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OLG Köln Urteil vom 19.06.2006 - 16 U 10/06 - Zur Anmietung eines Ersatzfahrzeugs zum Unfalltarif
OLG Köln v. 19.06.2006: Zur Anmietung eines Ersatzfahrzeugs zum Unfalltarif
Das OLG Köln (Urteil vom 19.06.2006 - 16 U 10/06) hat entschieden:
Es liegt kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vor, wenn der Geschädigte, der nicht Inhaber einer Kreditkarte ist, nach einem Verkehrsunfall am 2. Weihnachtstag einen Mietwagen zu einem deutlich über dem Normaltarif liegenden Mietpreis anmietet.
Siehe auch Der Unfallersatztarif
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Im Ansatz zutreffend geht das Amtsgericht davon aus, dass der Kläger gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB von den Beklagten als erforderlichen Herstellungsaufwand den Ersatz der Mietwagenkosten verlangen kann, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Wenn der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, ist er deshalb unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren von mehreren möglichen, den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Dabei kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch die Anmietung eines Kraftfahrzeuges zu einem Unfallersatztarif zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sein, soweit dessen Besonderheiten mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen gegenüber dem „Normaltarif“ höheren Preis rechtfertigen (vgl. BGH Urteil vom 14.02.2006 - VI ZR 32/05 = VersR 2006, 564 f. m.w.N; BGH Urteil vom 04.04.2006 - VI ZR 338/04 m.w.N.).
Ob dies vorliegend der Fall ist, bedarf jedoch - entgegen der Auffassung der Beklagten - keiner gerichtlichen Prüfung.
Auch wenn der von dem Kläger beanspruchte Unfallersatztarif mit Rücksicht auf die Unfallsituation nicht im geltend gemachten Umfang als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne von § 249 BGB anzusehen wäre, kann er im Hinblick auf die gebotene subjektbezogene Schadensbetrachtung (BGHZ 132, 373 ff., 376) den übersteigenden Betrag dennoch ersetzt verlangen, wenn ihm ein günstigerer „Normaltarif“ nicht ohne Weiteres zugänglich war (vgl. BGH VersR 2006, 564 f. m.w.N.).
Hiervon muss im vorliegenden Fall ausgegangen werden.
Der Kläger hat dargelegt, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt ein günstigerer Tarif nicht zugänglich war:
Der Unfall ereignete sich in Aachen am zweiten Weihnachtsfeiertag gegen 22.30 Uhr auf der Rückreise des Klägers, der in Belgien wohnhaft ist. Der Kläger hat durch Vorlage des Gutachtens des Sachverständigen Dr. J vom 09.03.2006, das dieser im Auftrag des Amtsgerichts Düren (41 C 365/05) erstattet hat, konkret dargelegt, dass die Firma T Autovermietung GmbH ausschließlich Mietfahrzeuge zum Unfallersatztarif anbietet und eine umfangreiche fernmündliche Umfrage unter den im Raum Aachen/Düren ansässigen Autovermietbetrieben ergeben hat, dass sämtliche Betriebe, die Fahrzeuge an Selbstzahler zum „Normaltarif“ abgeben, entweder die Vorlage einer Kreditkarte und/oder eine Vorauszahlung in Höhe des voraussichtlichen Mietpreises verlangen. Diesem konkreten Vortrag sind die Beklagten nicht erheblich entgegengetreten. Sie haben keinen einzigen Anbieter genannt, bei dem die Anmietung eines Mietfahrzeuges durch einen selbstzahlenden Kunden ohne die Erfüllung zumindest einer der vorgenannten Bedingungen - insbesondere auch am späten Abend des zweiten Weihnachtsfeiertages - möglich gewesen wäre. Der 25 Jahre alte Kläger seinerseits hat im Termin glaubhaft und von den Beklagten unwidersprochen bekundet, dass er weder über eine Kreditkarte verfüge noch mit einem Einkommen als Lohnlandwirt von maximal 1.000,00 € und ohne nennenswerte Ersparnisse finanziell in der Lage gewesen sei, die Mietwagenkosten im voraus zu entrichten. Ihm war es deshalb weder am Abend des 26.12.2004 noch zu einem späteren Zeitpunkt möglich, ein Mietfahrzeug zu einem günstigeren Normaltarif anzumieten.
Ein Verstoß des Klägers gegen die ihm bei der Schadensbehebung obliegende Schadensminderungspflicht kann mithin nicht festgestellt werden, so dass die Beklagten die Mietwagenkosten zu dem in Anspruch genommenen Unfallersatztarif für den Zeitraum schulden, der objektiv zur Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges erforderlich war, wobei allerdings ersparte Eigenaufwendungen des Klägers in Abzug zu bringen sind, die der Senat mit 10 % in Ansatz bringt. ..."