Das Verkehrslexikon

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OLG Düsseldorf Beschluss vom 31.01.1990 - 5 Ss (OWi) 416/89 - Verbotenes Rechtsüberholen bei Benutzung einer nur für die Ausfahrt bestimmten Fahrspur

OLG Düsseldorf v. 31.01.1990: Verbotenes Rechtsüberholen bei Benutzung einer nur für die Ausfahrt aus der Autobahn bestimmten Fahrspur


Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 31.01.1990 - 5 Ss (OWi) 416/89 - (OWi) 170/89 I) hat entschieden:
Wird der Verkehrsfluss auf einer Autobahn durch Schilderbrücken mit spurbezogenen Weisungen in zwei verschiedene Richtungen gelenkt, so darf auf dem rechts abzweigenden Fahrstreifen nur dann schneller als die auf dem durchgehenden Fahrstreifen bleibenden Fahrzeuge gefahren werden, wenn der Fahrzeugführer auch tatsächlich rechts abbiegen will; schert er nach dem Rechtsüberholen wieder auf die linke Fahrspur ein, so verstößt er gegen StVO § 5 Abs 1.


Siehe auch Rechtsüberholen und Stichwörter zum Thema Überholen


Zum Sachverhalt: Der Betroffene befuhr am 14.März 1989 in N die Bundesautobahn A 57, von der Anschlussstelle N H kommend, in Fahrtrichtung K K. Er hatte vor, in Richtung K zu fahren. Die Bundesautobahn A 57 D -K /K ist in N im Streckenabschnitt Kilometer 2,0 bis Kilometer 0,4 (Anschlussstelle N -H / Autobahndreieck N) dreispurig ausgebaut. Die Fahrstreifen sind durch Leitlinien getrennt. Bei Kilometer 1,5 ist eine Schilderbrücke aufgestellt (fahrstreifen-gegliederter Vorwegweiser) mit spurbezogener Wegweisung. Für die erste Spur von rechts weist sie durch Rechtspfeil in Richtung K, für die mittlere und linke Fahrspur durch jeweils senkrechten Pfeil in Richtung K/A. Ferner trägt sie die Aufschrift "1000 m". Die gleiche Schilderbrücke folgt bei Kilometer 0,5 mit der Aufschrift "500 m". Die rechte Fahrspur wird ab Kilometer 0,5 von der mittleren Spur durch eine verbreiterte Leitlinie getrennt. Bei Kilometer 0,3, 0,2 und 0,1 befinden sich am rechten Fahrbahnrand Baken, die jeweils mit der entsprechenden Entfernung die Nähe der Abzweigung in Richtung K ankündigen. Auf der rechten Fahrspur sind in diesem Bereich zwei Rechtspfeile nacheinander gekennzeichnet. Bei der Auffahrt auf die Autobahn bemerkte der Betroffene, dass auf der mittleren und linken Fahrspur zähfließender Kolonnenverkehr mit zeitweiligem Stillstand herrschte. Die Geschwindigkeit der Fahrzeuge, die sich in der Kolonne bewegten, lag zwischen 20 und 30 km/h. Die rechte und von dem Betroffenen benutzte Fahrspur war frei. Auf dieser Spur fuhr er mit einer Geschwindigkeit von 40 bis 50 km/h und an den beiden Schilderbrücken bei Kilometer 1,5 und 0,5 vorbei. Er wusste, dass die von ihm benutzte Fahrspur in Richtung K führte. Weil er in Richtung K weiterfahren wollte, scherte er bei Kilometer 0,450 auf die mittlere Fahrspur in eine dort befindliche Lücke zwischen Fahrzeugen ein. Der zähflüssige Kolonnenverkehr auf der mittleren und linken Fahrspur hatte sich noch nicht aufgelöst. Der Betroffene fuhr dann weiter in Richtung K.

Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen wegen verbotenen Rechtsüberholens. Seine hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde war erfolglos.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Mit Recht hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 StVO verurteilt.

a) Gemäß § 5 Abs.1 StVO ist grundsätzlich links zu überholen. Das Rechtsüberholen ist nur in bestimmten gesetzlich geregelten Ausnahmefällen erlaubt. Solche Ausnahmen des erlaubten Rechtsüberholens sind:
  1. Eingeordnete Linksabbieger sind rechts zu überholen (§ 5 Abs.7 Ziff.1 StVO)

  2. Schienenfahrzeuge sind rechts zu überholen (§ 5 Abs.7 Satz 2 StVO)

  3. Bei einer Verkehrsdichte, die zur Fahrzeugschlangenbildung führt, darf rechts schneller als links gefahren werden (§ 7 Abs.2 StVO)

  4. Bei einer Fahrzeugschlange auf dem jeweils linken Fahrstreifen darf ein Fahrzeug auf der rechten Spur mit geringfügig höherer Geschwindigkeit und äußerster Vorsicht rechts überholen (§ 7 Abs.2 a StVO)

  5. Personenkraftwagen und Lastkraftwagen dürfen innerhalb geschlossener Ortschaften bei mehreren Fahrstreifen für eine Richtung rechts schneller als links fahren (§ 7 Abs.3 Satz 2 StVO)

  6. Wo Lichtzeichen den Verkehr regeln, darf nebeneinander gefahren werden, auch wenn die Verkehrsdichte es nicht rechtfertigt (§ 37 Abs.4 StVO)

  7. Bei markierten Fahrstreifen mit Richtungspfeilen dürfen eingeordnete Fahrzeuge rechts überholt werden (§41 Abs.3 Ziff.5 StVO)

  8. Auf markierten Beschleunigungsstreifen darf schneller als auf den anderen Fahrstreifen gefahren werden (§42 Abs.6 Ziff.1 e StVO).

  9. Auf rechts abzweigenden Fahrstreifen darf schneller als auf den durchgehenden Fahrstreifen gefahren werden (§ 42 Abs.6 Ziff.1 f StVO)
Keiner dieser Fälle liegt hier vor.

b) Der Betroffene kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe rechts überholen dürfen, die Ausnahmetatbestände der §§ 7 Abs.2 bzw. 2a StVO lägen vor. Damit verkennt er die durch die örtlichen Verhältnisse bedingte Verkehrssituation.

aa) Durch die ab Kilometer 1,5 aufgestellten Schilderbrücken mit spurbezogenen Weisungen wird der Verkehrsfluss auf der Autobahn A 57 in zwei verschiedene Richtungen gelenkt. Verkehrsbeobachtungen haben gezeigt, dass durch ein derartiges System der Vorsortierung in Verbindung mit den Wegweisungen auf den Schildern die Zahl der Unfälle zurückgegangen ist und Stauungen vermieden werden können (vgl. OLG Frankfurt NJW 1983, 128; vgl. auch Begr. zur 9. Verordnung zur Änderung der StVO, zu Nr. 32 Buchstabe d, Buchstaben bb und cc VBl. 88, 227). In den durch Aufstellung von fahrstreifengegliederten Vorwegweisern geschaffenen Vorsortierräumen kann der Verkehr aber nur dann ungehindert fließen, wenn es zulässig ist, einen Verkehrsteilnehmer zu überholen, der weiter links auf einem Fahrstreifen fährt, der einer anderen Richtung zugeordnet ist. Auch vom Gebot des Rechtsfahrens muss in weiterem Umfang abgewichen werden können. Nur unter diesen Voraussetzungen führt die verkehrslenkende Maßnahme zu dem beabsichtigten Erfolg (vgl. OLG Frankfurt a.a.O., Seite 129). Diese grundlegende Entscheidung des OLG Frankfurt hat den Gesetzgeber dazu veranlasst, die Vorschrift des § 42 Abs. 6 Ziff. 1 f in die Straßenverkehrsordnung aufzunehmen (vgl. Begr. a.a.O. S. 227).

bb) Hieraus folgt, dass sich der Betroffene ab Kilometer 1,5 nicht auf einer "normalen" rechten Fahrspur, sondern auf einem rechts abzweigenden Fahrstreifen im Vorsortierraum der Bundesautobahn A 57 befunden hat. Dort hätte er nur dann schneller als die auf den durchgehenden Fahrstreifen bleibenden Fahrzeuge fahren dürfen, wenn er auch tatsächlich in Richtung Köln hätte abbiegen wollen. Für diesen Fall könnte sich der Betroffene auf den Ausnahmetatbestand des § 42 Abs.6 Nr.1 f StVO berufen.

Dies wollte der Betroffene jedoch nicht. Vielmehr wollte er in Richtung Krefeld weiterfahren.

Das Rechtsüberholen des Betroffenen im Bereich der fahrstreifengegliederten Vorwegweiser diente also nicht dem Zweck, den Verkehrsfluss nicht zu behindern und eine ungehinderte Vorsortierung zu ermöglichen. Vielmehr wollte der Betroffene auf Kosten anderer Verkehrsteilnehmer schneller als diese vorankommen. Ein solches Verhalten fällt nicht unter die Ausnahmeregelung vom Verbot des Rechtsüberholens. Es ist verbotenes Rechtsüberholen gemäß § 5 Abs.1 StVO (vgl. OLG Frankfurt a.a.O., 129).

Dafür, dass dem Betroffenen ein rechtzeitiges Einfädeln nicht möglich gewesen sei, weil kein anderer Fahrer eine Lücke gelassen habe, bietet das Urteil keinen Anhalt. ..."