Das Verkehrslexikon
Verwaltungsgericht Hamburg Urteil v. 29.05.2001 - 14 VG 4363/00 - Sicherstellung und Vernichtung eines Radarwarngeräts
VG Hamburg v. 29.05.2001: Zur Sicherstellung und Vernichtung eines Radarwarngeräts
Das Verwaltungsgericht Hamburg (Urt. v. 29.05.2001 - 14 VG 4363/00) hat entschieden:
Ein betriebsbereit im Kfz mitgeführtes Radarwarngerät stellt unabhängig von der fernmelderechtlichen Zulässigkeit eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar und unterliegt der Beschlagnahme und der anschließenden Vernichtung.
Siehe auch Radarwarngerät - Radarwarner - Radardetektoren und Beschlagnahme und Sicherstellung von Fahrzeugen in den verschiedenen Verfahrensarten
Zum Sachverhalt:
Der Kläger wurde am 6.4.2000 bei einer Geschwindigkeitsübertretung von rund 25 km/h mit seinem Pkw von der Polizei gestellt. Ihm war ein ziviler Streifenwagen gefolgt, der die Geschwindigkeit mit der Meßmethode „Provida“ festgestellt hatte. Während des Nachfahrens war den Polizeibeamten ein Gegenstand aufgefallen, der sich im Fahrzeug des Klägers vor der Frontscheibe befand. Nach Darstellung der Polizeibeamten befand er sich dort nicht mehr, als sie den Kläger angehalten hatten. Nachdem der Kläger ausgestiegen war, sei ihnen beim Kläger eine ausgebeulte Hosentasche aufgefallen, aus der ein Spiralkabel mit Stecker für den Zigarettenanzünder herausgehangen habe. Als sie den Kläger aufgefordert hätten, ihnen sein „Radarwarngerät“ zu zeigen, habe er es ihnen widerspruchslos ausgehändigt. Es sei dann gegen Quittung sichergestellt worden. Der Kläger habe später bei telefonischen Nachfragen den Wert des Geräts mit 1.500,-- DM angegeben.
Die Beklagte ordnete mit Bescheid vom 29.5.2000 die Fortdauer der Sicherstellung, die anschließende Vernichtung des Radarwarngeräts sowie die sofortige Vollziehung der Fortdauer der Sicherstellung an.
Der Kläger erhob hiergegen erfolglos Widerspruch und schließlich Anfechtungs- und Herausgabeklage.
Die Klage blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Das Radarwarngerät des Klägers ist eine Sache, deren Sicherstellung „zur Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ...“ gemäß § 14 Abs. 1 Buchst. a) des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung - SOG - vom 14.3.1966 (GVBl. S. 77, mit späteren Änderungen) geboten ist. Die Beklagte hat die Gefahr zutreffend darin gesehen, dass ein solches Gerät es seinem Benutzer ermöglicht, außerhalb radarüberwachter Strecken mit unerlaubt hoher Geschwindigkeit zu fahren, ohne befürchten zu müssen, von der Polizei registriert zu werden, jedenfalls soweit die Geschwindigkeitskontrollen mittels Radarmessgeräten erfolgen. Für diese Bewertung ist es rechtlich unerheblich, dass das Radarwarngerät des Klägers bzw. seine Geschwindigkeitsübertretung gerade mit einer anderen Methode, nämlich dem Nachfahren mit einem ungekennzeichneten Streifenwagen, festgestellt worden ist. Entsprechendes gilt für die Tatsache, dass Radarwarngeräte in großstädtischen Gebieten wegen der vorhandenen Bebauung oft nur unvollkommen funktionieren. Rechtlich ausschlaggebend und ausreichend ist, dass das Gerät es seinem Benutzer ermöglicht, undiszipliniert mit überhöhter Geschwindigkeit zu fahren und damit, wie durch öffentliche Statistiken und Verlautbarungen (wie sie zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind) zweifelsfrei zu belegen ist, potentiell die wichtigste Ursache für Unfälle im motorisierten Straßenverkehr zu setzen. Hinzu kommt als Nebenwirkung, dass zu schnell fahrende Autofahrer erfahrungsgemäß auch andere Fahrzeugführer dazu verleiten, ihnen zu folgen.
Würde gegen die Benutzung von Radarwarngeräten nicht eingeschritten, so würde die Geschwindigkeitsdisziplin, die weitgehend auf der präventiven Wirkung einer verdeckten polizeilichen Kontrolle beruhen dürfte, bei vielen Verkehrsteilnehmern an Gewicht verlieren und dieses besonders gewichtige Gefahrenpotential erhöhen.
Die Gefahr ist bzw. war auch „unmittelbar“ im Sinne von § 14 Abs. 1 Buchst. a) SOG, als dem Kläger das Gerät abgenommen wurde, denn es konnte jeder Zeit durch einfaches Einführen des Steckers in die Anschlussdose des Zigarettenanzünders im Fahrzeug in Betrieb genommen werden. Dies war nach der Lebenserfahrung auch eindeutig die Absicht des Klägers, da ein anderer Zweck des mitgeführten Gerätes nicht ersichtlich und auch vom Kläger nicht geltend gemacht worden ist. Letztlich spricht auch der nicht unerhebliche Preis des Gerätes von rund 1.598,-- DM (so die Angabe in der Klagschrift) für die Absicht, davon auch Gebrauch zu machen. Wenn der Kläger schließlich vortragen lässt, er habe sich vor „Radarfallen“ bzw. „Abzockmethoden“ schützen wollen, unterstreicht das nur seinen Nutzungswillen und gerade auch seine nicht hinnehmbare Einstellung gegenüber notwendigerweise (auch) verdeckten Geschwindigkeitskontrollen mittels Radarmessgeräten.
Das Gericht hält diesen Gefahrengrad für hinreichend „unmittelbar“, um die Sicherstellung des Gerätes zu rechtfertigen. Wenn darüber hinaus gelegentlich unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.2.1974 (I C 31.72 = E 45, 51 ff., 58) verlangt wird, die Gefahr müsse „sofort und fast mit Gewissheit (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) zu erwarten“ sein (so VG Hamburg B.v. 7.11.1979 - VIII VG 2070/79 = GewArch 81, 277 ff., 278, betreffend verbotene Funksprechgeräte), so sind daraus nach Überzeugung des erkennenden Gerichts jedenfalls für den vorliegenden Fall keine höheren Anforderungen als die dargelegten abzuleiten, wobei nicht unberücksichtigt bleiben darf, dass der vom Bundesverwaltungsgericht entschiedene Fall die In-Gewahrsamnahme einer Person betraf (vgl. dazu § 13 Abs. 1 Nr. 2 SOG).
Auf die fernmelderechtliche Zulässigkeit des Betriebs von Radarwarngeräten kommt es nicht an, da es dabei um einen anderen Regelungsbereich geht. Auch der darauf gegründete gute Glaube des Klägers nötigt nicht zu einer anderen polizeirechtlichen bzw. straßenverkehrsrechtlichen Beurteilung, um die es hier allein geht. Allerdings ist die Widersprüchlichkeit nicht zu verkennen, die darin liegt, dass Radarwarngeräte zwar verkauft werden dürfen (und in Fachzeitschriften sogar über ihre Qualität berichtet werden darf), in Deutschland aber der polizeilichen Einziehung unterliegen, wenn sie betriebsbereit in einem Fahrzeug entdeckt werden. Sollte der Kläger hierüber von seinem Verkäufer falsch informiert worden sein, mag er unter Umständen zivilrechtliche Ansprüche gegen diesen geltend machen können.
Für die Zukunft dürfte sich das Problem allerdings durch die aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 19.3.2001 (BGBl. I S. 386) neu geschaffene Ermächtigung in § 6 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. i) StVG zum Erlass einer gerade gegen die Benutzung von Radarwarngeräten gerichteten Verordnung erledigen.
Auch die Anordnung der Vernichtung des Geräts gemäß § 14 Abs. 6 Buchst. b) SOG ist rechtlich nicht zu beanstanden. Ein Gebrauch des Geräts zu einem nicht im oben dargelegten Sinne gefährlichen Zweck ist nicht ersichtlich. Dass der Kläger das Gerät nach Rückgabe in Zukunft nicht mehr in seinem Fahrzeug mitführen würde - was der Lebenserfahrung eindeutig widersprechen dürfte - oder er es etwa in ein Land verkaufen - und tatsächlich dorthin schaffen - würde, in dem der Gebrauch erlaubt ist, hat er nicht vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht. Unabhängig davon dürfte die Überwachung eines solchen Verhaltens auch einen unverhältnismäßigen Kontrollaufwand seitens der Beklagten erfordern.
In einem im wesentlichen gleichgelagerten Fall hat das Verwaltungsgericht Hamburg schon im Jahre 1980 ebenso wie hier entschieden (U.v. 9.9.1980 - X VG 1959/79 -, auf Sprungrevision bestätigt durch BVerwG U.v. 18.9.1984 - 1 C 154.80 = GewArch 86, 39 f.). ..."