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OLG Celle Urteil vom 15.01.2004 - 14 U 91/03 - Zur Alleinhaftung eines Radfahrers, der mit 30 km/h infolge Unaufmerksamkeit auf das Heck eines gerade anfahrenden Kfz auffährt

OLG Celle v. 15.01.2004: Zur Alleinhaftung eines Radfahrers, der mit 30 km/h infolge Unaufmerksamkeit auf das Heck eines gerade anfahrenden Kfz auffährt


Das OLG Celle (Urteil vom 15.01.2004 - 14 U 91/03) hat entschieden:

  1. Fährt ein Radfahrer infolge Unaufmerksamkeit mit ca. 30 km/h auf einen gerade anfahrenden Pkw auf, obwohl eine ausreichende Ausweichmöglichkeit zum rechten Fahrbahnrand bestanden hat, so trifft ihn die Alleinhaftung; die Betriebsgefahr des Pkw tritt hinter dem überwiegenden Verschulden des Radfahrers zurück.

  2. Es existiert keine Vorschrift, wonach sich ein Autofahrer auf der Straße nach Möglichkeit so einzuordnen hat, dass an der rechten Seite Radfahrer vorbeifahren können.

Siehe auch Radfahrer im Verkehrsrecht und Stichwörter zum Thema Fahrrad und Radfahrer


Aus den Entscheidungsgründen:

" ... a) Der Sachverständige führt anhand der Spurendokumentation (Endstand des Pkw, Splitterfelder der gebrochenen Heckscheibe, Endlage des Kl. ausweislich der Blutspuren auf der Fahrbahnoberfläche, Schmutz- und Sandablagerungen im Bereich der rechten Fahrspur) nachvollziehbar aus, dass sich der Pkw im Zeitpunkt der Kollision parallel zum Fahrbahnverlauf der E. Straße mit einem Seitenabstand von ca. 0,5 m zum rechten Gossenrand befunden habe und das Überholmanöver zweifelsfrei abgeschlossen gewesen sei. Da der KI. in seiner Stellungnahme vom 28. 11 2003 lediglich die Schlussfolgerungen des Sachverständigen, nicht aber die von ihm zugrunde gelegten Anknüpfungstatsachen beanstandet, ist davon auszugehen, dass er die in der Berufungsbegründung erstmals aufgestellte Behauptung, die Fotos in der Ermittlungsakte gäben die tatsächliche Endlage des Pkw nicht wieder, sondern der Bekl. zu 1 habe ihn nach der Kollision noch an den rechten Fahrbahnrand zurückgefahren, nicht aufrechterhält. Zudem ist die Endstellung des Pkw lediglich einer von vielen Aspekten, aus denen der Sachverständige schließt, dass der Überholvorgang zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes abgeschlossen war.

b) Auch die Behauptung des KI., der Bekl. zu 1 habe den Unfall durch abruptes Abbremsen verursacht, ist aufgrund der sachverständigen Feststellungen ausgeschlossen. Anders als die Bekl. behaupten, hat der Pkw zum Zeitpunkt der Kollision zwar nicht gestanden, sondern ist mit einer leichten Anfahrgeschwindigkeit von 5 bis 10 km/h gefahren. Das Fahrzeug hat sich nach dem Zusammenstoß noch etwa 3,5 m nach vorne bewegt. Wäre der Kl. auf das stehende Fahrzeug aufgefahren, so hätte es sich in Anbetracht des Auffahrgewichts von ca. 90 kg und einer Kollisionsgeschwindigkeit des Kl. von etwa 30 km/h, die sich aus den Fahrzeugbeschädigungen und den Verletzungen des Kl. ergibt, mit einer Auslaufgeschwindigkeit von knapp 2 km/h allenfalls noch einen Meter nach vorne bewegen können. Ausgeschlossen ist allerdings, dass der Bekl. zu 1 zum Zeitpunkt der Kollision eine starke Bremsung durchgeführt hat. Die Lage der Kontaktspuren des Fahrrades am Fahrzeugheck lassen sich nur durch einen Anstoß in etwa statischer Höhe des Hecks, die wiederum nur bei einer ganz geringen Fahrgeschwindigkeit gegeben ist, erklären. Bei einer starken Bremsung im Zeitpunkt der Kollision wären die Anstoßspuren wegen der dabei entstehenden dynamischen Achsverlagerung, die zu einer Absenkung der Fahrzeugfront unter gleichzeitiger Anhebung des Fahrzeughecks führt, weiter unten am Heck entstanden. Gegen eine Vollbremsung sprechen außerdem die erforderlichen Geschwindigkeiten der Unfallbeteiligten, um zu einer Auslaufstrecke des Pkw von 3,5 m kommen zu können: der Bekl. zu 1 müsste etwa 25 km/h und der Kl. über 50 km/h gefahren sein, Letzteres ist jedoch ausgeschlossen.

c) Die fehlende Reaktion des Kl. auf das vor ihm langsam anfahrende Fahrzeug des Bekl. zu 1 ist nur durch Unaufmerksamkeit zu erklären, zumal er durchaus Platz zum Aus-weichen gehabt hätte, denn der Seitenabstand zwischen Pkw und Fahrbahnrand betrug einschließlich der Gosse etwa einen Meter (Abstand zwischen Pkw und rechtem Gossenrand 0,5 m, Breite der Gosse ebenfalls 0,5 m)."







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