Das Verkehrslexikon

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- Zur tatbestandsmäßigen Nötigung mit Gewalt durch absichtliches Ausbrechen eines anderen Kfz-Führers

BGH v. 30.03.1995: Zur tatbestandsmäßigen Nötigung mit Gewalt durch absichtliches Ausbrechen eines anderen Kfz-Führers


Der BGH (Urteil vom 30.03.1995 - 4 StR 725/94) hat entschieden:

   Die Annahme einer tatbestandsmäßigen Nötigung mit Gewalt begegnet auch mit Blick auf die Grenzen, die Art. 103 Abs. 2 GG der tatbestandsausweitenden Interpretation setzt (BVerfG aaO Beschlussabdruck S. 23), und unter Berücksichtigung des Wortsinnes des Gesetzes als äußerster Grenze zulässiger richterlicher Interpretation (BVerfG aaO Beschlussabdruck S. 18) keinen Bedenken, wenn - wie hier - ein Kraftfahrer einen anderen Kraftfahrer aus verkehrsfremden Gründen absichtlich durch plötzliches Bremsen zum Anhalten zwingt.

Siehe auch
Nötigung im Straßenverkehrsrecht
und
Stichwörter zum Thema Verkehrsstrafsachen


Aus den Entscheidungsgründen:


" Nach den Feststellungen zu diesem Fall verfolgte der Angeklagte im weiteren Verlauf des oben zu 1. a) geschilderten Geschehens mit dem Pkw einen Lkw, in den sich nach einer körperlichen Auseinandersetzung seine Lebensgefährtin geflüchtet hatte. Er wollte den Lkw durch "Ausbremsen" zum Halten zwingen. Der Angeklagte überholte den Lkw und setzte sich vor ihn. Sodann verringerte er sofort seine Geschwindigkeit bis zum Stillstand, so dass der Lkw-Fahrer ebenfalls stark abbremsen und anhalten musste.




Bei diesem Sachverhalt hat das Landgericht den Angeklagten im Ergebnis zu Recht einer (tateinheitlich mit vorsätzlicher Trunkenheitsfahrt und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis begangenen) Nötigung schuldig gesprochen. Der Angeklagte hat den Lkw-Fahrer mit Gewalt zum Anhalten gezwungen.

Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht die erweiternde Auslegung des Gewaltbegriffs in § 240 Abs. 1 StGB durch die Rechtsprechung kritisiert und im Zusammenhang mit Sitzdemonstrationen als mit Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar beanstandet. Zugleich hat das Bundesverfassungsgericht den Strafgerichten die notwendige Eingrenzung des Gewaltbegriffs in § 240 Abs. 1 StGB aufgegeben (Beschluss vom 10. Januar 1995 - 1 BvR 718/89 u.a. - Beschlussabdruck S. 27).



Der hier zu beurteilende Sachverhalt gibt keinen Anlass zu einer umfassenden Erörterung der von der Rechtsprechung als tatbestandsmäßige Nötigung erfassten Verhaltensweisen im Straßenverkehr (vgl. Lackner aaO § 240 Rdn. 9). Die Annahme einer tatbestandsmäßigen Nötigung mit Gewalt begegnet auch mit Blick auf die Grenzen, die Art. 103 Abs. 2 GG der tatbestandsausweitenden Interpretation setzt (BVerfG aaO Beschlussabdruck S. 23), und unter Berücksichtigung des Wortsinnes des Gesetzes als äußerster Grenze zulässiger richterlicher Interpretation (BVerfG aaO Beschlussabdruck S. 18) keinen Bedenken, wenn - wie hier - ein Kraftfahrer einen anderen Kraftfahrer aus verkehrsfremden Gründen absichtlich durch plötzliches Bremsen zum Anhalten zwingt. Das Bundesverfassungsgericht hat für die Fälle der Sitzdemonstrationen eine verfassungswidrige Überdehnung des Gewaltbegriffs angenommen, weil dort das Verhalten des Täters "lediglich in seiner Anwesenheit besteht und die Zwangswirkung auf den Genötigten nur psychischer Natur ist" (BVerfG aaO Beschlussabdruck S. 25). Das trifft für die Fälle des absichtlichen "Ausbremsens" nicht zu. Hier beschränkt sich das Verhalten des Täters nicht auf seine bloße Anwesenheit; auch geht von seinem plötzlich abgebremsten Fahrzeug nicht nur eine psychische Zwangswirkung aus, vielmehr wirkt der Täter auf die Entschlussfreiheit des nachfolgenden Fahrers (jedenfalls auch) durch die Errichtung eines physischen Hindernisses ein. Sein Verhalten als Gewalt im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB zu begreifen, bedeutet keine Verletzung der von dem Wortsinn des Begriffes gesetzten Grenzen."

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