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Verwaltungsgericht Neustadt Beschluss vom 25.02.2008- 3 L 157/08.NW - Bei aggressiven Neigungen im Verkehr ist die Entziehung der Fahrerlaubnis gerechtfertigt
VG Neustadt v. 25.02.2008: Zum Entzug der Fahrerlaubnis beim Vorliegen von aggressiven Neigungen
Das Verwaltungsgericht Neustadt (Beschluss vom 25.02.2008- 3 L 157/08.NW) hat entschieden:
Liegen bei einem Verkehrsteilnehmer latente, bei Belastungssituationen auch manifest aggressive Verhaltenstendenzen vor, die sich auch bei der Verkehrsteilnahme gezeigt haben, dann erscheint im Eilverfahren die Entziehung der Fahrerlaubnis als offensichtlich rechtmäßig, auch wenn das Strafverfahren bezüglich der Tat mangels öffentlichen Interesses eingestellt wurde.
Siehe auch Fahrerlaubnisrecht und Aggressionspotential und Stichwörter zum Thema Fahrerlaubnis und Führerschein
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entziehung der Fahrerlaubnis der Klassen BC1E, CE 79 durch Verfügung der Antragsgegnerin vom 30. Januar 2008 wiederherzustellen, kann keinen Erfolg haben.
Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in der angefochtenen Verfügung, es wäre mit dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs (Gefahren für Gesundheit, Leben und Vermögen) unvereinbar, wenn der Antragsteller bis zum Eintritt der Bestandskraft der Verfügung weiter als Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilnehmen könnte, nachdem seine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen gegeben sei, hält sich im Rahmen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis überwiegt vorliegend das private Interesse des Antragstellers, von der Fahrerlaubnis bis zur Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache Gebrauch machen zu können. Dem Interesse des Antragstellers an dem Erhalt der Fahrerlaubnis steht nämlich das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass Personen, die sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen haben, unverzüglich von der aktiven motorisierten Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr ausgeschlossen werden, wie es die Antragsgegnerin in ihrer Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung dargelegt hat.
Das vorrangige öffentliche Interesse folgt auch daraus, dass sich die angefochtene Verfügung beim gegenwärtigen Sachstand aufgrund der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO allein möglichen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweist.
Die Voraussetzungen zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG – i.V.m. § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV – (BGBl. I 1998, S. 2214 ff.) sind im gegenwärtigen Zeitpunkt erfüllt. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies ist hier der Fall. Denn aufgrund des Ergebnisses der medizinisch-psychologischen Begutachtung durch die Begutachtungsstelle für Fahreignung Dr. M.… und Partner GmbH vom 7. Januar 2008 und der Ergänzung vom 28. Januar 2008 steht die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen eines Kraftfahrzeuges zum jetzigen Zeitpunkt, der, da das Verwaltungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, für die Entscheidung maßgebend ist, fest.
Nach dem Ergebnis des vorliegenden Gutachtens aus dem Januar 2008 ist davon auszugehen, dass der Antragsteller derzeit zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Die Gutachter kommen unter „V. Beantwortung der Fragestellung und Empfehlungen“ des Gutachtens zu der Einschätzung, es lägen latente, bei Belastungssituationen auch manifest aggressive Verhaltenstendenzen vor. Empfohlen wird dem Antragsteller, sich eingehender als bisher geschehen mit den Hintergründen der gehäuften Auffälligkeiten auseinanderzusetzen und sich um die Erarbeitung angemessener Verhaltenstechniken zur Vermeidung von Konflikten innerhalb und außerhalb des Straßenverkehrs zu bemühen. Die Inanspruchnahme fachpsychologischer Hilfe sei empfehlenswert.
Dieses Gutachten konnte die Antragsgegnerin ihrer Entscheidung zugrunde legen. Denn die charakterliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges ist nur aufgrund einer umfassenden Würdigung der Gesamtpersönlichkeit zu beurteilen. Sie ist nämlich in besonderem Maße dadurch gekennzeichnet, dass sie kein unveränderliches Persönlichkeitsmerkmal darstellt. Ein wichtiges Hilfsmittel der Erkenntnis, ob Fahreignung gegeben ist, ist eine medizinisch-psychologische Untersuchung. Dieses Hilfsmittel ist deshalb in aller Regel unverzichtbar, da weder die Behörden noch die Gerichte über eigenen Sachverstand verfügen, notwendige medizinisch-psychologische Erkenntnisse selbst zu gewinnen, geschweige denn, das Verhalten eines Menschen selbst einer diesbezüglichen Bewertung zu unterziehen (OVG RP, z.B. Urteil vom 27. Juni 1997 – 7 A 10529/97.OVG –, Fundstelle: ESOVGRP). Dementsprechend kommt einem sachverständig erstellten medizinisch-psychologischen Gutachten ein hoher Aussagewert zu, der nur dann erfolgreich in Zweifel gezogen werden kann, wenn das Gutachten erkennbar Fehler aufweist oder nicht nachvollziehbar ist. Dies ist für das Gericht vorliegend nicht zu erkennen.
Die Gutachter haben nach Darlegung der Voraussetzungen für eine günstige Prognose (S. 3 bis 4 des Gutachtens) und der verkehrspsychologischen Untersuchungsbefunde, die die Angaben des Antragstellers zu seiner Lebenssituation, seiner Verkehrsvorgeschichte sowie seine Erklärungen nach entsprechenden Vorhaltungen der Gutachter zu den einzelnen Vorkommnissen beinhalten (S. 4 bis 10), eine psychologische Bewertung der Einlassungen des Antragstellers vorgenommen, die nicht zu beanstanden ist.
Auch wenn der Antragsteller mit Schreiben vom 1. Februar 2008 der Gutachterstelle erklärte, das Gutachten wegen Mangelhaftigkeit nicht zu akzeptieren, hält das Gericht das Gutachten für verwertbar. Die Gutachter haben in ihrer Stellungnahme vom 28. Januar 2008 auf Nachfrage und Korrektur der Fragestellung durch die Antragsgegnerin, dass nicht Verurteilungen, sondern Straftaten, also Verhaltensweisen, Anlass der Begutachtung seien, ausdrücklich ausgeführt, die Gutachtensaussage beziehe sich auf die Gefahr erneuter unkontrolliert aggressiver Verhaltensweisen und behalte auch für die korrigierte Fragestellung ihre Gültigkeit. Da Grundlage der Erörterung im Rahmen einer Begutachtung und demzufolge auch des Gutachtens immer das Verhalten des zu Untersuchenden ist, kommt es auf dieses und die Einstellung des Betreffenden zu seiner Handlungsweise an.
Die Einstellung der Strafverfahren steht der Verwertung und Würdigung der Straftaten nicht entgegen. Sie erfolgten im vorliegenden Fall nicht, weil sich die Anschuldigungen gegen den Antragsteller als haltlos erwiesen hätten, sondern, wie in dem Widerspruchsschreiben ausgeführt, mangels öffentlichen Interesses. Der gegenüber den Gutachtern erhobene Einwand, das Strafverfahren gegen den Antragsteller wegen des Vorfalls am 5. Juni 2006 sei unter dem „Gesichtspunkt der Notwehr“ eingestellt worden, trifft demgegenüber nicht zu. Laut Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 21. Dezember 2006 (Az: 5487 Js 032109/06) wurde das „Ermittlungsverfahren gegen D.… A. wegen: Gefährliche Körperverletzung“ eingestellt, weil an der Strafverfolgung kein öffentliches Interesse bestehe und im Wege der Privatklage von dem Verletzten verfolgt werden könne.
Für die Beurteilung der Fahreignung des Antragstellers als am gravierendsten erachten die Gutachter den sich im Straßenverkehr ereignet habenden Vorfall am 16. März 2007, während sie den übrigen Vorkommnissen für die zu beantwortende Fragestellung nicht dieselbe Bedeutung beimessen. So heißt es zu dem Vorfall am 5. Juni 2006 (Diskothek), dieser werde nicht weiter kommentiert, da das Strafverfahren eingestellt worden sei. Hinsichtlich des Ereignisses am 25. August 2006 (Pizzeria) erkennen die Gutachter in den Angaben des Antragstellers keine Widersprüche zu den polizeilichen Feststellungen, bemerken aber, dass die Angaben des Antragstellers zum eigenen Verhalten sehr zurückhaltend seien und sicher einiges verschleiert werde.
Die Schlussfolgerung der Gutachter, der Antragsteller verfüge über latente aggressive Verhaltenstendenzen, die in Belastungssituationen auch manifest geworden seien, ist bereits aufgrund des Verhaltens am 16. März 2007 nachvollziehbar. Das an diesem Tag von dem Antragsteller gezeigte Verhalten im Straßenverkehr stellt ohne Zweifel ein aggressives Verhalten dar und belegt die Bereitschaft des Antragstellers zur Eskalation in Belastungssituationen, obwohl er gegenüber den Gutachtern erklärt hatte, während seiner Tätigkeit als Türsteher gelernt zu haben, sich bei provozierendem Benehmen anderer Personen deeskalierend zu verhalten. Ein deeskalierendes Verhalten hat er am 16. März 2007 aber gerade nicht gezeigt. Aufgrund von Aussagen an dem Geschehen unbeteiligter Zeugen steht entgegen der Ausführungen des Bevollmächtigten nämlich fest, dass der Antragsteller einen Schlagstock mit sich führte, als er sein Fahrzeug verließ und zu dem Fahrzeug des Herrn C.… ging. Nicht nur dieser Zeuge, sondern auch zwei weitere Zeugen haben in der Hand des Antragstellers einen Schlagstock gesehen; sie haben ihn übereinstimmend beschrieben und auf Vorhalt bei der Polizei am 16. März 2007 beide verneint, dass es sich um den von dem Antragsteller der Polizei ausgehändigten zusammengerollten schwarzen Schnellhefter gehandelt habe. Einer der Zeugen war von dem Mitführen eines Schlagstocks auch derart schockiert gewesen, dass er unmittelbar nach dem Vorfall anhielt, um sich das amtliche Kennzeichen des Fahrzeugs des Antragstellers zu notieren. Ein irgendwie geartetes Interesse dieser am Geschehen unbeteiligten Zeugen, eine Aussage zum Nachteil des Antragstellers zu machen, ist nicht zu erkennen. Widersprüchlich ist aber die Einlassung des Antragstellers insoweit; während er seinerzeit bei der Polizei einen schwarzen Schnellhefter als vermeintlichen Schlagstock ablieferte, gibt er nunmehr an, eine Tasche zusammengerollt gehabt zu haben, die von den Zeugen als Schlagstock missdeutet worden sein müsse.
Seine jetzige Einlassung, er sei am 16. März 2007 aus seinem Fahrzeug ausgestiegen, um den von ihm erwarteten tätlichen Angriff zu verhindern, überzeugt ebenfalls nicht. Die Antragsgegnerin hat zu Recht darauf hingewiesen, mit einem Verbleiben im Fahrzeug und einem Verriegeln desselben von Innen sei eine Auseinandersetzung am besten zu vermeiden gewesen.
Die Wertung der Geschehnisse am 16. März 2007 und die Würdigung der Einlassungen des Antragstellers dazu und zu den weiteren Vorfällen durch die Gutachter sind in sich widerspruchsfrei und nachvollziehbar.
Bei somit erwiesener Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, ohne dass es auf die Folgen der Entziehung im Privat- und Berufsleben des Betroffenen ankäme (OVG RP, Beschluss vom 11. Juni 2003 – 7 B 10872/03.OVG). ..."