Das Verkehrslexikon

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Kammergericht Berlin Urteil vom 17.05.1979 - 22 U 702/79 - Zum Anfang des Reißverschlusses und zum Verhalten beim Reißverschlussverfahren KG Berlin v. 17.05.1979: Zum Anfang des Reißverschlusses und zum Verhalten beim Reißverschlussverfahren

Das Kammergericht Berlin (Urteil vom 17.05.1979 - 22 U 702/79) hat entschieden:

   Der Beginn des "Reißverschlusses" liegt auf dem freien Fahrstreifen, es sei denn, der auf dem blockierten Fahrstreifen Fahrende hat vor dem Nachfolgenden einen solchen Vorsprung, daß er den Fahrstreifenwechsel ohne Gefährdung des Nachfolgenden ausführen kann. Auch wenn die Voraussetzungen eines Spurwechsels nach dem Reißverschlußverfahren vorliegen, darf der Spurwechsler nicht darauf vertrauen, daß ihm der Benutzer des durchgehenden Streifens den Vortritt einräumt, sondern muß durch allmähliches, spitzwinkliges Hinübersetzen, vorherige Rückschau und Richtungszeichen deren Gefährdung vermeiden (Haftungsquote 3/4 zu 1/4 zu Gunsten des Bevorrechtigten).


Siehe auch
Reißverschlussverfahren
und
Stichwörter zum Thema Autobahn


Zum Sachverhalt:

Der rechte von zwei Fahrstreifen war durch einen parkenden Tanklastzug unbefahrbar. Der Engstelle näherte sich der spätere Kläger mit seiner Taxe auf dem linken Fahrstreifen. Rechts daneben fuhr der VW-Bus des späteren Beklagten. Es kam zur Kollision.

Nach dem Urteil des KG hatte der links fahrende Taxifahrer den Vorrang, weil das Taxi auf dem durchgehenden Fahrstreifen das erste Fahrzeug war, weshalb der rechts fahrende VW-Busfahrer ihn vorlassen mußte, ganz gleich wie weit er sich der Verengung bereits genähert hatte. Weil der Taxifahrer auf sein Vorrecht nicht verzichtete, obwohl er wahrnahm, daß der VW-Bus mit unverminderter Geschwindigkeit auf die Engstelle zufuhr und also mit einem Fahrstreifenwechsel von rechts nach links rechnen mußte, hat das KG dem Taxifahrer lediglich eine Mithaftungsquote von ¼ auferlegt.





Aus den Entscheidungsgründen:


"... Die Anwendung des Reißverschlußverfahrens bedeutet, daß sich das am Weiterfahren in seinem Fahrstreifen gehinderte Fahrzeug nach und nicht vor einem auf dem durchgehenden benachbarten Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug einordnen darf (KG 2. Strafsenat, Beschl. v. 10.10.1977, VRS 54, 215 ...). Der Beginn des "Reißverschlusses" liegt also auf dem freien Fahrstreifen, es sei denn, der auf dem blockierten Fahrstreifen Fahrende hat vor dem Nachfolgenden einen solchen Vorsprung, daß er den Fahrstreifenwechsel ohne Gefährdung des Nachfolgenden ausführen kann. Auch wenn die Voraussetzungen eines Spurwechsels nach dem Reißverschlußverfahren vorliegen, darf der Spurwechsler nicht darauf vertrauen, daß ihm der Benutzer des durchgehenden Streifens den Vortritt einräumt, sondern muß durch allmähliches, spitzwinkliges Hinübersetzen, vorherige Rückschau und Richtungszeichen deren Gefährdung vermeiden (Cramer, Straßenverkehrsrecht, Band I, 2. Aufl., § 7 StVO Rdnr. 44; Mühlhaus, StVO, 8. Aufl., § 7 Anm. 54).



Gegenüber dem schweren Vorwurf, welcher dem Bekl. zu 1) - das war der VW-Busfahrer - gem. § 7 Abs. 4 und 5 StVO zu machen ist, wiegt das Fehlverhalten des klägerischen Fahrers (Taxi) verhältnismäßig gering. Ihm ist als Verschulden vorzuwerfen, daß er die Gefahr auf sich zukommen sah und dennoch nichts zu ihrer Abwendung tat. Es mag sein, daß er die vom Bekl. zu 1) - möglicherweise - gegebenen Blinkzeichen nicht bemerkte, da er sich in einer parallelen Position befand, jedenfalls drängte sich nach der konkreten Verkehrslage der Argwohn auf, der Bekl. zu 1) werde angesichts des großen, weithin sichtbaren Hindernisses nach links ausweichen und das Vorrecht der Kraftdroschke nicht achten. Die Verkehrslage war unklar, da der von dem Bekl. zu 1) gesteuerte VW-Bus schnell anfuhr und sich bei Annäherung an den Lastzug nicht zurückfallen ließ, sondern neben der Taxe blieb. Gem. § 11 Abs. 2 und § 1 Abs. 2 StVO gebot die Verkehrslage dem Kraftdroschkenfahrer, auf seinen Vorrang zu verzichten. Bei der Abwägung der Verursachungsanteile und unter Berücksichtigung des Verschuldens gemäß §§ 17 Abs. 1 Satz 2 StVG, 254 BGB beträgt die auf die Bekl. entfallende Quote ¾, der Kl. muß ¼ seines Schadens selbst tragen. ..."

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