftungsverteilung, die wegen des gegen den Linksabbieger sprechenden Anscheinsbeweises auch recht regelmäßig zu seinen Lasten vorgenommen wird, wenn nicht besondere Umstände zu Lasten des Überholenden vorliegen. Umso erstaunlicher sind aber einige Entscheidungen, die von äußerst geringen Mithaftungsquoten des Linksabbiegers ausgehen.