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Landgericht Duisburg Urteil vom 30.08.2007 - 5 S 63/07 - Nach einer Reparatur sind die vollen Reparaturkosten zu ersetzen, wenn das Fahrzeug danach verkauft und nicht noch mindestens 6 Monate behalten wird

LG Duisburg v. 30.08.2007: Lässt der Geschädigte sein unfallbeschädigtes Kfz in einer Werkstatt innerhalb der 130-%-Grenze reparieren, dann sind ihm die vollen Reparaturkosten auch dann zu ersetzen, wenn er das Fahrzeug danach verkauft und nicht noch mindestens 6 Monate in seinem Besitz behält.


Das Landgericht Duisburg (Urteil vom 30.08.2007 - 5 S 63/07) hat entschieden:

   Lässt der Geschädigte sein unfallbeschädigtes Kfz in einer Werkstatt innerhalb der 130-%-Grenze reparieren, dann sind ihm die vollen Reparaturkosten auch dann zu ersetzen, wenn er das Fahrzeug danach verkauft und nicht noch mindestens 6 Monate in seinem Besitz behält.

Siehe auch
Abstrakte bzw. sog. fiktive Schadensabrechnung - Abrechnung auf Gutachtenbasis
und
Integritätsinteresse und Ersatz der Reparaturkosten bis zu 130-% des Wiederbeschaffungswertes - die sog. 130-%-Grenze

Anmerkung: Das Gericht hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Revision zugelassen.

Zum Sachverhalt:


Der Beklagte haftete dem Kläger für einen Verkehrsunfall am 14.09.2006 um 22.10 Uhr im Kreuzungsbereich der Tannenbergstraße / Danziger Straße / Schwartzstraße in Oberhausen dem Grunde nach zu 100 Prozent.

Der vom Kläger beauftragte Sachverständige ermittelte in seinem Gutachten vom 19.09.2006 voraussichtliche Reparaturkosten in Höhe von 5 574,89 € inkl. MWSt bei einem Wiederbeschaffungswert in Höhe von 4 400,00 € inkl. MWSt. und einem Restwert in Höhe von 800,00 € inkl. MWSt. Der Kläger gab das Auto bei der Firma X. zur Reparatur, die unter dem 29.09.2006 einen Betrag in Höhe von 5 650,62 € in Rechnung stellte.




Der Kläger veräußerte sein Fahrzeug im November 2006.

Der Beklagte zahlte statt des von dem Kläger geforderten Betrages in Höhe von 5 650,62 € lediglich 3 505,88 €. Er behauptet, das Fahrzeug des Klägers sei nicht vollständig instand gesetzt worden und ist der Ansicht, der Kläger könne seinen Reparaturaufwand nur dann ersetzt verlangen, wenn die Reparatur fachgerecht durchgeführt worden sei und er sein Fahrzeug mindestens sechs Monate weitergenutzt habe.

Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung in Höhe von 94,12 € und Freistellung von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 46,41 € verurteilt und im übrigen die Klage abgewiesen.

Es hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass eine sechsmonatige Nutzung eines reparierten Fahrzeugs erforderlich sei, um das für eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis erforderliche Integritätsinteresse nachzuweisen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Das Rechtsmittel war erfolgreich.




Aus den Entscheidungsgründen:


"... Der Kläger hat gegen den Beklagten aufgrund des Verkehrsunfalls vom 14.09.2006 einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von insgesamt 7 497,18 Euro. Darauf hat der Beklagte lediglich 5 352,44 Euro gezahlt, so dass sich ein Restanspruch in Höhe von 2 144,74 Euro ergibt. Abzüglich der vom Amtsgericht ausgeurteilten 94,12 Euro kann der Kläger mithin noch 2 050,62 Euro beanspruchen.

Bei der vorstehenden Schadensabrechnung war der Fahrzeugschaden mit 5 650,62 Euro anzusetzen und nicht - wie der Beklagte meint - mit 3 505,88 Euro. Denn der Kläger hat sein Fahrzeug in einer Fachwerkstatt zu diesem Preis reparieren lassen. Dabei hat er sich innerhalb der Grenze von 30 Prozent über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs in Höhe von 4 400,00 Euro bewegt.

Die Argumentation der Beklagten, dass dem Geschädigten nur dann der Integritätszuschlag zugebilligt werden kann, wenn er - neben einer fachgerechten Reparatur - das Fahrzeug mindestens sechs Monate nach dem Unfall weiter nutzt, verfängt nicht.

Der Beklagte kann sich nicht auf das Urteil des BGH vom 23.05.2006, BGHZ 168, 43, stützen. Denn der BGH hat in seinem Urteil über einen Fall entschieden, in dem das verunfallte Fahrzeug überhaupt nicht repariert worden war und der Kläger eine Abrechnung auf der Basis der vom Sachverständigen ermittelten Reparaturkosten vorgenommen hat. Um eine derartige Konstellation geht es im vorliegenden Fall indes gerade nicht, da das Fahrzeug von einer Fachwerkstatt vollständig repariert worden ist.

Soweit der Beklagte demgegenüber eine vollständige Reparatur bestreitet, ist dies nicht hinreichend substantiiert. Er hätte auf der Basis der vom Kläger vorgelegten Rechnung und des Sachverständigengutachtens konkret vortragen müssen, inwieweit keine vollständige Reparatur erfolgt sein soll oder behaupten müssen, dass die Rechnung insgesamt entweder gefälscht oder nur zum Schein ausgestellt worden ist.


Die Schlussfolgerungen, die in den von dem Beklagten vorgelegten Besprechungen des vorgenannten BGH-Urteils gezogen werden, sind jedenfalls für den Fall der fachgerecht durchgeführten Reparatur nicht stichhaltig. Die vom BGH in seinem Urteil herangezogene Entscheidung vom 29.04.2003, VersR 2003, 918, in der er auf die weitere Nutzung des verunfallten Fahrzeugs abstellt, bezieht sich auf eine Billigreparatur und damit gerade nicht auf eine Reparatur in einer Fachwerkstatt. Dass der BGH mithin seine Entscheidung vom 23.05.2006 aus seiner bisherigen Rechtsprechung zum besonderen Integritätsinteresse bei den “130%-Fällen” entwickelt habe, gilt jedenfalls nicht für den hier vorliegenden Fall der fachgerecht durchgeführten Reparatur.

In seiner Entscheidung vom 15.02.2005, mit der der BGH seine Rechtsprechung fortgeführt hat, stellt er für den Fall einer fachgerechten Reparatur, wie sie der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat, denn auch gerade nicht auf eine nachherige längere Nutzung des Fahrzeugs durch den Geschädigten ab. Dies ist auch inhaltlich nachvollziehbar: Denn das Integritätsinteresse, das zu dem 30prozentigen Zuschlag gegenüber dem Wiederbeschaffungswert führt, hat sich durch die teure Reparatur verwirklicht. Einer weiteren Bestätigung durch eine längere Eigennutzung bedarf es deswegen nicht. Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass das Fahrzeug lediglich zum Zwecke eines nachherigen Verkaufs repariert worden ist, um einen möglichst hohen Verkaufspreis zu erzielen. Denn abgesehen davon, dass sich der Geschädigte nicht sicher sein kann, das Fahrzeug zu einem von ihm vorgestellten Preis zu verkaufen, ist gegen eine derartige Verfahrensweise nichts einzuwenden. Denn der Geschädigte würde sich gerade nicht an dem Unfall bereichern, was durch das Abstellen auf die Verwirklichung des Integritätsinteresses verhindert werden soll. Denn es dürfte ausgeschlossen sein, dass der Geschädigte nach der Reparatur des verunfallten Fahrzeugs einen höheren Verkaufspreis erzielen kann, als er wenn er das Fahrzeug ohne Unfall verkauft hätte. Eine Bereicherung des Geschädigten durch die Zahlung der Reparaturkosten liegt ebenfalls nicht vor, da der Geschädigte dieses Geld tatsächlich zur (fachgerechten) Reparatur aufgewandt hat und es daher nicht mehr in seinem Vermögen vorhanden ist.

Darüber hinaus noch eine Weiternutzung durch den Geschädigten zu verlangen, würde das wirtschaftlich zu verstehende Integritätsinteresse mit einem nicht zu verlangenden Affektionsinteresse verwechseln.



Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des OLG Hamm vom 26.04.1993, NJW-RR 1993, 1436. Zwar soll nach dem Leitsatz dieser Entscheidung das Integritätsinteresse dann keine Abrechnung des Geschädigten auf Reparaturkostenbasis rechtfertigen, wenn der Geschädigte seine ursprünglich vorhandene Absicht, den Wagen zu reparieren und weiterzubenutzen, kurz nach dem Unfall aufgibt und an dem reparierten Wagen ein Verkaufsschild anbringt. Indes liegt auch dieser Entscheidung zugrunde, dass verunfallte Wagen gerade nicht durch eine Fachwerkstatt, sondern durch den Geschädigten selbst repariert worden ist. Über die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten hat das OLG Hamm mithin nicht entschieden.

Der Zinsanspruch folgt aus dem Verzug des Beklagten gemäß §§ 286, 288 BGB. Aufgrund des Verzuges des Beklagten hat dieser den Kläger auch von den außergerichtlichen Anwaltskosten freizustellen, die jedenfalls in Höhe von 148,33 Euro angefallen sind.

...

Die Revision war zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat, § 543 Abs. -2 Nr. 1 ZPO. ..."

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