Das Verkehrslexikon

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VGH München Beschluss vom 23.11.2005 - 11 CS 05.1279 - Zur 15-jährigen Verwertbarkeit von noch nicht gelöschten Altvorfällen im VZR

VGH München v. 23.11.2005: Zur 15-jährigen Verwertbarkeit von noch nicht gelöschten Altvorfällen im VZR


Der VGH München (Beschluss vom 23.11.2005 - 11 CS 05.1279) hat entschieden, dass bei fahreignungsrelevanten Eintragungen im VZR die Tilgungsfrist erst nach einer Anlaufhemmung von höchstens 5 Jahren beginnt:
Auf "altrechtliche" Fristen ist im Rahmen des § 65 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 StVG die Regelung über die Anlaufhemmung nach § 29 Abs. 5 Satz 1 StVG anzuwenden, so dass Alteintragungen bis zu eine Höchstdauer von 15 Jahren verwertbar bleiben.


Siehe auch Stichwörter zum Thema medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU)


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Die ... Straftaten des Antragstellers und das Gutachten vom 20. März 1998 können ihm auch unter Berücksichtigung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Juni 2005 (Az. 3 C 21/04 DAR 2005, 578 und Az. 3 C 25/04 DAR 2005, 581) noch entgegengehalten werden. Dass das Fahreignungsgutachten gemäß § 2 Abs. 9 Satz 2 StVG noch berücksichtigungsfähig ist, hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt. Die Verwertbarkeit der Verurteilung vom 29. November 1996 ergibt sich unmittelbar aus § 65 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 StVG, da die dort bezeichnete Zehnjahresfrist noch nicht abgelaufen ist.

Aber auch die am 2. April 1990 erfolgte Verurteilung nach § 316 StGB unterliegt noch keinem Verwertungsverbot. Da diese strafgerichtliche Entscheidung nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d StVZO in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung in das Verkehrszentralregister einzutragen war und sie nach § 13 a Abs. 2 Nr. 3 StVZO a.F. einer zehnjährigen Tilgungsfrist unterlag (sie mithin vor dem Stichtag "1.1.1999" noch nicht getilgt werden musste), unterfällt auch sie der Übergangsregelung des § 65 Abs. 9 StVG. Gemäß der in § 65 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 StVG in Bezug genommenen Vorschrift des § 52 Abs. 2 BZRG in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung wäre sie, da eine außer in das Verkehrszentral- auch in das Bundeszentralregister einzutragende Straftat inmitten stand, in einem auf Entziehung der Fahrerlaubnis gerichteten Verfahren (die Aberkennung der Befugnis, von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, stellt gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 StVG einen Sonderfall der Entziehung der Fahrerlaubnis dar) grundsätzlich unbefristet berücksichtigungsfähig, wobei § 65 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 StVG die Verwertbarkeit jedoch auf eine Zeitspanne begrenzt, die "einer zehnjährigen Tilgungsfrist entspricht". Da diese Regelung das Ziel verfolgt, hinsichtlich der Verwertbarkeit der vor dem 1. Januar 1999 in das Verkehrszentralregister einzutragenden Tatbestände einen Gleichstand mit der seither geltenden Rechtslage herzustellen (BVerwG vom 9.6.2005, Az. 3 C 21/04, a.a.O., S. 580), und sich nur aus § 29 StVG n.F. entnehmen lässt, was einer zehnjährigen Tilgungsfrist "entspricht" (vgl. auch dazu BVerwG vom 9.6.2005, Az. 3 C 21/04, ebenda), muss im Rahmen des § 65 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 StVG die Regelung des § 29 Abs. 6 StVG über die Ablaufhemmung von Tilgungsfristen ebenso gelten, wie das in der Entscheidung vom 9. Juni 2005 (Az. 3 C 21/04, ebenda) für die Anlaufhemmung nach § 29 Abs. 5 StVG ausgesprochen wurde. Der Gesichtspunkt, dass § 65 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 StVG dazu dient, eine sachlich nicht gerechtfertigte Bevorzugung der unter die Übergangsregelung fallenden Sachverhalte gegenüber Neu- sowie abgeschlossenen Altfällen zu vermeiden (BVerwG vom 12.7.2001 BayVBl 2002, 24/25), spricht ebenfalls für die Anwendbarkeit der Regelung des § 29 Abs. 6 StVG auch auf Sachverhalte, die nach der Übergangsbestimmung zu beurteilen sind. Die Zehnjahresfrist des § 65 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 StVG endet gemäß § 29 Abs. 6 Satz 1 StVG deshalb erst dann, wenn für alle die gleiche Person betreffenden Eintragungen die Voraussetzungen der Tilgung vorliegen. Für die am 29. November 1996 erfolgte Verurteilung zu einer Geldstrafe galt nach § 13 a Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a StVZO a.F. eine fünfjährige Tilgungsfrist, die sich wegen der gemäß § 69 a Abs. 1 Satz 3 StGB verhängten isolierten Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis gemäß § 13 a Abs. 5 Satz 1 StVZO a.F. um acht Monate verlängerte. Auf derartige "altrechtliche" Fristen ist jedoch im Rahmen des § 65 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 StVG die Regelung über die Anlaufhemmung nach § 29 Abs. 5 Satz 1 StVG anzuwenden, so dass die Tilgungsfrist für die Verurteilung vom 29. November 1996 vorliegend erst am 29. November 2001 zu laufen begann. Da sie gegenwärtig noch nicht verstrichen ist, bleibt die strafgerichtliche Entscheidung vom 2. April 1990 so lange verwertbar, als der jüngste eintragungspflichtige Sachverhalt noch nicht tilgungsreif ist.
Hier ein Link zu einer ausführlichen Fassung des Beschlusses des VGH München v. 23.11.2005.



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