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OLG Köln Urteil vom 14.01.1994 - 19 U 208/93 - Zur Benutzung des Radweges in verkehrter Richtung, wenn der vorhandene Radweg in schlechtem Zustand ist

OLG Köln v. 14.01.1994: Zur Benutzung des Radweges in verkehrter Richtung, wenn der vorhandene Radweg in schlechtem Zustand ist


Das OLG Köln (Urteil vom 14.01.1994 - 19 U 208/93) hat entschieden:
Benutzt ein Rennrad-Fahrer die Fahrbahn der Straße, weil der vorhandene Radweg in so schlechtem Zustand ist, dass er nicht schnell befahren werden kann, so trifft ihn kein (Mit-)Verschulden, weil der Rechswidrigkeitszusammenhang zwischen dem Verstoß und den Folgen fehlt.


Siehe auch Radfahrer im Verkehrsrecht und Stichwörter zum Thema Fahrrad und Radfahrer


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Dem Kläger stehen gegen die Beklagten als Gesamtschuldner aus dem Schadensereignis vom 8.7.1991 die geltend gemachten Ansprüche aus §§ 7, 18 StVG, § 847 BGB und § 3 PflVG zu.

Die Beklagte zu 1) hat beim Abbiegen aus der Einmündung A. auf die B 51 den Vorrang des Klägers entgegen §§ 8 III, 9 III StVO nicht beachtet, indem sie noch vor dem auf der Bundesstraße herannahenden Kläger aus dem Stand anfuhr und einen weiten Linksbogen machte mit der Folge, dass sie sich dem Kläger so sehr näherte, dass dieser beim Ausweichen nach rechts zu Fall kam und sich erhebliche Verletzungen zuzog.

Den Kläger trifft an dem Unfallgeschehen kein Mitverschulden, weil der Unfall allein auf das verkehrswidrige Verhalten der Beklagten zu 1) zurückzuführen ist.

In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob der Radweg sich seinerzeit in einem so schlechten Zustand befand, dass er gar nicht benutzt werden konnte, oder ob lediglich das schnelle Befahren mit einem Rennrad nicht möglich war, der Radweg aber bei reduzierter Geschwindigkeit von dem Kläger hätte benutzt werden können.

In Rspr. und Schrifttum ist anerkannt, dass Radwege in unbenutzbarem Zustand wie tiefem Schnee, Eis, Löchern entgegen § 2 IV StVO nicht benutzt werden müssen und Radfahrer beim Vorliegen eines dermaßen schlechten Zustandes auf den Seitenstreifen oder die rechte Fahrspur ausweichen können (vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 32. Aufl., Rn. 67; Bouska, NZV 1991, 130; OLG Düsseldorf NZV 1992, 290).

Schutzzweck des § 2 IV 2 StVO ist, Radfahrer möglichst weitgehend von der Fahrbahn fernzuhalten und dadurch eine Verkehrsentmischung und Unfallverhütung zu bewirken.

Selbst wenn der Kläger den Radweg bei langsamer Fahrweise hätte benutzen können, fehlte es jedoch an dem Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen seinem Handeln und dem eingetretenen Schaden. Denn es genügt für den Zurechnungszusammenhang zwischen dem verkehrswidrigen Verhalten eines Verkehrsteilnehmers und seiner späteren Beteiligung an einem Verkehrsunfall nicht schon, dass der Unfall ohne den Verkehrsverstoß vermieden worden wäre, weil der Verkehrsteilnehmer sich bei verkehrsordnungsgemäßer Fahrweise nicht an der Unfallstelle befunden hätte (hier, weil der Kläger die Fahrbahn gar nicht benutzt hätte). Vielmehr muss sich in dem Unfall gerade die Gefahr verwirklicht haben, die zu vermeiden dem Verkehrsteilnehmer durch die in Frage stehende Norm aufgegeben war (BGH NJW 1988, 58). Davon kann bei einem krassen Vorfahrtsverstoß des Unfallgegners aber nicht ausgegangen werden. Denn § 2 IV 2 StVO bezweckt die Verhinderung typischer Gefahrensituationen im gemischten Verkehr. Dazu gehört etwa die Gefährdung von Radfahrern mit nicht immer vermeidbar schwankender Fahrlinie infolge zu großer Fahrzeugdichte und zu geringen Seitenabstands, nicht aber die Gefährdung durch vermeidbare Vorfahrtsverstöße anderer Verkehrsteilnehmer.

Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Kläger mit einer unter 50 km/h liegenden Geschwindigkeit die äußerst rechte Fahrbahnseite der an dieser Stelle abschüssigen Strecke. Er war durch sein Trikot auch ohne weiteres als Rennfahrer auszumachen. Die Beklagte zu 1) fuhr nicht nur trotz seines Herannahens auf die Bundesstraße, sondern sie tat dies auch noch in einem so weiten Bogen, dass sie die weitere Geradeausfahrt des Klägers unnötig behinderte und ihn durch ihr Fahrzeug abdrängte und praktisch zwang, weiter nach rechts auszuweichen. ...

Dass sich die beiden Fahrzeuge letztlich nicht berührt haben, ist ohne Belang, da eine Gefährdung durch gefährliches Nahekommen unter Verletzung des gerade dem ungeschützteren Verkehrsteilnehmer ggü. zu beachtenden Seitenabstands schon ausreicht und der Umstand, dass sich der so bedrängte Radfahrer durch Ausweichen nach rechts in Sicherheit zu bringen sucht und dabei stürzt, nicht außerhalb aller Wahrscheinlichkeit liegt.

Der Senat hält wie das LG ein Schmerzensgeld i.H.v. 10 000 DM für angemessen.

Dies nicht nur wegen der schmerzhaften Verletzungen und des langwierigen Heilungsverlaufs, sondern insbesondere auch wegen der im Gutachten des orthopädischen Sachverständigen (SV) Prof. Dr. H. geschilderten Dauerschäden des nervus cutaneus brachii lateralis superior links, der Verschmächtigung der Muskulatur, der Einschränkung der Bewegungsfähigkeit insbesondere für sportliche Betätigungen und des verbleibenden Dauerschmerzes. ...

Der Senat hält die Geltendmachung des Anspruchs unter zeitlicher Beschränkung für zulässig, da der SV zwar den Endzustand der Verletzung für erreicht und eine weitere Heilbehandlung nicht für erforderlich hält, andererseits aber eine sichere Langzeitprognose wegen der denkbaren Entwicklung einer sekundären Arthrose des linken Schultergelenkes nicht stellt. Auch wenn ein weiterer Schmerzensgeldanspruch nur dann gegeben wäre, wenn durch eine derartige Arthrose eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes einträte, scheitern die Feststellungsanträge entgegen der Auffassung der Berufung nicht am fehlenden Feststellungsinteresse. ..."



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