Das Verkehrslexikon

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OLG Frankfurt am Main Beschluss vom 16.09.1998 - 2 Ws (B) 465/98 OWiG - Ein Radfahrer kann sich nicht auf das Vorfahrtsrecht berufen, wenn er verbotenerweise den an der bevorrechtigten Straße entlangführenden Bürgersteig befährt

OLG Frankfurt am Main v. 16.09.1998: Ein Radfahrer kann sich nicht auf das Vorfahrtsrecht berufen, wenn er verbotenerweise den an der bevorrechtigten Straße entlangführenden Bürgersteig befährt


Das OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 16.09.1998 - 2 Ws (B) 465/98 OWiG) hat entschieden:
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Verkehrsteilnehmer, der aus einem Fußweg in die Fahrbahn einer Straße einfährt, auch gegenüber einem von links kommenden Benutzer dieser Straße nicht vorfahrtsberechtigt ist (vgl. BayObLG, VRS 71, 304). Ein Radfahrer kann sich nicht auf das Vorfahrtsrecht berufen, wenn er verbotenerweise den an der bevorrechtigten Straße entlangführenden Bürgersteig befährt.


Siehe auch Radfahrer im Verkehrsrecht und Stichwörter zum Thema Fahrrad und Radfahrer


Zum Sachverhalt: Die Betr. befuhr mit ihrem Pkw die S.-Straße aus Richtung F.-Straße. Sie wollte nach links in die B.-Straße abbiegen. Als die LZA für ihre Fahrtrichtung grünes Licht anzeigte, ließ sie den Gegenverkehr passieren, überquerte den Fahrradweg der S.-Straße und bog mit einer Geschwindigkeit von ca. 20 km/h nach links in die B.-Straße ein. In Höhe der Fußgängerfurt kam ihr von rechts aus Richtung S.-Straße die mit dem Fahrrad auf dem Gehweg fahrende Zeugin E entgegen. Diese überquerte fahrend die Fußgängerfurt bei Grünlicht, wobei es in der Mitte der Furt zur Kollision mit dem Fahrzeug der Betr. kam. Die Zeugin erlitt Verletzungen, ihr Fahrrad wurde beschädigt.

Das AG hat gegen die Betr. wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit nach den §§ 1 II, 9 III, 49 StVO eine Geldbuße von DM 90 festgesetzt.

Der Antrag der Betr. auf Zulassung der Rechtsbeschwerde hatte einen Teilerfolg.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache nur teilweise Erfolg. Die vom AG getroffenen Feststellungen tragen nicht den Schuldspruch wegen einer fahrlässigen Vorfahrtsverletzung gem. § 9 III 1 StVO.

Der geschädigten Zeugin stand kein Vorfahrtsrecht gegenüber der Betr. nach § 8 I StVO zu. Die Einräumung eines Vorfahrtsrechts durch die StVO gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern bezieht sich grundsätzlich nur auf diejenigen Straßenteile, die für den Verkehr mit Fahrzeugen freigegeben sind und in erlaubter Weise benutzt werden. Ein Recht zur Vorfahrt ist dann begrifflich ausgeschlossen, wenn es schon an einem Recht zum Fahren mangelt (vgl. BGH, NJW 1982, 334). Abgesehen von der vorgeschriebenen Benutzung des Gehwegs für Kinder unter 8 Jahren gem. § 2 V StVO ist dieser den Fußgängern vorbehalten (§ 25 I StVO) und darf nicht von Fahrzeugen benutzt werden. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Verkehrsteilnehmer, der aus einem Fußweg in die Fahrbahn einer Straße einfährt, auch gegenüber einem von links kommenden Benutzer dieser Straße nicht vorfahrtsberechtigt ist (vgl. BayObLG, VRS 71, 304). Ein Radfahrer kann sich nicht auf das Vorfahrtsrecht berufen, wenn er verbotenerweise den an der bevorrechtigten Straße entlangführenden Bürgersteig befährt (OLG Hamm, VersR 1987, 1246f.). Ebensowenig ist ein Linksabbieger gegenüber einem Mofa wartepflichtig, das im Gegenverkehr vom Gehweg auf die Fahrbahn fährt (KG, 12. ZS, VerkMitt 1990, 35 f.). Da die Zeugin trotz einer vorhandenen Radwegführung mit ihrem Fahrrad von dem Gehweg der S.-Straße in die Fußgängerfurt zur Überquerung der B.-Straße einfuhr, stand ihr gegenüber der Betr. ebenfalls kein Vorfahrtsrecht zu.

Die fehlende Vorfahrtsberechtigung der Zeugin ist aber nicht gleichbedeutend mit einem Wegfall sämtlicher straßenverkehrsrechtlicher Sorgfaltspflichten für die nach links abbiegende Betr.

Aufgrund der allgemeinen Sorgfaltspflicht aus § 1 II StVO war die Betr. gehalten, auch auf - unter Umständen verkehrswidrig handelnde - Benutzer des Gehwegs zu achten. Dies hat auch das AG rechtsfehlerfrei festgestellt.

Der Rechtsfolgenausspruch kann nach dem Wegfall des von dem AG tateinheitlich angenommenen Verstoßes gegen § 9 III 1 StVO keinen Bestand haben. Es bleibt allein § 1 I BKatV i. V. mit Nr. 13 BKat anwendbar. Hierdurch werden auch Verstöße gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht aus §§ 1 II, 49 I Nr. 1 StVO beim Abbiegen ohne Vorfahrtsverletzung erfasst. Da keine weiteren tatsächlichen Feststellungen zu treffen sind, kann der Senat gem. § 79 VI OWiG in der Sache selbst entscheiden und die danach vorgesehene Regelgeldbuße von DM 80 verhängen. ..."



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