Auch im innerstädtischen Straßenverkehr kann ein dichtes und bedrängendes Auffahren von solcher Intensität sein, dass sich die Fahrweise des Dränglers als Gewaltanwendung im Sinne des § 240 I StGB darstellt.
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„Am 10. 2. 2004 gegen 8.45 Uhr befuhr der Zeuge A ... mit einem Mercedes A 160 in K von der Straße D kommend in den Kreisverkehr V-Platz ein. Der Zeuge fuhr langsam, weil sich am Rande des Kreisverkehrs auf dem Fahrradstreifen Radfahrer befanden und der Zeuge nach rechts in die X-Straße einbiegen wollte. Bereits auf dem V-Platz kurz vor der Ausfahrt X-Straße fuhr der Angeklagte mit seinem PKW der Marke BMW 5er Reihe dicht auf das Fahrzeug des Zeugen A auf und betätigte die Lichthupe sowie das Signalhorn. Der Zeuge A bog - weiter langsam fahrend - in die X-Straße ein und beschleunigte sein Fahrzeug auf ca. 40 km/h bis 50 km/h. Der Angeklagte bog - weiter dicht hinter dem Fahrzeug des Zeugen A fahrend - ebenfalls in die X-Straße ein. Bis zur Ampelanlage Kreuzung X/Y-Straße, mithin über eine Strecke von knapp 300 m fuhr der Angeklagte so dicht auf das Fahrzeug des Zeugen A auf, dass dieser das Nummernschild sowie den Kühlergrill des Fahrzeugs des Angeklagten durch den Rückspiegel nicht mehr sehen konnte. Während der gesamten Strecke bis zur Kreuzung X/Y-Straße betätigte der Angeklagte permanent die Lichthupe und ein- bis zweimal auch das Signalhorn, um den Zeugen A zu veranlassen, sein Fahrzeug auf die rechte Seite der breiten, aber nicht in Fahrspuren unterteilten Fahrbahn zu lenken. Trotz des dichten Auffahrens konnte der Zeuge A das Betätigen der Lichthupe durch den Seitenspiegel wahrnehmen, weil der Angeklagte leicht nach links versetzt hinter ihm fuhr und mindestens dreimal versuchte, das Fahrzeug zu überholen. Dies war jedoch wegen des herrschenden Gegenverkehrs nicht möglich. Wegen auf der rechten Seite parkender Fahrzeuge konnte der Zeuge A sein Fahrzeug nicht auf die rechte Seite lenken. Vielmehr beschleunigte der Zeuge sein Fahrzeug leicht, um sich von dem Angeklagten abzusetzen. Der Angeklagte fuhr aber weiterhin in der beschriebenen Weise dicht auf. Der Zeuge traute sich nicht zu bremsen, weil er befürchtete, dass der Angeklagte aufgrund des geringen Abstandes mit seinem Fahrzeug auffahren könnte. Vor der Kreuzung X/Y-Straße, deren Lichtzeichenanlage Rot zeigte, ordnete sich der Zeuge A rechts ein, um in die Straße E einzubiegen. Der Angeklagte, der geradeaus in den H-Weg einfahren wollte, setzte sich links neben das Fahrzeug des Zeugen. Beide drehten die Fenster herunter und beschimpften sich gegenseitig. Insoweit ist das Verfahren gegen den Angeklagten beim Amtsgericht eingestellt worden...." |
„Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte zumindest einer versuchten Nötigung gemäß § 22, 23, 240 StGB strafbar gemacht.
Entgegen der Ansicht der Verteidigung kann auch eine bedrängende Fahrweise gegenüber dem Vorausfahrenden unter wesentlicher Unterschreitung des Sicherheitsabstandes im Stadtverkehr Gewalt im Sinne des § 240 I StGB sein. Ebenso wie auf Autobahn oder Bundesstraßen sind entscheidend immer die Umstände des Einzelfalles. Hierbei sind Dauer und Intensität der Zwangseinwirkung und das Maß der dadurch bewirkten Gefährdung des Vorausfahrenden von entscheidender Bedeutung, wobei insbesondere die Örtlichkeit, die Annäherungsgeschwindigkeit und Intensität der Einwirkung auf den Willen des Vorausfahrenden (Kürze des Abstandes, Betätigen von Hupe, Lichthupe, Fahrtrichtungsanzeiger etc.) zu beurteilen sind. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Kriterien hat der Angeklagte vorliegend Gewalt im Sinne des § 240 1 StGB eingesetzt, um den Zeugen A zu bewegen, sein Fahrzeug auf die rechte Seite der Fahrbahn zu lenken, um dem Angeklagten das Uberholen und ein zügigeres Fortkommen zu ermöglichen. Der Angeklagte hat den Zeugen A als Vorausfahrenden von dem Kreisverkehr V-Platz bis zur Kreuzung X/Y-Straße massiv bedrängt. Er ist über eine Strecke von knapp 300 m so dicht auf das Fahrzeug des Zeugen aufgefahren, dass dieser durch den Rückspiegel weder das Nummernschild noch den Kühlergrill des von dem Angeklagten gefahrenen PKW sehen konnte. Er hat permanent die Lichthupe betätigt und hat darüber hinaus einmal im Kreisverkehr und auch später noch ein- bis zweimal auf der X-Straße das Signalhorn betätigt. Ein derartiges Verhalten stellt sowohl von Dauer und Intensität der Zwangseinwirkung als auch vom Maß der dadurch bewirkten Gefährdung des Vorausfahrenden eine Gewalteinwirkung im Sinne des § 240 I StGB dar, da es einen besonnenen Kraftfahrer auch im Stadtverkehr bei einer Geschwindigkeit von 40 km/h bis 50 km/h in Furcht und Sorge zu versetzen vermag."
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"Die Revision kann in der Sache keinen Erfolg haben. Die Urteilsfeststellungen und die Beweiswürdigung tragen den Schuldspruch rechtsbedenkenfrei. Sie sind weder unvollständig oder widersprüchlich noch verstoßen sie gegen die Denkgesetze. Entgegen den Ausführungen der Revision liegen nach den Urteilsgründen die Voraussetzungen für eine Verurteilung wegen versuchter Nötigung durch Anwendung von Gewalt gemäß §§ 240 Abs. 1, 22, 23 StGB vor. Nach einheitlicher Rechtsprechung liegt Gewalt nicht nur bei Anwendung körperlicher Kraft gegenüber dem Opfer vor, durch die ein tatsächlicher oder erwarteter Widerstand gebrochen werden soll, sondern umfasst auch solche Einwirkungen auf den Willen eines anderen, die auf psychischer Kraftentfaltung beruhen, das Opfer körperlich unfähig machen und mithin von diesem nicht nur als seelischer, sondern auch als körperlicher Zwang empfunden werden (OLG Köln, VRS 67, 224). Die Urteilsfeststellungen erfüllen entgegen der Ausführungen der Revision in ihrem Zusammenwirken und in der Gesamtbetrachtung den Gewaltbegriff im Sinne des Nötigungstatbestandes. Nach den Feststellungen der Strafkammer steht fest, dass der Angeklagte bereits mit Betätigung der Lichthupe und des Signalhorns dicht auf das zunächst im Kreisverkehr langsam fahrende Fahrzeug des Zeugen T. auffuhr und die dichte Fahrweise für ca. 300 Meter beibehielt. Durch das Betätigen des Signalhorns und der Lichthupe wollte der Angeklagte den Zeugen T. veranlassen, sein Fahrzeug auf die rechte Fahrbahn zu lenken. Da ein Fahrspurwechsel nicht möglich war, versuchte der Angeklagte mehrfach links an dem Fahrzeug des Zeugen T. vorbeizufahren, was jedoch aufgrund des starken Gegenverkehrs nicht möglich war. Soweit die Revision darauf abstellt, eine Nötigung durch dichtes Auffahren könne lediglich bei Autobahnverkehr erfolgen, geht dies schon deswegen fehl, weil die jeweilige konkrete Verkehrssituation der Beurteilung unterliegt und im Übrigen die Gefahrenquellen im Stadtverkehr in der Regel erheblich vielfältiger sind als im Autobahnverkehr. Dies folgt schon aus der Vielzahl der Verkehrsteilnehmer wie Radfahrer, Fußgänger sowie parkende Fahrzeuge. Der Stadtverkehr verlangt daher nicht weniger die Aufmerksamkeit der Fahrzeugführer als auf Autobahnen. Auch hieraus folgt, dass ein zu dichtes Auffahren im Zusammenspiel mit Lichthupe und dem Betätigen des Signalhorns und den wiederholten riskanten Überholversuchen trotz Gegenverkehrs eine massive Beeinträchtigung des Vorausfahrenden begründet, so dass diese Handlungen geeignet sind, Gefahrensituationen herbeizuführen. Dies muss auch gelten, soweit im Stadtverkehr mit geringeren Geschwindigkeiten gefahren wird als auf Autobahnen, zumal eine besondere Unfallgefahr allein aus der Höhe der Geschwindigkeit nicht herzuleiten ist. ... Die Revision kann auch nicht mit der Argumentation durchdringen, bei den Urteilsfeststellungen fehle es an der Darlegung der Auswirkungen der Gewaltanwendung auf den Geschädigten, weil dieser weder nervös gewesen sei und Fahrunsicherheiten nicht gezeigt habe. Auf den tatbestandlichen Erfolg der Nötigungshandlung kann es hier nicht ankommen, da lediglich eine Verurteilung wegen versuchter Nötigung erfolgt ist. Nach den Feststellungen des Gerichts war die Tathandlung jedenfalls objektiv geeignet, einen entsprechenden Erfolg herbeizuführen. Die Überprüfung des Urteils hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs deckt ebenfalls Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht auf." |